Wir klagen gegen Verfassungsschutz-Gesetz

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Wir klagen gegen das „Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in NRW“ beim Verfassungsgerichtshof in Münster. Die Klage betrifft die neuen Regelungen, mit denen der NRW-Geheimdienst die Abgeordneten beobachten darf, wie auch die Behandlung öffentlicher Angelegenheiten des Verfassungsschutzes im so genannten Kontrollgremium. Dieses Gesetz wurde seinerzeit mit den Stimmen von SPD und Grüne verabschiedet und trat am 28. Juni 2013 in Kraft.

Dirk Schatz, Innenpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW:

„Es ist verfassungsrechtlich mehr als bedenklich, dass der NRW-Geheimdienst nach wie vor das Recht hat, gewählte Mitglieder des Landtags, aber auch Mitglieder des Bundestags und des europäischen Parlaments zu beobachten. Die Abgeordneten haben die Aufgabe, die Geheimdienste zu kontrollieren, nicht umgekehrt. Verfassungsfeindliche Parteien können verboten werden, eine Beobachtung von Abgeordneten ist daher nicht erforderlich.

Es ist außerdem ein Unding, dass nun öffentliche Fragen des Verfassungs-schutzes im Kontrollgremium behandelt werden sollen. Weiterlesen »

Drei parlamentarische Anträge, die die Fraktion nicht wollte.

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2013-12-08-17.05.53Ich mag es nicht, mich öffentlich nach „innen“ zu beschäftigen. Öffentlich möchte ich lieber nach außen wirken. Euch wird aufgefallen sein, dass ich bislang nicht über pirateninterne Geschehnisse blogge, über Vorstände oder Fraktionskollegen, die Fraktion, was sie machen oder lassen soll und wie.

Das mit der Transparenz politischer Prozesse liegt mir am Herzen. Vor allem dann, wenn die politischen Prozesse mal nicht so optimal laufen. Dann hingegen ist es fair, wenn ich auch auf innerfraktionelle Prozesse, die meines Erachtens suboptimal funktionieren, diese Transparenz anwende. Zumindest, wenn Bemühungen, es zu thematisieren, nicht fruchten. Also werde ich meinem Vorsatz untreu.

In der vergangenen dienstäglichen Fraktionssitzung wurden – teils im öffentlichen, teils im nichtöffentlichen Teil – die Anträge für die kommende Plenarwoche durchgesprochen und abgestimmt.

Über mich sind insgesamt fünf Anträge gekommen, die zur Diskussion standen. Drei dieser Anträge wurden von der Fraktion nicht angenommen. Ich möchte sie Euch dennoch hier vorstellen.

• Es lag durch mich ein Haushaltsantrag vor, in dem gefordert wurde, den Etat 2014 des Verfassungsschutzes NRW 1 Million Euro zu mindern. Dies deckt sich durchaus mit unserer Beschlusslage, Verfassungsschutz langfristig abzubauen und die geheimdienstlichen Tätigkeiten einzustellen.

Mit dieser Million soll das Land NRW Bemühungen unterstützen, in NRW abhörsichere Software und Sicherheitssoftware auf Open Source Basis zu fördern. Damit könnte sich NRW an die Spitze der Entwicklung setzen, die ja nach Software verlangt, die nicht von der NSA verseucht wurde.

Wurde mehrheitlich abgelehnt. Begründung: Zahlen lägen jetzt nicht vor, kämen im (geheimen) Ausschuss auf den Tisch, Antrag würde eh abgelehnt etc. Schaut es Euch im Stream an.

• Ein weiterer Antrag sollte sich polemisch-ironisch mit dem Koalitionsvertrag und den “Erfolgen” der Verhandlungen durch Mitglieder der Landesregierung und der Oppositionsführung beschäftigen. Der war natürlich extra provokativ.

Als sich im Meinungsbild abbildete, dass sich keine Mehrheit findet, habe ich auf die Abstimmung verzichtet. Begründungstenor: Kein Landesbezug, daher mutmaßlich nicht zulässig, zu polemisch etc. Wir würden den “Pfad der Glaubwürdigkeit” verlassen. Kann man ebenfalls im Stream nachsehen. Diesem Antrag möchte ich noch einen separaten Blogpost in ein paar Tagen widmen.

• Der dritte Antrag war erst in der Nacht zuvor entstanden. Es ging um den Aufruf “Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter” durch 560 Schriftsteller aus 83 Ländern. Ich wollte die Landesregierung auffordern, diesen Aufruf auf allen Ebenen zu unterstützen und eine eventuell entstehende Konvention anzuerkennen.

Wurde ebenfalls nicht angenommen. Da im nicht-öffentlichen Teil die Fraktions-Kaffeemaschine zuvor Thema war, gab es keine ausreichende Zeit für eine Debatte. Alle Versuche meinerseits, darauf hinzuweisen, sind gescheitert. Als dann (etwa 20 Minuten vor Einreichungsende von Anträge an diesem Dienstag) abgestimmt werden sollte, ob es überhaupt behandelt werden soll, habe ich aufgegeben und die Sitzung verlassen. Das alles fand im nichtöffentlichen Teil der Sitzung statt.

