Die Landesregierung muss für NRW ein Landesluftverkehrskonzept vorlegen, deutlich bevor ein neues nationales Luftverkehrskonzept den Rahmen vorgibt. Dabei sind die Themenschwerpunkte Lärm-, Gesundheits- und Umweltschutz besonders zu berücksichtigen. Das bedeutet für NRW u.a. keine hochsubventionierten Flughäfen mehr, Ausbau der intermodalen Vernetzung, konsequent keine Nachtflüge in Ballungsräumen sowie wirksame aktive Lärmschutzmaßnahmen und bauliche Maßnahmen zur Reduzierung der Luftbelastung.
Oliver Bayer, Baupolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW:
Die Landesregierung rühmt sich für das Klimaschutzgesetz, aber dazu gehört erst recht ein Landesluftverkehrskonzept. NRW ist das Land mit dem dichtesten Flughafennetz, mit dem größten Ballungsraum, in dem einer der drei wichtigsten Flughäfen Deutschlands liegt. In kaum einem anderen Bundesland sind so viele Menschen vom Flugverkehr betroffen wie in NRW. Diese Menschen finden in uns einen Bündnispartner.
Uns ist die Einbindung des Luftverkehrs in ein Gesamtverkehrskonzept, als Teil einer modernen Verkehrswende, wichtig. Dabei müssen alle Verkehrsmittel mit einbezogen werden.
Der Antrag wurde nach Beratung einstimmig an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr – federführend -, an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk überwiesen; die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.
Protokoll der Rede von Oliver Bayer:
Oliver Bayer (PIRATEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucher hier und am „Jetstream“! Zum Luftverkehr wende ich mich heute an das gesamte Kabinett. Minister Groschek macht ja beim Luftverkehr eher sein eigenes Ding. Man gewinnt den Eindruck, was im Kabinett keine Mehrheit findet, will er einfach über den Bund durchsetzen und versucht es. Offiziell wartet man so auf das Luftverkehrskonzept des Bundes, welches weit weniger übe rfällig ist als ein Landesluftverkehrskonzept. Es gibt, glaube ich, keines, was älter ist.
Dabei erzählt selbst Alexander Dobrindt der Presse unter dem Titel „Groschek macht seine Hausaufgaben nicht“: „Wie sich der Flughafen Düsseldorf entwickelt, liegt nicht allein in der Entscheidung des Bundes.“ Dabei liegt es doch im ureigenen Interesse des Landes, selbst aktiv zu werden. Das Land hat doch Ziele. Die Landesregierung rühmt sich für das Klimaschutzgesetz, aber dann gehört dazu auch ein Landesluftverkehrs konzept. Im LEP-Entwurf werden Ziele genannt, aber in Sachen Luftverkehr stützt sich dieser Entwurf auf die Zahlen aus den 90er Jahren. Das sind die Daten aus der NRW Luftverkehrskonzeption 2010 aus dem Jahr 2000. Weeze ist da noch ein „voraussichtlich frei werdender Militärflugplatz“. NRW ist das Land mit dem dichtesten Flughafennetz, mit dem größten Ballungsraum, in dem in dichtbesiedeltem Gebiet einer der drei wichtigsten Flughäfen Deutschlands liegt. Ein Land wie Nordrhein-Westfalen muss als Land nicht hintenherum über Kommissionen die Verantwortung für seine Menschen und seine Flughäfen übernehmen. Mit seinen Zielen und hohen Anforderungen muss es den Mut haben, voranzugehen und Ansprüche vorzulegen. Wenn Sie sich im Kabinett nicht für eine Richtung entscheiden können, dann spielen Sie meinetwegen Schnick, Schnack, Schnuck. Aber lassen Sie Ihre Entscheidungsschwäche nicht an denen aus, die endlich eine klare Ansage erwarten.
(Beifall von den PIRATEN)
Das sind sowohl die von Fluglärm und Luftbelastung betroffenen Anwohner als auch die Wirtschaft und die Flughäfen. Dass Sie hier gleich von zwei Anträgen in die Zange genommen werden, sollte Zeichen genug sein. Sicherlich sind die inhaltlichen Forderungen Prioritäten für ein Landesluftverkehr skonzept bei Piraten und FDP gänzlich verschieden. Das werden wir vielleicht noch sehen. Aber wir sind uns einig darüber, dass wir Leitlinien und Klarheit brauchen und dass das Gehopse und Gewarte so jedenfalls niemandem etwas bringt.
Wir sollten offen und transparent über die Aufgaben und Anforderungen sprechen. Da hilft es zum Beispiel nicht, wenn die Landesregierung ständig wiederholt, es gäbe keine Subvention des Landes für die Regionalflughäfen. Vielleicht gibt es sie nicht aus dem Landeshaushalt, aber natürlich gibt es Subventionen der öffentlichen Hand, und die gehören auf den Tisch!
(Beifall von den PIRATEN)
Und wenn die von der Gesellschaft getragenen direkten und indirekten Kosten zu hoch sind, dann kann so ein Flughafen nicht erhalten werden. Dann wird auch ein Regionalflughafen geschlossen. Uns ist die Einbindung des Luftverkehrs in ein Gesamtverkehrskonzept wichtig, das alle Verkehrsmittel einbezieht als Teil einer modernen Verkehrswende. Dazu gehört natürlich auch der langfristige und intensive Ausbau alternativer Schienenverbindungen.
In dichten Ballungsräumen darf es keine Nachtflüge geben. Zur Bewertung von Lärm und Schadstoffen sollen die neuesten Erkenntnisse berücksichtigt werden, die dann auch eine standardisierte Bewertung und Vergleichbarkeit garantieren. Zur Vermeidung von Lärm und Schadstoffen müssen in NRW endlich Werkzeuge eingesetzt werden, die spürbare Lenkungswirkung haben, zum Beispiel lärm- und zeitabhängige Gebühren in wirksamer Form. Wir dürfen nicht das Luxusproblem schöner Slot-Vergaben über die Gesundheit der Menschen stellen. Wer dabei sagt, dass es Gesetzgebern, Exekutive und öffentlichen Anteilseignern, also allen zusammen, nicht möglich sein soll, hier lenkend einzugreifen, der kann sich gleich ganz zurücklehnen.
Leider tun Sie das ja auch. Die Liste an Maßnahmen, die ich hier aufzählen könnte, ist lang. Herr Klocke, vielleicht ergänzen Sie das noch ein wenig, ansonsten werde ich es später im Ausschuss tun. Der Landesregierung möchte ich sagen: Denken Sie an Ihre eigenen Ziele, an das Klimaschutzgesetz wie an wirtschaftliche und planerische Ziele, denken Sie an die Flughäfen, die
Wirtschaft, die Anwohner und die Politik, die von klaren Ansagen und Regeln des Landes profitieren würden. Und dann machen Sie es einfach. Formulieren Sie Leitlinien und legen Sie ein Landesluftverkehrskonzept vor!
Unser Antrag für das Plenum (02.-04. September 2015)
Ohne Wahl keine Demokratie: Das Wahlverfahren des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit muss für alternative Kandidaten geöffnet werden! Drucksache 16/9593
Zusammenfassung:
Alleine die Landesregierung hat das Recht, einen Kandidaten für die Nachfolge des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu präsentieren. Die Fraktionen im Landtag haben keine Möglichkeit, einen eigenen, vielleicht besser geeigneten, Kandidaten ins Rennen zu schicken. Mit dem Antrag wollen wir mehr Demokratie bei der Wahl des LDI erreichen. Jeder Experte soll sich selbst für das Amt bewerben können und auch die Landtagsfraktionen sollen das Recht erhalten, einen Kandidaten vorzuschlagen.
Frank Herrmann, Sprecher für Privatspähre und Datenschutz der Piratenfraktion NRW
Eine gute Datenschutzkontrollbehörde muss unabhängig sein. Wie unabhängig ist aber ein Landesdatenschutzbeauftragter, der von der Regierung benannt wird, die er kontrollieren soll? Das jetzige Wahlverfahren macht den Bock zum Gärtner. Wir brauchen mehr Demokratie und Beteiligungsmöglichkeiten bei der Wahl des Landesdatenschutzbeauftragten. Jede Person, die die entsprechenden Kompetenzen hat, soll sich bewerben dürfen.
