Weiterhin steigender Gebrauch von Funkzellenabfragen bei anhaltend miserabler Informationspolitik

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Wir brauchen Transparenz und eine wissenschaftliche Evaluation der Effizienz von Funkzellenabfragen, stillen SMS und Co!

Bild Matthias Penke/Flickr CC BY-NC-ND 2.0Die Anzahl der durchgeführten Funkzellenabfragen in NRW steigt weiter an: Von 138 in 2010, 2.674 in 2011, über 3.545 in 2012, waren es 4.145 in 2013. Im ersten Quartal 2014 waren es bereits 972 Funkzellenabfragen. Eigentlich als letztes Mittel in der Polizeiarbeit gedacht, wenn andere Maßnahmen nicht mehr fruchten, verkommt die Funkzellenabfrage damit zum Routineinstrument. Die Funkzellenabfrage wird nicht nur häufiger, sondern auch für weitaus mehr Straftaten genutzt. Jede neunte Funkzellenabfrage wird bei Straftaten angewendet, die nicht zum ursprünglich vorgesehenen Straftatenkatalog von §100a Absatz 2 StPO zählen.

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Statement zur Innenministerkonferenz (IMK) 2014

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Freitag ging in Bonn die Konferenz der Innenminister in Deutschland zu Ende. Statt zukunftsweisender Vorbeugeprojekte wurden hauptsächlich weitere Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen vereinbart. Hier meine Statements zu den dort gefassten Beschlüssen (http://m.mik.nrw.de/presse-mediathek/aktuelle-meldungen/aktuelles-im-detail/news/innenminister-intensivieren-die-bekaempfung-von-einbrecherbanden-entschlossenheit-der-imk-auch-im.html):

Bekämpfung von Einbrecherbanden

Statt auf Fördermaßnahmen für sichere Häuser und aufgeklärte Mieter sowie Eigentümer zu setzen, wird der Mythos eines gigantischen Ausmaßes von international agierenden Einbrecherbanden verbreitet. Viele Einbrecher sind aber drogenabhängige junge Männer, die in die Beschaffungskriminalität abgerutscht sind. In den letzten Jahren sind immer wieder kluge Konzepte zur Bekämpfung von Drogensucht in die Wege geleitet worden, mussten aber aufgrund von Sparmaßnahmen der Kommunen wieder eingestellt werden. Hier muss dringend gegengesteuert werden! Auch sollte über eine kontrollierte Abgabe von harten Drogen an die Süchtigen nachgedacht werden – auch um die Beschaffungskriminalität einzudämmen.

Bekämpfung des gewaltbereiten Salafismus

Die Bekämpfung von 320 Extremisten, die seit 2012 in den syrischen Bürgerkrieg zogen und von denen bisher nur ein Bruchteil wieder nach Deutschland zurückgekehrt ist, darf nicht zu einem massiven Abbau von Bürgerrechten führen. Die geplante Verschärfung des Personalausweisrechts und die Beschränkung der Reisemöglichkeiten nach Syrien könnte auch Unschuldige treffen. Im Moment macht sich jeder verdächtig, der nach Syrien reisen will, aber es gibt auch Menschen, die trotz des Bürgerkrieges lediglich versuchen, ihre Verwandten in Syrien zu besuchen und ihnen vor Ort zu helfen.

Seit Jahren kümmern sich außerdem zivilgesellschaftliche Projekte und Gruppen, z. B. Hayat, um junge Menschen, die in salafistische oder andere islamistische Ideologien abdriften. Solche zivilen Projekte müssen ausgebaut und gefördert werden, denn Ausstiegs- und Präventionsprogramme sollten nicht beim intransparenten Verfassungsschutz angelegt sein. Es kann hier schnell zum Missbrauch kommen, und der Verfassungsschutz erreicht die radikal eingestellten Jugendlichen nicht, weil sie den deutschen Behörden oft misstrauen.

Sicherheit beim Fußball

Wieder stimmen die Innenminister den beliebten populistischen Gassenhauer „Mehr Repression und mehr Restriktion hilft mehr gegen enthusiastische Fußballfans“ an. Sie werden nicht müde, ein Gewaltszenario rund um die Fußballspiele herbeizureden, gegen das dann nur noch Meldeauflagen, „Buszwänge“, festgelegte Reisewege, personalisierte Tickets, intensiver Datenaustausch, Dateien, verringerte Kartenkontingente und V-Leute „helfen“ sollen.

Dabei werden das Abbrennen von  Bengalos oder Prügeleien einfach mal mit dem Skandieren von rechtsextremen Parolen gleichgesetzt. Genau das bemängeln wir seit Jahren: Unterschiedliche Taten müssen unterschiedlich geahndet werden, und jede Tat muss einzeln nachgewiesen werden. Wir brauchen endlich einen differenzierten Blick auf die sehr heterogene Fan-Szene. Von der Polizei können wir ihn allerdings gerade nicht erwarten, die hat nämlich laut polizeiinterner Studien ein extremes Kenntnisdefizit in den Bereichen Fanbeauftragte, Fanprojekte, Fankultur und Fanrituale. Die Innenminister sollten sich nun zunächst einmal darauf konzentrieren, ihre Beamten ordentlich zu schulen.

