Qualiltät von Polizeibewerbern in NRW auf Rekordtief

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Wie aus einer Antwort der Landesregierung zu meiner Kleinen Anfrage hervorgeht, steht es sehr schlecht um den dringend benötigten Polizeinachwuchs. Nicht nur, dass die Bewerberzahlen bei immer mehr Einstellungen nicht entsprechend mit ansteigen, sinkt auch die durchschnittliche Leistung beim Einstellungstest seit Jahren kontinuierlich.

Nun rächt sich, was ich im Landtag schon seit Jahren immer wieder kritisiere. Die Forderung nach immer mehr Einstellungen bei der Polizei wirkt sich gleichzeitig negativ auf die Qualität der Polizeianwärterinnen und -anwärter aus, denn bei den seit Jahren kontinuierlich steigenden Einstellungszahlen hat sich die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber dagegen kaum verändert. Immer nur mehr Polizei zu fordern geht am Ziel vorbei, wenn gleichzeitig die Qualität darunter leidet. Denn dies schadet letztlich nur dem Rechtsstaat, dem Image der Polizei und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern, die insbesondere in einem derart sensiblen Bereich wie der inneren Sicherheit zurecht eine deutlich über dem Durchschnitt liegende Leistung ihrer Polizei erwarten dürfen.

Die Leistung einer Polizeibewerberin bzw. eines Polizeibewerbers bemisst sich nach dem sogenannten Rangordnungswert (ROW). Je höher dieser ist, desto weiter oben wird die jeweilige Bewerberin bzw. der jeweilige Bewerber in eine Rangliste eingetragen. Werden, wie z.B. im Jahr 2016, 1.920 Anwärterinnen und Anwärter eingestellt, bekommen die ersten 1.920 Kandidatinnen und Kandidaten dieser Liste eine Einstellungszusage. Sagt jemand ab oder kann aus sonstigen Gründen doch nicht eingestellt werden, rückt die oder der Nächste auf der Liste nach.

Während im Jahr 2010 noch so gut wie alle letztlich eingestellten Bewerberinnen und Bewerber überdurchschnittliche Leistungen erbrachten, konnte im Jahr 2016 bereits ein knappes Drittel dieser Gruppe nur unterdurchschnittliche Leistungen vorweisen, und dies obwohl seit 2010 zusätzlich auch die durchschnittliche Leistung insgesamt signifikant gesunken ist.

Diese Zahlen sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Hinzu kommt, dass auch die Anforderungen in sportlicher und medizinischer Hinsicht (Anforderungen, die nicht in den ROW mit einfließen) ebenfalls seit Jahren herabgesetzt werden. Während die Polizei vor einigen Jahren die sportliche Leistungsfähigkeit von Bewerberinnen und Bewerbern noch selbst feststellte, reicht heute der externe Nachweis des deutschen Sportabzeichens sowie des DLRG-Rettungsschwimmerabzeichen jeweils in Bronze. Und selbst dort haben sich die Anforderungen immer weiter reduziert. Musste ein männlicher, 19-29 Jahre alter Bewerber beispielsweise im Jahr 2012 eine Laufstrecke von 3.000m noch in 13:00 Min. absolvieren, hat er heute, je nach Altersstufe (inwischen gibt es drei statt wie vorher nur eine Altersgruppe im Bereich zwischen 19 und 29 Jahren), zwischen 16:50 Min. und 17:20 Min. Zeit. Das hat nichts mehr mit Sport zu tun, das ist 3.000m Spazierengehen. Es gibt Anwärterinnen und Anwärter, bei denen sich nach(!) der Einstellung herausstellt, dass sie nicht einmal ihren Kopf unter Wasser tauchen können. Da frage ich mich schon manchmal, welcher Onkel denen wohl das Schwimmabzeichen bescheinigt hat, ohne dass die Leistung tatsächlich erbracht wurde.

Die Landesregierung schafft es einfach nicht, eine ausreichende Zahl an Menschen für den Polizeiberuf zu interessieren. Dies ist jedoch nicht verwunderlich. Schlechte Bezahlung, schlechte Aufstiegschancen sowie schlechte Voraussetzungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei gleichzeitig immer mehr Belastung und Aufgaben. Unter solchen Bedingungen reicht das Argument des sicheren Arbeitsplatzes allein nicht mehr aus.