Mitschnitt der kompletten Debatte:
Protokoll der Rede von Frank Herrmann:
Frank Herrmann (PIRATEN): Ich warte dann auf Ihren vertrauensvollen und zurückhaltenden Hinweis. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer zu Hause im Stream! Eine Wahl ohne Alternativen ist keine Wahl, und eine Demokratie ohne Wahl ist keine Demokratie. – So kurz und prägnant lässt sich das Problem der Bestimmung des Kandidaten für die Position des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in Nordrhein-Westfalen fassen.
Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass es dabei nicht nur um ein Demokratiedefizit im Wahlprozess selbst geht, sondern auch um die negativen Auswirkungen, die das aktuelle Verfahren auf den Datenschutz in unserem Land hat.
(Thomas Stotko [SPD]: Das ist eine Frechheit!)
Das Amt des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit soll und muss unabhängig sein – unabhängig, um mit höchster Kompetenz und frei von Rücksichtnahmen und Abhängigkeiten die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz bei den öffentlichen Stellen im Land sicherzustellen.
Eine weitere Aufgabe des Landesbeauftragten ist die Sicherstellung des Rechts auf Information für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen. Unabhängigkeit ist auch hier unbedingte Voraussetzung. Die Unabhängigkeit kann aber infrage gestellt werden, wenn die Landesregierung die einzige Institution ist, die die Person, die sie nachher kontrollieren soll, selbst vorschlägt. Im Sinne der Gewaltenteilung muss also eine deutliche Trennung zwischen der Exekutive und dem Amt des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vorgenommen werden.
Wie sich die Situation hier in Nordrhein-Westfalen diesbezüglich präsentiert, mutet nahezu grotesk an. Denn die Trennung ist hier nur eine vermeintliche. Bei der Wahl des LDI handelt es sich schlichtweg nicht um eine Wahl, sondern um einen rein formalen Akt, der lediglich dazu dient, dem Prozess nach außen hin einen demokratischen Anstrich zu geben. Blickt man hinter die Fassade, bleibt allerdings vom schönen Schein nicht mehr viel übrig.
Wird, wie aktuell von der Landesregierung praktiziert, nur ein Kandidat bzw. eine Kandidatin für den Posten des LDI nominiert, so ergeben sich daraus gleich mehrere Probleme:
Zum einen fehlt es im Vorfeld der vermeintlichen Wahl an der Entfaltung eines Diskurses, der sich ergeben würde, wenn verschiedene Kandidaten ihre Ideen und ihre möglichen Ausrichtungen des Amtes diskutieren und präsentieren müssten. Kurz gesagt: Es fehlt an Öffentlichkeit und damit an Transparenz.
Herr Minister Jäger, hören Sie bitte zu, denn da haben Sie immer Nachholbedarf! Deshalb sage ich es Ihnen noch mal: Öffentlichkeit und Transparenz, beides sind grundlegende Elemente der Demokratie.
Zum Zweiten wäre durch eine öffentliche Ausschreibung und eine entsprechende Anhörung potenzieller Kandidaten auch ein wichtiger Schritt im Sinne der Qualitätssicherung getan. Nur ein solcher Prozess ermöglicht es, den fachlich und bezüglich seiner Persönlichkeit besten Kandidaten für das Amt des LDI zu finden. Im Sinne einer qualitativen Auswahl wäre es also auch für die Landesregierung wünschenswert und notwendig, den Prozess zu öffnen, statt sich als allein vorschlagsberechtigte Partei schlichtweg dem Verdacht auszusetzen, verdienten Mitarbeitern einen Posten zukommen zu lassen.
(Beifall von den PIRATEN)
Ganz explizit möchte ich an dieser Stelle betonen, dass es mir hier bereits um das Verdachtsmoment geht, welches vermieden werden muss. Ich möchte diesen Einwand keineswegs als konkreten Vorwurf oder gar Kritik an der Qualifikation der aktuellen Kandidatin Frau Block verstanden wissen. Es geht mir bei diesem Punkt einzig und allein um eine rein inhaltliche Kritik am Auswahlverfahren und nicht um eine irgendwie geartete Kritik an der Person – ganz deutlich.
(Zuruf: Nein!)
Zum Dritten handelt es sich bei der sogenannten Wahl des LDI im eigentlichen Sinne gar nicht um eine Wahl. Der Definition nach handelt es sich bei der Wahl um die Möglichkeit der Entscheidung zwischen zwei oder mehreren Alternativen. Eine Alternative sieht die Landesregierung allerdings im vorliegenden Fall gar nicht vor. De facto handelt es sich also nicht um eine Wahl, sondern um ein Verfahren nach dem Motto: Friss oder stirb! Es geht nur um die Ernennung des eigenen Kandidaten ohne Rücksicht auf die Grundprinzipien der Demokratie. Dieser Umstand ist nicht hinnehmbar. Daher wollen wir Piraten eine Demokratisierung dieses Prozesses erreichen und fordern dazu eine Öffnung des Amtes mit Einbindung des Landtags bei Auswahl und Vorschlag der Bewerber.
Ich freue mich auf Ihre Anmerkungen zu unserem Antrag und auf die Beratungen im Ausschuss. – Danke schön.
(Beifall von den PIRATEN)
Abstimmungsergebnis:
Der Antrag wurde nach Beratung einstimmig an den Innenausschuss überwiesen; die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen.
Unser Antrag für das Plenum (02.-04. September 2015)
Informationsfreiheit darf nicht an der Universitätstür Halt machen! – Landesregierung muss endlich für Transparenz sorgen. Drucksache 16/9589
Zusammenfassung:
Das Grundrecht der Informationsfreiheit muss im Informationsfreiheits- und Hochschulgesetz für den steuerfinanzierten Bereich Forschung und Lehre gelten. Die aktuelle Gesetzgebung in Bezug auf die Informationsfreiheit über Angelegenheiten die Forschung und Lehre betreffend sorgt für Intransparenz. Anlass ist die abgewiesene Klage zur Veröffentlichung des Forschungskooperationsabkommens zwischen der BAYER AG und der Universität zu Köln.
Dr. Joachim Paul, Hochschulpolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW:
Das Informationsfreiheitsgesetz NRW blendet aktuell den Forschungsbereich aus und versieht alles, was mit Transparenz zu tun haben sollte, mit einem Freibrief für Partikularinteressen von Unternehmen. Auch die marginalen Veränderungen im sog. Hochschulzukunftsgesetz zur Veröffentlichung von Drittmittelprojekten und Forschungskooperationen sind gemessen am gesamtgesellschaftlichen Transparenzanspruch ungenügend.
Videomitschnitt der kompletten Debatte:
Protokoll der Rede von Joachim Paul:
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier und zu Hause! Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Aber diese Freiheit entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Das will ich zu Beginn ausdrücklich unterstreichen; denn das bedeutet nicht, dass die Informationsfreiheit, die im selben Artikel des Grundgesetzes garantiert wird, ausgehebelt werden darf.
Das wollen wir mit unserem Antrag debattieren, der sich auf die bestehende Landesgesetzgebung bezieht. Anstoß waren die jüngst zurückliegende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster zur Frage der Veröffentlichung des Kooperationsvertrages zwischen der Bayer AG und der Universität zu Köln und darüber hinaus ein Passus aus unserem Wahlprogramm 2012.
Wir Piraten sind der Auffassung, dass die Forschungsfreiheit an den Hochschulen gefährdet ist, wenn private Auftraggeber gezielt ein bestimmtes Forschungsergebnis verfolgen können. Dadurch wird eine ergebnisorientierte Forschung unter dem Deckmantel von Neutralität und Sachlichkeit später als öffentliches universitäres Forschungsergebnis präsentiert. Wir fordern daher eine deutliche Nennung der privaten Förderer und Kooperationspartner.
Durch Verträge gehen die Rechte an den Forschungsergebnissen oftmals vollständig an den privaten Auftraggeber über. Dadurch werden Patente in der privaten Wirtschaft geschaffen, die durch öffentliche Gelder mitfinanziert sind. Das ist zunächst einmal okay. Aber wenn die Patente dann irgendwann in Asien oder den USA auftauchen und unsere Gesellschaft nichts davon hat, dann ist das nicht so schön.
Bei Beteiligung von öffentlichen Geldern sind unserer Meinung nach alle Forschungsergebnisse öffentlich zu machen.
Wie ist es aktuell in NRW? Das Informationsfreiheitsgesetz blendet aktuell den Forschungsbereich aus und versieht alles, was mit Transparenz zu tun haben sollte, mit einem Freibrief für Partikularinteressen von Unternehmen. Auch die marginalen Veränderungen im sogenannten Hochschulzukunftsgesetz zur Veröffentlichung von Drittmittelprojekten und Forschungskooperationen sind – gemessen am gesamtgesellschaftlichen Transparenzanspruch – unzureichend.
