Ausgerechnet Dieter Gorny? Digitalen Wandel gestalten statt sich zu verweigern.

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

gramophone-63753_640Aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommen derzeit besorgniserregende Entwicklungen, die Netzpolitik betreffend. Nach dem katastrophalen Entwurf zur Neuregelung der Störerhaftung und verstörenden Signalen zur Netzneutralität wurde nun ausgerechnet Dieter Gorny zum “Beauftragten für kreative und digitale Ökonomie” ernannt.

Dieter Gorny, Mitbegründer des Musiksenders Viva und der Musikmesse Popkomm, hat in der Vergangenheit als Cheflobbyist des Bundesverbands Musikindustrie den Kampfbegriff des geistigen Eigentums hochgehalten. Die Stopp-Schilder im Internet der damaligen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen 2009 fand er toll, er schaffte es in einem einzigen Satz, vom dokumentierten Kindesmissbrauch zum Schutz geistigen Eigentums überzuleiten.

Er nimmt damit die Extremposition der Content-Industrie ein, die ihr Geschäftsmodell durch das Internet in erster Linie bedroht sieht, und ihre Distributionsmodelle am liebsten auf das Internet übertragen möchte, notfalls mit der Schaffung zusätzlicher Rechtsmittel. Der geänderten Nutzererfahrung, den sich ändernden Anforderungen von Konsumenten im Netz trat er meist feindlich entgegen. Von ihm war noch nicht zu hören, dass das Urheberrecht diesen modernen Entwicklungen angepasst werden muss und neue Methoden geschaffen werden müssen, um den Urhebern und Musikern ihren Lebensunterhalt zu sichern. Womöglich, weil der Tonträgervertrieb nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.

Wenn Gorny seine Aufgabe als “Beauftragter für kreative und digitale Ökonomie” erfüllen möchte, muss er von dieser Extremposition abrücken. Dann muss er für einen Dialog zur Überarbeitung der Urheberrechte offen sein. Und er muss auch für die Digitalwirtschaft offen sein, die sich nicht auf die Distribution von Musik beschränkt. So muss er beispielsweise Internetunternehmen anhören, die in der Aggregation von Inhalten, in der Schaffung von benutzerfreundlichen Diensten ihren Schwerpunkt sehen. Auch die Interessen der Musiker werden nicht automatisch von der Tonträgerindustrie vertreten. Wir werden sehen, wie Gorny seinen Dialogauftrag annimmt.

Bersorgniserregend war die Aussage von Rainer Sontowski, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerum, bei der Vorstellung der Personalie Gorny. Er bedauerte, “die Digitalisierung zunächst den Netzpolitikern überlassen zu haben”.

Hier offenbart sich eine Grundhaltung, welche die Netzpolitik als feindlich, das Internet als bedrohlich empfindet, und die Entwicklung seit dem Internet 2.0 am liebsten auf eine erweiterte Shoppingmeile beschränken würde. Netzpolitiker werden als Gegner begriffen anstatt als Gesprächspartner. Warum die Angst?

Netzpolitik ist Gesellschaftspolitik. Das Internet geht nicht mehr weg – wir haben allerdings die Chance, die disruptiven Veränderungen, die es mit sich bringt, aktiv zu gestalten. Nur in Verteidigungshaltung zu gehen bedeutet, die Gestaltung anderen zu überlassen. Mit der Wahl Dieter Gornys wird diese Regierung weiter in Verteidigungshaltung verharren.


Zu diesem Thema habe ich dem kulturpolitischen Reporter Peter Grabowski für WDR 5 “Scala, das Kulturmagazin” ein Interview gegeben, was am 31.03. um 12 Uhr gesendet werden wird. Ich verlinke das hier, sobald es online ist.

Nico Kern zur Bewahrung der Volksfestkultur

Veröffentlicht am von unter Europa und Eine Welt (A06), Nico Kern, Reden.

