SPD, Grüne und CDU wollen Demokratieabbau durch Sperrklausel

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Über das Demokratieverständnis politischer Parteien kann man manchmal eben nicht trefflich streiten. Wir Piraten sind bekanntlich gegen die Einführung von Sperrklauseln auf kommunaler Ebene; auch gegen jene Sperrklausel, welche Rot-Grün in NRW aktuell einfordert.

Grund: Es gibt eben jene gesellschaftlichen kleinen Gruppen, deren Stimmen in den Räten und auch in Parlamenten notwendig sind, weil sie in repräsentativen Demokratien oftmals den Ausschlag für ein lebens- und liebenswertes, gesellschaftliches Miteinander darstellen. Das nennen wir gemeinhin auch „Partizipation“.

Offenbar sind diese (wenigen) Stimmen zuweilen auch entscheidend, wenn man gerade mal nach Köln schaut und die dortigen Ratsmehrheitsverhältnisse betrachtet. Dort schicken sich SPD und Grüne gerade an, ihre nicht vorhandene Mehrheit im Rat vermittels einer Tolerierungs-Vereinbarung durch die Piraten-Ratsgruppe zu erlangen. Eine Gruppierung, die mit der geforderten Sperrklausel nicht vertreten wäre. Das Ergebnis in 2014 bei der Kommunalwahl war 2,1 % der Stimmen. Die Sperrklausel von Rot-Grün will 3 %, die der CDU will 2,5 %; so ganz einig ist man sich noch nicht.

Wieviel Bigotterie braucht´s noch, um die Demokratie an die Wand zu fahren? Parteien mit einem solchen Demokratieverständnis (SPD, Grüne, CDU) als Mehrheitsbeschaffer und Sperrklauselopfer (Piraten) zu unterstützen müsste nach meiner Auffassung – und nicht zuletzt mit Blick auf Köln – ab sofort sehr sehr „teuer“ werden.

Denn niemand hat jemals behauptet, dass Demokratie bequem ist.

Landesgeschäftsführer Trennheuser von Mehr Demokratie e.V. bringt es heute auf den Punkt: „Mit solch einem Trauerspiel leistet man der Parteienverdrossenheit Vorschub“.

Ich fordere: Schraubt nicht an der Verfassung rum, um eure Machtspielchen zu treiben! Glaubt nicht, dass die Menschen in unserem Land das nicht bemerken!

Wer wie die Sozial- und Christdemokraten undifferenziert und ohne jeden Beleg für die vermeintlichen Begründungsansätze in Hinblick auf die unmittelbaren Lebensräume der Menschen (Kommunen/Gemeinden) Sperrklauseln fordert, kratzt unweigerlich am nachhaltigen Bestand der Demokratie. Das Defizit liegt auf der Hand; die Stimmen von hunderttausenden, gar Millionen Menschen in NRW, wären angesichts beabsichtigter Sperrklauseln künftig nicht mehr berücksichtigungsfähig. Die Parteien- und Gruppierungsvielfalt würde ein massives Defizit erfahren. Soll dieser Sperrklausel-Move hinter vorgehaltener Hand „gegen Rechts“ gehen, so sei all den lupenreinen Demokraten zugerufen: Rechte Strömungen, Gruppierungen und Parteien bekämpft man mit bunter (Parteien-)Vielfalt, guten Argumenten bei den Menschen und dadurch, dass man in Worten und Taten lebt:“Kein Fußbreit!“

E-Government-Gesetz NRW: Jetzt online kommentieren

Veröffentlicht am von unter Bürgerbeteiligung/Transparenz, Frank Herrmann, Innenausschuss (A09), Kommunales, Open Government/-Data, Persönliche Blogposts.

Heute hat die Landesregierung ihren Entwurf für ein Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in NRW veröffentlicht.

Der Entwurf sollte eigentlich schon Anfang dieses Jahres in die Verbändeanhörung gehen und leider deutlich später als geplant. Das E-Government-Gesetz des Bundes vom 31. Juli 2013 hat zahlreiche Veränderungen gebracht, die NRW jetzt mit diesem Gesetz in Landesrecht umsetzen möchte. Die Gelegenheit, hier Meilensteine im Bereich OpenGovernment zu erfüllen, wurde leider nicht genutzt. Stattdessen beschränkt sich die Landesregierung in vielen Fällen auf die handwerkliche Umsetzung der Bundesvorgaben auf Landesebene.

Wer Lust hat, sich für Bürgerbeteiligung, OpenData und freie Formate einzusetzen, kann ab heute unter egovg.nrw.de den Gesetzentwurf öffentlich kommentieren, daher möchte ich hier auf ein paar Passagen des EGovG NRW hinweisen, die hierzu besonders wichtig sind. (Für Verbände und Vereine gibt es außerdem die Möglichkeit, gesondert Stellungnahmen einzureichen.)

Beteiligung und Partizipation

Beteiligungs- und Partizipationsformen sind ein wesentlicher Bestandteil von OpenGovernment, im Entwurf der Landesregierung findet sich dazu aber nahezu nichts, lediglich:

§ 18 Elektronische Beteiligungen
(1) Die Behörden können die Möglichkeit für elektronische Beteiligungen eröffnen. Nach anderen Rechtsvorschriften geregelte Beteiligungsverfahren bleiben unberührt.
(2) Die Ergebnisse durchgeführter Beteiligungen sind bekannt zu geben.

Kurz, knapp, freiwillig. Leider keinerlei Vorgaben ob, wie und für was Beteiligungsverfahren genutzt werden sollen.