Diese Landesregierung spricht viel von Verantwortung, kippt aber vor Lobbyinteressen um. So sah der Referentenentwurf der Landesregierung zum Hochschulzukunftsgesetz zunächst vor, dass die Hochschulen zur Veröffentlichung von Drittmittelprojekten und Forschungskooperationen verpflichtet werden. Der Aufschrei von Lobbyverbänden war riesengroß und der Untergang des Abendlandes wurde herbeibeschworen. Schwuppdiwupp wurde dieser Passus wieder geändert.
Wir sehen es ähnlich wie der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages, der Folgendes zur Veröffentlichung von Kooperationen sagte. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich:
„Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen gewinnen an Bedeutung. Um einer übermäßigen Einflussnahme auf das Handeln einer Hochschule entgegenzuwirken und größere Transparenz sicherzustellen, käme die Einführung einer Veröffentlichungspflicht für Kooperationsverträge in Betracht.“
„Dem Interesse an größerer Transparenz hinsichtlich der Kooperationen von Hochschulen und Unternehmen könnte jedoch durch eine inhaltlich beschränkte Offenlegungspflicht begegnet werden. Eine Veröffentlichung der Fördersumme sowie der Laufzeit einer Kooperation dürfte grundsätzlich mit den Grundrechtspositionen der Beteiligten zu vereinbaren sein.“
„Letztlich stellt sich auch die Frage, ob und wie einer zunehmenden Einflussnahme von Unternehmen auf Hochschulen entgegengewirkt werden sollte.“
„Eine Veröffentlichungspflicht, die sich auch auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erstreckt, wäre ein Eingriff in Artikel 12 Abs. 1 GG. Ein solcher Eingriff ist als Eingriff in die Berufsausübung zu werten und wäre gerechtfertigt, wenn das zu Grunde liegende Gesetz durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.“
„Im Ergebnis dürfte eine auf einzelne Vertragsdetails beschränkte Veröffentlichungspflicht mit der Berufsfreiheit vereinbar sein.“
Das ist ein Abwägungsproblem. Es besteht auf der einen Seite ein öffentliches Interesse an dem, was an den Hochschulen als gesellschaftlichen Einrichtungen passiert. Auf der anderen Seite gibt es auch privatwirtschaftliche Interessen von Unternehmen.
Entsprechend dem von uns genannten Passus in der Antwort auf die Regierungserklärung von Hannelore Kraft im Januar kann man von Datensparsamkeit und Datenvorsicht sprechen: Also so viele Daten wie möglich, um die Öffentlichkeit genügend zu informieren, aber so wenige Daten wie nötig, um etwaige Betriebsgeheimnisse usw. zu wahren.
In NRW ist diesbezüglich leider nicht so viel passiert. Eigentlich gar nichts. Wir fordern daher die Landesregierung auf, die nötigen Änderungen im Informationsfreiheitsgesetz und dem Hochschulzukunftsgesetz vorzunehmen, um der Einflussnahme auf die Freiheit der Forschung und Lehre zu begegnen und auch die notwendige Transparenz herzustellen, damit es dem Wissenschaftsstandort NRW nicht schadet. – Vielen Dank. Wir freuen uns auf konstruktive Diskussionen im Ausschuss.
(Beifall von den PIRATEN)
Abstimmungsergebnis:
Der Antrag wurde nach Beratung einstimmig an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung überwiesen; die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.
Unser Antrag an das Plenum (02.-04. September 2015)
Leistungsfähigkeit der deutschen Game Development Branche Drucksache 16/9430 (ohne Debatte, umgekehrtes Verfahren)
Zusammenfassung:
Wir fordern die Landesregierung auf, eine Studie zur Erfassung der Leistungsfähigkeit der Spieleentwicklungsbranche in NRW im bundesdeutschen und europäischen Vergleich in Auftrag zu geben. Die Branche der Unterhaltungselektronik und Spieleentwicklung ist einer der wichtigsten Wachstumsmärkte und muss im Rahmen der digitalen Agenda NRW gefördert werden. Um die dafür wichtigen Grundlagen zu schaffen, bedarf es einer soliden und fundierten Datenbasis durch eine branchengenaue Erfassung analog zur Film- und Musikwirtschaft.
Simone Brand, Stellv. Fraktionsvorsitzende der Piratenfraktion NRW
Die Branche der Spieleentwickler ist einer der wichtigsten Wachstumsmärkte. Er muss im Rahmen der digitalen Agenda NRW gefördert werden. Spiele sind zu Recht als Kulturgut eingestuft worden, aber die Gamesbranche wird bei sämtlichen Fördertöpfen sträflichst vernachlässigt. Es braucht jetzt zuallererst einer soliden und fundierten Datenbasis durch eine branchengenaue Erfassung analog zur Film- und Musikwirtschaft.
Abstimmungsergebnis:
Der Antrag wurde einstimmig an den Ausschuss für Kultur und Medien – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk überwiesen; Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen.
Unser Antrag für das Plenum (02.-04. September 2015)
Modellprojekt zur gesicherten Abgabe von Cannabis für Erwachsene Drucksache 16/9587
Zusammenfassung:
In NRW sollen im Rahmen eines Modellprojekts Cannabis-Abgabestellen eingerichtet werden. In enger Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden sind geeignete Städte zu identifizieren und es ist ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zur gesicherten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu initiieren. Mithilfe des Modellprojekts soll NRW Vorreiter der Bewegung werden.
Hanfpirat Lukas Lamla, Abgeordneter der Piratenfraktion NRW:
Aktuell hat die Stadt Düsseldorf entschieden, ein Modellprojekt zur Abgabe von Cannabis zu beantragen. Der Weg vom Rathaus in den Landtag ist nicht weit. NRW braucht ein Modellprojekt zur gesicherten Abgabe von Cannabis. Nur so kann NRW Vorreiter der Cannabis-Bewegung werden.
Lukas Lamla (PIRATEN): Frau Präsidentin! Meine Stimme ist ein bisschen angeschlagen. Ich hoffe, sie hält durch. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Menschen zu Hause am Stream! Zuallererst möchte ich all denen danken, die sich in den letzten Monaten mit so viel Herzblut für die Sache eingesetzt haben und bei extremer Hitze und krassen Wolkenbrüchen auf die Straße gegangen sind, um den Menschen draußen im Land zu zeigen, wofür sie einstehen, und sie aufzuklären. Vielen Dank! Ihr habt viel bewegt!
(Beifall von den PIRATEN)
Nun zum Antrag selbst: Nun, was soll ich dazu sagen? Eigentlich ist alles klar. Die Argumente für die Entkriminalisierung von Cannabis sind hinlänglich bekannt. Die haben wir alle diskutiert. Die sind wirklich allen bekannt. Mir selbst persönlich kommt es auch schon zu den Ohren heraus. Wovon sollte ich Sie heute hier überzeugen?
(Daniel Düngel [PIRATEN]: Man versteht hier kein Wort! – Simone Brand [PIRATEN]: Ich verstehe nichts! Es ist laut von links!)
Alle Parteien sind irgendwie dafür und werben damit, wann immer sich die Möglichkeit ergibt. Aber auch nur irgendwie; denn wenn es einmal darauf ankommt, dann wird gekniffen, egal ob von der SPD, den Grünen oder der FDP.
Wenn wir allerdings etwas bewegen wollen, meine Damen und Herren, dann müssen wir über Parteigrenzen hinweg an einem Strang ziehen. Genau das war auch unsere Absicht, als wir Ihnen allen vor zwei Monaten einen Brief schrieben und zur gemeinsamen Mitarbeit aufgerufen haben. Vor einigen Wochen gab es sogar noch eine kleine Erinnerung von uns. Gleichzeitig haben viele von Ihnen Briefe und E-Mails von Konsumenten, Patienten und Betroffenen bekommen, die ebenfalls um eine Zusammenarbeit gebeten haben.
Ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen wäre hier die Möglichkeit gewesen, ein Zeichen aus NRW zu senden, welches einen Ruck in Deutschland ausgelöst hätte. NRW hätte die Möglichkeit gehabt, Geschichte zu schreiben und zum ersten Bundesland zu werden, das mit allen positiven Effekten über sichere Cannabisabgabestellen verfügt. Aber was ist passiert? Nichts. Meine Damen und Herren, es ist nichts passiert.