Freitag, 20. März 2015

 

Top 3. Volksfestkultur in Nordrhein-Westfalen bewahren – europäisch gewollten Bestandsschutz für ältere Fahrgeschäfte nicht aushebeln

Antrag der Fraktion der FDP
Drucksache 16/7875
in Verbindung damit
Bestandschutz für ältere Fahrgeschäfte ermöglichen und Attraktivität von Volksfesten mit sicheren Fahrgeschäften erhalten
Antrag der Fraktion der   SPD und der Fraktion   BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8105
direkte Abstimmung
MdL Nico Kern | Foto Tobias M. EckrichUnser Redner: Nico Kern
Abstimmungsempfehlung: Enthaltung
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Protokoll der Rede von Nico Kern

Nicolaus Kern (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Die Tagesordnung des Präsidiums sieht vor, dass ich nun zu Ihnen spreche. Ich werde versuchen, zu verhindern, dass Sie in all dem Einvernehmen, das wir gehört haben, in ein mittägliches Suppenkoma abgleiten. Ich hoffe, das gelingt mir. Weiterlesen »

Dietmar Schulz zu den Leistungen des „Effizienzteams“

Veröffentlicht am von unter Dietmar Schulz, Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden.

Freitag, 20. März 2015

 

Top 1. A k t u e l l e  S t u n d e

Was bleibt von den Vorschlägen des sogenannten „Effizienzteams“ übrig?
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8178
Dietmar Schulz MdL/Foto A.KnipschildUnser Redner:  Dietmar Schulz
Audiomitschnitt der 1. Rede von Dietmar Schulz anhören

Audiomitschnitt der 1. Rede von Dietmar Schulz als Download

Audiomitschnitt der 2. Rede von Dietmar Schulz anhören

Audiomitschnitt der 2. Rede von Dietmar Schulz als Download

Protokoll der 1. Rede von Dietmar Schulz

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und daheim! Herr Kollege Abel, vielen Dank für die Sachlichkeit, die Sie an den Tag gelegt haben, mit der Sie sich zumindest ansatzweise mit dem Bericht befasst haben, den Sie hier eigentlich hätten vollständig verteidigen müssen. Das war beim Kollegen Zimkeit leider nicht ganz so. Er sprach von der Schuldenkurve, der Senkung der Neuverschuldung. Eines steht fest, Herr Kollege Zimkeit: Das ist keine Folge der Arbeit des Effizienzteams, sondern, wie der Kollege Abel sagte, eine Folge der Mehreinnahmen, um es ganz klar auf den Punkt zu bringen. Weiterlesen »

Oliver Bayer zur Überarbeitung des Landesentwicklungsplans

Veröffentlicht am von unter Bauen, Wohnen und Verkehr (A02), Oliver Bayer, Reden.

Donnerstag, 19. März 2015

 

Top 2. Koalitionsstreit beenden, Kritik von Kommunen, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden ernstnehmen – Ministerpräsidentin Kraft muss zügig einen grundlegend überarbeiteten LEP-Entwurf vorlegen!

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der   FDP
Drucksache 16/8127
Block II
MdL Oliver Bayer (Foto A. Knipschild)Unser 1. Redner: Oliver Bayer
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Ausschussüberweisung
Audiomitschnitt der Rede von Oliver Bayer anhören

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Protokoll der Rede von Oliver Bayer

Oliver Bayer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. Frohe Ostern, liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Bewohnerinnen und Bewohner Nordrhein-Westfalens!

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Liebe Schiffbrüchige!)

Der Landesentwicklungsplan ist für Sie. Stellen Sie sich mal eine Landkarte vor, in der ausschließlich Industrie- und Gewerbeflächen aufgemalt sind, und Sie müssten sich daran im Land orientieren, ohne Straßen, Berge, Flüsse, Täler, Kirchen, Kulturdenkmäler oder Baggerseen. Damit wäre eine Orientierung schwer, eine Planung noch viel mehr. Weiterlesen »

Dietmar Schulz zur Übertragung der Kunstwerke der ehemaligen WestLB auf die Kunstsammlung NRW

Veröffentlicht am von unter Dietmar Schulz, Kultur- und Medien (A12), Reden.

