sei ich gewechselt, twitterte vorgestern @schreibrephorm. Großartig.
Hallo zusammen,
wie inzwischen ja allgemein bekannt sein dürfte, bin ich nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Piratenfraktion im Landtag NRW angetreten. Und alle Interessierten haben ein verdammtes Recht darauf, dazu von mir direkt mehr zu erfahren, als das, was ich in der Fraktionssitzung schon gesagt habe.
Kurz, es war eine sehr persönliche Entscheidung, die mir sehr schwer gefallen ist.
Und für diese Entscheidung gibt es äußere und innere Gründe. Am Montag Abend habe ich meine Nicht-Kandidatur für den Fraktionsvorsitz meinen 18 Mit-MdL in einer längeren ganz persönlichen Mail mitgeteilt. Der Beitrag hier enthält auch Teile daraus:
Dieses Mal geschah unsere turnusmäßige Vorstandswahl unter ganz besonderen Bedingungen. Die Anderen haben es dreckig gespielt. So dreckig, dass wir uns Sorgen um Demokratie und Minderheitenrechte machen müssen. Nicht nur hier im Landtag NRW zur Vizepräsidentenwahl, sondern auch deutschlandweit auf Bundesebene.
Auf dem SPD-Parteikonvent werden in Sachen Vorratsdatenspeicherung Gewissenstäter ins Gebet genommen, und der Chef der CDU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, spricht offen von Abweichlern, eine Diskriminierung ersten Ranges für Abgeordnete, die sich ernsthaft ihrem Gewissen verpflichtet sehen.
(Und die Währung der Zukunft ist die Schäublone.)
Das können und dürfen wir nicht hinnehmen. Wir haben daher als größte Piratenfraktion überhaupt eine besondere Verpflichtung und Verantwortung gegenüber dem Landtag NRW, unserem NRW-Landesverband, unserer Bundespartei und nicht zuletzt gegenüber uns selbst als Abgeordnete und gegenüber unserer Fraktion und ihren großartigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Von daher drängte mich alles, weiter als Fraktionsvorsitzender zur Verfügung zu stehen und Vorstandsverantwortung zu übernehmen.
Aber ich nahm, das ist ja kein Geheimnis, aus Partei und Fraktion auch Rufe zu Aufbruch, Veränderung und Wandel war. Auch in Verbindung mit dem Wunsch, Rollen der Fraktion, speziell meine als Fraktionsvorsitzender, mit einem anderen Gesicht zu besetzen und damit diesen Wandel durch eine Neubesetzung des Vorsitzes nach außen hin zu unterstreichen.
(Manchmal wünsche ich, mein Gesicht wäre jünger.)
Ich habe gute Antennen und bin mir dessen also durchaus bewusst. Und – speziell meine Freunde innerhalb und außerhalb der Fraktion wussten das – ich fragte mich selbst schon seit einer ganzen Weile ernsthaft, ob es nicht besser ist, den Weg freizumachen für ein anderes Gesicht.
Dabei bin ich nicht von übermäßigen Selbstzweifeln geplagt oder gar der Ansicht, dass ich es schlecht gespielt habe.
Letzte Woche fragte mich Jörg Zajonc von RTLWEST wieder einmal, ob es bei uns an der Führung liegt. Ich habe sinngemäß geantwortet, dass wir Piraten es eben anders machen. Nachher ist man immer schlauer, besser hätte ich sagen sollen, dass Norbert Römer oder Christian Lindner, so sie Piraten wären, mit ihrem Top-Down-Führungsentwurf in unserer kleinen Fraktion keine vier Monate als Vorsitzende überlebt hätten. Das spricht für uns als Piraten. Außerdem kamen beide ins gemachte Nest, eine SPD- und eine FDP-Fraktion existierten schon.
Eine Fraktion von Grund auf neu aufzubauen, ist aber eine ganz andere Nummer. Gemeinsam mit meinen 18 Mit-MdL kann ich darauf stolz sein.
Darüber hinaus möchte ich – auch nach außen hin – deutlich machen, dass ich – anders als in der Politik oft üblich – keinen Klebstoff am Arsch habe.
Auf der anderen Seite schrecke ich aber nicht zurück vor der Verantwortung für die Fraktion und allem, was da dran hängt. Wenn es um die Verteilung von Verantwortung ging, habe ich immer „Hier“ gerufen, mein ganzes bewusstes Leben lang.
Das war mein ganz persönliches Dilemma, bevor ich die Entscheidung entgültig gefällt habe – zugegeben recht spät und auch aufgrund eines noch anstehenden Interviews mit SAT1NRW am Montag vor der Wahl.