OpenData

Zu OpenData finden sich leider nur folgende Regelungen:

§ 16 Anforderungen an das Bereitstellen von Daten
Stellen Behörden über öffentlich zugängliche Netze Daten auf elektronischem Weg bereit, so sind diese in maschinenlesbaren Formaten und möglichst offen anzubieten. Ein Format ist ‚maschinenlesbar, wenn die enthaltenen Daten durch Software automatisiert, ausgelesen und verarbeitet werden können. Die Daten sind mit Metadaten bereitzustellen. Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über technische Formate, ,in denen Daten verfügbar zu machen sind, gehen vor, soweit sie Maschinenlesbarkeit gewährleisten. Die Sätze 1 bis 3 gelten für Daten, die vor dem (einsetzen: Datum des Inkrafttretens gemäß § 26 Absatz 1 dieses Gesetzes) erstellt wurden, nur, wenn sie grundlegend überarbeitet werden. Die Pflichten nach den Sätzen 1 bis 3 gelten nicht, soweit Rechte Dritter oder geltendes Recht entgegenstehen.

sowie

§23 Verordnungsermächtigung und Verwaltungsvorschriften
(1) Das für Informationstechnik zuständige: Ministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin oder dem Ministerpräsidenten und den Ministerien durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Nutzung der Daten und Ausgestaltung der Metadaten nach § 16 zu erlassen.

Zusätzlich soll der neue „IT-Kooperationsrat“ Empfehlungen zu  Daten und Metadaten abgeben (§21 Abs. 4 ).

Hier werden lediglich Anforderungen an Datenportale geschaffen, falls es überhaupt welche geben sollte.
Denn es gibt an keiner Stelle die Verpflichtung von öffentlichen Stellen, weder im Land noch in den Kommunen, Daten bereitzustellen. Hier sollte OpenData per Gesetz eingeführt werden – verbindlich und für alle Ebenen in NRW.

Zu den Anforderungen selbst lässt sich anmerken, dass „in maschinenlesbaren Formaten und möglichst offen“ sehr unbestimmt ist und die wesentlichen Konditionen, unter denen die Daten bereitgestellt werden können, nicht per Gesetz sondern in einer Rechtsverordnung bestimmt werden sollen. Hier könnten lokale OpenData-Projekte der Kommunen gefährdet sein, wenn die Rechtsverordnung restriktivere Bedingungen vorgibt, etwa eine Lizenzierung unter der Datenlizenz-Deutschland.

Freie Formate

Freie Formate sind im Entwurf nicht vorgesehen, stattdessen zieht man sich auf „offene Standards“ aus dem „European Interoperability Framework“ (Mitteilung der Kommission „Interoperabilisierung europäischer öffentlicher Dienste“, vom 16.12.2010, COM(2010) 744 final, Anhang 2, Punkt 5.2.1) zurück.

In § 4 Abs. 3 findet sich folgender Punkt zum Dateiaustausch mit Bürgerinnen und Bürgern:

Werden an Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen Dateien übermittelt, sollen für diese Dateiformate genutzt werden, deren Spezifikation folgende Voraussetzungen erfüllt:
1. Alle Beteiligten können gleichberechtigt an der Entwicklung der Spezifikation mitwirken und eine öffentliche Überprüfung ist Bestandteil des Entscheidungsprozesses,
2. die Spezifikation steht jedermann zur Prüfung zur Verfügung und
3. die Lizenzierung der Urheberrechte an der SpezifIkation erfolgt zu fairen, angemessenen und diskriminierungs freien Bedingungen oder gebührenfrei in einer Weise, die eine Integration sowohl in proprietäre als auch quelloffene Software zulässt.
Von Nummer 1 kann abgewichen werden, wenn die Spezifikation durch die Vermessungsverwaltungen des Bundes und der Länder für Geobasisdaten definiert worden ist.

Freie Formate zeichnen sich dadurch aus, dass sie frei sind von Besitzrechten Dritter. Das heißt,  öffentlich einsehbare Standards, die von jeder Person ohne Lizenzierung, Entgelt oder Einschränkungen genutzt werden kann.
Die vorgeschriebene Nutzung von „Offenen Formaten“ durch die öffentliche Hand sichert einzelnen Unternehmen langfristig Lizenzeinnahmen und schafft so Oligopole. Dies behindert insbesondere die Entwicklung freier Software und schadet dem freien Wettbewerb.
In der Begründung des Gesetzentwurfes wird weiterhin ausgeführt:

Es entsteht keine Verpflichtung, aktiv offene Standards für Bereiche zu entwickeln, in denen kein solcher Standard vorhanden ist.

Das ist natürlich auch nicht schön und sollte geändert werden. Das werden wir im weiteren Verlauf der Beratungen zu dem Gesetz natürlich einfordern. Über Unterstützung in Form von Eingaben und Anregungen unter egovg.nrw.de freuen wir uns und sicher auch die Landesregierung, denn dort ist noch viel Beratung notwendig!

Über die Notwendigkeit deutlicher Worte

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Oder: Warum der Versuch, neutral sein zu wollen, die Neonazis stärkt:

In diesen Tagen, in denen in Freital ein rassistischer Mob vor einem Flüchtlingsheim steht, kann man im Internet, z.B. bei Twitter immer wieder Diskussionen über die Bezeichnung der Rassist*innen führen. Da wird allerlei euphemistische Wortschöpfung bemüht, wie „Asylgegner*innen“ oder „Asylkritiker*innen“, ähnlich wie es auch bei Pegida die Tendenz zur Verharmlosung mittels des Begriffs „Islamkritiker*innen“ gab und gibt. 

Die Argumentationen reichen von der Idee, man könne damit „analytische Distanz“ wahren bis zu der Absurdität der Behauptung, das seien nicht alle Rassist*innen/Nazis. 

Machen wir uns es mal ganz klar: Diese Verharmlosung ist Teil des Problems. Dieses Hübschreden, Kleinreden durch Politiker*innen und teilweise von Pressevertreter*innen verschlimmert und verstärkt rassistische Tendenzen. Je unklarer man die Benennung wählt, desto eher fühlen sich Menschen in ihrem rassistischen Handeln bestätigt. Sie sehen sich selber offenbar nicht als Neonazis, obwohl sie Seite an Seite mit diesen marschieren. Es ist vielen klar, dass Rassist*innen und Neonazis von der Gesellschaft zumindest in großen Teilen abgelehnt werden. Wenn man nun eine neue Kategorie der „Asylkritiker*innen“ aufmacht, fühlt es sich gleich (ungerechtfertigt) besser an. Dies wiederum verschleiert nun die im Kern rassistische Einstellung. In der weiteren Folge kann dies eine Veränderung von Normen nach sich ziehen. Rassistische Einstellungen werden legitimiert, als normal, als akzeptiert angesehen. Das Problem heißt Rassismus. Jedes Herumgewiesel bei der Formulierung verstärkt diesen. 