Mittwoch, 18. März 2015

 

Top 13. Kunstwerke der ehemaligen WestLB auf die Kunstsammlung NRW übertragen

Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8117
Mdl Dietmar Schulz/Foto A.KnipschildUnser Redner: Dietmar Schulz
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Überweisung
Audiomitschnitt der Rede von Dietmar Schulz anhören

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Protokoll der Rede von Dietmar Schulz

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier und daheim! Politische Lösungen das war etwas, was wir von der Piratenfraktion von Anfang an gefordert hatten. Gott sei Dank ist die Landesregierung mittlerweile auf denselben Weg eingeschwenkt, ebenso wie die überwiegende Zahl der Kolleginnen und Kollegen hier im Haus. Weiterlesen »

Oliver Bayer zur Rettung des Semestertickets

Veröffentlicht am von unter Bauen, Wohnen und Verkehr (A02), Oliver Bayer, Reden.

Mittwoch, 18. März 2015

 

Top 8. Studentische Mobilität sicherstellen  – Erfolgsmodell Semesterticket stärken und Einigung im Streit um das VRR-Semesterticket erzielen

Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8112
direkte   Abstimmung
MdL Oliver Bayer Foto A.KnipschildUnser Redner: Oliver Bayer
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung
Audiomitschnitt der kompletten Debatte anhören

Audiomitschnitt der kompletten Debatte als Download

Protokoll der Rede von Oliver Bayer

Oliver Bayer (PIRATEN): Vielen Dank. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Studierende! Heute vor 23 Jahren gab es Debatten im Landtag und einen Erlass des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung. Die waren Grundlagen für die Einführung des Semestertickets, welches sicher auch von Ihnen als Erfolgsmodell bezeichnet wird. Weiterlesen »

Das Leistungsschutzrecht muss weg

Veröffentlicht am von unter Das Neueste, Homepage, Kultur- und Medien (A12), Pressemitteilungen.

Es verfestigt Monopole und bedroht Gründer und kleine Unternehmen

Das Leistungsschutzrecht soll verlegerische Inhalte bei der Nutzung in Suchmaschinen und Newsaggregatoren rechtlich besser stellen. Dadurch werden Monopolisten wie Google gestärkt, kleine Unternehmen der Internet- und Kreativwirtschaft benachteiligt. Der Antrag der Piratenfraktion wurde bei der Anhörung im Kultur- und Medienausschuss teilweise begrüßt.

Daniel Schwerd, Netz- und Medienpolitischer Sprecher:

Das Leistungsschutzrecht muss weg, es verfestigt Monopole und schützt nicht die verlegerischen Inhalte.

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Anhörung Kunstverkäufe

Veröffentlicht am von unter Kultur- und Medien (A12), Lukas Lamla, Persönliche Blogposts.

Am 24. Februar 2015 wurden im NRW Landtag Experten aus der Kunstszene zur kulturpolitischen Bewertung von Kunstverkäufen aus landeseigenen Betrieben angehört. Die durch den Verkauf der beiden Warhol Bilder „Triple Elvis“ und „Four Malons“ im November 2014 begonnene Debatte, weitete sich nach Bekanntwerden von Plänen zur Veräußerung der Kunstsammlung der ehemaligen WestLB aus. Auch die Sammlung des WDR, die aufgrund der desaströsen Finanzlage der Sendeanstalt zur Disposition stehen soll, ist nun in den Fokus der Diskussion gerückt.
 
Die Kunsthistoriker Prof. Dr. Dieter Ronte (Bonn) und Prof. Dr. Gerd Blum (Kunstakademie Münster) sprachen über den Imageschaden, den das Land Nordrhein-Westfalen in jüngster Zeit durch den Verkauf von Kunst im öffentlichen Besitz erlitten hat. Man war sich einig, dass die verkaufsfreudige Haltung der Landesregierung gegenüber der Kunst aus landeseigenen Betrieben, im absoluten Gegensatz zum Geist des jüngst verabschiedeten Kulturfördergesetzes steht. 
 
