Veröffentlicht am von in Bürgerrechte, Frank Herrmann, Große Anfragen, Innenausschuss (A09), Persönliche Blogposts.

Wir brauchen Transparenz und eine wissenschaftliche Evaluation der Effizienz von Funkzellenabfragen, stillen SMS und Co!

Bild Matthias Penke/Flickr CC BY-NC-ND 2.0Die Anzahl der durchgeführten Funkzellenabfragen in NRW steigt weiter an: Von 138 in 2010, 2.674 in 2011, über 3.545 in 2012, waren es 4.145 in 2013. Im ersten Quartal 2014 waren es bereits 972 Funkzellenabfragen. Eigentlich als letztes Mittel in der Polizeiarbeit gedacht, wenn andere Maßnahmen nicht mehr fruchten, verkommt die Funkzellenabfrage damit zum Routineinstrument. Die Funkzellenabfrage wird nicht nur häufiger, sondern auch für weitaus mehr Straftaten genutzt. Jede neunte Funkzellenabfrage wird bei Straftaten angewendet, die nicht zum ursprünglich vorgesehenen Straftatenkatalog von §100a Absatz 2 StPO zählen.

Wenn man durch die Ergebnisse der Anfrage liest, findet man zuhauf, dass bestimmte Informationen „in der polizeilichen IT-Anwendung statistisch nicht erfasst“ würden oder eine Berichtspflicht nicht bestehe. Uns Parlamentariern bleiben damit viele wichtige Informationen über diese Maßnahmen vorenthalten: Wie viele Datensätze wurden bei diesen 4.145 Funkzellenabfragen erhoben, wie viele Menschen wurden also erfasst, ohne dass sie davon mitbekommen haben? Welche Funkzellen wurden erfasst? Könnte es also sein, dass vielleicht innerstädtische Bereiche mit zigtausenden Datensätzen unbescholtener Bürger gesammelt werden? Wie ist damit der Eingriff in der Grundrechte der Betroffenen zu bewerten? Und natürlich fehlen Zahlen darüber, wie erfolgreich der Einsatz der Maßnahme war. Zu komplex sei die Bewertung, heisst es.

Bei Ortungsimpulsen, sogenannten stillen SMS, sieht es nicht anders aus. Die Zahlen scheinen zu steigen. 309.000 Ortungsimpulsen gab es 2013. Ansonsten fehlen dazu fast alle relevanten Informationen: Wie viele Menschen betroffen waren, erfahren wir nicht. Wie lange die Personen überwacht wurden, aufgrund welcher mutmaßlicher Straftaten, und ob die Betroffenen über ihre Überwachung im Nachhinein ausreichend aufgeklärt wurden – es gibt keine Berichtspflicht und so werden diese Informationen nicht erhoben. Erneut fehlen Zahlen darüber, wie erfolgreich der Einsatz der Maßnahme war. Zu komplex sei die Bewertung wird wieder erklärt.

Auch der Gebrauch von IMSI-Catchern steigt tendenziell. Es gibt keine Informationen darüber, für welche Anlässe von den IMSI-Catchern Gebrauch gemacht wurde. Und es ist keine große Überraschung: Zahlen zum Erfolg der Maßnahme gibt es keine. Und wieder wird erklärt, dass die Bewertung zu komplex sei.

(Wissenschaftliche) Evaluationen sind machbar. Unsere Bürgerrechte und leere öffentliche Kassen sollten es uns wert sein.

Die Bewertung polizeilicher Maßnahmen ist sicherlich komplex. Es stimmt, dass oft nur viele Indizien zusammen einen Beweis darstellen und dass Gerichte aufgrund der Gesamtschau dieser Beweise urteilen. So können die Ergebnisse von IMSI-Catchern auch nur mittelbare Erfolge sein, d.h. Indizien, die weitere Ermittlungsarbeit ermöglichen. Handfeste Beweise sind sie nicht, denn sie zeigen nur, dass ein gewisses Mobilfunkgerät an einem Ort war, allerdings nicht unbedingt der Besitzer des Gerätes.