Die FDP brachte gestern wie aus dem Nichts einen alternativen Antrag ins Spiel und will noch mal die rechtlichen Möglichkeiten prüfen. Leute, die rechtlichen Möglichkeiten braucht man nicht mehr zu prüfen. Die sind geprüft. Schauen Sie einfach einmal nach Köln, nach Düsseldorf oder nach Berlin! Da ist es längst geschehen. Ich frage mich an dieser Stelle: In welchem Loch die FDP gepennt hat, dass sie die letzten Monate nicht mitbekommen hat?
(Beifall von den PIRATEN – Zuruf: Der Antrag kam zu spät!)
Da fehlen mir echt die Worte. Der Antrag der FDP heißt im Klartext eigentlich nur: Wir als FDP wollen jetzt kein Modellprojekt. Punkt. Aus. Ende. Gut, das muss man so hinnehmen. Damit kann ich leben.
Kommen wir zu den Regierungsparteien. SPD und Grüne haben sich nicht gerührt. Sie haben nicht einmal eine Absage verschickt. Gar nichts. Einfach aussitzen und hoffen, dass es irgendwie von selbst vorbeigeht. Meine Damen und Herren, das ist ein Armutszeugnis vom Feinsten. Immer dann, wenn man die Möglichkeit hat, etwas zu ändern, kneift man. Die Grünen sind wie immer ganz vorne mit dabei.
(Beifall von den PIRATEN)
Aber das eigentlich Dreiste ist: Während die rot-grüne Regierung herumdruckst, erzählt der Abgeordnete Ünal von den Grünen der „Welt am Sonntag“ gleichzeitig, dass man mit der SPD ein Experiment wagen wolle, Cannabis zu entkriminalisieren, um es legal in Coffeeshops zu verkaufen. Herr Ünal, wirklich: Wie dreist muss man sein, um den Leuten dort draußen so ins Gesicht zu lügen?
(Beifall von den PIRATEN)
Eigentlich ist an dieser Stelle alles gesagt. Wissen Sie was? Ich gehe jetzt an meinen Platz und werde mir gleich das Herumgeschwurbel anhören, warum Sie doch nicht mitmachen können, warum der Antrag zu kurz oder zu lang ist, warum er nicht zum richtigen Zeitpunkt kommt, warum NRW nicht zuständig ist oder was Sie sich sonst so aus dem Daumen lutschen. – Vielen Dank.
Protokoll der 2. Rede von Lukas Lamla:
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die Piraten spricht noch einmal Herr Kollege Lamla.
Lukas Lamla (PIRATEN): Frau Präsidentin! Herr Yüksel und Frau Schneider, in dieser Debatte die Flüchtlinge vorzuschieben, ist politisch schwach und menschlich unglaublich hässlich.
(Beifall von den PIRATEN)
Herr Ünal, es ist doch echt verlogener Dreck. Sie hatten zwei Monate Zeit, sich einzubringen und diesen Antrag mitzugestalten!
(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)
Jetzt hier zu sagen: „Der Jugendschutz ist nicht drin“, ist einfach nur so was von verlogen, das glaubt Ihnen doch kein Mensch! Hören Sie sich eigentlich mal selber reden? Können Sie in den Spiegel schauen? – Ich glaube nicht. Das ist einfach nur widerlich. Ja, jetzt sitzen Sie mit einem selbstgefälligen Grinsen da und zeigen eigentlich, wie scheißegal Ihnen doch das Ganze ist. Schade, dass …
(Zurufe: Och!)
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Lamla, ich habe Ihnen das Mikro abgedreht, weil ich finde, jetzt fängt es an, dermaßen unparlamentarisch in der Ausdrucksweise zu werden, dass ich auch Ihre Erregung nicht mehr verstehen kann.
(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)
Für die wiederholten Ausführungen, die die Begriffe „Lügen“, „verlogen“, „Dreck“ betreffen, rüge ich Sie. Für den Fäkalausdruck rüge ich Sie gesondert. Ich erwarte, dass das jetzt aufhört, weil damit auch die Debatte, die Sie führen wollen, ins Gegenteil verkehrt wird. Ich schalte Ihnen das Mikro wieder ein, damit Sie die restliche Redezeit haben. Kommt noch ein Ausdruck vor, ist es sofort wieder aus.
(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der FDP)
Lukas Lamla (PIRATEN): Ich war bei „widerlich“. Ich hoffe, das ist noch ein parlamentarischer Begriff.
(Ministerin Barbara Steffens: Nein!)
Es ist widerlich, wie Sie mit den Hoffnungen der Menschen spielen, der Hoffnung von Patienten, die in die Kriminalität getrieben werden. Es ist widerlich, wie Sie mit den jungen Menschen spielen, die viel zu früh mit Polizei und Staatsanwaltschaft in Konflikt geraten und ihr Leben lang gebrandmarkt werden. Es ist widerlich, wie Sie Geschädigte verhöhnen, die mangels Qualitätskontrollen ernsthaft erkrankt sind.
Heute hätten Sie die einmalige Möglichkeit gehabt, all das zu verändern. Aber Sie zeigen – gerade auch mit Ihrem Geklatsche –, Sie wollen das alles nicht. Einfach mal den Menschen da draußen zeigen, dass Sie zu Ihrem Versprechen stehen und nicht bloß drum herumreden, das wäre doch mal eine nette Abwechslung.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Lukas Lamla (PIRATEN): Wie erklären Sie das eigentlich all Ihren Leuten? Wie erklären Sie das der eigenen Parteijugend, die seit Wochen im Joint-Kostümchen durchs Land zieht? In Wahrheit benutzen Sie diese noch, um später im Wahlkampf sagen zu können:
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit, bitte!
Lukas Lamla (PIRATEN): Hey, wir machen ja auch irgendwas mit Cannabis. Wissen Sie was? Die grüne Jugend und die Jusos sind nur ein fester Bestandteil dieser riesengroßen Verarschung, ohne es zu wissen.
(Präsidentin Carina Gödecke schaltet dem Redner das Mikrofon ab. – Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der CDU und der FDP)
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
(Lukas Lamla [PIRATEN] spricht ohne Mikrofon weiter.)
– Herr Kollege Lamla! Sie hatten erstens die Redezeit und zweitens mein Angebot überschritten. Von daher habe ich Ihnen jetzt das Mikrofon ein zweites Mal abgestellt.
Wir kommen, wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen – das bleibt so –, zur Abstimmung erstens über den Antrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/9587.
Abstimmungsergebnis:
Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN abgelehnt.
Unser Antrag für das kommende Plenum (02.-04. September 2015)
Donnerstag, 03. September 2015, TOP 4, ca. 17.25 Uhr Mehr Pflegepersonal für eine menschliche Versorgung und Patientensicherheit Drucksache 16/9586
Zusammenfassung:
Wir fordern eine eindeutige Personalbemessung in der Krankenhauspflege. Um kurzfristig Entlastung für das Pflegepersonal zu erreichen, müssen zusätzlich 500 Millionen Euro aus Landesmitteln und 1,5 Milliarden Euro aus Bundesmitteln bereitgestellt werden. Die Situation in vielen deutschen Krankenhäusern ist zunehmend durch Personal- und Zeitknappheit gekennzeichnet. Ohne eine strukturelle Bereitstellung von Mitteln für die Krankenhauspflege kann keine Verbesserung erzielt werden.
Daniel Düngel, Gesundheitspolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW:
Die Pflegekräfte vor dem Landtag NRW zeigen deutlich, wie dramatisch die Lage ist: die Missstände in der Pflege werden immer größer. Es ist eine Schande, dass die Landesregierung die Hände in den Schoß legt. Seit drei Jahren weisen wir im Landtag immer wieder auf den Notstand hin: im November 2012 erstmals. Im Februar 2013 haben wir erneut den eklatanten Personalmangel angemahnt. Im November 2013 haben wir auf das Missverhältnis zwischen medizinischem und verwaltungstechnischem Personal aufmerksam gemacht. Im September 2014 haben wir den Notstand erneut thematisiert. Und heute – passend zur Demonstration – legen wir einen Antrag vor, mit dem wir die Landesregierung endlich aus dem Dornröschenschlaf aufwecken wollen.
Ministerin Steffens will sich damit heraus reden, dass die Verantwortung beim Bund läge. Aber den Zeigefinger nach Berlin austrecken, reicht nicht aus!
