Heute tagt der Runde Tisch „Kunstbesitz von Unternehmen der öffentlichen Hand in NRW“: Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur beraten über Wege, die Kunstsammlung für NRW zu sichern. Schwerpunkt heute: die Veräußerungsankündigung der Portigon AG.
Dietmar Schulz, Stellv. Vorsitzender der Piratenfraktion im Landtag NRW und Teilnehmer am Runden Tisch:
„Wir begrüßen den Paradigmenwechsel der Landesregierung, nunmehr alles in ihren Kräften Stehende tun zu wollen, um die Kunst im Land zu halten, nachdem es zunächst hieß, die Portigon AG entscheide alleine, was damit passiert und eine freie Veräußerung sei ‚wegen EU-Vorgaben alternativlos‘.
Wir halten indessen die Überführung des Kunstbesitzes von landeseigenen Gesellschaften, Betrieben und Einrichtungen in öffentlich-rechtlich gebundene Einrichtungen (etwa Stiftungen) für ebenso alternativlos wie die notfalls satzungsmäßige Herbeiführung eines vorläufigen Veräußerungsverbots.
Kunst und Kultur dürfen keinem monetären Diktat geopfert werden, weil hierdurch auch ein Stück Identität gesellschaftlicher Entwicklung aufgegeben würde.
In Zukunft möge insbesondere auch die Expertise von Künstlerinnen und Künstlern mehr als bislang fördernd in Ankauf- und Veräußerungsprozesse eingebunden und damit der Meinung von Kunstschaffenden ein größeres Gewicht gegenüber rein merkantilen Gesichtspunkten eingeräumt werden.
In einem ersten Schritt müsste angesichts klammer Kassen der öffentlichen Hand dem Bestreben Einhalt geboten werden, dem Reiz des Verkaufs zur Kassen-Konsolidierung zu erliegen. Dies möge auf Landesebene bei direkt oder indirekt im Eigentum des Landes stehenden Unternehmungen und Betrieben durch entsprechende Satzungsänderungen und/oder Auflagen manifestiert werden. Außerdem fordern wir Kunst-Inventarverzeichnisse, die den Besitz transparent darstellen. Das Verschanzen der Landesregierung hinter Gesellschaftsrecht oder vermeintlichen Betriebsgeheimnissen von im Eigentum des Landes befindlichen Gesellschaften, Betrieben und Einrichtungen muss ein Ende haben.
Wir verbinden mit dem Runden Tisch den Wunsch, als Ergebnis am Ende auch falls notwendig mehrerer Treffen die Manifestation eines Gleichklangs der widerstreitenden Interessen im Sinne der Sicherung von Teilhabe der Menschen an Kunst und Kultur im Lande NRW.“
Positionspapier der Piratenfraktion NRW zum Auftakt des Runden Tisches „Kunstbesitz von Unternehmen der öffentlichen Hand in NRW“
1.
Die Landesregierung muss sich ihrer kulturpolitischen Verantwortung auch und gerade mit Blick auf den – soweit bekannt – rund 1000 Werke umfassenden Kunstschatz im Besitz von Landesgesellschaften (Portigon AG, Westlotto, Westdeutsche Spielbanken GmbH & Co. KG, NRW.Bank und anderer Töchter) stellen. Ähnliches gilt für das Werksportfolio im Besitz des „Kornelimünster (Aachen)“ und den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW. Die Piratenfraktion im Landtag NRW sieht die Landesregierung als Treuhänderin für die Menschen in NRW in Bezug auf die Kunstschätze im Besitz von landeseigenen Unternehmen oder Sondervermögen in der Pflicht.
2.
Die Gesellschafter der Portigon AG möge dem Vorstand einstweilen jedweden Verkauf von Kunstwerken untersagen; gleich ob sich diese in Düsseldorf, New York, London oder in anderen Destinationen der ehemaligen WestLB befinden. Das hierzu erforderliche Verfahren auf Durchführung einer entsprechenden Satzungsänderung der Portigon AG ist vermittels der Regelung des § 111 Abs. 4 AktG durchführbar; ein Mehrheitsbeschluss in einer Hauptversammlung böte die Grundlage. Ähnlich möge die Landesregierung in Bezug auf den Kunstbesitz der NRW.Bank, von Westlotto, Westdeutsche Spielbanken GmbH & Co. KG sowie weitere, direkt oder indirekt im Landeseigentum stehende Gesellschaften und Destinatäre verfahren.
Besonders pikant ist, dass Kunst von Portigon in den letzten Monaten bereits verkauft worden ist. So ist mit dem Verkauf des Schlosses Krickenbeck an eine französische Investorengruppe Kunst, also Bilder und Skulpturen und „andere Dinge“ im Sinne von dekorativen Elementen des Schlosses mitverkauft worden. Ähnlich dürfte die Portigon AG in Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaften der ehemaligen WestLB in Düsseldorf gehandelt haben. Insbesondere sind auf diese Weise mindestens drei große Werke von Otto Wesendonck verkauft worden.