„Wegfahrsperre“ für Handydiebstahl

Als aktiven Verbraucherschutz versuchen die Innenminister die „Wegfahrsperre“ für Handys zu verkaufen. Dass durch die Registrierung ihrer Handys die Handynutzer noch besser kontrolliert und überwacht werden können, als es sowieso schon gemacht wird, wird verschwiegen. Handys gleichen schon jetzt Wanzen, und wir brauchen definitiv nicht noch mehr Datenbanken, um sie noch besser den Besitzer zuordnen zu können. Auch die Provider lehnen die Sperre ab und geben an, dass die Sperre dann womöglich den falschen Nutzer treffen könnte.

Großraum- und Schwerlasttransporte

Für ungefährliche Großraum- und Schwerlasttransporte ist eine externe Überprüfung und Begleitung durch anerkannte Sachverständige und private Unternehmen sicherlich eine Möglichkeit, die Polizei zu entlasten und Ressourcen freizugeben. Auf keinen Fall dürfen aber die Kontrolle und die Sicherung von Gefahrgut-Transporten privatisiert werden.

Linksextremismus

Die CDU-Innenminister scheinen durchgesetzt zu haben, dass ein Lagebericht über Linksextremismus erarbeitet werden muss. Dieser Lagebericht darf nicht dazu führen, dass Linksextremismus mit Rechtsextremismus gleichgesetzt wird, und es muss darauf hingewirkt werden, dass Bürgerproteste gegen Neonazis und gesellschaftliches Engagement z. B. für Flüchtlinge nicht einfach aufsummiert und kriminalisiert werden.

Syrische Flüchtlinge

Bundesinnenminister de Maizière und der NRW-Innenminister Jäger beten zurzeit in der Presse rauf und runter, dass Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten den größten Beitrag bei der Aufnahme von syrischen Flüchtlingen leistet. Zwar nehmen sie über die Sonderaufnahmeprogramme tatsächlich viel mehr Syrer auf als die europäischen Nachbarn, aber die Zahl der syrischen Flüchtlinge, die auf anderen und sehr gefährlichen Fluchtwegen nach Europa reisen, wurde hier nicht mitgerechnet. Schweden leister hier proportional einen weitaus größeren Beitrag als Deutschland. Die Diskussion und die geringe Höhe des Aufnahmekontingents bleiben beschämend. Wir sprechen über 20.000 Menschen, die hier Zuflucht finden dürfen und von denen – aufgrund komplizierter Aufnahmeformalitäten – auch erst 6.000 hier bei uns im Land sind. Die Türkei beherbergt zurzeit mehr als 760.000, der Irak mehr als 225.000 und der Libanon mehr als eine Million Flüchtlinge. Wir werden unserer Verantwortung nicht gerecht, weswegen wir es auch in NRW mehr Syrern ermöglichen müssen, Schutz vor Krieg und Verfolgung zu finden.

Englische Woche der Piratenfraktion im Landtag NRW: Fanhearing, Sachverständigengespräch über die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) und Nachbericht zum Polizeieinsatz beim Spiel Schalke gegen Saloniki

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Gleich mit drei großen Ereignissen wurde das Thema Fanrechte in der letzten Woche im Landtag NRW beraten. Für die Fraktion der Piraten hieß das, eine Englische Woche mit gleich drei wichtigen „Spielen“ zu bestreiten.

 

Sachverständigengespräch über die Aufgaben der ZIS im Innenausschuss am 3.4.14

Da die Mühlen im Parlamentsbetrieb sehr langsam mahlen, wurde unser Antrag „Realistische Erfassung von Sicherheitsproblemen – Reform der Datenerfassung und -auswertung der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS)“ erst ein Dreivierteljahr nach seiner Einreichung am Donnerstag in einem Sachverständigengespräch erörtert. Zuvor hatten die Sachverständigen – u.a. Herr Prof. Feltes, Herr Prof. Pilz, Fananwalt Jan-Rüdiger Albert und die ZIS selbst – schriftlich Stellung zum Antrag und zum Aufgabenbereich der ZIS bezogen. Teile der Kritik scheinen bei der ZIS angekommen zu sein, denn im Gespräch am Donnerstag im Landtag bestätigte der Sachverständige der ZIS, dass ab dem nächsten Jahresbericht aufgeschlüsselt wird, ob die Verletzungen durch Pyrotechnik oder Pfefferspray erfolgen. Das ist als erstes Eingeständnis an die massive Kritik anzusehen. Dennoch wird diese Mini-Änderung nicht reichen, damit die Jahresberichte zu einer Aussage über die Gewaltsituation rund um die Stadien taugen. Denn es wird auch zukünftig nicht weiter aufgeschlüsselt, ob Personen z. B. durch Schlagstock-Einsatz oder Unfälle verletzt wurden. Weitere relevante Fragen, die unbeantwortet bleiben werden, sind z. B. auch, wie sich die massiv gestiegenen Zuschauerzahlen auf die Sicherheitslage auswirken, wie viele der im Jahresbericht 2012/13 aufgezählten 6.502 eingeleiteten Strafverfahren zu Gerichtsprozessen und gegebenenfalls Verurteilungen geführt haben oder wie viele ausgesprochene Stadionverbote zurückgenommen werden mussten. Alles relevante Fragen, die die Sachverständigen sowohl im Gespräch als auch in ihren Stellungnahmen als elementar für die Beurteilung der Sicherheitslage ansahen. Mit der Statistik wird Politik gemacht, u. a. nannte Innenminister Jäger die Zahlen aus den Jahresberichten 2011/12 ein Alarmsignal. Wenn die Zahlen aber nicht dazu taugen, eine Bewertung der Gewaltsituation vorzunehmen, ist ihre Verbreitung und der Bezug auf sie eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit. Es soll Stimmung in der Politik und Öffentlichkeit erzeugt werden, die dann weitere Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen gegen Fans möglich macht. Zurzeit sind die Jahresberichte nichts weiter als eine polizeiliche Lobby-Statistik.