Grundsätzlich benötigen wir eine verpflichtende Personalbemessung. Das wird allerdings noch dauern. Daher benötigen wir kurzfristig mehr Geld von Bund und Land. Und vor allem muss das Geld auch dort ankommen, wo es gebraucht wird. Darum fordern wir die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass bundesweit zwei Milliarden Euro für das Pflegestellenförderprogramm bereitgestellt werden. Zudem muss der Investitionskostenzuschuss in NRW auf eine Milliarde Euro angehoben werden.
Es liegt an Frau Ministerin Steffens, endlich die Krankenhausinvestitionen finanziell sicherzustellen. Damit die Krankenhausmanager nicht weiterhin gezwungen sind, Gelder, die eigentlich für die Pflege bestimmt sind, in Investitionen zu stecken.
Parallel zur Diskussion im Parlament demonstrierten vor dem Landtag zahlreiche Pflegekräfte für bessere Arbeitsbedingungen. Wir waren vor Ort.
Mitschnitt der kompletten Debatte:
Protokoll der Rede von Daniel Düngel:
Daniel Düngel (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen Redebeitrag zunächst mit einem Dank beginnen, und zwar einem herzlichen Dank an alle Pflegekräfte da draußen, die tagtäglich – ich glaube, das ist Konsens in allen Fraktionen – einen großartigen Job unter teils sehr schwierigen, teils unmenschlichen Umständen erledigen.
(Beifall von den PIRATEN)
Mein besonderer Dank gilt an der Stelle natürlich denen, die heute hier draußen bei einer Mahnwache ausgehalten haben, die fast den ganzen Tag draußen vor der Tür gestanden haben. Vertreter aller Fraktionen waren auch draußen vor Ort, die Ministerin war vor Ort. Wir haben uns alle einen Eindruck davon verschaffen können.
Leider waren nur sehr wenige Menschen draußen vor dem Landtagsgebäude. Das Thema selber hat, glaube ich, deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient als die, die dieses Thema heute durch die Aktion allein bekommen hat. Nichtsdestotrotz auch euch draußen noch mal einen wahnsinnigen Dank dafür, dass ihr hier ausgehalten habt!
Auch wir Piraten möchten an der Situation der Pflegekräfte etwas verändern. Dafür haben wir in den letzten Tagen einen Antrag eingereicht, den wir heute hier beraten. Das ist aber nicht das Erste, was wir getan haben. Wir haben bisher an verschiedenen Stellen hier im Landtag auf die Probleme in der Pflege hingewiesen.
Im November 2012 hat mein Kollege Lamla darauf hingewiesen, wie dramatisch die Situation in der Pflege ist. Im Februar 2013 hat er das noch mal getan, hat den eklatanten Personalmangel in der Krankenhauspflege beklagt. Kollege Wegner hat im November 2013 auch wieder auf das Missverhältnis zwischen medizinischem und verwaltungstechnischem Personal hingewiesen. Im September 2014 hat er sich solidarisch mit der Aktion „Pflege am Boden“ gezeigt und lag selber symbolisch mit der Pflege am Boden.
Wir als Piraten haben in den letzten Tagen und Wochen eine Internetseite geschaffen unter pflege@piratenfraktion-nrw.de. Wir wollen Pflegekräften eine Stimme geben. Wir geben dort Pflegekräften die Gelegenheit, Berichte aus ihrer täglichen Arbeit, teilweise auch anonym, preiszugeben, damit man sich auch einen Eindruck davon verschaffen kann.
In diesem Kontext verstehen wir unseren vorliegenden Antrag. Wir haben natürlich die Bemühungen auf Bundesebene zur Kenntnis genommen, sind aber letzten Endes zu dem Schluss gekommen: Dieses Thema Pflege, die Situation der Pflegekräfte braucht einfach noch wahnsinnig viel mehr Aufmerksamkeit. Wir als Landtag Nordrhein-Westfalen sollten da nicht hinten anstehen und sollten im Plenum und später auch in den Ausschüssen natürlich über dieses Thema weiter diskutieren.
Sie werden wahrscheinlich bei den folgenden Rednerinnen und Rednern hören, dass sich schon wahnsinnig viel getan hat, dass es schon wahnsinnig viele Anstrengungen gegeben hat, um die Probleme zu beseitigen. Frau Steffens wird nachher von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe berichten, welche Ergebnisse dort erzielt wurden.
(Ministerin Barbara Steffens: Werde ich das?)
Sie wird von einem Beschluss des Bundesrates berichten, vom Krankenhausstrukturgesetz und so weiter und so fort. Ich bin gespannt, wie Sie sich, Frau Ministerin Steffens, dann insgesamt in der weiteren Debatte dazu verhalten. Denn nicht alle Forderungen – das wissen wir –, die die Grünen im Bund zum Beispiel stellen, sind in den Entwürfen, weder in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe noch im Bundesrat, tatsächlich so enthalten. Wir sind gespannt, wie es da weitergeht.
Fakt ist: Das Krankenhausstrukturgesetz, so wie es momentan vorliegt, entspricht nicht den Wünschen und Forderungen. Das sagen nicht nur wir, das sagen die Fachleute, das sagt ver.di, das sagt der DBfK, andere Berufsverbände. Da sind sich alle im Großen und Ganzen einig.
Ich komme jetzt zu unseren Forderungspunkten im Antrag. Darauf möchte ich kurz eingehen. Sie haben den Antrag gelesen. Wichtig für uns ist als einer der Kernpunkte: Wir brauchen eine verpflichtende Personalbemessung. Das ist eine Landesaufgabe bzw. eine Aufgabe, die das Land erledigen kann.
Wir brauchen kurzfristig mehr Geld von Bund und Land. Wir können uns nämlich alle hinstellen und sagen, dass die Situation in der Pflege schlecht ist. Wenn wir aber der Pflege nicht mehr Geld zukommen lassen, ist das alles völlig nichtig. Es wird Geld gebraucht. Jeder, der draußen mit den Pflegekräften gesprochen hat, der weiß das. Dazu sind zwei konkrete Forderungen drin. Die kennen Sie, haben Sie so weit gelesen.
Eine Forderung richtet sich an den Bund. Die können wir nur mit auf den Weg bringen. Was die Investitionskosten angeht, so sind das Landesmittel, die zur Verfügung gestellt werden können. Da fordern wir letzten Endes eine Verdoppelung der bisherigen Mittel.
(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)
– Herr Präsident, ich komme langsam zum Ende.
Sie, Frau Steffens, haben dort einen großen Verantwortungsbereich bzw. einen großen Zuständigkeitsbereich, den Sie hier in der Landespolitik mit bewältigen und auf den Weg bringen können. Wir fordern Sie auf, in den Dialog zu gehen – das machen Sie zum Teil schon –, noch intensiver in den Dialog zu gehen. Ich habe draußen gehört, dass die Pflegekräfte nicht wissen, wie sie sich in die politische Debatte einbringen können.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege.
Daniel Düngel (PIRATEN): Wir wollen das auf den Weg bringen und freuen uns auf die weitere Beratung im Ausschuss. – Ihnen allen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den PIRATEN)
Abstimmungsergebnis:
Der Antrag wurde nach Beratung einstimmig an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales überwiesen; die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen.
Aus der Vergangenheit lernen: Nordrhein-Westfalen muss sich der politischen Verantwortung als Aufnahmeland stellen! Drucksache 16/9588
Zusammenfassung:
Seit Jahrzehnten ist Einwanderung in NRW ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft. Einwanderung hat NRW voran gebracht. Ohne die ehemaligen Migranten, die längst Bürger unseres Landes geworden sind, wären wir in jeder Hinsicht ärmer. Wir Piraten wollen, dass diese Realität endlich anerkannt wird und auch praktische Konsequenzen hat. Eine Politik, die auf Abschreckung setzt, hat in einem modernen Einwanderungsland ausgedient. Die Landesregierung muss sich dieser Herausforderung der humanen Flüchtlingsaufnahme endlich stellen. Wir fordern außerdem ein Ministerium für Flucht, Integration und Einwanderung, dass dafür sorgt, dass Flüchtlinge in Deutschland sicher, human und gleichberechtigt leben können.
Michele Marsching, Vorsitzender der Piratenfraktion im Landtag NRW:
„Die Landesregierung macht sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Seit 2012 fordern wir den migrationspolitischen Rettungseinsatz – doch von der Landesregierung kommen lediglich warme Worte, statt notwendige Taten:
Frau Kraft sagt: Die anderen EU-Mitgliedstaaten sollen ihre Verantwortung wahrnehmen. Wir sagen: Auch mit Verteilungsschlüssel würde NRW ähnliche Aufnahmezahlen verzeichnen.