Zahlen zu aufgeklärten Fällen und Verurteilungen im Kontext dieser Maßnahmen könnten aber ein erstes Bild zum Nutzen der Maßnahmen geben – zumindest sollte man meinen, dass sie das bei Maßnahmen wie der Funkzellenabfrage können, die als letztes Mittel gelten sollen. Wissenschaftlich kann die Effizienz diverser Ermittlungsmethoden ermittelt werden. Das Max-Planck-Institut und andere Forschungsinstitute haben es vorgemacht. Mithilfe von Aktenanalysen und Expertengesprächen lässt sich herausfinden, ob das Verhältnis zwischen Mittel und Erfolgen das Richtige ist. Mittel sind bei der Telekommunikationsüberwachung der starke Grundrechtseingriff in die Privatsphäre, die Techniken selbst, der Aufwand der Beteiligten, und die Kosten für die (sichere) Speicherung und Übermittlung der Daten durch die Provider – immerhin kostet jede Funkzellenabfrage auch bares Geld. Mehr als 230€ pro Abfrage oder eine knappe Million insgesamt in 2013. Erfolge ließen sich durch die das Entstehen neuer Ermittlungsansätze, der Aufklärung der Taten oder der Verurteilung messen. Machbar wären solche Studien.

Gibt es keine wissenschaftliche Evaluation, weil gefürchtet wird, dass die Maßnahmen nicht bestehen würden?

Gute Arbeit zur Effizienz von Ermittlungsmethoden gibt es. Allerdings haben diese Arbeiten den Regierungen in den letzten Jahren wehgetan und sind damit wahrscheinlich weniger attraktiv für Innenminister. So zeigten die Forschungsergebnisse des Max-Planck-Instituts oder des niederländischen WODC, dass die Vorratsdatenspeicherung keinen wesentlichen Mehrwert darstellt, der die massiven Eingriffe in unsere Rechte rechtfertigt. Verkehrsdaten der Vorratsdaten wurden in der Praxis oft angefordert, ohne dass die Ermittelnden, den Nutzen und die Grundrechtseingriffe ausreichend einschätzten.

Wir nennen uns Informationsgesellschaft. Wir sollten anfangen, die richtigen Informationen zu sammeln und zu verarbeiten. Gute, grundrechtsbewusste Polizeiarbeit geht. Anders.

 

Die Ergebnisse der Großen Anfrage 10 „Überwachung und Datenzugriff im Bereich der Telekommunikation. Wie nutzen nordrhein-westfälische Ermittlungsbehörden Funkzellenabfragen, Stille SMS, IMSI-Catcher und W-LAN-Catcher“ (Drucksache 16/6051) finden Sie hier: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-6051.pdf

Die Ergebnisse der Kleinen Anfrage „Ermittlungen mit Funkzellenabfragen in Nordrhein-Westfalen“ (Drucksache 16/3954) finden Sie hier: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-3954.pdf

Die Ergebnisse der Kleinen Anfrage „Einsätze von IMSI-Catchern bei der Polizei in NRW“ (Drucksache 16/3289) finden Sie hier: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-3289.pdf

Die Ergebnisse der Kleinen Anfrage „Funkzellenauswertung (FZA) und Versenden ‚Stiller SMS‘ zur Kriminalitätsbekämpfung“ (Drucksache 15/3300) der Fraktion Die Linke. finden Sie hier: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD15-3300.pdf

 

 

 

 

 

 

Ein Kommentar an “Weiterhin steigender Gebrauch von Funkzellenabfragen bei anhaltend miserabler Informationspolitik”

  • Rainer Klute

    Ihr schreibt: »Die Funkzellenabfrage wird nicht nur häufiger, sondern auch für weitaus mehr Straftaten genutzt.«

    Oh, die Funkzellenabfrage wird für Straftaten genutzt? Und ich hatte geglaubt, sie sei zu deren Aufklärung gedacht! 😉

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