Vielmehr  versuche man in Regierungskreisen die Diskussion aus der kulturpolitischen Debatte herauszuziehen und dem weniger ästhetischen, nur auf Kosten-Nutzen bedachten Finanzressort zuzuweisen. Prof. Barbara Welzel vom Verband deutscher Kunsthistoriker wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Protestbrief ihres Verbandes von der Staatskanzlei „zuständigkeitshalber“ an das Finanzministerium weitergeleitet worden ist. Dies zeigt, dass dieser Debatte seitens der Staatskanzlei und auch von Frau Kraft als Ministerpräsidentin, dass kulturelle, ästhetische Werte fast nur noch mit deren finanziellen Nutzen gemessern werden. Besonders pikant in dieser Hinsicht ist vor allem, dass der Protestbrief des Deutschen Künstlerbundes geänzlich unbeantwortet blieb. Der Ausschuss nahm dies zur Kenntnis und entschuldigte sich formell bei Frau Knobloch vom Deutschen Künstlerbund entsprechend. Was übrig bleibt, ist der Eindruck einer neuen Qualität von Missachtung von Kunst als zweckfreier, ästhetischer Wert durch die Landesregierung.
 
Die geladenen Experten waren sich bezüglich der finanzpolitischen Dimension der Debatte um die Kunstverkäufe einig, dass das kurzfristige kapitalistische Denken keinesfalls von ökonomischem Sachverstand gekennzeichnet ist. Prof. Dr. Blum von der Kunstakademie Münster wies darauf hin, dass ein Verbleib der Sammlung in NRW für die Öffentlichkeit als Standortfaktor einen ökonomischen Wert habe, der bisher verkannt worden ist. 
 
Doch jenseits des ökonomischen Wertes von Kunstwerken, hat vor allem Prof. Dr. Barbara Welzel von der TU Dortmund, auf die Frage nach möglichen Folgen des Verkaufs von Kunstwerken im öffentlichen Besitz klare Worte gefunden. In Zukunft wären wir aufgrund des Ausverkaufs künstlerischer und ästhetischer Werte massiven Traditionsverlusten ausgesetzt. Solche Verluste gab es bisher nur in Kriegszeiten.
 
Bazon Brock, Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung, sagte, dass hier Gemeingüter, ästhetische Werte, kurz- und mittelfristigen Bedürfnissen der jeweiligen Kassenlage zum Opfer fallen. Das Gemeingut öffentlicher Kunstbesitz wird zur Handelsware degradiert. Vor allem, wenn ein Finanzminister die Bewertung von Kunstwerken als eine Aufgabe des Kunstmarktes ansieht und diese Verkäufe den Künstlern als Dienst zur Bewertung ihrer Werke anpreist. Hier wird laut Brock „die kapitalistische Logik mit der kabarettistischen vermählt“[1].
 
Am Ende des Hearings wurde von den Vertreterinnen der bildenden Künstler, Andrea Knobloch vom Deutschen Künstlerbund und Frederike van Duiven vom Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler, die Zusammensetzung der Beteiligten am Runden Tisch des Kulturministeriums stark kritisiert. Künstlervertreter hatten zu Beginn der Planungsphase für den runden Tisch aus eigenem Antrieb Hilfe angeboten, sie wurden jedoch freundlich ausgeladen und darauf hingewiesen, dass die Debatte sie nicht direkt betrifft.[2] Beide Vertreterinnen der Künstlerverbände betonten, dass die Beteiligung von Künstlerinnen und Künstlern als Urheber bei dieser finanzpolitischen Debatte notwendig ist. 
 
Es bleibt am Ende zu hoffen, dass für den nächsten Termin des Runden Tisches die Künstlervertreter beteiligt werden. Genauso muss die Situation der WDR Sammlung mit in die Debatte um Kunst in öffentlicher Hand einbezogen werden.  
Zu guter Letzt bleibt zu würdigen, dass Frau Prof. Dr. Welzel die anwesenden Politiker eindringlich davor gewarnt hat, die Debatte um Kunstverkäufe aus öffentlicher Hand zur Parteipolitik zu machen. Sie forderte die Mitglieder des Kulturausschusses vielmehr dazu auf, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und dafür Sorge zu tragen, dass für den Kunst- und Kulturstandort NRW den Verbleib der Portigon-Sammlung für die Öffentlichkeit in unserem Land bedeutet. 
[1] Brock, Bazon: Stellungnahme Ausschuss für Kultur und Medien des Landes NRW „Kunst im Landesbesitz“, 24.02.2015. Stellungnahme 16/2613, S. 2
[2] Van Duiven, Frederike: Stellungnahme des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler in NRW e.V. zu Kunst im Landesbesitz. Hearing des Ausschusses für Kunst [sic!] und Medien am 24. 02. 2015. S. 2. Stellungnahme 16/2612
Unsere Position:

Intensivtäterkonzept, unsinnige Zahlenspiele, unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstellen und das 9. Fanhearing

Veröffentlicht am von unter Bürgerrechte, Frank Herrmann, Innenausschuss (A09), Persönliche Blogposts.