Eine ähnliche Wirkung hat auch die Gleichsetzung der Neonazis/Rassist*innen, die gegen geflüchtete Menschen hetzen mit den Menschen, die sich vor eine Unterkunft stellen, um diese davor zu schützen. Im schlimmsten Fall kommt es noch zu einer Umkehr, in der in perfider Weise den antifaschistischen Menschen vorm Heim eine Schuld zugesprochen wird an den Aktionen der Neonazis. 

Ich plädiere also für deutliche Wortwahl. Wer mit Neonazis/Rassist*innen gemeinsame Sache macht, sich ihnen nicht entgegenstellt, ist Neonazi/Rassist*in. Es ist nicht unsere Aufgabe, Mitläufer*innen zu schützen. Es ist unsere Aufgabe, Klarheit in den Formulierungen zu haben und dies an jeder uns möglichen Stelle einzufordern. 

Der Konvent kuscht: Ein Gefallen für den Koalitionspartner

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Foto: Arne Müseler / arne-mueseler.de  Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Foto: Arne Müseler / arne-mueseler.de
Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags ist am 27.06. in der Tageszeitung „neues deutschland“ in der Rubrik „Meinung“ erschienen.

Vergangenen Samstag hat der SPD-Parteikonvent den Antrag der Parteispitze zur Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung aller Telekommunikations-Verbindungsdaten in Deutschland mehrheitlich angenommen. Hinter verschlossenen Türen berieten 250 Delegierte über die Zukunft der Privatsphäre in Deutschland, während die versammelte Presse vor den Türen, und wir alle vor den Fernsehgeräten mit Phoenix-TV-Programm warteten.

Der Parteivorsitz hatte sich zuvor eindeutig für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen: Nur zwei der 35 Führungsmitglieder stimmten letztlich dagegen. Ganz anders die Parteibasis: Über 100 Gliederungen der SPD, darunter 11 Landesverbände, hatten sich gegen die Vorratsdatenspeicherung positioniert. Widerspruch kam von SPD-Netzpolitikern. Auch aus der Jugendorganisation der SPD rumorte es gewaltig.

Gabriel und Fahimi holten die große Keule der „Regierungsfähigkeit“ heraus, Rücktrittsdrohungen standen im Raum, und auf dem Konvent wurden Kritiker und Befürworter in geschickter Reihenfolge orchestriert: Und der Konvent kuschte. Letztlich sprachen sich 124 der Delegierten für, 88 gegen den Vorstandsantrag aus. Mit knapp 60% setzt die SPD ihre Beschlusslage auf Bundesebene Pro Vorratsdatenspeicherung fort. Überraschend ist das also im Grunde nicht.

Große Keulen geschwungen

Es wackelt der Schwanz mit dem Hund: Wie kommt es, dass die Delegierten all dieser SPD-Gliederungen entgegengesetzt stimmen? Wenn sich sämtliche politischen Schwergewichte eindeutig positionieren, so sorgt das offenbar in der offenen Abstimmung für Eindruck. Womöglich hat aber auch das Dauerfeuer polemischer Argumentation für Überwachung zu langsamer Gehirnerosion geführt. So twitterte der SPD-Landtagsabgeordnete Reinhold Gall aus Baden-Württemberg am Abend nach der Abstimmung: „Ich verzichte gerne auf vermeintliche Freiheitsrechte wenn wir einen Kinderschänder überführen“ (Das Komma fehlt bereits im Original). Sehr schön ist erkennbar, wie nachhaltig erfolgreich die unbewiesene Behauptung ist, Vorratsdatenspeicherung würde Kinderleid verhindern, ebenso wie das Mantra, man müsse auf Freiheiten verzichten, um Sicherheit zu gewinnen. Es traut sich offenbar niemand, diese Behauptungen zu hinterfragen – wenn man sich dann im Ruf eines Kinderschänderfreundes wiederfinden muss.

Schmallippig diktiert der Bundesvorsitzende auf der Pressekonferenz kurz nach der Abstimmung den Journalisten in den Block, dass Freiheit und Sicherheit sich nicht ausschließen – und das unmittelbar nach den Diskussionen, die gerade das eine gegen das andere erfolgreich ausgespielt haben. Angesprochen auf die Terroranschläge von Paris weist er darauf hin, niemals die Vorratsdatenspeicherung in diesem Fall angeführt zu haben, die in Frankreich bestand und die ganz offensichtlich keinen Beitrag zur Verhinderung dieser Taten leistete. Leider spricht ihn keiner der anwesenden Journalisten auf den Anschlag durch Anders Breivik an, zu dem Gabriel schon mehrfach behauptete, die Vorratsdatenspeicherung wäre in diesem Fall erfolgreich gewesen, obgleich sie in Norwegen technisch zu diesem Zeitpunkt gar nicht umgesetzt war, also keinen Beitrag geleistet haben kann.

Linke Positionen ohne Not geräumt

Derweil ist es seitens der CDU auffallend still: Weder wurde vorher erkennbar Druck auf den Parteikonvent ausgeübt, noch wurde anschließend die Entscheidung genüsslich kommentiert – die CDU kann sich hier vollkommen zurücklehnen, denn der ganze Empörungssturm geht ausschließlich auf die SPD nieder. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft soll nach Medienberichten gesagt haben, sie ärgere sich, dass die SPD das Thema auf sich gezogen habe. Und damit hat sie Recht: Die SPD hat ohne Not ein polarisierendes Thema durchgekämpft, in dem sie dem großen Koalitionspartner einen Gefallen tut und bei dem sie nichts gewinnen kann. Umso unverständlicher, warum der große Vorsitzende sein gesamtes Gewicht dafür in die Waagschale warf. Merkel ist da geschickter, sich aus unangenehmen Themen vollkommen herauszuhalten.