Wir müssen den Polizeiberuf attraktiv und modern gestalten, um mehr Menschen dafür zu interessieren. Außerdem könnte man, indem man auch Haupt- und Realschüler wieder für den Polizeidienst zulässt, die Zahl der potentiellen Bewerberinnen und Bewerber kurzfristig und auf einen Schlag nahezu verdoppeln. Nur weil jemand kein Abitur hat, ist er nicht automatisch ein schlechterer Polizeibeamter, zumal auch die Bewerberinnen und Bewerber dieser Schulformen letztendlich dieselben Leistungen erbringen müssten, wie ihre Kolleginnen und Kollegen mit Abitur. Zunächst müsste allerdings sichergestellt werden, dass diese Bewerberinnen und Bewerber im Vorfeld der eigentlichen Ausbildung die Fachhochschulreife nachholen, da es sich bei der Polizeiausbildung in NRW um ein Fachhochschulstudium handelt. Dies wäre jedoch kein großes Problem, wie entsprechende Modelle anderer Bundesländer beweisen.

Die Landesregierung sowie die regierungstragenden Fraktionen von SPD und Grünen müssen sich die Frage stellen, was für eine Polizei sie zukünftig haben möchten. Möchten sie Bewerberinnen und Bewerber einstellen, die gerade noch soeben für den Polizeidienst geeignet sind oder möchten sie lieber solche einstellen, die im vorderen Drittel des Leistungsspektrums liegen? Die derzeitige Situation jedenfalls hat nicht mehr das Geringste mit Bestenauslese zu tun. Bei gerade einmal 2.625 geeigneten Bewerbern und knapp 2.000 Einstellungen im Jahr 2016 musste so gut wie jeder genommen werden, der gerade noch irgendwie geeignet war. Zumal 203 Bewerberinnen und Bewerber ihre Bewerbung im Nachhinein von sich aus zurückgezogen haben. Ich befürchte, dass das ausgerechnet 203 aus dem oberen Leistungsdrittel waren, denn solche Bewerberinnen und Bewerber bekommen natürlich auch Stellen mit deutlich besseren Konditionen in der freien Wirtschaft.

 

Die Antwort der Landesregierung trägt die Drucksachennummer 16/14518 und wird ab dem 21.03.2017 in der Datenbank des Landtages NRW verfügbar sein.

Kleine Anfrage: Politische Landschaftspflege per Beamtenbesoldung zur Causa Wendt

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Kleine Anfrage der Abgeordneten Torsten Sommer, Birgit Rydlewski, Daniel Düngel und Frank Herrmann, PIRATEN

Als Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft steht Rainer Wendt im öffentlichen Diskurs und ist somit eine Person der Zeitgeschichte. Dementsprechend steht er zur Zeit im Fokus einer Berichterstattung in der sowohl ihm, wie auch dem nordrhein-westfälischen Ministerium für Inneres und Kommunales Verfehlungen vorgeworfen werden.

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Kleine Anfrage: Politische Landschaftspflege per Beamtenbesoldung – generelle Handhabung

Veröffentlicht am von unter Birgit Rydlewski, Daniel Düngel, Frank Herrmann, Kleine Anfragen, Torsten Sommer.

Kleine Anfrage der Abgeordneten Torsten Sommer, Birgit Rydlewski, Daniel Düngel und Frank Herrmann, PIRATEN

Wie einem Bericht von Report München und anderen Medienberichten zu entnehmen ist, bekam Rainer Wendt offensichtlich jahrelang Beamtensold, ohne als Beamter für die Landesregierung tätig zu sein. Nach eigenen Aussagen von Herrn Wendt, der laut Bericht 2010 sogar zum Hauptkommissar befördert und ins Landesamt für polizeiliche Dienste versetzt wurde, habe er die Tätigkeit als Hauptkommissar „natürlich nicht aktiv betrieben“. Dies bedeutet, dass er praktisch besoldet vom Dienst freigestellt wurde, um seine Aufgaben als Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft wahrnehmen zu können.

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Unabhängige Polizeibeschwerdestelle ist notwendig

Veröffentlicht am von unter 20 Piraten, Birgit Rydlewski, Bürgerrechte, Frank Herrmann, Innenausschuss (A09), Kleine Anfragen, Persönliche Blogposts.