DSC_0012In den letzten Wochen war im Bereich der Sicherheitspolitik rund um Fußballspiele wieder eine Menge los. Nach dem zuversichtlichen Abschluss des letzten Jahres mit dem Pilotversuch „Lageangepasste Reduzierung der polizeilichen Präsenz bei Fußballspielen“ und der Einsicht von Innenminister Jäger, dass die Aussagekraft von Erkenntnissen der „Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze“ (ZIS) nach den Kölner HoGeSa-Ausschreitungen unzureichend sei, scheint es nun ein Rollback der alten Konzepte zu geben.

Intensivtäterkonzept und unsinnige Zahlenspiele

Ganz nach dem Motto „Zuckerbrot und Peitsche“ hat unser Innenminister parallel zu dem sehr erfolgversprechenden und unterstützenswerten Pilotprojekt – bei Nicht-Risikospielen die Präsenz der Polizei zu reduzieren und diese deeskalierend aus dem Sichtfeld der Fans zu entfernen – ein Konzept für Vorverurteilungen in die Wege geleitet. Zukünftig sollen Ermittlungsverfahren gegen nicht näher definierte sogenannte „Intensivtäter“ bei der Staatsanwaltschaft des Angeklagten-Wohnsitzes zentralisiert werden. Dies bedeutet nicht nur eine Abkehr vom Tatortprinzip, sondern verstößt aufgrund der Täterorientierung des Konzepts zugleich gegen die Unschuldsvermutung.

Nicht nur von Fanvertreten hagelt es Kritik: Auch der Bund der Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen e.V. zeigt sich wenig erfreut über die zu erwartende Mehrbelastung der Justiz. In der Pressemitteilung heißt es, die Verfahren würden sich verlängern und das Konzept werde besonders NRW stark belasten – u. a. weil hier die meisten Fußballvereine ansässig sind. Für uns Piraten war auch sehr schnell klar, dass der angekündigt intensive Austausch von Informationen, Mutmaßungen und Verdächtigungen zwischen Richtern, Staatsanwälten und Kriminalbeamten faire Verfahren unmöglich machen wird. Am kommenden Donnerstag werden wir über das Konzept im Innenausschuss sprechen und meine Fraktion wird das Vorhaben in aller Schärfe kritisieren. Uns stört insbesondere die völlige Unbestimmtheit und Willkürlichkeit der Definition, wer oder was ein Intensivtäter ist. Aus dem Pool der umstrittenen Datei Gewalttäter Sport (DGS) sollen solche „Intensivtäter“ heraussortiert werden. Dabei ist der Begriff „Gewalttäter“ durch Politik und Sicherheitsbehörden doch schon bei den mehr als 13.000 Eintragungen in die DGS auf Biegen und Brechen ausgedehnt worden, was 2013 einen Rüffel des Verwaltungsgerichts Münster zur Folge hatte.

Die Basis für eine Einstufung als sogenannter Intensivtäter oder auch Gewalttäter darf nur die Anzahl tatsächlicher Verurteilungen wegen schwerer Gewaltdelikte sein, nicht irgendwelche Mutmaßungen und Vorverurteilungen der Ermittlungsbehörden wegen Landfriedensbruchs. Auf keinen Fall dürfen die ZIS-Zahlen ins Feld geführt werden, denn hier geben Polizeibeamte und SKB bekanntermaßen nur sehr grobe und ungefilterte Einschätzungen über das Gewaltpotential ab. Professor Feltes hat zuletzt empfohlen, die Zahlen der ZIS komplett zu ignorieren und noch im letzten Jahr musste unser Innenminister kleinlaut zugeben, dass die Zahlen nicht dazu taugten, das Potential von rechten Gewalttätern rund um den Fußballsport auch nur annähernd einzuschätzen. Die Reform der ZIS haben wir hier im Landtag mehrfach thematisiert, u. a. in einer Anhörung. Trotz der berechtigten Kritik der Experten wurde eine Reform durch Rot-Grün aber abgelehnt.
Fazit: Statt den Pilotversuch zur Reduzierung von Polizeikräften bei Fußballspielen weiter auszubauen, statt z.B. die polizeiliche Nachbereitung transparenter zu gestalten und zu diesem Zweck Berichte aus der Fanszene einzuholen, werden Fanrechte wieder beschnitten und eine Lex Fußball geschaffen.