Mittlerweile haben die Grünen auf Bundesebene einen entsprechenden Antrag eingebracht, der so ziemlich die gleichen Forderungen aufstellt wie mein Antrag das getan hatte. Es wäre furchtbar spannend gewesen, zu sehen, wie sich die Landesgrünen positioniert hätten. Zudem ist die Chance, als Urheber dieser Idee wahrgenommen zu werden, vertan. (Wer weiß, woher die Bundesgrünen die Idee hatten.)

Zu den zwei Anträgen, die letztlich angenommen wurden, gehört ein Breitband-Antrag, den wir gemeinsam mit CDU, FDP und dem fraktionslosen Abgeordneten Robert Stein gemeinsam stellen. Dieser wurde eine Dreiviertelstunde intensiv debattiert – allerdings nicht inhaltlich, sondern ob man mit Robert gemeinsam auf einen Antrag wolle oder nicht. Kinderkacke. Im Livestream zu verfolgen (wer es sich antun will). Mir böses Blut bescherend, wie ich das denn tun könnte.

Nur ein Antrag hat es ohne großen Widerstand geschafft, angenommen zu werden: “Anhörung von Edward Snowden im Europäischen Parlament genau verfolgen und auswerten.”

Zeitgleich erlebte ich die Resonanz auf meine Anfrage zu den “Zombie”-Bügeleisen. Noch während der Fraktionssitzung gab es ein Interview mit SAT1 NRW sowie jede Menge Presseberichte (z.B. hier und – ausgesprochen fair und differenziert – hier.). Trotz des Potentials, uns nicht ernst zu nehmen, ist bei allen diesen Berichten die dahinterliegende Problematik von IT-Sicherheit speziell im Umfeld von Regierungen gut rausgekommen. Und das alles fest mit den Piraten verknüpft. Ein absoluter Win. Möchte man meinen.

Ich bekam allerdings jede Menge Gegenwind. Ausschließlich von Piraten. Meiner Motivation ist das nicht sonderlich zuträglich. Könnt Ihr das verstehen?

Ich empfinde einen Konformitätszwang, dem wir uns selbst gegenseitig aussetzen. Niemand soll vorspurten oder Initiativen entwickeln, die nicht von allen zuvor abgesegnet sind. Ja nicht negativ auffallen, keine Aktionen machen, die einen Showeffekt enthalten. Aus Angst, irgendwo eine offene Flanke zu hinterlassen ist man streckenweise extrem vorsichtig. Ich fühle an manchen Stellen etwas wenig Vertrauen untereinander. Wir bremsen uns gegenseitig. Dabei bedeutet “einfach mal machen” auch “machen lassen”. Wir erledigen unsere Arbeit im Hamsterrad des Tagesbetriebs und sind uns gegenseitig die strengsten Kritiker.

Versuche, provokant zu sein, finden keine Mehrheit. Das wird dann schon mal als populistische Kackscheiße abqualifiziert, oder als Show-Antrag, als Problem für unsere Glaubwürdigkeit. Dabei wird nicht erkannt, dass gezielte “Show-Elemente”, manch populistisch zugespitzte Aktion die Chance bietet, unsere Themen zu platzieren und mit uns Piraten in den Medien zu verknüpfen. Wir sind Opposition, aber wir verhalten uns wie ein Teil der Regierung. Eine Flut von Pressemitteilungen und sterbenslangweilige Plenarreden werden das jedenfalls nicht leisten.

Was will ich jetzt mit diesem Blogpost erreichen? Ich weiß es nicht. Vielleicht muss ich es einfach nur loswerden. Vielleicht bin ich nur dünnhäutig. Vielleicht ist es verletzte Eitelkeit.

Fairerweise will ich mitteilen, dass einige Fraktionskollegen ähnlich konsterniert sind wie ich. Und seitens der Fraktionsmitarbeiter und der Piraten im Land habe ich sehr viel Zuspruch erhalten. Danke dafür, das bedeutet mir sehr viel.

Spionageeinrichtungen auf Dächern von Botschaften in NRW?

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cc-by-nc Chris-Havard Berge

Die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden haben zu Tage gebracht, dass Mobiltelefone von deutschen Politikern, darunter das von Angela Merkel, vom US-amerikanischen Nachrichtendienst NSA abgehört worden sind. Laut „Der Spiegel“ wurde dazu auch Abhörequipment verwendet, das auf dem Dach der US-amerikanischen Botschaft unweit des Reichstages in Berlin untergebracht ist.

Die Abhörungen betreffen dabei keineswegs nur Mobiltelefone einzelner Politiker, sondern die Spionagetechnik erfasst die Kommunikation aller Bürger und Unternehmen in Reichweite.
In internen NSA-Dokumenten ist von sogenannten „stateroom sites“ die Rede, es handelt sich dabei um kleine, mit wenig Personal besetzte Abhöreinrichtungen innerhalb von Botschaften und Konsulaten, die der Auslandsgeheimdienst nutzen kann.

Auf dem Dach der US-Botschaft in Berlin sind Aufbauten mit synthetischen Fassaden erkennbar, hinter der Überwachungstechnik vermutet wird. Auch auf der britischen Botschaft existieren Aufbauten, die Überwachungstechnologie vermuten lassen.