Die Hoffnungen liegen erneut auf dem Bundesverfassungsgericht. Denn an der grundsätzlichen Konstruktion, dass Daten massenhaft, flächendeckend und anlasslos gespeichert werden, hat auch der neue Gesetzentwurf nichts geändert. Darüber wird der neue Name „Mindestspeicherfrist“ nicht hinwegtäuschen. Amüsantes Detail am Rande: Selbst Gabriel nennt die Maßnahme immer wieder „Höchstspeicherfrist“ – die Unsinnigkeit dieser Sprachverwirrung wird deutlich, wenn beide Begriffe synonym verwendet werden können. Von glaubwürdiger Netzpolitik hat die SPD jedenfalls Abstand genommen.

Übrig bleibt eine innen- und bürgerrechtspolitisch deutlich nach rechts gerückte SPD: Da, wo die CDU bereits ist. Das ist keine profilschärfende Maßnahme, im Gegenteil: Eine CDU „light“ braucht niemand. Ohne Not räumen die Sozialdemokraten reihenweise Positionen links der Mitte. Sie erledigen damit die schmutzige Arbeit der Union, der nachher die Früchte zufallen werden – der SPD wird das niemand danken. Ich sehe jedenfalls schwarz für die nächsten Wahlen.

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Unabhängige Polizeibeschwerdestelle ist notwendig

Veröffentlicht am von unter 20 Piraten, Birgit Rydlewski, Bürgerrechte, Frank Herrmann, Innenausschuss (A09), Kleine Anfragen, Persönliche Blogposts.

Trotz Dutzender Beschwerden wegen polizeilichen Fehlverhaltens lehnt die Landesregierung weiterhin unabhängige und zivile Beschwerde- und Ermittlungsstellen ab

Die Antwort der Landesregierung auf unsere Anfrage zur „Rassismusprävention bei Polizei und Justiz“ zeigt, dass wir hier in NRW noch dicke Bretter bohren müssen, bis die von vielen Institutionen, z. B. der UNO, der Humanistischen Union, Amnesty International, den Kritischen Polizisten und dem Deutschen Institut für Menschenrechte geforderten unabhängigen, externen und zivilen Beschwerde- und Ermittlungsstellen in NRW eingerichtet werden.

Deshalb haben wir Piraten einen Antrag zur Errichtung einer solchen Stelle eingebracht. Wir bauen darauf, dass die Landtagsmitglieder nach den vielen erschreckenden Fällen polizeilichen Fehlverhaltens in NRW und anderswo mit uns gemeinsam konstruktiv an der Entwicklung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle für Nordrhein-Westfalen arbeiten werden.

Frank Herrmann, Sprecher der Piratenfraktion im Innenausschuss: „NRW hinkt anderen Bundesländern und mittlerweile auch dem Bund hinterher, wenn es um die Fehlerkultur und -korrektur der Polizeiarbeit und der Justiz geht. Nach den vielen unaufgeklärten Vorfällen von Polizeigewalt, z. B. in Essen, Herford, Köln, Gelsenkirchen und Dortmund sowie den Mobbing- und Misshandlungsvorfällen in Aachen und Köln kann es kein Weiter-so mehr geben. Seit Jahren stellen verschiedene Organisationen ein schlechtes Zeugnis auch für die Rassismusprävention und -ahndung in den deutschen Polizeibehörden aus. Die nun bekannt gewordenen Vorfälle sind vielleicht nur die Spitze des Eisbergs, denn von 3.960 Beschwerden gegen NRW-Polizisten im Jahr 2013 führten lediglich zwei zu Disziplinar- und/oder Strafverfahren. Auch für das Jahr 2014 erwarten wir keine großen Änderungen, denn laut Experten liegt die geringe Zahl an Disziplinar- und/oder Strafverfahren oft auch daran, dass Polizisten gegen ihre eigenen Kollegen ermitteln müssen und man als Nestbeschmutzer gilt, wenn man gegen Kollegen aussagt. Deshalb sollen sich auch Polizisten direkt an die unabhängige Beschwerdestelle wenden können. Wir wollen durch diese Möglichkeit letztlich auch die Beamtinnen und Beamten selbst stärken und durch eine transparente Aufarbeitung verlorenes Vertrauen der Menschen in die Polizei zurückgewinnen.“

Der zweite Komplex unserer Fragestellung drehte sich um die Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags.

Birgit Rydlewski, Mitglied im NSU-Untersuchungssausschuss in NRW, kommentiert: „Die Landesregierung ist sichtlich bemüht, aus dem verheerenden Versagen der NRW-Behörden im Zusammenhang mit dem mordenden und raubenden NSU zu lernen. Allerdings hapert es immer noch an der praktischen Umsetzung der Empfehlungen, vor allem im Bereich des Opferschutzes, der Prävention, der stärkeren Berücksichtigung der Opferperspektive, im Bezug auf Racial Profiling sowie der Definition und Anwendung des Rassismusbegriffs. Das veranschaulichen die vielen Fälle von Beschwerden gegen diskrimierenden Verhaltens seitens der Polizei, die in der Antwort der Landesregierung dokumentiert werden. Auf den Regionalkonferenzen zur Entwicklung eines integrierten Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus und Rassismus wurde deutlich, dass viel Vertrauen in die NRW-Behörden verloren gegangen ist. Die Landesregierung und der Beamtenapparat müssen zeigen, dass sie bereit sind, bei der Aufklärung des NSU-Komplexes in NRW hundert Prozent zu geben und eigenes Handeln in den letzten Jahren zu hinterfragen. Fehlerkultur und -korrektur fängt eben ganz oben an.“

Dietmar Schulz zur Vorratsdatenspeicherung

Veröffentlicht am von unter Dietmar Schulz, Persönliche Blogposts.