Beschwerde- und unabhängige Ermittlungsstellen

Ein sehr wichtiges Anliegen der Piratenfraktion im Landtag ist die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für Bürger und Polizei in NRW. Immer wieder zeigt sich, dass die Polizei ein strukturelles Problem hat, wo es darum geht, eigenes Fehlverhalten z. B. bei Fußballspielen aufzuklären. Deshalb haben im Jahre 2013 nicht weniger als 3.960 Beschwerden gegen Polizeibeamte in NRW lediglich zu zwei Disziplinar- und/oder Strafverfahren geführt. Fälle von strittigem Polizeiverhalten, das einer unabhängigen Überprüfung bedurft hätte, gibt es in NRW genug, dennoch ist grundsätzlich diejenige Polizeibehörde für die Bearbeitung zuständig, deren Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter betroffen ist. So hat die Polizeibehörde in Gelsenkirchen die Anzeigen und Beschwerden von Fans nach dem Blocksturm beim Fußballspiel FC Schalke 04 gegen PAOK Saloniki am 21.08.2013 selbst bearbeitet. Trotz der Ankündigung, dieses fatale Ereignis komplett aufklären zu wollen, gibt es immer noch keinen Bericht des Innenministeriums über die vielen Fehlentscheidungen bei diesem unverhältnismäßigen Polizeieinsatz, der zu mehr als 80 Verletzten geführt hat. Und noch ein weiterer Polizeieinsatz in Gelsenkirchen müsste dringend unabhängig aufgearbeitet werden: Nach einem Faustschlag eines Beamten Anfang des Jahres starb ein mutmaßlicher Gewalttäter und Brandstifter im Krankenhaus. Gegen vier am Einsatz beteiligte Polizisten wird ermittelt. Der Fall wirft viele Fragen auf, so wurde die interne Ermittlung im Polizeipräsidium Gelsenkirchen etwa u.a. von einem Mitarbeiter durchgeführt, der zu einem der vier Beamten in einem verwandtschaftlichen Verhältnis steht. Des Weiteren gibt es Zeugenberichte, die den Ablauf des Geschehens in einer Weise beschreiben, die von der offiziellen Version abweicht. Das böse Wort „Vertuschung“ macht die Runde und die BAG der kritischen Polizisten hat die Einrichtung „einer Mordkommission aus einem anderen Bundesland“ gefordert.

In anderen Staaten gibt es unabhängige Stellen zur Untersuchung von Beschwerden gegen Polizisten schon sehr lange. Betroffene haben dort ein Recht darauf, dass ihr Fall unabhängig, unverzüglich und öffentlich überprüfbar untersucht wird. Auch wird die Sicht des Betroffenen stark in die Ermittlung einbezogen. Es ist auch von enormer Wichtigkeit, dass Stellen eingerichtet werden, an die sich Polizeibeamte selbst und anonym wenden können. Wie schwer es ist, gegen Kollegen auszusagen, zeigt der Fall der menschenverachtenden Anfeindungen gegen eine Polizeianwärterin in Aachen. Dieser Fall wäre gewiss nicht über Monate hinweg unentdeckt geblieben, wenn die junge Frau sich anonym an eine Hinweisgeberstelle für Polizisten hätte wenden können. Wir wollen daher, dass sich ebenso Polizeibeamte ohne Einhaltung des Dienstwegs an die in NRW einzurichtende Beschwerdestelle wenden können.