In Frankfurt hat der Verfassungsschutz mittels Hubschrauber US-amerikanische Vertretungen überflogen und aus der Luft fotografiert, um eventuelle Überwachungstechnologie festzustellen. Dort sollen sich Abhörposten des US-Geheimdienstes NSA befinden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilte überdies mit, dass diplomatische Vertretungen in seinem Auftrag „in unregelmäßigen Abständen“ überflogen würden.

Konsulate und diplomatische Vertretungen verschiedener Nationen befinden sich auch in Nordrhein-Westfalen, darunter auch Konsulate der sogenannten „Five Eyes“-Allianz (USA, Kanada, Vereinigtes Königreich, Australien und Neuseeland). So befinden sich in Düsseldorf unter anderem das Amerikanische Generalkonsulat, das Britische Konsulat sowie das Konsulat von Kanada.

Die folgenden Fragen habe ich zusammen mit meinem Kollegen Daniel Schwerd der Landesregierung gestellt. Die Landesregierung muss nun innerhalb von vier Wochen schriftlich antworten. Wir sind sehr gespannt auf die Antworten!.

  1. Welche Konsulate und diplomatische Vertretungen der „Five Eyes“-Allianz in Nordrhein-Westfalen wurden im Auftrag von Behörden des Landes NRW in den letzten 10 Jahren bereits durch Überflug oder andere Maßnahmen auf Abhör- und Spionagetechnologie untersucht
  2. Welche Konsulate und diplomatische Vertretungen anderer Nationen in Nordrhein-Westfalen wurden im Auftrag von Behörden des Landes NRW in den letzten 10 Jahren bereits durch Überflug oder andere Maßnahmen auf Abhör- und Spionagetechnologie untersucht?
  3. Welche Erkenntnisse haben die Maßnahmen aus 1. und 2. jeweils gebracht? Führen Sie jede einzelne Erkenntnis unter Angabe des Datums der Maßnahme auf.
  4. Sind solche bzw. weitere Untersuchungen im Auftrag von Behörden des Landes NRW vorgesehen?
  5. Welche Vorkehrungen trifft die Landesregierung, um Bürger und Unternehmen in NRW vor Spionage durch Abhöreinrichtungen auf Dächern diplomatischer Vertretungen zu schützen?
Zu Archivzwecken:
Kleine Anfrage auf den Server des Landtags: Drucksache 16/4328 (PDF)
Kleine Anfrage auf den Server der Fraktion: Drucksache 16/4328 (PDF)

Da kann man leider nichts machen – oder doch? @netnrd telefoniert mit der Landesregierung.

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phone-14131_640Am letzten Plenar-Donnerstag, dem 26. September 2013, protestierte der Frauenverband Courage e. V. vor dem Landtag in Düsseldorf. Rund 30 Frauen und Männer waren zum Landtag gezogen, um gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Verbands zu demonstrieren. Zu diesem Zweck wollten die Vertreterinnen des Verbands unserer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft eine Liste mit Unterschriften gegen die Aberkennung sowie einige Dutzend Protesterklärungen übergeben.

Den Termin hatten die Damen der Landesregierung schon länger angekündigt; nur reagiert hatte bisher offenbar niemand. Jedenfalls erschien niemand, ganz besonders nicht Frau Kraft, um die Unterschriftensammlung entgegenzunehmen oder auch nur dem Anliegen des Vereins zu lauschen.

Der Hintergrund

Dem Frauenverband Courage e. V. wurde Ende 2012 vom Finanzamt Wuppertal mitgeteilt, dass ihm die Gemeinnützigkeit ab 2010 aberkannt werde, weil der Verein seit 2010 im NRW-Verfassungsschutzbericht erwähnt wird. Der Verdacht, der im Verfassungsschutzbericht geäußert wird, lautet: Der Verband sei eine Vorfeldorganisation der MLPD. Die Courage-Frauen selber betonen jedoch ihre politische Unabhängigkeit. Eine solche Aberkennung der Gemeinnützigkeit führt jedenfalls zu großen steuerlichen Nachteilen – der Verein wäre durch eine Aberkennung in seiner Existenz bedroht. Vor allem aber: Die beiläufige Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht ist aus juristischer Sicht keine ausreichende Grundlage zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Dies hat die Bundesregierung bereits mehrfach bestätigt. Die Landesregierung von NRW teilt diese Auffassung, wie eine Kleine Anfrage von Birgit Rydlewski und mir im Februar 2013 ergeben hat. Damit dem Verein die Gemeinnützigkeit aberkannt werden könnte, müsste der Verein in einem Verfassungsbericht schon eindeutig als extremistische Organisation eingestuft werden. Das wird er nicht – aus gutem Grund. Dennoch hat das Finanzamt Wuppertal darauf basierend Fakten geschaffen, und dagegen wehrt sich der Verband m.M.n. zurecht.

Zwei Vertreterinnen des Courage e. V. entschieden daraufhin, sich direkt im Landtag umzuschauen, Frau Ministerpräsidentin Kraft, oder alternativ unsere Emanzipations-Ministerin Steffens abzufangen und ihnen die Unterschriften quasi im Handstreich zu überreichen. Die Polizei am Eingang hatte allerdings etwas dagegen – wo kämen wir da hin, wenn der Souverän so mir nichts dir nichts sein Haus betreten könnte? Ich lud die beiden Damen spontan als meine Gäste in den Landtag ein, sehr zum Missfallen der beteiligten Polizei. Dabei wollten die beiden Frauen wirklich nur eines tun: Ihren berechtigten Protest über eine (meiner Meinung nach) rechtswidrige behördliche Maßnahme zum Ausdruck bringen und Protestunterschriften überreichen. Das wollte ich gerne unterstützen.