Das ist schon schlimm genug, aber die ZIS verletzt durch die öffentliche und teilweise individualisierte Darstellung von Situationen und den beteiligten Fans Persönlichkeitsrechte, weil dadurch Rückschlüsse auf Einzelne gezogen werden können. Das legte Fananwalt Albert in der Sitzung schlüssig dar, und das hatte auch das OVG Münster in einem Urteil im September 2013 bestätigt. Herr Albert machte den Abgeordneten der anderen Fraktionen in der Sitzung klar, dass es ein ganzes Bündel an weiteren Problemen im Bezug auf den Datenschutz innerhalb der Aufgabenbereiche der ZIS gibt, z. B. bei der Erfassung von Fans in der Datei „Gewalttäter Sport“ und der Datenweitergabe an die Vereine. Aber krass ist, dass der ZIS für diese Aufgaben anscheinend die Rechtsgrundlagen fehlen.

 

Fun Fact: Es gibt keine Fortbildungen der Polizei im Bereich Fankultur, Fanbeauftragte, Fanrituale

Übrigens musste ich noch einen nicht so wirklich spaßigen „Fun Fact“ in der Anhörung ansprechen. Bei einer Befragung im Zusammenhang mit der dritten Evaluation der polizeilichen Rahmenkonzeption zur NRW-Initiative „Mehr Sicherheit bei Fußballspielen“ gaben 99% der Mitglieder der Bereitschaftspolizeihundertschaft an, dass sie noch nie an einer Fortbildung zum Thema Fanbeauftragte, Fankultur, Fanrituale teilgenommen hätten. 1 % antwortete mit „weiß nicht“. Auf meine Nachfrage dazu reagierte die DPolG konsterniert und musste zugeben, dass erst zukünftig darüber nachgedacht wird, Fanbeauftragte oder Fanprojekte einzuladen, damit diese Polizeibeamten Kenntnisse über die Fankultur und die Fans vermitteln. Dass das bisher nicht erfolgt ist, ist unglaublich und ein ziemlich hohes Risiko, wenn man bedenkt, dass z. B. beim letzten Revierderby mehrere Tausend Polizisten im Einsatz waren, die keine Fortbildungen in diesen Bereichen haben.

Fazit: Es war wichtig und gut, dass wir dieses Sachverständigengespräch führten. Selten zeigten sich die Abgeordneten auch der anderen Fraktionen so sehr daran interessiert, Optimierungsmöglichkeiten auszuloten. Denn es kann nur von Vorteil für NRW sein, wenn wir aufgrund einer ordentlichen Datenanalyse z. B. auch die Polizeieinsätze reduzieren. Leider war Innenminister Jäger nicht zugegen und kam pünktlich zum Ende des Sachverständigengesprächs.

 

Besprechung des Nachberichts zum massiven Polizeieinsatz beim Spiel Schalke 04 gegen PAOK Saloniki