Trotz Dutzender Beschwerden wegen polizeilichen Fehlverhaltens lehnt die Landesregierung weiterhin unabhängige und zivile Beschwerde- und Ermittlungsstellen ab

Die Antwort der Landesregierung auf unsere Anfrage zur „Rassismusprävention bei Polizei und Justiz“ zeigt, dass wir hier in NRW noch dicke Bretter bohren müssen, bis die von vielen Institutionen, z. B. der UNO, der Humanistischen Union, Amnesty International, den Kritischen Polizisten und dem Deutschen Institut für Menschenrechte geforderten unabhängigen, externen und zivilen Beschwerde- und Ermittlungsstellen in NRW eingerichtet werden.

Deshalb haben wir Piraten einen Antrag zur Errichtung einer solchen Stelle eingebracht. Wir bauen darauf, dass die Landtagsmitglieder nach den vielen erschreckenden Fällen polizeilichen Fehlverhaltens in NRW und anderswo mit uns gemeinsam konstruktiv an der Entwicklung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle für Nordrhein-Westfalen arbeiten werden.

Frank Herrmann, Sprecher der Piratenfraktion im Innenausschuss: „NRW hinkt anderen Bundesländern und mittlerweile auch dem Bund hinterher, wenn es um die Fehlerkultur und -korrektur der Polizeiarbeit und der Justiz geht. Nach den vielen unaufgeklärten Vorfällen von Polizeigewalt, z. B. in Essen, Herford, Köln, Gelsenkirchen und Dortmund sowie den Mobbing- und Misshandlungsvorfällen in Aachen und Köln kann es kein Weiter-so mehr geben. Seit Jahren stellen verschiedene Organisationen ein schlechtes Zeugnis auch für die Rassismusprävention und -ahndung in den deutschen Polizeibehörden aus. Die nun bekannt gewordenen Vorfälle sind vielleicht nur die Spitze des Eisbergs, denn von 3.960 Beschwerden gegen NRW-Polizisten im Jahr 2013 führten lediglich zwei zu Disziplinar- und/oder Strafverfahren. Auch für das Jahr 2014 erwarten wir keine großen Änderungen, denn laut Experten liegt die geringe Zahl an Disziplinar- und/oder Strafverfahren oft auch daran, dass Polizisten gegen ihre eigenen Kollegen ermitteln müssen und man als Nestbeschmutzer gilt, wenn man gegen Kollegen aussagt. Deshalb sollen sich auch Polizisten direkt an die unabhängige Beschwerdestelle wenden können. Wir wollen durch diese Möglichkeit letztlich auch die Beamtinnen und Beamten selbst stärken und durch eine transparente Aufarbeitung verlorenes Vertrauen der Menschen in die Polizei zurückgewinnen.“

Der zweite Komplex unserer Fragestellung drehte sich um die Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags.

Birgit Rydlewski, Mitglied im NSU-Untersuchungssausschuss in NRW, kommentiert: „Die Landesregierung ist sichtlich bemüht, aus dem verheerenden Versagen der NRW-Behörden im Zusammenhang mit dem mordenden und raubenden NSU zu lernen. Allerdings hapert es immer noch an der praktischen Umsetzung der Empfehlungen, vor allem im Bereich des Opferschutzes, der Prävention, der stärkeren Berücksichtigung der Opferperspektive, im Bezug auf Racial Profiling sowie der Definition und Anwendung des Rassismusbegriffs. Das veranschaulichen die vielen Fälle von Beschwerden gegen diskrimierenden Verhaltens seitens der Polizei, die in der Antwort der Landesregierung dokumentiert werden. Auf den Regionalkonferenzen zur Entwicklung eines integrierten Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus und Rassismus wurde deutlich, dass viel Vertrauen in die NRW-Behörden verloren gegangen ist. Die Landesregierung und der Beamtenapparat müssen zeigen, dass sie bereit sind, bei der Aufklärung des NSU-Komplexes in NRW hundert Prozent zu geben und eigenes Handeln in den letzten Jahren zu hinterfragen. Fehlerkultur und -korrektur fängt eben ganz oben an.“