Da ich freilich nicht der richtige Empfänger für die Unterschriften war, fassten wir den Plan, einfach mal in der Staatskanzlei anzurufen und zu fragen, ob Frau Kraft nicht Zeit habe, die Unterschriften entgegenzunehmen. Immerhin war Plenartag – an solchen sind die Damen und Herren Minister (und -präsidentinnen) normalerweise im Haus.

Runde 1

Erster Anruf in der Telefonzentrale der Staatskanzlei: Ob man mich bitte mit dem Büro der Ministerpräsidentin verbinden könne? *Kurze Wartemelodie.* Und tatsächlich – das Vorzimmer von Frau Kraft ist am Apparat. (Das ging wirklich einfach – ich vermute mal stark, dass das damit zusammenhing, dass ich vom Landtag aus anrief.) Habe kurz unser Anliegen geschildert, am anderen Ende herrscht jedoch Ratlosigkeit: Man könne zu dem Fall nicht sagen, auch nichts zu den Unterschriften und überhaupt wäre es derzeit schwierig, mit Frau Kraft einen Termin zu machen. Aber Moment, man könne mich mit der persönlichen Referentin von Frau Kraft verbinden. *Diesmal längere Wartemelodie.* Dann die Referentin am Telefon: Ein wichtiges Thema! Man wisse nur, leider, gar nichts von einem geplanten Termin und zudem sei die Staatskanzlei auch nicht zuständig. Frau Kraft sei zudem gar nicht im Lande und ohnehin sei es mit Terminen in der Nach-Wahlkampfzeit sehr schwierig, das verstehe man doch sicherlich? In der Sache könne man im Moment gar keinen Termin machen. Ah, na dann, vielen Dank!

Runde 2

So leicht geben wir natürlich nicht auf. Also ein zweiter Anruf, diesmal beim Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen. Frau Ministerin Steffens war als Ersatzempfängerin der Unterschriften vorgesehen, und als Ministerin für Gleichstellung irgendwie auch zuständig. Schönen guten Tag sage ich, man wolle Frau Steffens einige Unterschriften überreichen und daher mit dem Büro der Ministerin verbunden werden, ob das wohl möglich sei? *Wartemelodie.* Dann aus dem Vorzimmer der Ministerin: Man habe von dem Fall gehört. Worum es denn genau gehe? Unterschriften? Oh je, das sehe schlecht aus. Vielleicht könne die persönliche Referentin helfen. *Lange Wartemelodie.* Persönliche Referentin: Oh, der Frauenverband Courage, man nehme das Thema sehr ernst! Frau Steffens sei jedoch, leider, nicht im Land und könne also keine Unterschriften entgegen nehmen. Vor allem sei das Familienministerium gar nicht zuständig! … Moment, man wolle kurz schauen, wo der Vorgang zur Zeit liege. … Ah ja, beim Finanzministerium! Man könne sogar einen Ansprechpartner nennen, der den Fall dort bearbeitet. Dort könnten wir es mal versuchen. Vielen Dank!

Runde 3

Immerhin: Wir haben einen Ansprechpartner Finanzministerium. Ich rufe dort an: Schönen guten Tag, Schwerd hier, ob wohl der Herr Soundso zu sprechen sei? Achso, er ist leider heute nicht da, gerade heute hat er Urlaub. Ob jemand anders helfen könne? Nein, der Herr soundso sei leider der einzige, der mit dem Fall befasst sei, man bedauere außerordentlich.

Runde 3.5

Wenn einem die Sachbearbeiter nicht weiterhelfen können, dann aber vielleicht der Herr Minister Walter-Borjans. Sein Ressort ist offenbar zuständig, also wäre er der richtige Ansprechpartner. Zudem habe ich ihn heute im Plenum gesehen, er ist also da. Also tätige ich einen weiterer Anruf, jetzt in der Telefonzentrale des Finanzministeriums. Das Ministerbüro bitte! *Wartemelodie.* Man wolle fragen ob der Minister Zeit habe, Unterschriften des Frauenverbands Courage entgegenzunehmen? … Schwierig? Ob man gar nichts machen könne? … Die Damen stünden hier im Büro, es wäre wirklich schade, wenn man sie einfach so wieder wegschicken müsste. … Und der persönliche Referent? Meldet sich gleich? Ja, vielen Dank.

Nun gut, da standen wir also im Büro, nach einigen mehr oder weniger ergebnislosen Telefonaten. Immerhin, wir konnten unser Anliegen bis in die Ministerbüros tragen. Aber die Unterschriften waren wir immer noch nicht los. Was sollten wir also machen? Wir warteten noch einige Minuten, ob der persönliche Referent des Finanzministers vielleicht tatsächlich zurückrufen würde. Nach 15 Minuten entschieden wir uns dann aber, unverrichteter Dinge abzuziehen. Ich musste schließlich auch wieder in den Plenarsaal. Auf dem Weg nach unten klingelt dann mein Handy. Diesmal ist _mein_ persönlicher Mitarbeiter am Telefon:

Runde 4

Große Freude: Der persönliche Referent des Finanzministers hat gerade angerufen! Der Minister sei zwar leider nicht mehr im Haus und habe auch keine Zeit, um die Unterschriften entgegenzunehmen, ihm sei das Thema aber sehr wichtig. Darum würden der Minister anbieten wollen, dass sein persönlicher Referent die Unterschriften in seinem Namen entgegennimmt. Wir vereinbaren, uns direkt vor dem Landtag zu treffen.