Erklärung gemäß § 47 Abs. 2 GO zum TOP 1 (Eilantrag/Piraten) der 88. Plenarsitzung des Landtags NRW:

Ich befinde mich in diesem hohen Haus weil ich mich im Jahr 2011 nach einem bis dahin an Erkenntnissen und Erlebnissen wahrlich nicht armen Leben entschlossen habe, meine persönlichen menschlichen, familiären und beruflichen Erfahrungen in die Politik einzubringen; einzubringen in eine werteorientierte, freiheitlich orientierte Politik, wie ich sie in ihrer Bandbreite zu jenem Zeitpunkt und bis heute nirgendwo besser vertreten gesehen habe, als in der Piratenpartei.

Ich trete ein für ein – online wie offline – Leben in Frieden und Freiheit unter Abwehr staatlichen, demokratiefeindlichen Dirigismus und vor allem frei von überbordender, systematischer bis monopolistischer Datenerhebung, Datenspeicherung sowie Datenauswertung.

Grundgesetz rulez! Das gilt für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht der Privatsphäre und Unverletzlichkeit der Wohnung ebenso wie für das Recht auf Meinungsfreiheit, Presse- und Berufsfreiheit.

Nicht auszudenken, wie die Chance der Welt beschnitten würde und schon wird, wenn wir uns den Weg zur Erkenntnis fehlgeleiteten staatlichen Handelns, z.B. durch Whistleblower wie Edward Snowden geoutet, verbauen würden. Das aber wäre die Folge der von den Befürwortern feurig vertretenen VDS.

Bei allem falsch orientierten, und an Hysterie zur Begründungsschimäre verkommenen Sicherheitsfanatismus, den ich bereits gestern und heute hier hörte und in den letzten Jahren insbesondere seit 2001 wahrnehmen musste (sog. Sicherheitsgesetze): die Verhinderung von Stasi 2.0 und anderer Grausamkeit zur Beschneidung von Freiheitsrechten bis hin zur Gefährdung unserer Demokratie und unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist ein wesentlich größeres Motiv, um für die Interessen und Bürgerrechte, Grundrechte, Freiheitsrechte der Menschen in unserem Land einzutreten, als dies hinsichtlich jeder Debatte über Verschuldungs-Theoreme oder die Schuldenbremshysterien der Fall sein kann.

Nur wer die Unfreiheit infolge staatlichen Dirigismus noch nicht erlebt oder betroffenermaßen erfahren hat, kann sich wie in der Debatte zur VDS teilweise und insbesondere bei den Befürwortern zu hören, mit einer wie dabei zutage tretenden Arroganz über die Frage der „Vermeintlichkeit“ der Einschränkung von Freiheitsrechten durch Vorratsdatenspeicherung und Eingriffen in die Grundrechte hinwegsetzen.

Es gibt einfach nicht nur ein bisschen Grundrechtsverletzung; genauso wenig wie es ein bisschen schwanger gibt oder ein bisschen strafbar.

(Wir Piraten/oder „ich“), gemeinsam mit den namhaften und weniger namhaften, nichtstaatlichen Vertretungen der Bürgerrechte in diesem Land, in Europa und in der Welt erwarte(n) einen breiten Konsens dieses hohen Hauses in NRW in der Frage des „GEGEN JEDE anlasslose, massenhafte Datenspeicherung auf Vorrat“.

Das sind wir neben uns selbst unseren Kindern und jeder Folgegeneration ohne Wenn und Aber schuldig. Deshalb halte ich einen breiten Konsens hinsichtlich des Eilantrags der Piratenfraktion für unerlässlich.

Aus diesem Grund sehe ich für mich am heutigen Tage und nach heutigem Kenntnisstand eine Zustimmung zum Eilantrag als alternativlos an.

Inklusion bedeutet, Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen

Veröffentlicht am von unter Homepage, Monika Pieper, Persönliche Blogposts.

Moni BerufsbildulngswerkDie berufliche Ausbildung von jungen Menschen mit Behinderung stand im Mittelpunkt meines Besuches im Berufsbildungswerk Maria Veen. Ich habe selber, als Förderschullehrerin, lange Jahre mit verschiedenen Förderberufskollegs zusammengearbeitet und mich sehr gefreut, über berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen und die verschiedenen Ausbildungsbereiche in Maria Veen informiert zu werden. Bei einem Rundgang durch die Einrichtung bin ich mit vielen Ausbildern, Schülern und Lehrern des Förderberufskollegs ins Gespräch gekommen.
Dabei wurde wieder einmal deutlich, wie wichtig die individuelle Förderung junger Menschen mit Einschränkungen für eine erfolgreiche berufliche Ausbildung ist. Weiterlesen »

Rassismusprävention bei Polizei und Justiz in Nordrhein-Westfalen

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Gastbeitrag: Autor: Mathias Collet (Persönlicher Mitarbeiter)

Im Mai hatten wir in einer Kleinen Anfrage das Thema „Rassismusprävention bei Polizei und Justiz in Nordrhein-Westfalen“ aufgegriffen. In dieser Anfrage (Kleine Anfrage 3447, LT-Drs. 16/8748) hatten wir die Landesregierung zu verschiedenen Themenkomplexen befragt.

Zum einen hatten wir wissen wollen, wie weit die Landesregierung mit der Umsetzung des Antrags „Alltagsrassismus und rechte Gewalt bekämpfen – Erfassung politisch rechts motivierter Straftaten verbessern“ (LT-Drs. 16/6122) ist, der am 24. Juni 2014 von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der PIRATEN im Landtag beschlossen wurde.

Die Antwort der Landesregierung zu den dort aufgeführten sieben Punkten ist dieses Mal recht ausführlich ausgefallen (das ist ja nicht immer so…) und bekundet den generellen Willen zur Bekämpfung von Alltagsrassismus und rechter Gewalt in all diesen Punkten. 