Es steht zu befürchten, dass mit der Liquidation der Portigon AG unabhängig vom „Runden Tisch“ und unabhängig von der verhängten „Ausfuhrsperre für nationale Kulturgüter“ weiterhin Kunst auf dem freien Markt am Interesse des Kulturlandes NRW vorbei veräußert wird, solange diesem Treiben von Seiten der Eigentümer (Land NRW) kein Riegel vorgeschoben wird.
Ein Beharren auf der These, NRW könne auf den Vorstand der Portigon AG oder auf die Geschäftsführung anderer Gesellschaften nicht entsprechend einwirken, ist rechtlich und kulturpolitisch unhaltbar und deshalb zurückzuweisen. Entsprechende Satzungsänderungen sind hier Schlüssel und Therapie zugleich.
3.
In einem weiteren Schritt müssen Künstlerinnen und Künstler künftig zwingend an der Schaffung von Regelungen zur Behandlung von Kunst im direkten und indirekten Landesbesitz mit einbezogen werden. Ihre Blickwinkel und Meinungen werden zu selten abgefragt. Es ist Zeit, den Kreis der Erzeugerinnen und Erzeuger von künstlerischen und kulturellen Werten stärker in die (finanzpolitische) Diskussion mit einzubeziehen. Der Beitrag der Künstler durch die Schaffung ihrer Werke als Teil von öffentlichen Diskursen, oder als künstlerischer Kommentar zum Zeitgeschehen ist mit einer verstärkten Wahrnehmung ihres gesellschaftlichen Stellenwertes zu beantworten. Reines Ankaufen ihrer Produktionen reicht nicht mehr aus. Teilhabe der Macher statt Konsum der Werke ist hier die Devise.
4.
Portigon AG und andere Gesellschaften oder Destinatäre, die direkt oder indirekt im Eigentum des Landes stehen, müssen aufgefordert werden, ihre Kunstbestandslisten unverzüglich zu aktualisieren und sämtliche Verkäufe von Kunstwerken seit Mai 2012 (Beginn der 16. Legislaturperiode des Landtags NRW) nach Künstler, Werk und Preis aufzulisten und sind dem Landtag mitzuteilen.
5.
Die Landesregierung muss ein vollständiges Kunst-Inventarverzeichnis der im direkten oder indirekten (mehrheitlichen) Eigentum des Landes NRW stehenden Gesellschaften, Betrieben, Sondervermögen bzw. Einrichtungen erstellen bzw. veranlassen.
6.
Es ist zu vermeiden, dass durch Begehrlichkeiten des Landes in Bezug auf einzelne, ausgesuchte Werke im Eigentum von direkt oder indirekt im Eigentum des Landes stehenden Gesellschaften eine Preistreiberei in Gang gesetzt oder gefördert wird.
Diese würde bedingen, dass dem Steuerzahler insbesondere von der Portigon AG eine Rechnung präsentiert wird, mit der er für die Managementfehler der WestLB-Vergangenheit und anderer Gesellschaften den ohnehin schon zu tragenden Verlusten für die Auslösung der Kunst aus den maroden Betrieben des Landes erneut zur Kasse gebeten wird.
Die Abwicklung der Portigon AG ist kein Insolvenzverfahren und auch keine Liquidation im Rechtssinne. Eine Notwendigkeit zur Veräußerung besteht nicht. Das bestätigen sowohl Sprecher der EU-Kommission als auch des Bundesfinanzministeriums.
Um mit dem Finanzminister NRW so falsch wie zugleich im aufgeheizten Kunstmarkt zutreffend zu sprechen: „Kunst hat nur dann einen Wert, wenn sie verkauft wird.“ Dies ist eine Feststellung, die ausschließlich merkantile Aspekte im Blick hat.
Umkehrschluss: Wird sie nicht verkauft oder kann sie aus rechtlichen Gründen nicht verkauft werden, hat Kunst keinen merkantilen Wert, aber einen unter Umständen unermesslichen Wert für den Bestand des Kulturlandes NRW.
Die Überführung des gesamten Kunstbestandes zu ihrer Sicherung, ihrem Erhalt und für die Zugänglichmachung für Menschen in NRW und Deutschland in eine neu zu gründende oder bestehende Stiftung des Landes NRW ist alternativlos.
Düsseldorf, 5. Februar 2015
Dietmar Schulz MdL
Piratenfraktion im Landtag NRW
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender
Haushalts- und Finanzpolitischer Sprecher