Immerhin war er dann zur Besprechung des Nachberichts zum Polizeieinsatz Schalke 04 gegen PAOK Saloniki da. Wir hatten als Piratenfraktion um diesen Nachbericht gebeten, weil wir schon recht lange auf die angekündigte Aufarbeitung warten. Außerdem hatten wir Informationen über Anzeigen und Beschwerden gegen Polizeibeamte. Das wurde uns auch bestätigt: Es laufen zurzeit 23 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte. Der Bericht des Innenministers warf dennoch mehr Fragen auf, als er beantwortete. Unverständlich ist, dass die Aufklärung der Fehler schon über ein halbes Jahr dauert und wohl noch andauern wird. Wieso kam es zu den Kommunikationsfehlern zwischen der Polizei und den Verantwortlichen des Vereins während des Spiels? Warum wurde nicht gegen die Störer auf Seiten der Saloniki-Fans vorgegangen, sondern gegen die friedlichen Fans im Block der Ultras? Waren die Befürchtungen eines Platzsturms der Saloniki-Fans berechtigt, oder hat man sich nur auf die Aussage eines SKB der griechischen Seite verlassen? Warum wurde die Fahne erst nach 70 Spielminuten zu einem Problem? Warum gab es kein milderes Mittel als einen Blocksturm mit über 80 Verletzten? Wieso darf der Verein Kritik nicht mehr öffentlich äußern? All das beantwortet der Bericht des Innenministers nicht, sondern schafft neue Verunsicherung. Zumindest eine Person ist zudem ins Visier der Fahnder geraten, nachdem sie eine Anzeige gegen Polizeibeamte erstattet hatte. Das ist sehr fragwürdig und wird dafür sorgen, dass es sich andere Fans dreimal überlegen, bevor sie Polizeigewalt anzeigen. Der Bericht stellte außerdem Zusammenhänge her, die es so nicht gab. Aufgrund dieser wurde in der Presse falsch berichtet, und der Verein Schalke 04 musste klarstellen, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Ereignissen beim Spiel und der Verpflichtung eines neues Sicherheitsdienstes gibt. Außerdem hat der Fanbeauftragte auf eigenen Wunsch den Verein verlassen. War das eine bewusste Irreführung unseres Ministers? Es hatte jedenfalls nichts in einem Bericht über die Fehlerkultur und Aufarbeitung des Polizeieinsatzes beim Spiel Schalke gegen Saloniki zu suchen.

Fazit:Der Aufklärungswille von Innenminister Jäger lässt definitiv zu wünschen übrig. Die Behörde, gegen die Anzeige erstattet wurde, ermittelt zurzeit gegen sich selbst. Das darf natürlich überhaupt nicht sein. Amnesty International kritisiert seit Jahren, dass es keine unabhängigen Untersuchungen von Polizeigewalt in Deutschland gibt, und das wird in NRW zurzeit auch so praktiziert. Innenminister Jäger ist kein Vorbild in Sachen Fehlerkultur, Aufklärung und Aufarbeitung. In einem Interview spricht er von Fehlinformation und einseitiger Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz in Schalke: „Ich nehme ein Beispiel aus Nordrhein-Westfalen: Das Spiel Schalke gegen Saloniki. Da ist der Polizei vorgeworfen worden, 80 Verletzte durch den Einsatz von Pfefferspray verursacht zu haben, weil eine Kurve gestürmt wurde. Die BeSi-Aufnahmen, die ich einige Tage später gesehen habe, zeigen ein völlig anderes Bild. Die Polizei muss mit der objektiven Darstellung schneller herauskommen und zwar ehe sich auf Grund falscher Informationen in der Bevölkerung ein verzerrtes Meinungsbild festgesetzt hat.“

 

Das siebte Fanhearing der Piratenfraktion im Landtag NRW

Bereits beim Fanhearing wurde ich übrigens auf die Fehler im Bericht hingewiesen. Am Montag, dem 31.3., trafen wir uns nämlich zum bereits siebten Mal mit Fans verschiedener Vereine, Fanprojekten, Fanvertretern, einem Fananwalt, Polizeibeamten und vielen Interessierten, um über die SiKomFan, das anstehende Sachverständigengespräch über die Aufgaben der ZIS, den massiven Polizeieinsatz auf Schalke im August 2013 und das letze Revierderby zu sprechen. Zugegen waren auch Eishockeyfans aus Iserlohn, die mit recht ähnlichen Problemen, z. B. unberechtigte Stadionverbote usw., kämpfen müssen. Einige Fans kamen etwas später zum Treffen, weil sie vom plötzlich ganz gesprächig gewordenen Innenminister Ralf Jäger höchstpersönlich zu einem Talk eingeladen worden waren. Wir begrüßen diese neue Dialogbereitschaft ausdrücklich und freuen uns sehr, wenn sich diese Gespräche positiv auf die zukünftige Politik des Innenministers in Bezug auf Fanrechte auswirkt.

Hier nun erst einmal ein kleines Fazit des Fanhearings: Die Diskussion um das Forschungsprojekt SiKomFan, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit II“ mit insgesamt 3,3 Mio. Euro gefördert wird, ließ schnell keinen anderen Schluss zu, als dass man das Projekt wohl jetzt schon als gescheitert ansehen muss. Durch die Unterstützung des Projekts durch Firmen der Militärforschung und der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) kommt es so gruselig und einseitig daher, dass sich viele Fanszenen, Fanorganisationen wie ProFan und BAFF, Fanprojekte und die BAG dazu entschlossen haben, die Zusammenarbeit mit dem Projekt abzulehnen. Deshalb stellt sich nun eigentlich nur noch die Frage, was ein Projekt, das ja u. a. Ideen entwickeln soll, wie die Kommunikation zwischen den beteiligten Gruppen (z. B. Polizei und Fans) gefördert werden kann, überhaupt bringt, wenn sich die Fans aus guten Gründen weigern mitzumachen. Es braucht eben mehr zivile und unabhängige Forschung. Mit gutem Beispiel geht gerade die Uni Bielefeld voran, die just als Teil des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) die Fachstelle „Fußball und Konflikt“ gegründet hat.