Wow, zu dem Zeitpunkt hatte ich schon nicht mehr dran geglaubt. Aber tatsächlich taucht der Referent nach wenigen Minuten auf, ist sehr freundlich, nimmt sich einige Minuten Zeit für die Vertreterinnen des Frauenverbandes Courage und bekommt die Unterschriften übergeben. Man wirbt gegenseitig um Verständnis, und alle zufrieden. Die ganze Aktion ist in weniger als 5 Minuten vorbei.

Warum nicht gleich so?

Mutiert das Parlamentarische Kontrollgremium zur Werbeplattform für den Verfassungsschutz?

Veröffentlicht am von unter 20 Piraten, Dirk Schatz, Persönliche Blogposts.

Seit der letzten Reform des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz im Sommer dieses Jahres sind die Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) nun grundsätzlich öffentlich. Die erste öffentliche Sitzung findet am 09.10.2013 um 10:00 Uhr im Raum E03 A02 statt, wozu auch ich gern nochmal alle Interessierten einlade. Die Tagesordnung sieht wie folgt aus:

 

1.        Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2012 und aktuelle Sicherheitslage
– Sachstandsbericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales –

 

2.        Aufgaben des Verfassungsschutzes NRW im Rahmen der Spionageabwehr/Wirtschaftsspionage
– Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales –

 

3.        Islamistische Bedrohungsvideos im Internet
– Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales –

 

4.        Verschiedenes

 

Um bereits hier allen Missverständnissen gleich vorzubeugen. Selbstverständlich begrüße ich die Öffnung des PKG in Richtung Öffentlichkeit. Allerdings wurde schon in der Diskussion über die Gesetzesreform kritisiert, dass eine solche Öffnung dazu führen könnte, dass die öffentlichen Sitzungen als reine Showveranstaltungen missbraucht werden, während das eigentlich „Wichtige“ weiterhin in nichtöffentlichen Sitzungsteilen besprochen wird.

 

Gut, mal unabhängig davon, dass ich das PKG, egal ob öffentlich oder nicht, grundsätzlich für eine Showveranstaltung halte (wozu ich aber noch einmal ausführlich in einem gesonderten Blogpost schreiben werde), kann man an der aktuellen Tagesordnung erkennen, dass die Kritik nicht unberechtigt war. Insbesondere aufgrund der Punkte 2 und 3 hege ich sogar die schlimme Befürchtung, dass diese Sitzungen nicht nur eine Show-, sondern sogar eine Werbeveranstaltung für den Verfassungsschutz werden.

 

Ich versuche mich mal im Wahrsagen:  Bei TOP 2 wird der Minister (oder einer seiner Mitarbeiter) ausführlich erklären, was der Verfassungsschutz alles für wichtige Aufgaben hat, was er bisher leistete und zukünftig noch leisten wird. Vermutlich werden sogar einige reale Fälle angesprochen werden, in denen der Verfassungsschutz bereits erfolgreich seine Spionageabwehr betreiben konnte. Natürlich kann der Minister keine Details nennen, weil ja alles geheim ist. Eine Überprüfung des Wahrheitsgehaltes ist also schonmal schwierig. In der Tat könnte zumindest ich das in einer nichtöffentlichen Sitzung nochmal konkreter eruieren. Nach außen tragen darf ich das Ergebnis dann aber selbstverständlich nicht.  Und was ist mit Dingen, die im Zuge all dieser Tätigkeiten eventuell falsch oder sogar rechtswidrig gelaufen sind? Von sich aus wird der Minister so etwas selbstverständlich nicht ansprechen; was in nichtöffenltichen Sitzungen im Übrigen auch nicht passiert, es sei denn, er muss befürchten, dass ohnehin schon etwas an die Presse durchgesickert ist. Dann handelt er regelmäßig nach dem Motto: „Bevor sie es aus der Presse erfahren, sage ich es ihnen lieber schnell selber, dann wirkt das nicht so komisch!“

 

TOP 3 wird vermutlich ähnlich ablaufen, hat aber einen entscheidenden Vorteil zu TOP 2. Zusätzlich zur Aufgabenbeschreibung und zur Herausstellung der Wichtigkeit und Unverzichtbarkeit des Verfassungsschutzes kann man hier noch ein konkretes und für jeden Bürger greifbares aber dennoch diffuses Bedrohungsszenario hinzufügen, das geeignet ist, jedem einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen.