Frau Kraft sagt: Der Bund muss seinen Verpflichtungen nachkommen.
Wir sagen: Geld steht heute schon zur Verfügung. Das Land NRW hat im ersten Halbjahr 2015 rund 2,2 Milliarden Euro mehr Steuern eingenommen. Frau Kraft soll dieses Geld nehmen und in eine humane Flüchtlingsaufnahme in NRW investieren. Welchen Deal man mit dem Bund macht, ist den Menschen und den Kommunen erstmal egal.
Frau Kraft sagt: Mit diesen Flüchtlingszahlen konnte niemand rechnen.
Wir sagen: Doch! Wir haben seit Jahren genug Beweise dafür, dass mehr Menschen zu uns kommen werden.“
Protokoll der Rede von Michele Marsching:
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Nun spricht als nächster Redner für die Fraktion der Piraten der Fraktionsvorsitzende, Herr Marsching.
Michele Marsching (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer zu Hause und auf der Tribüne! Liebe Flüchtlinge! Refugees, welcome! Wir Piraten heißen euch willkommen in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den PIRATEN)
Liebe Frau Ministerpräsidentin, starke Rede. Läuft bei Ihnen. Alles wird gut. Sie packen es jetzt an.
Zum Thema „klare Worte“ muss ich sagen, Herr Mostofizadeh: Das waren meiner Meinung nach eher die Worte nach vier Klaren als klare Worte.
(Beifall von den PIRATEN – Zurufe von der CDU: Oh! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Denn da, wo das Land etwas tun kann, packt es nicht an.
Ich war in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Essen. Wir sind damals mit Windeln und mit Kosmetika gekommen. Die Wachleute haben uns gefragt: „Was wollt ihr denn hier?“ und wollten uns schon wegschicken. Ich wette, wäre ich nicht Landtagsabgeordneter gewesen, wir hätten wieder gehen müssen. Dann wurde versprochen, dass alles besser wird. Wir haben geredet.
Vorgestern ist eine Mitarbeiterin zu derselben Erstaufnahmeeinrichtung in Essen gegangen. Sie hat vorher die Helfer gefragt: Was kann ich mitbringen, was ist gefragt? Es wurde gesagt: Für die Kinder kannst du etwas mitbringen. Die freuen sich immer und haben hier keine so gute Versorgung; denn das Mindeste, das die Flüchtlinge bekommen, berücksichtigt die Kinder nicht in dem Maße, wie sie es bräuchten.
Also hat sie Bonbons und Luftballons gekauft und ist zu der Erstaufnahmeeinrichtung gefahren. Sie war nicht einmal auf dem Gelände, da kamen die Sicherheitsleute und haben ihr gesagt – Zitat –: Ihr könnt hier kein halbes Schwein mit Reis abgeben, oder – das finde ich viel schlimmer, das zeigt, dass das Land am falschen Ende spart, nämlich bei privaten Sicherheitsleuten – seid Ihr hier, um die Affen im Zoo zu füttern? – Das, meine Damen und Herren, darf an einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes einfach nicht passieren.
(Beifall von den PIRATEN)
Bringen wir die weltweite Situation der Flüchtlinge einmal auf den Punkt: 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Sie fliehen vor Kriegen, die auch mit deutschen Waffenexporten geführt werden. Sie fliehen vor Verfolgung durch Unrechtsregime, die auch die Rückendeckung und den Schutz der deutschen Bundesregierung genießen. Sie fliehen vor Armut, die auch durch den europäischen Wirtschaftskolonialismus auf dem Balkan noch verschärft wird.
Kurzum: Wir Deutschen haben eine politische Verantwortung, und wir haben die politische Pflicht, die Folgen der humanitären Krisen zu bewältigen.
Es ist Ihre Aufgabe, Frau Ministerpräsidentin, es ist die Aufgabe der Landesregierung, politische Lösungen vorzulegen und umzusetzen. Man muss nicht die lange Zeit warten, bis das Parlament wieder zusammentritt, das kann man auch in der Sommerpause tun. Sie müssen endlich Verantwortung übernehmen.
(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)
Von 60 Millionen Menschen auf der Flucht werden in diesem Jahr etwa 800.000 nach Deutschland kommen, und 170.000 – wir haben es schon gehört – kommen nach Nordrhein-Westfalen. Das ist im Durchschnitt weniger als 1 % der hiesigen Bevölkerung.
Immer wieder wird die überwältigende Dimension der Migrationsströme beschworen, aber die Untätigkeit der Landesregierung, der politische Unwille in den letzten drei Jahren lässt das Ganze erst zum Problem werden. Wir haben keine Flüchtlingskrise, wir haben eine politische Krise.
(Beifall von den PIRATEN)
Bis heute hat uns die Landesregierung kein geschlossenes Konzept für eine moderne Flüchtlings- und Asylpolitik vorgelegt. Sie haben allerdings tausendundeine Ausreden, warum Sie bisher untätig gewesen sind.
(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)
Sie sagen: Die anderen EU-Staaten sollen doch bitte in die Verantwortung genommen werden. Wir sagen Ihnen: Auch mit einem Verteilschlüssel würde NRW ähnliche Aufnahmezahlen verzeichnen.
Sie sagen: Der Bund muss endlich seinen Verpflichtungen nachkommen. Wir sagen: Das Geld ist da. Im ersten Halbjahr hat Nordrhein-Westfalen 2,2 Milliarden € mehr an Steuern eingenommen. Nutzen Sie dieses Geld, und sorgen Sie für eine humane Flüchtlingsaufnahme im Land. Denn ganz ehrlich: Welchen Deal Sie mit dem Bund machen, das ist den Menschen und den Kommunen erst einmal sehr egal.
(Beifall von den PIRATEN)
Sie sagen: Mit diesen Flüchtlingszahlen konnte doch niemand rechnen. Wir sagen Ihnen: Doch; denn wir haben seit Jahren Belege dafür, dass immer mehr Menschen zu uns kommen werden. Die Belege kommen nicht von uns, sondern vom UN-Flüchtlingshilfswerk, von Amnesty International. Sie sind seit Jahren öffentlich einsehbar.
(Minister Ralf Jäger: Völliger Quatsch!)
– Herr Minister Jäger, nehmen wir einmal an, Sie wussten wirklich nichts von diesen weltweiten Migrationsströmen. Dann sind Sie nicht wie Frau Kraft im Sommerfunkloch, dann sind Sie seit vier Jahren im Dauerfunkloch, oder – diese Möglichkeit scheint mir viel wahrscheinlicher – Sie haben das Problem jahrelang ignoriert. Das halten wir für den viel, viel größeren Skandal.
(Beifall von den PIRATEN)
Dabei gab es zuhauf Belege. Schon im Herbst 2011 musste eine kommunale Massenunterkunft in der Kölner Herkulesstraße aufgemacht werden. Im September 2012 ist das Erstaufnahmesystem zum ersten Mal komplett zusammengebrochen. Aber es brauchte erst Burbach, es brauchte erst Bad Berleburg, und es brauchte erst Essen, damit im Innenministerium überhaupt etwas passiert. Ich frage mich: Konnten Sie von dieser sich zuspitzenden Situation wirklich nichts wissen? Ich sage: Doch, das konnten Sie. Und Sie sind trotzdem untätig geblieben.
Wir fordern, in dieser politischen Krise ein Ministerium für Integration, Flucht und Einwanderung einzurichten. Das kann Abhilfe schaffen.
Denn die Flüchtlinge sind hier. Sie werden hierbleiben, und es werden mehr. Die Probleme verschwinden nicht von alleine und nicht durch Aussitzen. Denn nichts zu machen, das ist Schande mit System.
(Beifall von den PIRATEN)
Seit unserem Einzug in den Landtag konfrontieren wir Sie regelmäßig mit dem Versagen in der Flüchtlingsaufnahme. Seit drei Jahren bekommen Sie von uns unterschriftsreife Anträge. Alles, wirklich alles wird seit drei Jahren von Ihnen systematisch belächelt und von der rot-grünen Regierungsmehrheit abgelehnt.
Schon im Jahr 2012 haben wir gesehen, dass NRW eine Neukonzeption bei Aufnahme und Unterbringung braucht. Das haben wir seitdem in zahlreichen Anträgen zu einer humanen, zu einer dezentralen Unterbringung gefordert. Dazu hätte es einer frühzeitigen Bestandsaufnahme bedurft. In Schleswig-Holstein hat man das gemacht. Unter anderem deshalb steht das Land heute besser da als wir.