Die Nachbesprechung des Revierderbys fiel diesmal nicht so kontrovers aus wie beim letzten Fanhearing, wo wir mehr als eine Stunde über die Ereignisse gesprochen hatten. Die neue getrennte Wegeführung für die Fangruppen der beiden Mannschaften hat sich voll bewährt. Das sagten sowohl die Fachleute als auch die Fans. Einfach nicht beide Fangruppen am Nadelöhr Schwimmbad vorbeizuführen kam den Verantwortlichen bisher nicht in den Sinn. Beim Revierderby in Dortmund 2012 hatte die Polizei mit Hilfe von Fanbriefen noch beide Fangruppen an dieselbe Stelle gelotst. Das diesmal anders zu machen und zwei verschieden Fanbriefe auszugeben hat sehr viel zur Entspannung beigetragen. Dennoch war das Revierderby einer der größten Sicherheitseinsätze in der Fußballgeschichte in NRW. Ob das trotz des neuen Anfahrtskonzepts so notwendig war, wurde stark bestritten. Mehr Polizei führt oft zu mehr Konflikten, und die Drohungen, keine Auswärtsfans mehr bei den Revierderbys zuzulassen, hätte auch dazu führen können, dass Ausschreitungen aus Trotz stattfinden. Es ist der Disziplin der Fans und dem neuen Einsatzkonzept der Deeskalation zu verdanken, dass das Revierderby sehr friedlich verlief. Aber ein Fanprojekt machte auch noch mal deutlich, dass es noch viele Fehler gab, die man zukünftig beseitigen muss. Ein solches Derby sollte nicht mitten in der Woche stattfinden, und auch nach Abpfiff sollte man die Fans anleiten, statt einfach alles aufzulösen.

Es wurde noch viel mehr besprochen, und die Fans lieferten viel Input auch für die Innenausschusssitzung am 3.4. Viele Punkte werden wir beim nächsten Fanhearing aufgreifen. Ich freue mich schon sehr darauf.

 

 

 

 

Sechs Monate nach dem polizeilichen Blocksturm auf Schalke: keine Aufarbeitung, keine Aufklärung, keine Fehlerkultur

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Heute reichte die Landesregierung ihren Bericht für den nächsten Innenausschuss zur Beantragung der Piratenfraktion „Fehlerkultur und Aufarbeitung: Der Polizeieinsatz beim Qualifikationsspiel FC Schalke 04 gegen PAOK Saloniki in der Veltins-Arena“ ein. Der Bericht zeigt, dass Innenminister Jäger sich mit der Aufarbeitung des Polizeieinsatzes beim Spiel Schalke – Saloniki viel Zeit lässt. Das ist angesichts der vielen Beschwerden und Anzeigen gegen die massive Polizeigewalt in der Schalker Nordkurve am 21. August 2013 höchst problematisch und nicht tragbar. In Schalke selbst ist das Verhältnis zwischen der Polizei und den Fans zerstört, dennoch wird dem Polizeipräsidium Gelsenkirchen die Zuständigkeit der Bearbeitung von Beschwerden und Anzeigen nicht entzogen. Wir kritisieren schon lange, dass in NRW unabhängige Untersuchungen von Polizeigewalt fehlen, aber Herr Jäger vertröstet die Öffentlichkeit weiter und ein wirklicher Aufklärungswillen ist nicht erkennbar. Aufarbeitung, Aufklärung, Fehlerkultur? – Fehlanzeige! Auf Schalke bleibt alles wie gehabt: Der FC Schalke 04 wird keine öffentliche Kritik mehr äußern und zukünftig sein Dasein als Maulkorb-Verein fristen und für die Fans bleibt der Eindruck bestehen, dass die Polizei Gelsenkirchen sie weiter schikanieren darf.

Hier findet Ihr die Beantragung der Piratenfraktion und die Vorlage der Landesregierung.

 

Einladung Fanhearing

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Einladung zum 7. Fanhearing der Piratenfraktion NRW am 31. März 2014 um 18 Uhr

Am Montag, den 31.03.2014 um 18 Uhr, treffen wir uns wieder zum Austausch über die Sicherheitsthematik rund um Fußballspiele in unserem Fraktionssaal im Landtag NRW.

Wir sprechen über das Forschungsprojekt SiKomFan, Überwachungstechnologien und die Datenweiterleitung der Polizei an die Vereine.

Am 03.04. findet das öffentliche Sachverständigengespräch zu unserem Antrag „Realistische Erfassung von Sicherheitsproblemen – Reform der Datenerfassung und -auswertung der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS)“ statt. Die eingegangen Stellungnahmen der Experten fügen wir unten an. Über euren Input im Vorfeld des Fanhearings freuen wir uns natürlich sehr. Weiterlesen »

Ganz Duisburg vom Verfassungsschutz erfasst? Mehr als 530.000 Personen sind in landeseigener Datei gespeichert

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Der Verfassungsschutz NRW hat mehr Personen in der landeseigenen Amtsdatei erfasst, als die Ruhrgebietsstadt Duisburg Einwohner hat. Das ergab meine Anfrage zum Umfang von Sammlungen personenbezogener Daten des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes.

