Die berufliche Ausbildung von jungen Menschen mit Behinderung stand im Mittelpunkt meines Besuches im Berufsbildungswerk Maria Veen. Ich habe selber, als Förderschullehrerin, lange Jahre mit verschiedenen Förderberufskollegs zusammengearbeitet und mich sehr gefreut, über berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen und die verschiedenen Ausbildungsbereiche in Maria Veen informiert zu werden. Bei einem Rundgang durch die Einrichtung bin ich mit vielen Ausbildern, Schülern und Lehrern des Förderberufskollegs ins Gespräch gekommen.
Dabei wurde wieder einmal deutlich, wie wichtig die individuelle Förderung junger Menschen mit Einschränkungen für eine erfolgreiche berufliche Ausbildung ist. Auch die enge Zusammenarbeit aller am Rehabilitationsprozess beteiligten Fachleute mit den Azubis ist eine wichtige Voraussetzung, damit der Übergang ins Berufsleben gelingt. „Hier passt für mich alles gut zusammen“, meinte eine Teilnehmerin, die im BBW Maria Veen gerade eine Ausbildung zur Orthopädie-Schuhmacherin absolviert.
Es erfüllt mich mit großer Sorge und auch Wut, dass seit diesem Schuljahr Schüler ab einem bestimmten Alter nicht mehr vom Förderberufskolleg aufgenommen und beschult werden dürfen. Denn ich habe im Laufe der Jahre immer wieder junge Menschen kennengelernt, die entweder aus medizinischen oder psychischen Gründen erst sehr spät zum BBW kamen.
Nach heutigem Stand der Dinge bekommen viele dieser jungen Menschen keine Chance mehr auf die begleitende Beschulung am Förderberufskolleg. Sie sind zu alt! Junge Menschen, die nicht mehr berufsschulpflichtig sind, können ihren ausbildungsbegleitenden Berufsschulunterricht nur an einem allgemeinen Berufskolleg erhalten. Doch für viele der Betroffenen ist gerade die schulische Begleitung im Förderberufskolleg eine ganz wichtige Hilfe; nicht zuletzt um wieder Lernen zu lernen.
Wer erst spät an einem BBW mit Förderberufskolleg eine Ausbildung macht, hat normalerweise eine ganz außergewöhnliche – und zumeist extrem belastende – Vorgeschichte. Wer dann nicht die Chance erhält, die Möglichkeiten eines Förderberufskollegs zu nutzen, muss den Eindruck bekommen, für seine Krankheit oder Behinderung noch zusätzlich bestraft zu werden.
Hier muss die Politik endlich Abhilfe schaffen. Wir müssen für diese jungen Menschen eine Perspektive schaffen, die ein selbständiges, erfülltes Leben ermöglicht. Das wird in vielen Fällen am allgemeinen Berufskolleg nicht funktionieren.
Im Landtag liegen Petitionen von Schülerinnen und Schülern, die ein Förderberufskolleg besuchen. Diese Petitionen zeigen die katastrophale Situation dieser jungen Menschen auf. Die Landesregierung jedoch lässt diese jungen Menschen im Stich.
Ihnen droht nun der Verweis vom Förderberufskolleg, weil sie dort illegal beschult werden. Die Landesregierung weigert sich, durch entsprechende Erlasse, die weitere Beschulung zu gewährleisten. Obwohl die Agentur für Arbeit die Ausbildung in den Berufsbildungswerken bezahlt und es nur um die Beschulung, also um die Einstellung einer sehr überschaubaren Anzahl von Lehrern geht, weigert sich die Landesregierung, hier einzugreifen. Das bedeutet für viele Betroffene auch einen Abbruch ihrer Ausbildung. Aber auch das lässt Rot/ Grün kalt.
Inklusion bedeutet, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, jungen Menschen ein selbstbestimmte Leben und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Der gemeinsame Unterricht darf kein Selbstzweck sein. Ein großer Teil der betroffenen Schüler hat bereits eine gescheiterte Karriere an einem allgemeinen Berufskolleg hinter sich. Diese jungen Menschen brauchen Unterstützung, die nur ein Förderberufskolleg, ein Berufsbildungswerk mit angeschlossener Berufsschule leisten kann.
Monika Pieper MdL
Bildungspolitische Sprecherin der Piratenfraktion im Landtag NRW