Herr Präsident! Aus zeitökonomischen Gründen stand ich hier oben schon einmal parat. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte wenige Menschen auf der Tribüne und – ich hoffe mehr – am Stream! Wir beschäftigen uns, wie Kollege Schmeltzer schon sagte, zum gefühlten 153. Mal, wenn ich die Zahl richtig in Erinnerung habe (Rainer Schmeltzer [SPD]: Genau!) – danke! – , mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz.
In den Zielen sind wir uns einig; das habe ich hier mehrfach gehört. Das finde ich auch toll; denn wenn wir uns in den Zielen nicht einig wären, würden wir den Lohndumpern und Menschenschindern das Wort reden, die Unternehmensgewinne auf dem Rücken der Mitarbeiter und durch Absenken von immer weiter nach unten driftenden Lohngruppen erwirtschaften möchten. Das würde unseren Unternehmen in NRW aber gar nicht gerecht. Unsere Unternehmen in NRW können durchaus einen fairen Wettbewerb gewinnen und auch betreiben. Das tun sie auch zum größten Teil.
Kollege Bombis sagte eben, 60.000 Unternehmen hätten laut Vorlage der Evaluation Probleme mit dem Vergaberecht. Kollege Schmeltzer wies darauf hin, das seien 8%. Sie hatten das umgedreht gesagt, 92% hätten keine Probleme. Das sind halt 8%. Da muss man Hilfestellung anbieten. Das muss man unkomplizierter regeln. Kein Ding! Das Ganze abzuschaffen, macht keinen Sinn; denn dann hat man das Ziel nicht mehr im Blick. Und im Ziel – das haben alle betont – sind wir uns einig. Also lassen Sie uns doch wirklich das Ganze sachlich angehen und danach fragen, wo denn wirklich die Haken sind. Die Haken liegen darin, dass kleine Unternehmen bei den Vergaben einfach überfordert sind. Also müssen wir es unkomplizierter regeln. Es wäre total sinnvoll, dazu einfach mal einen Vorschlag zu machen, aber nicht vorzuschlagen, das Ganze abzuschaffen.
Das Ganze ist für die Vergabestellen auch kompliziert. Auch kein Ding! Da muss man mal mit den kommunalen Spitzenverbänden sprechen und sie fragen: Liegt das einfach daran, weil ihr eure Vergabestellen nicht optimal aufgestellt habt, oder liegt es daran, dass es wirklich zu komplex ist? Und wie hättet ihr es gerne, dass es einfach zu machen ist? Heutzutage gibt es Best-Practice-Beispiele, es gibt Internetplattformen, es gibt alles Mögliche, um so etwas zu vereinfachen. Eine komplette Verabschiedung von den Zielen durch Abschaffung dieses Gesetzes würde uns dem Ziel insgesamt nicht näher bringen.
Gerade ist wieder das Argument der verschiedenen Tarifverträge in einem Unternehmen genannt worden. – Meine Güte! Als Mensch, der sich ein wenig im Arbeitsrecht bewegt, weiß man, dass der Trend der letzten Jahrzehnte im Arbeitsleben in Deutschland dahin geht, dass es immer weniger Tarifverträge und noch viel weniger allgemeingültige Tarifverträge gibt. Der Trend geht seit Jahrzehnten zu Einzelverträgen, was zur Folge hat, dass in verschiedenen, auch größeren Unternehmen im Endeffekt Tausende von Einzelnormen gelten. Ich nenne jetzt keine Beispiele; sie alle dürften Ihnen aber hoffentlich auch bekannt sein. Sich dann aber hinzustellen und zu sagen, sie könnten keine zwei Tarife auseinanderhalten, wird den Unternehmen in diesem Land einfach nicht gerecht. Das können die, das können die sehr wohl. Das macht also keinen Sinn.
(Beifall von den PIRATEN)
Kommen wir jetzt zu den rechtlichen Bedenken. Das ist ein Punkt, liebe Kollegen der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion, den ich bei Ihnen nicht ganz nachvollziehen kann.
[Vizepräsident Dr. Gerhard Papke]: Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Herr Kollege. Würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rehbaum zulassen?
[Torsten Sommer (PIRATEN)]: Ja, natürlich.
[Vizepräsident Dr.Gerhard Papke]: Dann bitte, Herr Kollege.
[Henning Rehbaum(CDU)]: Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. – Sie sagten gerade, dass die Unternehmen durchaus mit zwei Tarifverträgen arbeiten könnten und dies auch tun würden. Dann kennen Sie in diesem speziellen Fall den Mittelstand im ÖPNV sicherlich nicht. Dort ist es überhaupt nicht Usus, mit verschiedenen Tarifverträgen zu arbeiten.
Sagen Sie mir noch einmal, wie das ein Unternehmen regeln soll, das einen Altbestand an Linien hat und jetzt ein zusätzliches Linienpaket hinzubekommt, und die Busfahrer jetzt auf unterschiedlichen Linien mit unterschiedlichen Tarifverträgen bei gemischten Dienstplänen fahren. Und sagen Sie mir weiter, welchen Lohn die Leute in der Werkstatt und im Büro in diesen Fällen bekommen.