Auch wenn der Innenminister in der Antwort versucht, das Ergebnis der Anfrage kleinzureden: Es gibt anscheinend 530.000 Verfassungsfeinde, die der Verfassungsschutz NRW meint speichern zu müssen. Die Skandale der letzten Jahre haben allerdings gezeigt, dass vielfach unbescholtene Bürger, Kritiker, Parlamentarier und Journalisten in diesen Dateien landen. Das Missbrauchspotential solch großer Datensammlungen ist hoch, und es muss akribisch kontrolliert werden, ob die Speicherung der einzelnen Person überhaupt gerechtfertigt ist. Zweifelhafte Speicherfälle müssten dann sofort gelöscht werden und eine Bewertung des Vorgangs der fälschlichen Speicherung erfolgen. Leider wissen die derzeit gespeicherten 530.000 Menschen aber gar nicht, dass der Verfassungsschutz zahlreiche Details ihres Lebens speichert. Hier kann zurzeit nur eine Auskunftseinholung Klarheit schaffen, da es keine Informationspflicht zur Benachrichtigung über eine Speicherung gibt.

Noch unübersichtlicher sind die Speicherungen in mehr als hundert Datensammlungen der nordrhein-westfälischen Landespolizei. Selbst der Innenminister kann keine Angaben darüber machen, wie viele Menschen aus NRW eigentlich in den Datenbergen der nordrhein-westfälischen Polizei gespeichert sind. Der Umfang muss so gigantisch sein, dass meine zweite Anfrage Umfang von Sammlungen personenbezogener Daten der nordrhein-westfälischen Landespolizei nicht beantwortet werden konnte.

Die Antworten des Ministeriums sind für unsere parlamentarische Arbeit nicht zufriedenstellend, daher werden wir auf anderem Wege versuchen, Aufklärung darüber zu erhalten, in welchem Umfang und für welche Zwecke Daten nordrhein-westfälischer Bürger gespeichert und genutzt werden. Für den Bürger bleibt im Moment nur die Möglichkeit, selbst eine Auskunft bei den einzelnen Behörden darüber einzuholen, welche Daten über Sie gespeichert wurden.

 

Antwort auf die Anfrage zum „Umfang von Sammlungen personenbezogener Daten des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes“.

Antwort auf die Anfrage zum „Umfang von Sammlungen personenbezogener Daten der nordrhein-westfälischen Landespolizei“.

 

 

 

Bundestags-Petition gegen #TTIP knackt die 50k-Hürde.

Veröffentlicht am von unter Bürgerbeteiligung/Transparenz, Bürgerrechte, Marc 'Grumpy' Olejak, Persönliche Blogposts.

(Update 12:47h unten)

Im Laufe des heutigen Vormittags hat die Petition an den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung aufzufordern, sich begründet gegen die undemokratisch geführten Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) auszusprechen, über 50.000 Stimmen eingesammelt.

Der Zeitpunkt ist günstig – bis Morgen, 14.3.2014, läuft noch in Brüssel die 4. Verhandlungsrunde hinter verschlossenen Türen zwischen EU-Kommission & den Lobbyisten – es wurden zwar auch explizit Vertreterinnen und Vertreter zivilgesellschaftlicher Gruppierungen, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften eingeladen und angehört – aber nicht, dass es einen anderen Klopper gab: Teilweise ohne Anwesenheit oder auch gerne mit Maulkorb (‚off-the-record‘) der Presse – die Presse darf dann am 14.3. zur Pressekonferenz der EU-Kommission und auf einen entsprechenden Bericht warten.

Was bedeutet jetzt das Reissen der Petitionshürde?

Erstmal möchte ich allen für heute am 13.3.2014 empfehlen, die noch nicht gezeichnet haben, trotzdem noch mitzuzeichnen, da zum einen die Höhe an Mitzeichnungen den Druck erhöht, zum anderen, habe ich persönlich etwas die Sorge, dass einzelne Mitzeichnungen nach Prüfung eventuell rausfallen oder bereits rausgefallen sind – es gab Anfang des Monats am Petitionsserver „Wartungsarbeiten und technische Schwierigkeiten“, sodass netterweise am Rande mitgeteilt wird, es gingen Mitzeichnungen verloren.

Leider sind Mitzeichnungen, die am Nachmittag des 6. März getätigt worden sind ,bei der Rückstellung auf den Stand vor den Wartungsarbeiten verloren gegangen. Wie bitten daher jeden, bei dem am 6. März eine Mitzeichnung möglich war, diese erneut zu tätigen.