Es zeigt sich aber schnell, dass wir von Seiten des Parlaments (meint: oft erst einmal von Seiten der PIRATEN, bevor dann – vielleicht – die anderen Fraktionen auf den anfahrenden Zug aufspringen oder auch nicht) sehr genau hinsehen müssen, ob und in welchem Tempo die grundsätzlich für gut befundenen Maßnahmen denn dann auch faktisch umgesetzt werden. Denn schon beim ersten Punkt, der „grundlegenden Überarbeitung des Themenfeldkatalogs PMK unter Hinzuziehung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft“, zeigt sich, dass die Mühlen im Land gerne mal etwas langsamer mahlen, denn, so die Landesregierung, die

„Ständige Konferenz der Innenminister und -Senatoren der Länder (IMK) hat auf ihrer 199. Sitzung vom 11. bis 13.06.2014 den Sachstand […] zur Kenntnis genommen und die Gremien der Länder und des Bundes unter anderem damit beauftragt, den Themenfeldkatalog politisch motivierter Kriminalität (PMK) zu überarbeiten sowie darüber hinaus das gesamte Definitionssystem PMK zu überprüfen. Infolge dieser Beschlusslage wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe (Bund-Länder-Arbeitsgruppe kriminalpolizeilicher Meldedienst – politisch motivierter Kriminalität; BLAG KPMD-PMK) unter Beteiligung von Polizei, Verfassungsschutz sowie Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft eingerichtet.“

Hey, klingt ja an sich super! Nur: Das war vor einem Jahr! Wir hätten natürlich gerne gewusst, was mittlerweile in dieser Arbeitsgruppe so herausgekommen ist…

In unserer zweiten Frage hatten wir die Landesregierung befragt, wie sie – angesichts diverser aktueller Vorfälle – zur Frage der Errichtung unabhängiger, externer und ziviler Beschwerde- und Ermittlungsstellen zur Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens steht. Hier fasst sich die Landesregierung leider sehr kurz und verweist auf Ihre Antwort zur Kleinen Anfrage 2609 (LT-Drs. 16/6589) von Frank Herrmann zur Thematik der Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen.

Die dazugehörige Antwort der Landesregierung findet sich hier.

In dieser Antwort verweist sie auf den Koalitionsvertrag 2012-2017 von NRWSPD und Bündnis 90/Die Grünen, der vorsehe, „das Beschwerdemanagement im Bereich der Polizei fortzuentwickeln.“ Als Ergebnis dieses Prozesses wurde dem Landtag Nordrhein-Westfalen mit Datum vom 12. August 2014 erstmals ein Beschwerdebericht vorgelegt (LT-Vorlage 16/2083). Es sei beabsichtigt, dieses „Beschwerdemanagement kontinuierlich fortzuentwickeln“.

Und das war’s dann auch. Unsere Forderung (und die des UN-Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung – mehr dazu weiter unten) nach der Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen wird von der Landesregierung rundweg abgelehnt. Die Begründung: Es gebe für Betroffene zum einen die Möglichkeit, sich bei den jeweiligen Polizeidienststellen zu beschweren. Dies münde dann entweder in Disziplinarmaßnahmen oder auch strafrechtliche Ermittlungen. Und das sei dann auch völlig ausreichend, denn „soweit Hinweise auf strafrechtlich relevantes Fehlverhalten einzelner Beamtinnen und Beamter bestehen, wird diesen demzufolge im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens in mit erfahrenen Dezernentinnen bzw. Dezernenten besetzten Sonderdezernaten nach Recht und Gesetz nachgegangen.“ Hierdurch sei „die gebotene Objektivität und Neutralität gewährleistet.“

Zum anderen hätten „die Bürgerinnen und Bürger jederzeit die Möglichkeit, den Petitionsausschuss des Landtags anzurufen. Die Landesregierung sieht daher keine Notwendigkeit, in Konkurrenz zu diesen in- und externen Beschwerdemöglichkeiten eine weitere Beschwerdeinstanz zu schaffen.“

Tja, soweit die Landesregierung. Wir sehen das nach wie vor anders, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Die bislang bekannt gewordenen Vorfälle sind wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs, denn von 3.960 Beschwerden insgesamt gegen NRW-Polizisten im Jahr 2013 führten lediglich zwei zu Disziplinar- und/oder Strafverfahren. Die pure Existenz einer unabhängigen (!) Beschwerdestelle würde es von Polizeigewalt Betroffenen möglich machen, sich an eben diese wenden zu können – und dies nicht bei der Institution Polizei selbst (über die sie sich gerade beschweren wollen) machen zu müssen. Dies dürfte zu einer deutlichen Steigerung der Bereitschaft von Betroffenen führen, sich über polizeiliches Fehlverhalten zu beschweren – die Dunkelziffer in diesem Bereich dürfte derzeit ausgesprochen hoch sein („bringt ja eh nichts…“)
  • Selbst wenn die zuständige Polizeibehörde bzw. deren Leiter*innen aufklärungswillig sein sollten, ist es immer eine Belastung für das Klima innerhalb dieser Behörde, wenn Kolleg*innen aus der einen Abteilung gegen ihre Kolleg*innen aus einer anderen Abteilung ermitteln (müssen). Schnell gilt jemand als „Nestbeschmutzer“ gilt, wenn eine Aussage erfolgt. Hier ist es deutlich sinnvoller, wenn solche Ermittlungen von vornherein von einer eigenen, unabhängigen, außen stehenden Institution geführt werden – z.B. einer Beschwerdestelle. Das wäre auch ein klares Signal dafür, schon von vornherein durch eine institutionelle Trennung eine Vermischung verschiedener innerbehördlicher Interessen („Betriebsfrieden“ vs. „Aufklärung“) auszuschließen. Dieses Signal ginge nicht nur nach „außen“, sondern auch nach „innen“, nämlich an die vielen Polizist*innen, die von den Exzessen einer Minderheit unter ihren Kolleg*innen ebenfalls wenig begeistert sind, weil sie ihre tägliche Arbeit konterkarieren und in den Dreck ziehen. Wir wollen durch die Möglichkeit einer unabhängigen Beschwerdestelle letztlich auch die Beamtinnen und Beamten selbst stärken und durch eine transparente Aufarbeitung verlorenes Vertrauen der Menschen in die Polizei zurückgewinnen. Die Möglichkeit, sich außerhalb ihrer Dienststelle über Fehlverhalten von Kolleg*innen beschweren zu können, ist ein Wunsch, der von vielen Polizist*innen selbst immer und immer wieder geäußert wird und der es noch unverständlicher macht, dass die Landesregierung diesen Ruf nicht hören will. Wie sehr die Notwendigkeit dafür besteht, zeigen ganz aktuell die Vorkommnisse um ein SEK-Team in Köln…

