Unser Antrag im Plenum:
Mittwoch, 04. November 2015, TOP 7, ca. 14.35 Uhr
Schluss mit dem Betrug bei Verbrauchs- und Emissionswerten von Kraftfahrzeugen – Potenziale für den Verkehr von morgen mobilisieren
Drucksache 16/10059
Die Landesregierung muss Regelungen schaffen, dass die Angaben der Automobilhersteller zum Verbrauch und zu den Emissionen der Fahrzeuge im Alltagsbetrieb zutreffend sind. Verbraucherschutz, Umweltschutz und Klimaschutz erfordern realistische und transparente Angaben zu Emissionen und Verbrauch bei Kraftfahrzeugen. Die Landespolitik muss erreichen, dass überholte Technologien nicht durch praxisferne Werte und Subventionen einen künstlichen Vorteil gegenüber fortschrittlicheren Lösungen erhalten.
Oliver Bayer, Sprecher der Piratenfraktion NRW im Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr:
Es ist keine Überraschung, dass jetzt bei 800.000 Autos des VW-Konzerns auch die CO2-Werte nicht stimmen. Nur wenn der Selbstbetrug der Automobilindustrie in Zusammenarbeit mit der Politik beendet wird, hat sie den Anreiz und die Möglichkeiten, die wichtigen Entwicklungen für den Verkehr von morgen anzugehen. Alle Angaben der Hersteller zu Verbrauchs- und Emissionswerten müssen realistisch sein, damit unsere Maßnahmen zum Gesundheits-, Umwelt und Klimaschutz von der Umweltzone bis zum Flottenverbrauch funktionieren. Es ist ein Gebot der Transparenz, die Hersteller zu verpflichten, ihren Kunden realistische Angaben zu machen.
Komplette Debatte zu diesem TOP:
Protokoll der 1. Rede von Oliver Bayer:
Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucher hier und am Stream im Auto! Stellen Sie sich einmal vor, das Land Nordrhein-Westfalen hätte Ziele – Ziele wie Fortschritt, wirtschaftliche Stärke, außerdem den Schutz der Umwelt, unseres Klimas und der Gesundheit. Für den Umweltschutz und die Gesundheit der Bevölkerung gäbe es funktionierende Umweltzonen, und auf die Feinstaubbelastung in den Städten würde geachtet. Einen Beitrag zum Klimaschutz könnte ein konsequenter Klimaschutzplan leisten, dem ein Klimaschutzgesetz zugrunde liegt.
Aber ich frage Sie: Weshalb sollten wir uns lange über die Ziele und Maßnahmen streiten, wenn die Werte, mit denen wir arbeiten, und die Zahlen, die wichtig sind, damit Umweltzonen und Klimaschutz funktionieren, falsch sind? Wenn wir uns auf die Grundlagen nicht verlassen können, dann sind die Ziele rein gar nichts wert, auch die im Koalitionsvertrag nicht. Die Maßnahmen für Klimaschutz und Umweltschutz sind entwertet. Tatsächlich wissen wir seit vielen Jahren, dass zugunsten der deutschen Autobauer getrickst und weggesehen wird. Allein den VW-Betrug aufzuklären, reicht daher nicht. Ebenso reicht es nicht, nur auf die Stickoxidemissionen zu achten. Unser Antrag weist besonders auf die Verbrauchswerte und die CO2-Emissionen hin, die durchgängig weder ehrlich noch realistisch angegeben werden. Dabei brauchen gerade Maßnahmen mit Lenkungswirkung realistische und nachvollziehbare CO2-Werte. Sogar die Kfz-Steuer wird damit berechnet. Dass nun bei 800.000 Autos des VW-Konzerns die CO2-Werte nicht stimmen, ist gar keine Überraschung. Das dürfte auch andere Autobauer betreffen. Dass es sich dabei vielleicht nicht nur um ganz legale Steuerprogrammtricks handelt, die von Sigmar Gabriel und Alexander Dobrindt abgesegnet sind, ist eine Sache. Dass es sich hierbei womöglich um echten Betrug handelt, ist eine andere Sache und natürlich schlecht für VW.
Aber es ist ein Weckruf, damit die Chance, etwas an der Politik, etwas an diesen unehrlichen Werten und am Selbstbetrug zu ändern, nicht verpasst wird. Dafür steht auch unser Antrag.
(Beifall von den PIRATEN)
Politik und Autobauer wollen lieber zum Tagesgeschäft übergehen; das ist klar. Doch das würde allen Beteiligten schaden – auch den Autobauern. Uns Piraten wundert ja, dass der Drang gerade auch der Grünen hier in NRW gut, Oliver Krischer im Bund kann es ja, wie wir heute Morgen gesehen haben nicht größer ist, den VW-Betrug -„Dieselgate“- für die Autoindustrie zu dem werden zu lassen, was Fukushima für die Energiebranche war, nämlich der Einstieg zum Ausstieg konkreter: der Einstieg in das Zeitalter der Mobilität nach der digitalen Revolution, und der Ausstieg aus dem Zeitalter des Verbrennungsmotors. Das würde der Erreichung aller klimapolitischen Ziele weiterhelfen.
(Beifall von den PIRATEN)
Der Verbrennungsmotor – gerade der Dieselmotor – ist zu Ende entwickelt. Das ist kein Geheimnis. Für minimale Verbesserungen beim Wirkungsgrad und bei der Sauberkeit müssen Milliarden investiert werden. Hohe Investitionen in Lobbyismus sorgen dafür, dass das Geschäft dennoch weiterläuft – bis heute. Durch die digitale Revolution gibt es große Umwälzungen auch in der Mobilität mit einem ordentlichen Technologiesprung. Es sind plötzlich neue Player im Markt und sehr viel Geld wartet darauf, mit hohem Risiko investiert zu werden. Denken Sie dabei nicht nur an Google, Apple, Tesla oder Uber, sondern auch an die neuen Zulieferer wie zum Beispiel Samsung, LG oder Panasonic.
Drei Entwicklungen werden die Zukunft der Mobilität entscheidend beeinflussen.
Die Elektromobilität: Der Elektromotor wird den Verbrennungsmotor und die komplizierten Teile eines Autos ersetzen. Das wird auch jahrzehntelange Tüftel- und Entwicklungsarbeit entwerten.
Das autonome Fahren: Assistenzsysteme werden ganz schnell immer wichtiger. Updates werden während der Lebenszeit eines Autos Systeme verbessern und ausbauen. Das Betriebssystem des Autos entkoppelt sich von der Hardware und wird kaufentscheidend.
Der offene Umgang mit Daten: Offene Standards oder nicht, Chancen für Start-ups oder Monopole beim Datenschutz wird sich viel entscheiden.
Ich halte fest: Die Vergangenheit kann man nicht mit Tricks und Täuschung in die Gegenwart retten und schon gar nicht in die Zukunft. Die deutsche Verkehrslandschaft braucht den Wendepunkt dringend. Allein den VW-Betrug aufzuklären, reicht nicht. Nur wenn der Selbstbetrug der Automobilindustrie im Zusammenhang mit der Politik beendet wird, hat sie den nötigen Anreiz, die wichtigen Entwicklungen für den Verkehr von morgen anzugehen. Es ist ein Gebot der Transparenz, die Hersteller endlich dazu zu verpflichten, dem Kunden realistische Angaben zu machen. Ich komme zum Schluss: Der Verbrennungsmotor ist eine Technologie von gestern. Wir fordern eine klare Ausstiegsperspektive. Nur dann können wir gemeinsam unsere Ziele zur Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutzpolitik erreichen.
Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)