 

Was wird vermutlich noch passieren? Ach ja… Die regierungstragenden Fraktionen werden munter in diesen Kanon mit einstimmen und alles hoch loben (wobei ich da auf die Grünen besonders gespannt bin), während die Oppositionsfraktionen eventuell hier und da vielleicht noch einen kritischen Blick aufsetzen können und für Details (die für eine Kontrolle bzw. Kritik unverzichtbar sind) auf eine nichtöffentliche Sitzung warten müssen, um ihre Kritik dann auch gefälligst nichtöffentlich zu äußern. Aber mit dem Verteilen von Maulkörben kennt sich unser Innenminster ja aus.

 

Ich hoffe wirklich inständig, dass es nicht so kommen wird. Ich halte es für absolut falsch, dass genau das Gremium, das die rechtsstaatliche Rechtfertigung für die fehlende gerichtliche Kontrolle über Maßnahmen des Verfassungsschutzes darstellt und somit in allen Belangen (und egal welcher Fraktion man angehört) der größte Kritiker des Verfassungsschutzes sein MUSS, derart missbraucht wird, um als Werbeträger für eben diesen zu fungieren. Man darf gespannt sein!

 

Piraten fordern Abschaffung der Geheimdienste

Veröffentlicht am von unter Das Neueste, Homepage, Innenausschuss (A09), Pressemitteilungen.

Anlässlich der heutigen Vorstellung des gemeinsamen Memorandums von Bürgerrechtsgruppen zum Thema ´Verfassungsschutz´ [1] fordern die Piratenabgeordneten in vier Landtagen eine konsequente Abschaffung der deutschen Geheimdienste und internationale Verhandlungen über das Abrüsten der weltweiten ´Geheimdienstarsenale´ unter der Kontrolle eines internationalen Aufsichtsgremiums. Weiterlesen »

Drs. 16/3839: Wurden Informationen, die im Zuge der Anwendung des britischen „Terrorism Act 2000“ gesammelt wurden, von nordrhein-westfälischen Justiz- und Polizeibehörden sowie dem Verfassungsschutz bezogen oder verwendet?

Veröffentlicht am von unter Europa und Eine Welt (A06), Innenausschuss (A09), Kleine Anfragen, Nico Kern.

Wurden Informationen, die im Zuge der Anwendung des britischen „Terrorism Act 2000“ gesammelt wurden, von nordrhein-westfälischen Justiz- und Polizeibehörden sowie dem Verfassungsschutz bezogen oder verwendet?

Kleine Anfrage 1568

Nicolaus Kern

Drucksache 16/3839

21.08.2013

Antwort JM Drucksache 16/4064 17.09.2013

siamo tutti antifascisti?

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Ich habe heute Folgendes getwittert:

“Es wird nicht besser, solange die “bürgerliche Mitte” Nazis zwar doof findet, aber gleichzeitig gegen Linke/Antifa hetzt.”

Es ärgert mich. Schon lange. Wo immer es um rassistische Äußerungen oder Taten geht. Wo immer Nazis marschieren. Es findet sich immer ein Presseartikel, in dem dann behauptet wird, da gäbe es auch “gewaltbereite Linksautonome” (aktuell gerne auch bezeichnet als “Krawalltouristen”.)

Dortmunds Oberbürgermeister U. Sierau zum Beispiel verhinderte letztes Jahr das Antifacamp, um dann auch gleich noch einen schier unsäglichen Satz mitzuliefern, in dem er sagte, “Wir können auch Mitgliedern aus dem Alerta!-Bündnis helfen, aus der Szene auszusteigen”. Weiterhin wird dann von ihm im Vorfeld der gestrigen Demo zwar erklärt, dass er Sitzblockaden für legitim hält, gleichzeitig werden diese aber verfolgt. Wie passt das zusammen?

Antifaschistische Aktionen werden gerne in einen Topf geworfen mit rechten Gewalttaten. Nicht vereinzelt, sondern systematisch. Auf so einem Boden konnten NSU-Morde über Jahre unerkannt bleiben.

In einem Bündnis gegen Nazis in Dortmund soll darüber diskutiert worden sein, wie man “die Antifa” von der Demo am 31.8. fernhalten könne. Ja, geht es denn noch?

Punkt 1: Es gibt nicht “die Antifa”.

Punkt 2: Antifaschistisch organisierte Menschen setzen sich friedlich ein gegen Rassismus, Antiromaismus und gegen Propaganda und Übergriffe durch Nazis.
Das beinhaltet auch mal eine Blockade von Nazidemos. Ich halte es für sinnvoll und sogar für notwenig. Und dabei auch die Variante, die nicht nur “Blockade für hübsches Pressefoto” beinhaltet, sondern die Variante, bei der man damit rechnen muss, von der Polizei auch unsanft entfernt zu werden und zusätzlich zum Platzverweis eine Anzeige zu kassieren. Widerstand gegen Polizei ist da schnell mal konstruiert. Sich trotzdem den Nazis in den Weg zu stellen oder zu setzen, ist vor allem mutig.

Punkt 3: Gefühlt sind Repressalien gegen linke Versammlungen allgegenwärtig. Wegen Vermummung zum Beispiel. Gefühlt ist da ein Ungleichgewicht zu rechten Demos, bei denen auch viele vermummt herumlaufen, aber nicht in gleichem Maße Vermummte herausgezogen werden. Ich kann Menschen sehr gut verstehen, die verhindern wollen, dass rechte Fotografen ihre Gesichter auf ihren Seiten veröffentlichen und dort zu Gewalt gegen linke Aktivist*innen aufrufen. Das dient also nicht zum Schutz vor Strafverfolgung, wie gerne behauptet, sondern schlicht zum Schutz des eigenen Lebens oder der Familie etc.