Soweit es den Petitionsausschuss des Landtags angeht, so ist dieser grundsätzlich erst einmal für Beschwerden über alle Landesbehörden zuständig – das gibt ihm eine Generalzuständigkeit für alle möglichen Kümmernisse und macht ihn zu einem wichtigen Kontrollorgan des Landtags. Ich wage aber zu bezweifeln, dass dieses Gremium den Menschen im Land überhaupt in größerem Ausmaß bekannt ist. 

Darüber hinaus spricht aus meiner Sicht überhaupt nichts dagegen, diesem so generell agierenden Gremium eine spezielle Institution zur Seite zu stellen, die sich mit einem sehr speziellen Teil behördlichen Fehlverhaltens befasst. Tatsächlich könnte eine solche Beschwerde- oder Ombudsstelle auch Teil des Petitionsausschusses sein, was den großen Vorteil hätte, dass sie dann auch Teil der Legislative und nicht der Exekutive wäre.

Die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Niedersachsen sind diesen Schritt übrigens schon gegangen und haben im letzten Jahr solche unabhängigen Beschwerdestellen geschaffen.

Wir bleiben natürlich an diesem wichtigen Thema dran und haben daher gestern im Plenum einen Antrag eingebracht, der die Landesregierung dazu auffordert, 

„… einen Runden Tisch unter Teilnahme der Landesregierung, der Landtagsfraktionen und der Polizeigewerkschaften einzuberufen, der sich mit der Einführung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle befassen soll. Die genannten Teilnehmer sollen den Runden Tisch dann alsbald um Sachverständige aus der Wissenschaft erweitern. Der Runde Tisch soll unter Abwägung aller beteiligten Interessen klären, wie und in welchem Umfang eine solche Stelle ausgestattet sein könnte. Ziel soll es sein, einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten, so dass dieser noch in dieser Legislaturperiode im Landtag beraten und entschieden werden kann.“

Unsere dritte Frage bezog sich darauf, welche Konsequenzen die Landesregierung aus dem neuesten Bericht des UN-Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung vom 15. Mai 2015 zieht. Hier sieht die Landesregierung in erster Linie die Bundesregierung am Zug (weil sich der Bericht an diese wendet), prüft aber „aktuell die Ergebnisse auf ihre Bedeutung und ihre Konsequenzen für Nordrhein-Westfalen“ und verweist im Weiteren auf ihre Antwort zu Frage 1.

Ich hätte da einen Tipp für die Landesregierung: Im aktuellen Bericht des UN-Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (Committee on the Elimination of Racial Discrimination), zu finden hier unter

heißt es auf Seite 6 unter 11 d): 

the Committee urges the State party to intensify efforts to effectively combat and end any practice of racial profiling by federal and state (Länder) law enforcement officials, including by:

[…]

(d) Establishing independent complaints mechanisms at both federal and Länder levels to investigate acts of racial discrimination committed by law enforcement officials;
Übersetzung: 

Der Ausschuss drängt den Vertragsstaat, seine Bemühungen um eine effektive Bekämpfung und Beendigung aller Praktiken des „racial profiling“ sowohl durch Bundes- als auch Landespolizeibeamt*innen zu intensivieren, auch durch

[…] 

(d) die Einführung unabhängiger Beschwerdemechanismen sowohl auf Bundes- als auch Länderebene zur Ermittlung in Fällen von Rassendiskriminierung durch Mitglieder von Polizei-/Strafvollzugsbehörden;

Unsere Frage vier bezog sich auf die Anzahl der Fälle von rassistisch motivierten Beleidigungen, Übergriffen oder Misshandlungen durch Polizisten bzw. Beschwerden darüber, die in NRW in den Kalenderjahren 2012 bis 2014, sowie im laufenden Jahr bis zum heutigen Tage bekannt geworden sind. 

Die Antwort enthält eine Auflistung der (sieben) Disziplinarverfahren von 2013 und 2014 („Für das Jahr 2012 und 2015 wurden keine Ereignisse gemeldet“ – huh?) und – in der Anlage – eine lange Liste der Beschwerden und Petitionen nur aus dem Jahr 2014 bis heute, denn „Im Beschwerdebereich werden Akten mit personenbezogenen Daten  gem. § 13 AktOPol NRW (Erlass IM 43-58.02.01 vom 23. Oktober 2006) in der Regel nach einem Jahr vernichtet.“ 

Ach, zu dumm, dass hier wieder der Datenschutz gnadenlos zuschlägt… Aber wir wollen hier nicht zu ungerecht sein: Dass die Akten selbst vernichtet wurden, ist aus Datenschutzgründen nachvollziehbar – aber dann sollten natürlich jährlich alle Fälle in der (wie in der Auflistung) verkürzten Fassung erfasst werden. Aber vielleicht ändert sich das ja durch die stetige „Fortentwicklung des Beschwerdemanagements in NRW“ – wir werden sehen…

Wenn mensch sich diese Liste der Beschwerden aus nur eineinhalb Jahren (40 in 2014, 10 im laufenden Jahr) dann ansieht, dann drängt sich angesichts der Vielzahl der Fälle (auch wenn die durchaus vorhandenen abwegigen Fälle herausgerechnet werden) die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle geradezu auf. Und nicht vergessen: Wir reden an dieser Stelle nur über die Fälle mit rassistisch motiviertem Hintergrund – die Gesamtzahl der Beschwerden über polizeiliches Fehlverhalten ist um ein Vielfaches höher!

