Wozu gibt es Parteien?

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Bei unserer Petitionstour im letzten Jahr wurde ich von zwei ganz jungen JuPis in Aachen angesprochen und mir wurden ein paar schwierige bis sehr schwierige Fragen gestellt (die schwersten Fragen der ganzen Fahrt). Mein Sohn ist jetzt drei Jahre alt, ich bin also noch nicht ganz in der “Wer? Wie? Was?”-Phase, sondern bereite mich noch darauf vor. Mich freut es immer wieder “frischen Kindermund” zu hören, denn GaJuPis (ganz junge Piraten) stellen einfach andere Fragen, als wir Erwachsenen. ;)

Eine dieser Fragen lautete “Wozu brauchen wir eigentlich Parteien?”. Ich habe darüber in meinem Blogpost “Petitionstour: Fünf Tage, zehn Städte” auf der Webseite der @20Piraten berichtet und mich haben mehrere Personen – im echten Leben und auch in den Kommentaren der Webseite – angesprochen, dass meine Antwort für sie interessant sei.

Dann wollen wir mal einen kleinen Ausflug in meine persönliche Politikwissenschaft werfen… :D

Damals(tm):

In grauer Vorzeit war es noch einfach, sich abends ans Lagerfeuer zu setzen und dort alle Probleme der Familie zu begrunzen. Wurde die Sippe zu groß oder bestand sogar aus einem “Stamm”, dann schließt man einfach die Frauen aus… und die jungen Kerle die noch kein Mammut getötet haben… und diejenigen ohne Waffen oder Pferde… ihr merkt wohin die Reise geht: Da die Distanzen zu den beteiligten Personen und die Anzahl der Bevölkerung gewachsen ist, mussten immer mehr Menschen von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden, um Entscheidungen in angemessener Zeit zu fällen.

Zuletzt spitzte sich alles auf eine Person und einen Beraterstab zu: Ein Ältester, ein Häuptling, ein König oder Kaiser sollte am Ende entscheiden, wohin die Reise (geographisch und politisch) geht. In den meisten Fällen wird das eine Person gewesen sein, die genug Waffen, Nahrung oder Geld hatte, den Untertanen ihr täglich Brot sicherstellen zu können.

Als sich dann die Menschen in Städten (Rom) zusammen fassten und der Alleinherrscher (Despot) gestürzt worden war, wählte man aus “freien Männern” einen Rat. Ein Rück-Fortschritt also zu der Herrschaft der wenigen. In die Vertretung (Senat) – als Entscheidungsgremium – konnten eben nur Stadtbewohner (Römer) gewählt werden. Die Außenbezirke des Reiches hatten keinen Anspruch auf Vertretung und waren lange Zeit rechtlos, was demokratische Prozesse anging.

Später konnte man durch (Wohl)taten, Kriegserfolge etc. zum Vollbürger werden. Damit immer im Zusammenhang stand das Wahlrecht. Wir alle wissen, dass in der Folge von Cesars Ermordung sein Ziehsohn Augustus nach einem Bürgerkrieg die Macht an sich genommen hat und de facto der erste Kaiser (Cesar) war. Danach begann nicht nur für die Demokratie ein dunkles Zeitalter…

Im Laufe der Zeit gab es immer wieder Lichtblicke der Mitbestimmung. Alles in allem sollte es aber knapp 1750 Jahre dauern, bis wieder andere Personen an einer Abstimmung teilnehmen durften, als durch die Stände vorgegeben und dann evtl. sogar nur die Mitglieder des ersten und zweiten Standes (Adel und Kirchenleute). Denn erst als die Franzosen im Jahr 1789 ihren König zunächst rauswarfen und dann einen Kopf kürzer machten, forderten Sie ein allgemeines Wahlrecht für ALLE Franzosen (nunja, also Erwachsene Männer!), nicht nur die Pariser.

Schnell wurde klar, dass es im ganzen Land verschiedene Interessen gab. Da nicht jeder politisch interessierte zu jeder Zeit in der Hauptstadt sein konnte, brauchten die Leute eine Lösung, wie sie sicherstellen konnten, dass immer jemand vor Ort war, um sich für ihre Forderungen einzusetzen. Man musste sich also zu einer Gruppe zusammen schließen und die partikularen Interessen vertreten. So entstanden die Parteien nach heutigem Vorbild (also so richtig mit Programm, Wahlversprechen, Führungsgremien)…

In einer solchen Situation bildete sich wieder heraus, das Arbeitsteilung wichtig sein könnte. Schon unter den Königen der Tage zuvor hatte es Minister gegeben, die beratende Funktionen eingenommen hatten. Auch jetzt machte es Sinn, ein paar wenige Personen zu haben, die den Staat nach außen repräsentieren und dem Parlament ein paar der Gesetze zur Abstimmung vorlegen. Es macht Sinn, dass sich eine dieser Personen um Finanzen und eine andere um die Innenpolitik kümmert.

