Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer hier und auch zu Hause am Stream! Trotz großer Kritik hat das Europäische Parlament die umstrittene Verordnung zur Netzneutralität mit deutlicher Mehrheit verabschiedet. Ladies and Gentlemen, goodbye Netzneutralität, goodbye Internet, wie wir es heute kennen, hello digitale Wegelagerei! Was haben sich die sachkundigen Akteure vorher die Fersen abgetreten und davor gewarnt! Seit Monaten, wenn nicht sogar seit Jahren wird davor gewarnt, dass das heutige Internet mit schlecht durchgeführten Verordnungen dereguliert und somit unbrauchbar wird. Unzählige Konferenzen, Anhörungen, Artikel zu diesem Thema, eine Koalition aus europäischen Verbraucher-, Bürgerrechts- und sogar Industrieorganisationen haben alle Repräsentanten der EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Rat angeschrieben und mit einem offenen Brief starke Regelungen zum Schutz der Netzneutralität gefordert.
Auch im Landtag NRW konnten wir nicht gerade behaupten, davon nicht gewusst zu haben. Allein die Piratenfraktion hat seit 2013 mindestens drei Anträge zu diesem Thema, diverse Kleine Anfragen und Initiativen in Ausschüssen eingebracht und öffentliche Anhörungen veranstaltet. Sogar in das Landesmediengesetz hat es die Wahrung der Netzneutralität geschafft. In einem letzten Mobilisierungsversuch haben sich über 30 IT-Unternehmen, Start-ups und Investoren an die EU-Abgeordneten gewandt, um für strenge Netzneutralitätsregeln zu werben. Trotzdem, entgegen aller sachlichen Argumente und Warnungen wurde am 27. Oktober im Europäischen Parlament anders abgestimmt. Mit Stimmen von CDU und CSU und, ja, auch mit Stimmen der SPD votierten auch deutsche Abgeordnete gegen Änderungsanträge, die Schlimmeres hätten verhindern können, und begruben somit die Netzneutralität – ein Kniefall der europäischen Politik vor den Netzbetreibern und den Telekommunikationsunternehmen.
Meine Damen und Herren, diese Beratungsresistenz ist beschämend für die Politik in Europa.
(Beifall von den PIRATEN)
Dass all die Warnungen und Sorgen keine bloße Einbildung von irgendwelchen Netzaktivisten waren, bekamen wir eigentlich ganz schnell mit. Immerhin hatte der Telekom-Chef Tim Höttges Anstand genug, um fast 24 Stunden damit zu warten und dann fast schon stolz den Erfolg zu verkünden. Auf der Unternehmenswebseite wirbt er ganz unverhohlen mit dem neuen Zweiklasseninternet. Das Fazit: Wer zahlt, fährt schneller.
Und Start-ups? Die können ja wohl ein paar Prozent ihres Umsatzes dafür abgeben, so Höttges. Was für ein Eigentor! Hierdurch wurde ganz offiziell eine neue Start-up -Cybermelkmaschine in Stellung gebracht.
(Beifall von den PIRATEN)
Ausgerechnet NRW, das Bundesland, das sich so gern als Nährboden für die Kreativbranche, Start-up-Landschaften, Game- und Videoproduktionen verkauft, erstarrt in Teilnahmslosigkeit. Fast schon lethargisch lässt es die rot-grüne Landesregierung einfach geschehen. Eine Stellungnahme aus den Ministerien? Ein Statement der Ministerpräsidentin? Nix, nada, absolut gar nichts. Wird schon irgendwie, sagt man so. Man bereitet lieber die nächste PR-wirksame Schnittchenveranstaltung für Gründerinnen und Gründer vor, statt sich für essenzielle Rahmenbedingungen einzusetzen.
(Beifall von den PIRATEN)
Auch die CDU als größte Oppositionspartei hat den Knall nicht gehört. Während die eigenen Leute im Europäischen Parlament diesen Bockmist verzapfen, stellt man hier scheinheilige und inhaltsleere Anträge zum Thema „Start-up-Kultur stärken“. Da fragt man sich ernsthaft, wie häufig man gegen die Wand gelaufen sein muss, um das nicht zu merken.
(Beifall von den PIRATEN)
Meine Damen und Herren, wenn der Kampf für Netzneutralität an dieser Stelle aufhört, dann war’s das mit der Start-up-Kultur, dann war’s das mit dem Kreativland NRW. Dann findet die Innovation irgendwo anders statt, und der technische Fortschritt rennt winkend an uns vorbei. Wir brauchen jetzt mehr denn je ein starkes Zeichen aus NRW. Die Landesregierung muss sich jetzt dazu äußern und Planungssicherheit schaffen!
Die Politik in NRW muss wieder das Ruder übernehmen. Es reicht hier an dieser Stelle nicht aus, der Landesanstalt für Medien eine diffuse Aufsicht über die Netzneutralität zu geben und dann die Hände in den Schoß zu legen. Sie muss die Landesmedienanstalt stärker in die Pflicht nehmen und dabei auch unterstützen. Sie muss jetzt zeigen, dass der Standort NRW auch ein Standort mit Zukunft ist. Und sie muss jetzt klarstellen, dass die Entscheidung auf EU-Ebene eine falsche Entscheidung war!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.