(Information des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags)

Leute, die also bereits am 6. März die Petition gezeichnet haben, sollten vielleicht nochmal prüfen, ob Ihre Meinung nicht einfach im Datenorkus verschwunden ist.

CDU und SPD könnten öffentliche Beratung der Petition verhindern.

Jetzt gilt es die Mitglieder des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages dazu zu bewegen, sich mit dem Inhalt der Petition in einer öffentlichen Anhörung auseinanderzusetzen. Die Marke der 50.000 Unterstützungsunterschriften bedeutet keine zwingende öffentliche Befassung. Mit 2/3-Mehrheit können die Ausschussmitglieder entsprechendes verhindern. Die Seite des Bundestags vermittelt unter „Die öffentliche Petition“ zwar den gegenteiligen Eindruck – in einem weiteren Sonderpunkt ‚Quorum‚ wird dies aber klargestellt.

Update: Unstimmigkeiten im Petitionsportal.

Unstimmigkeit bei der Anzeige der TTIP-Petition

Es gab Unstimmigkeiten in Bezug auf die Stimmenanzahl und dem genannten Nichterreichen des benötigten Quorums (siehe rote Pfeile).

So ab 12 Uhr ploppten entsprechende Rückfragen auf, warum bei einer Zahl über 50.000 Mitzeichnern, das Quorum immer noch auf „Nein“ stünde. Um 12:46h erklärte die Moderation im Diskussionsbereich, dass diese Zeile nur in bestimmten Zeitabständen und nicht ’sofort‘ geändert wird – ich vermute, es findet auch noch eine Prüfung der abgegebenen Unterschriften statt.

Die Aktualisierung dieser Zeile erfolgt nicht permanent, sondern in bestimmten Zeitabständen. Bitte haben Sie also ein wenig Geduld. Danke.

(Hinweis der Moderation des Petitionsserver des Deutschen Bundestages)

Somit bleibt wie immer abzuwarten, ob nicht doch noch nach eventuell anstehenden Prüfungen so viele Unterschriften entfallen, dass die 50k-Grenze nicht erreicht werden konnte. Man kann auch jetzt noch mitzeichnen – also dranbleiben!

Abschließend möchte ich der Fairness halber noch auf die Petition 50155 hinweisen, welche fordert, TTIP voll zu unterstützen – jeder der dort erwähnten Punkte lässt sich zwar locker widerlegen, aber das ist halt das mit der Demokratie.

Weitere Infos zu TTIP: http://www.ttip-unfairhandelbar.de, http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip

Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2013 – Innenminister Jäger macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt

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Man kann es anscheinend nicht oft genug erklären: Die PKS erfasst lediglich bekannt gewordene Fälle von Kriminalität. Sie kann daher nur bedingt als Indikator für die Entwicklung von Kriminalität in den einzelnen Deliktfeldern dienen. Dennoch wird alle Jahre wieder mit der PKS Politik gemacht. Eine echte Analyse wäre aber die Voraussetzung, um Lösungen für die Probleme zu entwickeln. Der Inhalt der PKS ist so nur mit Vorsicht zu genießen, und die Methodik der Statistik ist umstritten. In Niedersachsen hat man das erkannt und arbeitet seit Kurzem mit einer bundesweit einzigartigen Dunkelfeldstudie. Hierzu wurden 40.000 Fragebögen zu Kriminalitätserfahrungen im Jahr 2012 an ausgewählte Personen versandt, die diese anonym beantworteten. Die Opfererfahrungen werden bei solchen Studien berücksichtigt und nicht übergangen, wie das bei der PKS der Fall ist.

Statt so viel Energie auf sinnlose Statistiken zu verschwenden, sollte die Landesregierung viel mehr auf die Prävention von Kriminalität setzen. Prävention ist nämlich der beste Opferschutz, und hier besteht in NRW dringender Nachholbedarf.

Es fehlt z. B. an Therapiestellen für Männer mit pädophilen oder hebephilen Neigungen, damit sie erst gar nicht zum Täter werden. Solche Stellen gibt es in acht anderen Bundesländern. Geradezu ein Skandal ist es daher, dass Innenminister Jäger nicht aufhört, den Missbrauch von Kindern für seine Ideen zur Internetüberwachung und zur Vorratsdatenspeicherung zu instrumentalisieren. Auch die Mittel für Frauenhäuser, die in Problemsituationen ein wichtiger Anlaufpunkt sein können, reichen seit Jahren nicht aus. Statt sich darum zu kümmern, berichtet der Innenminister lieber über Sexualstraftäter und Tatorte in den USA sowie über Festnahmen dort seitens des FBI. Da muss man sich doch fragen, was die nordrhein-westfälische Polizei damit zu tun hat.

Am 13.3.2014 Bürgersprechstunde des Petitionsausschusses NRW in Bottrop.

Veröffentlicht am von unter Ankündigungen, Bürgerbeteiligung/Transparenz, Bürgerrechte, Das Neueste, Homepage, Marc 'Grumpy' Olejak, Michele Marsching, Mitmachen, Petitionsausschuss (A13).