Außerdem haben wir in den Jahren 2013, 2014 und 2015 präzise Haushaltsänderungsanträge zur Flüchtlingsaufnahme eingebracht. Jeder einzelne wurde hier im Haus abgelehnt. Herr Jäger, Frau Ministerpräsidentin, Ihre Politik der Ausreden hat drastische Folgen. Ihr programmierter Notstand zündet Flüchtlingsheime an. So sieht es aus.
(Beifall von den PIRATEN – Widerspruch von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank – Minister Johannes Remmel: Unverschämtheit!)
Das ist Wasser auf die Mühlen derjenigen Nazis, die sich davor stellen und grölen.
Eins möchte ich ganz persönlich sagen: Ich nehme mir heraus, jeden Einzelnen als Paraderassisten zu bezeichnen, der Ausländer in gute und in schlechte sortiert.
(Zuruf: Unglaublich!)
Die Landesregierung hat keinerlei Vorkehrungen getroffen. Die rot-grüne Regierung hat billigend in Kauf genommen, dass unser Land und unsere Kommunen bei dem Anstieg der Flüchtlingszahlen nicht über ausreichende Kapazitäten verfügen. So entsteht der Eindruck, dass die vor Krieg und vor Verfolgung flüchtenden Menschen NRW überfordern würden. So bereitet man den Boden für Ängste und Sozialneid in der Bevölkerung. So drückt man – bildlich gesehen – dem Heidenau-Nazi den Brandsatz in die Hand. Es ist einfach so.
Diese rassistischen Übergriffe gibt es auch in NRW, man kann sie nicht wegreden. Frau Ministerpräsidentin hat das in der letzten Woche zugegeben, sie hat es gesagt. Hier in NRW hat sich die Zahl der rechtsextremen Übergriffe seit dem letzten Jahr verfünffacht. Damit ist die Zahl stärker gestiegen als in Sachsen-Anhalt oder in Sachsen. Auch da werden wieder die Augen verschlossen.
Herr Minister Jäger behauptet, der Fremdenhass sei schon ein gesamtdeutsches Problem, aber in dem einen oder anderen ostdeutschen Bundesland kenne man sich mit Migration und Integration nicht so aus wie bei uns seit vielen Jahrhunderten. – Das hat er im WDR-Interview am letzten Montag geäußert.
Herr Laschet sagt, in NRW würde zumindest keiner derjenigen auf die Straße gehen, die jene beschimpfen, die helfen wollen. Dann lade ich Sie ein: Am 18. September trifft sich DÜGIDA wieder hier am Hauptbahnhof. Am 12. September treffen sich die Republikaner in Köln. Ungefähr jedes Wochenende treffen sich die Rechten in Dortmund. Am letzten Wochenende haben sie in Oberhausen vor dem Flüchtlingsheim gestanden und „Sieg Heil“ gerufen. Ich lade Sie ein. Kommen Sie zu den Gegendemonstrationen und sehen sich die Leute an, die all jene beschimpfen, die helfen wollen. Die gibt es leider auch in Nordrhein-Westfalen.
Die Ignoranz gegenüber der Dimension der Probleme in Nordrhein-Westfalen halten wir – und das wird so bleiben, solange niemand handelt – für eine Schande. Sie reichen die Verantwortung immer weiter. Die Kommunen sagen: Das Land ist in der Pflicht. Das Land sagt: Der Bund ist in der Pflicht. Der Bund sagt: Die EU muss handeln.
Auf gar keinen Fall diskutieren wir über eine Aufweichung der Standards. Auf gar keinen Fall reden wir über Taschengeldkürzungen oder über vermeintlich sichere Herkunftsländer. Es gibt eine EU-Richtlinie, es gibt die Verfassung, und das halten wir hoch. Man ändert Gesetze nicht einfach nur deswegen, weil einem die Fallzahlen gerade nicht passen.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich möchte aber den Menschen in NRW danken, die sich engagieren. Auf jeden Fall heißen wir die Geflüchteten willkommen. Wir haben ausreichende Kapazitäten. Wir schaffen das. Deutschland kann ohne Probleme 800.000 Menschen aufnehmen. Ohne diese Freiwilligen wären die Folgen des Regierungsversagens gar nicht auszumalen. Daher von unserer Seite vielen, vielen, vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Jetzt hören wir in der Unterrichtung – von Vizepräsident Uhlenberg gerade so schön als Regierungserklärung bezeichnet –, dass die Landesregierung mal wieder das Blaue vom Himmel verspricht: Alles wird gut, viele Appelle. Fast eine Viertelstunde würdigen Sie, Frau Ministerpräsidentin – Sie ist gerade nicht da; gut, egal – …
(Widerspruch bei der SPD: Doch! – [Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sitzt in den Abgeordnetenreihen der SPD-Fraktion.])
– ach, da vorne sitzen Sie, Entschuldigung, das war nicht vorwurfsvoll gemeint –, … bürgerschaftliches Engagement, aber hier im Hohen Hause sollten wir über politische Lösungen reden. Bürgerschaftliches Engagement ist super und unentbehrlich, aber das zu loben ist hier im Haus nicht genug, Frau Ministerpräsidentin. Sie können nicht darauf hoffen, dass die Zivilgesellschaft regelmäßig die rot-grüne Landesregierung rettet.
(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)
Seit 2012 fordert die Piratenfraktion in diesem Haus einen migrationspolitischen Rettungseinsatz. Die Landesregierung macht sich unterdessen schuldig, und zwar der fortlaufenden unterlassenen Hilfeleistung. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Frank Herrmann, Flüchtlingspolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW:
„Das Gebot der Stunde heißt ‚Taten statt schwafeln!‘. Angesichts der vielen Krisen und Kriege in und um Europa werden in den nächsten Monaten weiter Menschen zu uns kommen. Die Landesregierung hat sich auf diese Herausforderung nicht vorbereitet. Der einzige Hoffnungsschimmer ist die enorme Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. Diese Menschen müssen gefördert werden! Mit ihrer Untätigkeit und Unfähigkeit setzt die Landesregierung auch das aufs Spiel. NRW ist ein Aufnahmeland. Wir fordern, dass sich Frau Kraft der politischen Verantwortung stellt. Wir brauchen ein Ministerium für Integration, Flucht und Einwanderung, damit endlich an einer humanen, dezentralen und nachhaltigen Flüchtlingsaufnahme gearbeitet wird.“
Protokoll der Rede von Frank Herrmann:
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Herrmann das Wort.
Frank Herrmann (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Ganz kurz zum Thema „sichere Herkunftsstaaten“: Herr Kuper, Herr Laschet, zu Ihrem Antrag nur so viel: Wir haben einen Entschließungsantrag dazu gemacht. Ich denke, da steht alles drin. Lesen Sie sich ihn bitte durch. Ich möchte mich jetzt nicht weiter zu dem auslassen, was Sie geschrieben haben. Sichere Herkunftsstaaten gibt es nicht. Frau Düker hat gerade auf unseren Besuch im Kosovo hingewiesen. Insofern: Lesen Sie bitte unseren Antrag. Ich erwarte übrigens nach den Äußerungen von Herrn Körfges und Frau Düker auch die Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag.
(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])
Frau Düker, Herr Körfges, Ihre Reinwaschungen, die wir jetzt die ganze Zeit gehört haben, sind schwer zu ertragen.
(Beifall von den PIRATEN – Zurufe: Oh!)
Das meiste von dem, was Sie in ihrem achtseitigen Entschließungsantrag fordern und was Frau Ministerpräsidentin Kraft hier vorgetragen hat, ist gut und richtig. Aber das hätten Sie schon vor zwei Jahren niederschreiben und umsetzen müssen.
(Beifall von den PIRATEN)
Seit 2012 haben wir all das niedergeschrieben – aber unsere Anträge haben Sie alle abgelehnt. Ob Erleichterung bei der Arbeitsaufnahme, Suche nach Unterbringung, Neukonzeption der Landesaufnahme oder die Krankenkarte für Flüchtlinge – alles abgelehnt. Sie kommen erst in Bewegung, wenn es gar nicht anders geht, und das zum Schaden der Menschen, die hier Schutz und Hilfe suchen.
Die Menschen ersticken in Lkws, ertrinken im Mittelmeer oder werden auf der Flucht erschossen. Auf Kos, auf Lesbos und auf anderen Inseln warten sie auch heute noch auf Fähren, die nicht kommen. In Bahnhöfen warten sie auf Züge, die nicht fahren. Und sie warten und verhungern an den Zäunen der Festung Europa.