Bundesländer wie Rheinland-Pfalz und Niedersachsen sind im letzten Jahr den richtigen Schritt gegangen und haben unabhängige Beschwerdestellen für Bürger und Polizei geschaffen. Rheinland-Pfalz hat seit einigen Monaten einen Polizeibeauftragten. Beide Ansätze bedürfen zwar noch Nachbesserungen, immerhin hat man aber in unseren Nachbarbundesländern eingesehen, dass die deutsche Blockadehaltung aufhören muss. NRW ist von dieser Einsicht noch weit entfernt: Auf meine Anfrage, ob die Einrichtung solcher Stellen geplant sei, wurde mir nur mit einem lapidaren Nein geantwortet. Trotz eines Beschwerdeberichts, wie er zum ersten Mal 2014 erstellt wurde, kann die Landesregierung zum Inhalt von fast 4.000 Beschwerden keinerlei Aussagen treffen. Sie weiß weder, ob es vermehrt zu Beschwerden im Bereich von Fußballspielen kommt oder ob Beschwerden erfolgen, weil sich Betroffene durch Polizisten diskriminiert fühlen. Das heißt allerdings im Umkehrschluss auch, dass keine spezifischen Maßnahmen ergriffen werden können, um Fehlverhalten qualitativ auszuwerten und so zukünftig zu verhindern. Eine reine quantitative Auswertung des Beschwerdeaufkommens trägt nicht zu einer verbesserten Fehlerkorrektur- und kultur der Polizei bei und dürfte sich strenggenommen auch nicht Beschwerdemanagement nennen.

Rückblick auf das 9. Fanhearing

Das Thema Beschwerdestellen wurde auch beim letzten Fanhearing am 19. Januar 2015 ausführlich besprochen. Die Fanseite bezeichnete die Antwort der Landesregierung auf meine kleine Anfrage dort als eine Frechheit. Empört zeigten sich die Fans darüber, dass die die Untersuchung von Beschwerden gegen den Polizeieinsatz auf Schalke einfach eingestellt worden seien, und sie bezweifelten, ob dies bei einer unabhängigen Stelle genauso passiert wäre. Das Einstellen von Ermittlungen gegen Polizeibeamte ohne jede Begründung führt zu einem großen Vertrauensverlust in der Szene. Es zeigt sich, wie überfällig vertrauensbildende Maßnahmen durch eine unabhängige Stelle wären und wie wichtig es ist, dass die Politik als Vermittlerin zwischen Polizei und Fans agiert und die Voraussetzungen für das Vertrauen schafft.

Leider scheint es wieder vermehrt zu schweren polizeilichen Eingriffen zu kommen: Die Fans berichteten, dass zurzeit wieder Meldeauflagen und Bereichsbetretungsverbote nach dem Gießkannenprinzip verhängt würden. Bundesweit machte hierzu das Beispiel Freiburg Schlagzeilen. Auch die Anhörung im Landtag NRW zu Meldeauflagen zeigte, wie verhärtet die Fronten sind: Während die Fanprojekte und die Wissenschaft die Wirkung dieser stark in die Grundrechte eingreifenden Maßnahmen bezweifelten und Evaluationen forderten, konnten die Polizeigewerkschaften nicht einmal genau angeben, wie viele Meldeauflagen in NRW verhängt worden waren, zeigten sich aber dennoch von der positiven Wirkung des Mittels felsenfest überzeugt. Ein Experte der Piratenfraktion und Fanprojektmitarbeiter berichtete beim Fanhearing von seinen Erfahrungen in der Anhörung. Mehrmals sei ihm das Wort entzogen worden, weil er auch über die Wirkung von polizeilicher Gewalt auf die Fans gesprochen habe. Auch deshalb wurde beim Fanhearing die Bedeutung der Unabhängigkeit von Fanprojekten erneut unterstrichen. Diese soll zukünftig noch dadurch gestärkt werden, dass für die Berufsgruppe ein Zeugnisverweigerungsrecht gefordert werden soll, wie es Anwälte, Geistliche und Journalisten haben. Darüber wird auf verschiedenen Ebenen verhandelt.