Frage fünf bezog sich auf die Weiterentwicklung einer Fehlerkultur in den nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden; die Landesregierung setzt hier vor allem auf eine entsprechende Aus- und Fortbildung ihrer Führungskräfte und verweist betreffend „dezidierte Angaben zum Beschwerdeaufkommen und Zielen eines qualifizierten Beschwerdemanagements“ auf die in Kürze anstehende Veröffentlichung des aktuellen Beschwerdeberichtes. Auch diesen werden wir natürlich an dieser Stelle etwas näher in Augenschein nehmen.

Es bleibt spannend…

Weltflüchtlingstag: Say it loud, say it clear, that refugees are welcome here

Veröffentlicht am von unter 20 Piraten, Bürgerrechte, Frank Herrmann, Homepage, Innenausschuss (A09), Mitmachen, Persönliche Blogposts.

refugees_welcome_0Zurzeit jagt ein Flüchtlingsgipfel den nächsten, und es werden zum Teil längst überfällige richtige Maßnahmen angekündigt, aber eben auch ein Zwei-Klassen-Asylsystem zementiert. Auf der einen Seite werden die Kommunen und das Land in den nächsten Jahren großzügiger vom Bund entlastet, aber gleichzeitig sollen diese dann auch für konsequente Abschiebung von Flüchtlingen aus den sogenannten ’sicheren Herkunftsstaaten‘ sorgen. Diese soll durch beschleunigte Verfahren und durch Sonderlager gewährleistet werden.

In NRW gibt es solche Sonderlager schon seit Anfang des Jahres. Trotz massiver Kritik der Gemeinden, Ehrenamtler und Initiativen an den Standorten wie in Münster hält die Landesregierung an diesen Abschiebezentren fest. Diese Maßnahmen pervertieren das Individualrecht auf Asyl, und wir Piraten kritisieren diese inhumane Ausgrenzung.

Den nun beschlossenen Geldsegen für das Land und die Kommunen kann man angesichts der desolaten Kassenlage vieler NRW-Kommunen nur begrüßen. Es fällt jedoch auf, dass in den Beschlüssen die Belange der Flüchtlinge nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das Wort „Standards“ (für die Unterbringung und Versorgung der Schutzsuchenden) fällt kein einziges Mal.

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Liebe verdient Respekt: Ehe für alle!

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

rainbowLiebe verdient Respekt. Alle Menschen sollen ungeachtet ihres Geschlechtes das gleiche Recht haben, einander zu heiraten. Auch andere, auf dauerhafte Verantwortung angelegte Partnerschaften und Lebensgemeinschaften müssen berücksichtigt werden.

Durch das irische Referendum ist die Forderung, Heiraten und Ehe für alle Menschen ungeachtet ihres Geschlechtes zu ermöglichen, wieder in den Fokus gerückt. 62,1% aller Abstimmenden waren dafür, dass auch homosexuelle Paare heiraten können sollen. Die Wahlbeteiligung war mit 60,5% beeindruckend hoch.

Eines Volksentscheids bedarf es im Grunde nicht: Der Grundsatz der Gleichstellung aller Menschen ungeachtet ihres Geschlechts gebietet die Gleichbehandlung auch in Bezug auf die Ehe. Dies umfasst dann nicht nur auch homosexuelle Paare, sondern ausdrücklich Menschen aller Geschlechter und Orientierungen.

Am 12. Juni 2015 hat der Bundesrat eine Entschließung zur vollständigen Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare verabschiedet. Die Bundesregierung wird darin gebeten, die verfassungswidrige Ungleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaften homosexueller Paare zu beenden. Dies stellt einen ersten, begrüßenswerten Schritt zur Öffnung der Ehe für alle dar.

Ehen erster und zweiter Klasse darf es nicht geben.

Artikel 1 des Grundgesetzes basiert auf der freien Selbstbestimmung über Angelegenheiten des persönlichen Lebens. Der Vielfalt aller Lebensstile muss daher diskriminierungsfrei und in voller Gleichberechtigung entsprochen werden. Eine tatsächlich diskriminierungsfreie Öffnung der Ehe muss eine einseitige Bevorzugung traditioneller Rollen-, Familien- und Arbeitsmodelle wirksam überwinden. Die wirklich freie Entscheidung für die individuell gewünschte Form des Zusammenlebens muss ermöglicht werden, um der möglichen Vielfalt aller Lebensentwürfe gleichberechtigt gerecht zu werden.

Das Eheversprechen ist eine persönliche Entscheidung. Niemand soll berechtigt sein, die Ausgestaltung der Eheform festzulegen oder auf bestimmte Geschlechter oder Lebensmodelle zu begrenzen.

Alle Formen der homosexuellen, heterosexuellen, queeren und polyamourösen Partnerschaften sowie Lebensgemeinschaften, die eine auf Dauer angelegte Verantwortung füreinander enthalten, müssen vollumfänglich gleichgestellt werden.

Durch die Ehe für alle wird weder die klassische Ehe zwischen Mann und Frau diskriminiert, noch die Familie benachteiligt.

In unserem Land leben viele tausend Regenbogenfamilien, denen bislang die volle rechtliche Anerkennung verwehrt ist, oder Familien mit anderen Beziehungs- und Verantwortungsmodellen. Die Ehe für alle sorgt dafür, Diskriminierungen dieser Familien abzubauen. Dies dient unmittelbar auch dem Kindeswohl der in diesen Familien aufwachsenden Kinder.

Schutz und Förderung von Familien darf nicht im Wesentlichen allein von der steuerlichen Förderung einer Verbindung von Mann und Frau abhängig sein. Die steuerliche Förderung der „Hausfrauenehe“ sichert Familien nicht.


Die Piratenfraktion hat einen entsprechenden Antrag unter der Drucksachennummer 16/8972 eingereicht, der am 26. Juni 2015 im Plenum behandelt werden wird.