Nach der letzten Bürgersprechstunde im November 2013 in Düsseldorf ist der Petitionsausschuss wieder in NRW unterwegs. So möchten wir Euch in Rücksprache mit dem Petitionsreferat wieder auf die anstehende Bürgersprechstunde des Petitionsausschusses hinweisen.

Sie fühlen sich durch Entscheidungen nordrhein-westfälischer Behörden oder anderer öffentlicher Einrichtungen unseres Landes benachteiligt oder ungerecht behandelt? Dann können Sie sich an den Petitionsausschuss des Landtags wenden. Über ihn können Sie erwirken, dass eine solche Entscheidung für Sie kostenfrei überprüft wird. Weiterlesen »

Blick in den Abgrund

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Dass Obama nichts bereut, war zu erwarten. Trotzdem musste seine Rede vom vergangenen Freitag, seine Positionierung zu dem von Edward Snowden aufgedeckten Spektrum der Möglichkeiten der amerikanischen Geheimdienste, abgewartet werden. Nun aber ist klar, dass der Friedensnobelpreisträger Barack Obama keine Visionen hat; zumindest keine, die Freiheitsrechte und Privatsphäre der Menschen der Welt mit einbeziehen.

Die in der groß angekündigten Rede im Washingtoner Justizministerium in Aussicht gestellten Änderungen der bisherigen Arbeiten der Dienste sind wenig mehr als Placebos: ein weiteres (geheimes) Gericht hier, ein paar Arbeitsgruppen da, auch ein Bürgeranwalt soll gehört werden, in speziellen Fällen, besondere Rechte aber hat er nicht. Ein paar Regierungschefs ausländischer Staaten dürfen sich freuen, denn sie sollen nicht mehr abgehört werden. Für andere Regierungsmitglieder und vor allem für die Bürger, auch in Deutschland, gilt das nicht!

Das ist letztlich auch der Kern der Botschaft: die USA wollen weiter die elektronische Kommunikation weltweit kontrollieren und von ihren Möglichkeiten kein Stück aufgeben.

Und die deutsche Reaktion? Von offizieller Seite, also der Berliner Regierung, aus eher dürftig bis unterwürfig. Die amerikanischen Antworten wären ’nicht ausreichend‘ heißt es leise. Denn natürlich will sich die Bundesregierung die eigenen Aktivitäten nicht beschneiden. Wir werden vielleicht irgendwann erfahren, das viele der amerikanischen Überwachungsmaßnahmen von deutscher Seite gedeckt und eventuell sogar unterstützt wurden. Das auch der neue Innenminister keinen Wert auf Freiheitsrechte und Privatsphäre der Menschen legt zeigt sich aktuell wieder in den Forderungen nach einem Grenzkontrollsystem für Europa. Mit eingeschlossen ist da natürlich auch die Speicherung der Flugbewegungen innerhalb Europas. Wenn schon, denn schon.

Für uns bedeutet das entweder, dass wir akzeptieren müssen, in einer BigBrother-Welt zu leben, in einem Überwachungsstaat der von den USA kontrolliert wird, oder wir müssen uns wehren!

Bevor jedoch Artikel 20 Abs. (4) GG greift, ist die Bundesregierung selbst nochmals gefordert. Auf einer Veranstaltung in Brüssel hat gestern der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Wolfgang Hoffmann-Riem klargestellt, das die Bundesregierung verpflichtet ist, den grundgesetzlich garantierten Rechten Geltung zu verschaffen. Und wenn das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme im Moment keine Gültigkeit mehr hat, wenn wir den Geräten, die wir tagtäglich benutzen, nicht mehr trauen können, dann ist die Bundesregierung aufgefordert zu handeln. Und jeder Tag des Nichtstuns, des Zauderns der Regierung, stärkt den Verdacht, das sie mit gemacht haben und weiter machen wollen.

Können wird denn sonst etwas tun? Natürlich, auch jetzt gibt es noch weitere Handlungsoptionen und auch -Notwendigkeiten. Wichtig ist zunächst einmal zu verstehen, dass es hier nicht um eine vorübergehende und erst recht keine beendete Affäre geht. Stattdessen müssen wir feststellen, dass Grundrechte missachtet werden und dass das der Bundesregierung einfach egal ist.

Wenn die eingeschaltete Kamera im Notebook ihren Zustand über ein Lämpchen meldet, ist das gut. Wenn aber die NSA die Firmware so manipuliert, dass trotz eingeschalteter Kamera keine Lampe leuchtet, dann ist etwas richtig faul, und da helfen auch Verbote oder ‚No spy‘-Abkommen überhaupt nicht mehr. Hier müssen wir von vorne anfangen, mit Kryptographie und mit ganz neuen Protokollen im Netz. Das Netz ist nicht tot. Es wird leben. Nur dauert es ein paar Monate, vielleicht Jahre, bis sich neue Ideen entwickelt haben werden. Daran können und müssen wir gemeinsam arbeiten und keinesfalls den Status Quo, die andauernde Überwachung, akzeptieren!