Punkt 4: Weiterhin muss die Rolle des Verfassungsschutzes kritisch hinterfragt werden, der permanent auf der Ansicht beharrt, es gehe gar nicht vordergründig um den Kampf gegen Rechtsextremismus, sondern gegen die “freiheitlich demokratische Grundordnung”. Da (auch mit dem Hintergrund der NSU-Morde) nicht ein systemisches Problem zu erkennen, halte ich für naiv.

Punkt 5: Ich habe oft den Eindruck, dass gebetsmühlenartig Dinge über die “linke Szene” verbreitet werden von Menschen, die nie auch nur einen Hauch damit zu tun hatten. Nahezu alle Erfahrungen, die ich mit antifaschistischen Bündnissen gemacht habe (viele Menschen davon sind Freund*innen geworden) waren und sind geprägt von respektvollem Umgang miteinander und von demokratischen Strukturen. Da muss ich nicht, wie an anderen Stellen der Gesellschaft, darüber diskutieren, wie man mit diskriminierender Sprache umgeht, weil es selbstverständlich ist, dass man das vermeiden kann. Da muss ich nicht darüber diskutieren, dass Sexismus scheiße ist. Da muss ich mich nicht rechtfertigen dafür, dass ich kein Fleisch esse. Da bekomme ich keine dummen Sprüche für antidiskriminierendes Engagement.

Konkret: Glaubt wirklich irgendwer, dass Antifaschist*innen nichts Besseres in ihrer Freizeit machen könnten, als überall in Deutschland nachts vor Häusern zu sitzen, weil sie Sorge haben, es könne nochmal etwas geben wie in Rostock damals? Die Stimmung in Deutschland ist derzeit wieder so, dass rassistische, ausländerfeindliche Äußerungen viel zu sehr toleriert und unter dem Deckmantel der “besorgten Bürger*innen” kleingeredet werden. Gerne getarnt als Meinungsfreiheit und mit Sätzen wie “Das wird man doch wohl noch sagen dürfen…” oder “Ich bin ja nicht ausländerfeindlich, aber…”

Fazit: Es wäre ein Anfang, wenn Menschen vermehrt stutzig würden, wenn in Medien und von Politiker*innen “rechts” und “links” in einem Atemzug genannt werden.

Und dann sollten sich immer mehr Menschen selber als Antifaschist*in begreifen….

Achtung!! Was wusste die Landesregierung von „Prism“?

Veröffentlicht am von unter Bürgerrechte, Das Neueste, Homepage, Innenausschuss (A09), Pressemitteilungen.

Die Menschen in Nordrhein-Westfalen werden massenweise ausgespäht, ihre geheimsten persönlichen Daten werden gespeichert – und die Behörden des Landes sind ahnungslos. Die Landesregierung gibt an, erst durch die Medienberichterstattung von der Existenz des US-Spionageprogramms „Prism“ erfahren zu haben. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Piraten-Abgeordneten Daniel Schwerd hervor. Die Landesregierung kann allerdings nicht ausschließen, dass NRW-Behörden wie der Verfassungsschutz Daten aus „Prism“ erhalten oder Daten an „Prism“ geliefert haben. Weiterlesen »

Plenarrede “Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie PRISM und Tempora”

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Heute hielt ich meine Plenarrede zu unserem Antrag “Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie PRISM und Tempora”.

Als schwaches Gegenargument auf unseren Antrag und auf meine Rede hörte ich nur, dass die ganzen Vorgänge noch nicht bewiesen seien – interessanterweise brachte dieses Argument Herr Innenminister Jäger (SPD) am vehementesten. Gleichzeitig betonet er immer wieder, dass die Landesregierung ja schon ganz toll aktiv sei gegen Wirtschaftsspionage – ausgerechnet mithilfe des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Neben der Tatsache, dass sich diese Argumente (Wissen wir doch gar nicht – Wir unternehmen schon was dagegen) widersprechen, ist besonders schizophren, ausgerechnet die besten Freunde der NSA mit dem Kampf gegen staatlich organisierte Spionage zu beauftragen – oder aber ihm ist der fundamentale Unterschied zwischen dem Hacker-Untergrund und der staatlich legitimierten NSA nicht klar.

Die Begründung, dass die Überwachung dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus diene, traute sich nicht einmal mehr der Redner der CDU zu bringen.

Unser Antrag wurde in die Ausschüsse zur Beratung verwiesen.

Wortprotokoll zur Rede:


Daniel Schwerd (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Raum und an den Glasfaserkabeln! Die „USS Jimmy Carter“ ist ein US-amerikanisches Atom-U-Boot der Seawolf-Klasse. Die „Jimmy Carter“ war bei ih-rem Stapellauf das am stärksten bewaffnete U-Boot, das jemals gebaut worden ist. Es kann Ziele zu Wasser und an Land angreifen und mit Nuklearsprengköpfen bestückt werden.