Die Fraktion ist über die drei Jahre hinweg – mit „natürlichen“ Wellenbewegungen – kontinuierlich konstruktiver geworden in ihrer inhaltlichen und strategischen Arbeit. Und das letzte Jahr toppte alles.
Whatsoever – ich war gern unser Vorsitzender.
Ich habe seit dem Wahlkampf März 2012 überzeugend in jede Kamera gegrinst und das Piratending authentisch in jedes Mikro gesungen, das man mir hingehalten hat. (Ok, vielleicht nicht gesungen ;-))
In der letzten Zeit wurde ich aber zunehmend unzufriedener mit mir selbst. Und das hat folgenden Grund: Wenn man permanent im Wind steht, der manchmal auch zum Sturm anschwillt, kommt man einfach nicht mehr dazu, etwas zu entwickeln, zu entwerfen, zu konstruieren.
Das ist aber meine andere Seite, die ich ebenso brauche, wie die Luft zum atmen. Und die Partei braucht das auch, denke ich.
Ich will mich nicht damit abfinden, das Politikerstatements zu inhaltsleeren und kompetenzlosen Sprechblasen mutieren. Die Politik orientiert sich insgesamt zu sehr an der durch Medien und Internet bestimmten Aufmerksamkeitsökonomie und vergisst darüber die saubere Konzeption und das präzise Management. Alles wirkt wie mit der heißen Nadel gestrickt.
Hannelore Krafts Regierungserklärung vom Januar „Megabits. Megaherz. Megastark.“ ist dafür das beste Beispiel! Ein paar drittklassige Werbesprüche, gepaart mit turbo-neoliberaler Rendite-Romantik.
Nichts Wesentliches dazu, was der digitale Wandel wirklich bedeutet.
Ohh, SPD, was ist aus Dir geworden?
Kurz, ich will wieder konzeptionell arbeiten und in die Fraktion und die Partei hineinwirken. Mich darauf konzentrieren.
Buchcover – Paperback
Angefangen habe ich damit schon. Bis 2013 habe ich es soeben noch hingekriegt, ein Buch fertigzustellen, das sich hervorragend dazu eignet, wackelnde Möbel zu unterstützen, aber auch zum Lesen. Die Texte sind eher grundsätzlicher Natur und nicht tages- oder jahresaktuell.
War das jetzt ein Werbeblock? Ja.
Dann habe ich mit meinen beiden großartigen Mitstreitern aus dem Landesverband, John Martin Ungar aka @schwarzbart und Dr. Lutz Martiny aka @xalxano Pfingsten 2015 einen kleinen Kongress veranstaltet zum Thema „Zukunft der Ökonomie – Ökonomie der Zukunft“, unterstützt von der ebenso großartigen @SabineMartiny und meinem Freund und Sparringspartner Peter Rath-Sangkhakorn.
Wir brauchen mehr davon, denn WIR sind die Partei der Teilhabe, des digitalen Wandels und der Informations- und Wissensgesellschaft. Und wir produzieren keine Sprechblasen.
Insofern passt das auch mit der Schiffsbibliothek. Danke, Björn!
Außerdem sind Bücher hervorragende Wurfgeschosse.
Bibliotheken sollten ja heute eher offen sein, so open-access-mäßig, also digital.
Und ich werde ebenso meine als Fraktionsvorsitzender erworbenen Erfahrungen und das Wissen in Fraktion und Partei hinein weitergeben. Auf Parteitagen, Tagen der politischen Arbeit und Stammtischen.
Und ich sage Danke.
Als erstes den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktion und der MdL. Ohne Euch sind wir keine Fraktion. Danke. Eure Zuarbeit und Beratung war großartig und wird es auch in Zukunft sein.
Unserem Presseteam, Ingo Schneider und Jens Ofiera. Ihr hattet immer einen Schirm dabei. Danke.
(Verdammt, Ingo, ich weiß, kürzere Sätze!)
Meinen Mit-MdL. Ihr habt mir drei Mal hintereinander mehrheitlich das Vertrauen ausgesprochen.
Meinen großartigen Kolleginnen und Kollegen in den drei Vorständen. Alle drei PGFs haben stellenweise verdammt dicke Bretter gebohrt. Und Grumpy ist noch dabei. Speziell Dietmar Schulz und ich sind 2012 als vorprogrammierte Kampfhähne gestartet, heute sind wir Freunde. Gerade das kann ein Beispiel sein – auch für Parteiarbeit.
Und, last but not least, unserem Landesverband NRW der Piratenpartei. Ihr gabt Rückhalt, Anregungen und Kritik. Konstruktiv. Und das kriegt ihr von mir zurück, auf LPTs, TdpAs und Stammtischen.
Brücke frei, ahoi Michele!
Bestes, NH.