Ein positives Fazit wurde über das Pilotprojekt gezogen: Weniger Polizeipräsenz rund um die Stadien wirke deeskalierend und diese Strategie solle ausgeweitet werden. Die Fans gaben aber zu bedenken, dass die Zahlen der ZIS nicht zur Einstufung von Spielen als Risikospiele taugten, und haben als Beispiel die Ausschreitungen rund um das Spiel Hertha BSC gegen Schalke 04 am 18.10. genannt. Die beiden Fangruppierungen seien seit Jahren völlig verfeindet, daher hätte das Spiel als Risikospiel eingeschätzt werden müssen. Ein solches Übersehen wäre nicht passiert, hätte man die Expertise der Fans in die Bewertung der Lage einbezogen.

Auch wurde vorgeschlagen, den Fanreiseverkehr weiter auszubauen. Sonderzüge für Fans würden gut angenommen, aber lange Strecken ohne Halt erzeugten schlechte Stimmung. Die Toiletten in den Zügen funktionierten oft nicht und man könne sich unterwegs nicht mit Essen und Getränken versorgen. Am besten seien von den Vereinen selbst organisierte Züge mit eigenen Ordnern; Bielefeld führe dies schon seit 20 Jahren mustergültig vor. Leider gebe es aber immer weniger Sonderzüge, das Angebot an Waggons werde immer kleiner. Das Thema Fanreiseverkehr habe ich in die Bahnsprechstunde im Landtag mitgenommen und werde die Anregungen dort anbringen.

Kurz angeschnitten wurde auch das Thema HoGeSa. Meine Anfrage nach Präventionsprogrammen gegen Rechtsextremismus brachte zum Vorschein, dass es keine spezifischen Angebote für Erwachsene gibt. Hier sahen auch die Teilnehmer des Fanhearings Nachholbedarf. Des Weiteren wurde diskutiert, wie sich die Pegida-Bewegung und ihre Ableger auf die Fußballfankultur auswirken werden. Viele Vereine wie Aachen, Braunschweig und Duisburg sind schon zu Zeiten vor Pegida und Co. gegenüber den rechten Fangruppierungen eingeknickt, es bleibt abzuwarten, wie sich die Fußballvereine angesicht des gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks verhalten werden. Das Thema muss jedenfalls weiter vertieft werden und allen muss klar sein, dass die Mär vom unpolitischen Sport genau das ist: ein Märchen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit darf keinen Platz im Fußball haben. Das haben wir auch im Landtag immer wieder angemahnt und werden das Problem im Ausschuss weiter diskutieren.

Intensiv diskutiert wurde das private Strafen-System des DFB, dessen Satzung privatrechtliche Sanktionen gegen Mitgliedsvereine erlaubt. Mit hohen Geldstrafen soll der gastgebende Club für das Fehlverhalten von Fans haften. Dabei geht es um empfindlich hohe Strafen, die die Vereine an die mutmaßlichen Störer weiterreichen. Dieses Verfahren ist umstritten, denn das DFB-Sportgericht ist eine zivilrechtliche Verbandsverwaltung, die die Entscheidung ordentlicher Gerichte nicht ersetzt. Das Vorgehen des DFB-Sportgerichts wird neuerdings durch das sogenannte „9-Punkte-Papier (Verfolgung und Ahndung von Zuschauerfehlverhalten)“ unterstützt. Viele Fanhilfen kritisieren dieses Papier: Es fehle u.a. an konkreten Definitionen, was z. B. eine grob unsportliche Verunglimpfung sein soll. Fan-Kritik am Verband kann damit schon als Verunglimpfung geahndet werden. Vor allem wird die Pyrodiskussion befeuert, denn bei sachgerechter Anwendung von Feuerwerkskörpern kommt es nicht zu Schäden, dennoch ziehen Pyroaktionen im Stadion saftige Bußgelder nach sich. Der DFB will mit hohen Strafen dafür sorgen, dass Pyrotechnik aus dem Stadion verbannt wird, obwohl dieses Mittel für die meisten aktiven Fangruppierungen zu ihrer Kultur gehört. Der unsachgemäße Umgang mit Pyrotechnik birgt ohne Zweifel Verletzungsgefahren, das Abbrennen von geprüfter Pyrotechnik in definierten Bereichen des Stadions wäre aber ein denkbarer Kompromiss.

Beim nächsten Fanhearing im Mai/Juni werden wir diese Thematik weiterverfolgen und uns u.a Themen wie der Funkzellenabfrage und der Fehlspeicherungen in Dateien widmen.