Interessanter als die Bewaffnung ist allerdings, was das U-Boot im Verborgenen noch so al-les kann. Denn es wurde offenbar so ausgerüstet, dass es in der Lage ist, am Meeresboden befindliche Glasfaserkabel anzuzapfen. Über diese Glasfaserkabel wird ein Großteil des weltweiten Internetverkehrs abgewickelt. Die USA nutzen die „Jimmy Carter“, um Zugriff auf den weltweiten Internetverkehr zu erhalten und diesen zu überwachen.

Der britische Geheimdienst GCHQ hat ebenfalls weltweit Hunderte von Glasfaserkabeln an-gezapft, speichert die Datenströme und wertet sie anhand verschiedener Kriterien aus. Bei dieser Internetüberwachung werden nicht nur Daten von Terroristen erfasst, wie uns das Geheimdienste und Sicherheitsexperten gerne glauben machen würden, sondern auch die digitale Kommunikation von Firmen und Unternehmen wird auf diese Weise abgehört.

Haben Sie schon einmal Angebote, technische Zeichnungen, Listen von Kunden oder Liefe-ranten, vertrauliche Präsentationen oder andere Geschäftsgeheimnisse über das Internet versendet? All das landet, wie wir jetzt wissen, in Datenspeichern US-amerikanischer und britischer Geheimdienste.

Die Tageszeitung „The Guardian“ berichtet, dass die Datenauswertung des britischen Ge-heimdienstes GCHQ explizit auch das wirtschaftliche Wohlergehen Großbritanniens zum Ziel hat. Und die „WirtschaftsWoche“ schreibt in ihrer aktuellen Titelgeschichte:

„Ziel von Spionageprogrammen wie Tempora oder Prism ist nicht bloß Terrorabwehr. Per Datenanalyse entschlüsseln sie auch die Geheimnisse der Wirtschaft.“

Wir können also davon ausgehen, dass die US-amerikanischen und britischen Überwa-chungsprogramme auch für Wirtschaftsspionage eingesetzt werden. Damit gehören auch nordrhein-westfälische Firmen und Unternehmen zu den potenziell Betroffenen.

Weder die Landesregierung noch die anderen Fraktionen hier im Landtag oder auf Bundes-ebene scheinen die Dimension und die Qualität dieser Vorgänge erfasst zu haben. Auslän-dische Nachrichtendienste greifen die Kommunikation deutscher Bürger und Unternehmen an. Die Medien sprechen von einem neuen Wirtschaftskrieg. Die Unternehmen rufen nach staatlichem Schutz. Doch wie reagiert die Politik? Sie reagiert gar nicht. Es ist mir schon fast peinlich, dass jetzt ausgerechnet wir Piraten zu Interessenvertretern der nordrhein-westfälischen Wirtschaft werden müssen. Ihnen sollte das wirklich peinlich sein!

(Beifall von den PIRATEN)

Wir haben einen Antrag vorgelegt, in dem wir sofortige politische Konsequenzen fordern:
Erstens müssen die verantwortlichen Politiker in Deutschland von der Landesregierung bis hin zur Bundesregierung endlich aktiv werden und das Ausmaß der staatlichen Wirtschafts-spionage gegen Deutschland aufklären.

Zweitens brauchen wir in NRW eine Aufklärungskampagne, die den Unternehmen dabei hilft, die Gefahr richtig einzuschätzen und geeignete Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Be-mühungen in dieser Hinsicht müssen dringend intensiviert werden. Noch immer hat nur je-des zweite Unternehmen einen Beauftragten für IT-Sicherheit.

Die Bedrohungslage hat sich geändert. Wir haben es nicht mehr mit zwielichtigen Hackern zu tun, sondern mit staatlichen Geheimdienstapparaten. Das Problem sind nicht mehr Viren und Schadcode – viel schlimmer: Firmen wie Microsoft melden ihre Sicherheitslücken ihrer Software zunächst an die NSA, bevor sie sie beheben.

Antivirenprogramme ausländischer Hersteller stehen im Verdacht, geheime Hintertüren zu enthalten, über die Nachrichtendienste Zugriff auf Firmennetzwerke erhalten können. Mit ei-nem solchen Bedrohungsszenario dürfen wir die Wirtschaft nicht alleine lassen!

(Beifall von den PIRATEN)

Drittens brauchen wir eine staatliche Förderung der Entwicklung von benutzerfreundlicher Kryptosoftware, mit der sich Unternehmen und Bürger vor Abhörmaßnahmen schützen können.

Viertens sollten wir dringend eine Task-Force auf Landesebene einrichten, die das Problem staatlicher Wirtschaftsspionage mit der nötigen Expertise behandeln kann.

Fünftens müssen wir auf internationaler Ebene verbindliche Abkommen entwickeln, die eine gegenseitige Wirtschaftsspionage zwischen Deutschland und verbündeten Staaten aus-schließen.

Kurz gesagt: Die Bedrohung durch staatliche Wirtschaftsspionage ist real; sie findet statt. Die Verantwortlichen in Deutschland müssen endlich aufhören, Däumchen zu drehen. Wir müssen schnellstens umfassende Sicherheitskonzepte entwickeln, statt die Wirtschaft mit dem Problem staatlicher Wirtschaftsspionage allein zu lassen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ein Nachrichtendienst, der umgebaute U-Boote verwendet, um Kabel anzuzapfen, lässt sich nicht durch das Installieren einer Firewall aufhalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)