Ich schäme mich als Europäer, auch weil das Ganze schon so lange geht. Seit Jahren werden die Grenzen verstärkt und nicht geöffnet. Das ist die falsche Politik.
(Beifall von den PIRATEN)
Wenn die Menschen es dann auf nicht legalen Wegen – denn legale Wege gibt es ja nicht – nach Deutschland und nach Nordrhein-Westfalen geschafft haben, dann leben sie in Zelten, in verschimmelten Massenunterkünften, in Turnhallen und in Containern. Sie dürfen nicht arbeiten, sie dürfen sich ihren Wohnsitz nicht aussuchen, sie werden sozial, medizinisch und psychologisch unterversorgt. Sie werden vom deutschen Gesetzgeber behandelt wie Menschen zweiter Klasse.
Seit Jahrzehnten leben Geflüchtete so in Massenunterkünften in Deutschland. Integration war und ist nicht gewollt. Das muss sich endlich ändern.
(Beifall von den PIRATEN)
In diesem Plenarsaal wurde am 30. April dieses Jahres nach einer Bootskatastrophe mit 700 getöteten Menschen beschlossen, dass es kein „Weiter so!“ in der Flüchtlingspolitik geben darf, dass endlich Konsequenzen aus den Fluchttragödien und der großen Anzahl der Toten gezogen werden.
Aber seither ist alles leider noch schlimmer geworden, auch hier im Land. In Nordrhein-Westfalen haben wir jetzt Zeltstädte. Vor einem Jahr war die geplante Zeltstadt in Duisburg-Walsum noch ein bundesweiter Skandal. Vor genau einem Jahr, nämlich Anfang September 2014, wurde hier im Plenum über unsere Forderung im Antrag „Keine Zeltstädte in Nordrhein-Westfalen – Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten, Schulen und Turnhallen verhindern“ diskutiert. Uns wurde vorgeworfen, dass wir schwarzmalen würden. Damals hieß es, dass unsere Vorschläge doch schon längst umgesetzt würden, dass es eine Bestandsaufnahme zur Unterbringungsmöglichkeit gebe und dass Zeltstädte natürlich keine menschenwürdige Unterbringung bieten würden.
Meine Damen und Herren, Herr Yetim, Frau Düker, Herr Minister Jäger, wo stehen wir heute? Heute ist in die Unterbringung in Zelten eine unorthodoxe Lösung. Die Landesregierung betreibt nicht nur eine Zeltstadt. Nein, in den kommenden Wochen werden es sechs Zeltstädte mit jeweils bis zu 1.000 Menschen sein.
Die erste Zeltstadt wurde dieses Wochenende in Köln eröffnet. Sie soll bis Januar stehen bleiben. Das heißt, im kalten Winter sollen sich dort 900 Männer, Frauen und Kinder in Unisex-Containern duschen und in flattrigen Zelten ihre Tage verbringen.
(Minister Ralf Jäger: Flattrige Zelte?)
Ich kann nur hoffen, dass wir in Nordrhein-Westfalen keine Bilder wie aus Dresden, Hamburg oder Wetzlar produzieren. Dort haben Menschen mit Hungerstreik gegen ihre Unterbringung protestiert. Die Presse schreibt dort, dass in diesen Zeltstädten eine humanitäre Katastrophe stattfindet – und das mitten in Deutschland.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Traurig!)
Nach der ersten Ankündigung der Landesregierung, dass sie Zelte baue, haben direkt diverse Kommunen nachgezogen. Ich habe es genau hier schon einmal gesagt: Wenn das Land kein Vorbild ist, machen es die Kommunen garantiert nicht besser. – Und genau so ist es passiert. So sind nun Zeltstädte für die Unterbringung von Flüchtlingen fast zu einem Standard geworden. Was für eine Schande!
(Beifall von den PIRATEN)
Ich war schon in sehr, sehr vielen schlechten Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Liebe Landesregierung, eine Zeltstadt mag in den Ländern rund um Syrien das einzige Mittel sein, aber eine Zeltstadt für ein reiches Aufnahmeland wie Deutschland ist wirklich beschämend.
Sie, die Landesregierung, Herr Minister Jäger, tragen für diese Zustände die Verantwortung. Es ist Ihr fundamentales Organisationsversagen, Ihre mangelnde Vorbereitung. Sie haben auf diesem unsäglichen Verantwortungsverschiebebahnhof zwischen Kommunen, Land, Bund und Europa immer ganz vorne mitgespielt. Sie wurden seit 2012 diverse Male vorgewarnt, aber Sie und Ihr Ministerium blieben bis zur Schande von Burbach untätig, und diese weltweit bemerkte Schande hat immer noch nichts wirklich nachhaltig verändert.
„Keine Provisorien mehr, feste Bauten ab Oktober.“ Das hat Ministerpräsident Reiner Haseloff gestern mitgeteilt. Solche klaren Worte hätte ich von Ihnen erwartet. Aber da kommt gar nichts, und das ist traurig.
Dass sich nun auch die „Elefanten“ im Bund – Sigmar Gabriel und inzwischen auch die Kanzlerin – anscheinend endlich der gesellschaftlichen und menschlichen Herausforderung stellen wollen, war überfällig. Taten sehe ich allerdings nicht, und wenn doch, kommt das jetzt viel zu spät. Es ist für mich absolut unverständlich, warum die Verantwortlichen erst reagieren, wenn es schon zur humanitären Katastrophe gekommen ist, wenn die Problemlösung zigmal mehr kostet, wenn der Aufwand tausendmal mehr Kraft fordert.
Der einzige Hoffnungsschimmer ist die enorme Hilfsbereitschaft der Bevölkerung, der Menschen hier im Land. Und diese setzen Sie mit Ihrer Untätigkeit und Unfähigkeit aufs Spiel.
Mit unserem heutigen Antrag, der ein für alle Mal klarstellen will, dass Deutschland ein Aufnahmeland ist, fordern wir, dass in Nordrhein-Westfalen endlich Konzepte für Bürgerengagement eingeführt werden. Die Hilfsbereitschaft muss koordiniert werden. Das passiert für die Landesaufnahmen aber fast gar nicht. Es braucht mehr Struktur und mehr Koordination. Einzelinitiativen wie die der Bezirksregierung Köln müssen gestärkt werden. Hier wird zurzeit die Hilfsbereitschaft der Menschen für die Zeltstadt Köln via Twitter koordiniert, und das funktioniert sehr gut; das ist ein hervorragendes Beispiel.
Eine weitere Forderung bzw. ein Vorschlag aus unserem Antrag ist die Schaffung eines Ministeriums für Integration, Flucht und Einwanderung. Wir haben das schon mehrfach gefordert und fänden die Probleme dort auf jeden Fall besser angesiedelt als beim Innenministerium. Denn wir müssen uns den Menschen zuwenden und sie nicht abwehren.
(Minister Ralf Jäger: Ich finde das schon in Ordnung!)
Zukünftig müssen Europa, Deutschland, das Land Nordrhein-Westfalen und die Kommunen Geld und Ressourcen in die Integration und in Strukturmaßnahmen wie den Wohnungsbau stecken, statt Energie in Abwehrmaßnahmen zu verschwenden.
Wie der Migrationsforscher François Gemenne in einem Interview im „stern“ sagte, haben Abwehrmaßnahmen überhaupt keinen Einfluss auf Migrationsströme. Das Einzige, was sie beeinflussen, sind das Geschäft und die Gewinnmargen der Schlepper. Je restriktiver die Abwehrmaßnahmen sind, desto höher sind die Gewinne der Schlepper. Das ist die Realität, und deshalb brauchen wir die legale Zuwanderung.
(Beifall von den PIRATEN)
Wir brauchen ein Miteinander und kein Gegeneinander. Denn nur ein Miteinander macht uns, die Gesellschaft, stark. Wir Piraten werden unsere ganze Kraft für eine Gesellschaft von gegenseitiger Hilfe und Respekt einsetzen.
Refugees Welcome!
(Beifall von den PIRATEN)
Abstimmungsergebnis:
Der Antrag wurde nach Beratung einstimmig an den Innenausschuss – federführend -, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie an den Integrationsausschuss überwiesen; die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.
Autonomes Fahren: Chancen der Digitalisierung und des Wandels im Mobilitätsmarkt erkennen und für die Flexibilisierung des Öffentlichen Nahverkehrs nutzen
Antrag der PIRATEN Antrag-Drucksache-16/8111.pdf