[Torsten Sommer (PIRATEN)]: Danke für die Zwischenfrage, Herr Rehbaum. – Zum einen ist es sehr schön, dass Sie als Beispiel den ÖPNV nennen; denn sowohl bei den „echten“ – so nenne ich sie mal – privaten ÖPNV-Anbietern als auch bei den Ausgründungen der Kommunen gibt es regelmäßig mehr als einen Tarifvertrag. Das ist zum Beispiel der Tatsache geschuldet, dass kommunal ausgegründete Unternehmen ganz einfach ehemalige Kollegen aus dem kommunalen Bereich übernommen haben. Diese sind nach §613a BGB mit allen Rechten und Pflichten und auch ihren alten Arbeitsverträgen übernommen worden. Die Neueingestellten sind günstiger eingestellt worden – mit einem teilweise wirklich schlechteren Tarifvertrag, der mit einer sogenannten christlichen Gewerkschaft ausgehandelt worden ist, der GÖD, die bis heute den Nachweis schuldig geblieben ist, dass sie überhaupt eine Tarifmächtigkeit erwirken kann. Sie hat bis jetzt niemals nachgewiesen, dass eine Mitgliedschaft der 10.000 Menschen, die sie angeblich vertritt, wirklich zustande gekommen ist. Das ist schon sehr bitter.
Sie rekurrieren nun darauf, dass Aufgaben, die nicht direkt etwas mit den eigentlichen Fahrten zu tun haben, auch abgerechnet werden müssen. Schauen Sie sich die Tarife an. Sie unterscheiden sich gar nicht so viel. Sie machen einfach eine entsprechende betriebswirtschaftliche Rechnung auf und legen sie als Beweis dafür vor, dass sie über diesen Tarifen liegen. Gerade im Bereich der Verwaltung und der technischen Dienstleistung sind sie beim ÖPNV immer über dem Tarif der Gewerkschaft ver.di, der aktuell als allgemeinverbindlich erklärt wurde. Da kommen Sie gar nicht in die Bredouille, weil Sie ohnehin darüber liegen. Das macht fachlich also gar keinen Sinn. – Damit ist meine Antwort beendet.
Kommen wir jetzt zurück zu den rechtlichen Dingen, die ich noch ansprechen wollte. Hier verstehe ich die Fraktionen von CDU und FDP überhaupt nicht, dass sie jetzt darauf gewartet haben, dass das Verwaltungsgericht Düsseldorf das beim Landesverfassungsgerichtshof vorlegt.
[Vizepräsident Dr.Gerhard Papke]: Es tut mir leid, Herr Kollege, Sie schon wieder unterbrechen zu müssen, aber es ist das gute Recht eines weiteren Abgeordnetenkollegen der CDU – Herr Kollege Hendriks –, Ihnen ebenfalls eine Frage stellen zu wollen.
[Torsten Sommer (PIRATEN)]: Natürlich.
[Heiko Hendriks (CDU)]: Danke, Herr Sommer, dass Sie die Frage zulassen. – Nur, um das richtig verstanden zu haben: Sie plädieren also für Ausgründungen im ÖPNV, um das Gesetz zu erfüllen. Ist das so richtig?
[Torsten Sommer (PIRATEN)]: Nein, da haben Sie mich nicht richtig verstanden. Ich kann es aber gerne noch einmal erläutern. Ich habe auf die Frage vom Kollegen Rehbaum, ob es im Bereich des ÖPNV Unternehmen mit unterschiedlichen Tarifverträgen gibt, gesagt: Ja, die gibt es durchaus, und die tun das seit Jahren. – Ich halte dieses System für komplett sinnfrei. Das haben Kommunen in den 80ern und 90ern getan, die ihre – ich sage es einmal so – Altmitarbeiter nicht mehr so hoch entlohnen wollten. Gleichwohl ist das ein Beispiel dafür, dass es Unternehmen gibt, die ÖPNV in NRW anbieten und durchaus mit mehreren Tarifverträgen arbeiten – und das schon lange vor dem Tariftreue- und Vergabegesetz. Damit rede ich der kommunalen Ausgründung nicht das Wort. – Vielen Dank.
Kommen wir jetzt noch einmal zu den rechtlichen Fragen zurück. Oder gibt es noch Fragen? Ich bin da offen.
[Vizepräsident Dr.Gerhard Papke]: Bisher nicht, Herr Kollege Sommer, aber ich sage Ihnen Bescheid; verlassen Sie sich darauf. Jetzt machen Sie aber ruhig erst einmal weiter.
[Torsten Sommer (PIRATEN)]: Sie sagen mir sonst Bescheid, super. Danke schön.
CDU und FDP, warum warten Sie jetzt auf das Verwaltungsgericht Düsseldorf? Sie hätten hier zusammen das Recht, eine Normenkontrolle beim Landesverfassungsgericht zu beantragen. Warum haben Sie das nicht getan? Wenn Sie sich so sicher sind, dass das alles verfassungswidrig ist, dann hätten Sie das schon lange tun können. Es macht jetzt keinen Sinn, auf das Verwaltungsgericht Düsseldorf zu warten.
Ich sage es einmal ganz vorsichtig – ich wollte es eigentlich nicht sagen, aber egal –: Beim Verfassungssymposium der Verfassungskommission, das in der Villa Horion durchgeführt wurde, war unter anderem auch der Präsident des Verwaltungsgerichts Düsseldorf. Nach einer vielleicht nicht optimal gestalteten Zwischenfrage wurde ihm von Herrn Voßkuhle, dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, in 20 Minuten noch einmal der Stoff des Staatsorganisationsrechts aus dem ersten Semester Jura erläutert. Sich auf dieses Verwaltungsgericht zu stützen, ist an der Stelle eventuell nicht unbedingt zielführend.
Von daher empfehle ich meiner Fraktion, diesen Eilantrag abzulehnen. Sie bringen das bestimmt wieder ein. Ich freue mich darauf und tippe auf den Wahlprüfungsausschuss. Dort war er noch nicht. – Danke schön
Torsten Sommer - Bürgerrechte muss man wählen!