Hat man aber eine Regierung, muss diese im Parlament eine verlässliche Mehrheit haben. Ohne diese Mehrheit (Minderheitsregierung) muss für jede Entscheidung eine Mehrheit im Parlament gesucht werden. Im Grund wäre das eine gute Angelegenheit, mit der ständigen Gefahr einer Anwahl der Regierung hätte es aber für Andere keinen Sinn mehr, einen Vertrag mit dem Land/Staat einzugehen. Es bestünde ja immer die Gefahr, dass die Entscheidung für einen Vertrag von der nächsten Regierung zurückgenommen wird.

Stellen wir uns ein deutsches Parlament mit 650 Einzelvertretern vor. Jeder hat zu jedem Thema eine Meinung, die Seiten würden je nach Detail ständig wechseln. Wer wäre bereit, bei einem solchen Parlament als Regierung zu arbeiten? Wahrscheinlich niemand. Der Blick nach Italien zeigt, welches Chaos herrschen kann, wenn Parteien oft die Seiten wechseln. Man stelle sich vor, immer wieder ein Haufen Abgeordnete würden die Seiten wechseln. Multipolare Störung im Reichstag.

Solange wir also einen parlamentarischen Demokratischen Staatsaufbau haben, brauchen wir Parteien…

…und in ein paar Tagen… …ähm Wochen… …ähm Monaten… komme ich dann dazu zu schreiben, warum man Parlamente unter Umständen in dieser Form nicht mehr bräuchte!

(Das war ein historisch garantiert nicht zu 100% korrekter Text! ;))

Liebe Netzgemeinde, du springst zu kurz – oder – republica – der Heißluftföhn auf der Benutzeroberfläche

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Leute, ich hab’ Hals. Gestern habe ich mir Sascha Lobos Rant auf der Republica 14 per youtube angesehen. Nein, ich war selbst nicht auf der Republica. Ich war im Landtag NRW, Sitzungswoche mit u.a. drei Ausschusssitzungen, Obleuterunden, Kleinkram undsoweiter.

Abgeordnetenpflichten halt. Wenn man sowas macht, dann auch richtig. Obwohl, man muss das nicht machen – ist nämlich echt Arbeit.

Rhetorisch hat’s der Lobo drauf, ohne Zweifel, ein leidlich guter Nutzer des Effekts und des kalkulierten Worthängers. Anerkennung. Aber Christian Lindner kann das auch. Ich schlage Sascha Lobo nach dieser Rede als potentiellen Kandidaten für den zukünftigen “Christian Lindner Preis für inhaltsleere Rhetorik” vor.

Erst reitet er gefühlt ‘ne viertel Stunde auf dem Edelvogel Bekassine und dem bayrischen Spendenaufkommen für den seltenen Gefiederträger im Vergleich zum Spendenaufkommen der Netzgemeinde für Netzpolitik herum und – ja, das hat mich echt geärgert – wischt er mal soeben unter Enblendung eines, hmm, zugegeben etwas weniger glücklichen Plakats “Piraten: Man gewöhnt sich dran” die Partei einfach weg. “Piraten – uääh!”

Also, dass Julia Reda, Fotios Amanatidis, Anke Domscheit-Berg, Bruno Gert Kramm, Anne Helm und viele Andere seit Wochen durch die Lande tingeln, TTIP, Bürgerrechte, Netzpolitik und vieles Weitere thematisieren, sich also schlicht den Arsch aufreißen für den Einzug der Piraten ins EU-Parlament, mal soeben einfach weggewischt.

Ok, dass wir Piraten Fehler machen, ist mittlerweile zur Genüge bekannt. Aber ist Euch, liebe Netzgemeinde, eigentlich klar, dass eine operationsfähige Online-Gruppendynamik, eine Art Management für eine Demokratie der Vielen, hier knapp 30.000 Leutchen, nicht mal soeben einfach aus dem Boden gestampft ist? Hat nämlich bislang noch Keiner gemacht. Niemand! Ist nämlich echt neu und wesentlich mehr, als irgendwo einfach was fatzebuchmäßig zu liken. Und Wunder gibt’s weder in 6 Monaten noch in 2 Jahren.

Das einzige, was wir kennen, ist der alte Aufsatz von Mark Granovetter “The Strenghts of Weak Ties“. Und die eher unschönen gruppendynamischen Erfahrungen mit früheren Entwicklungsphasen von Parteien, wie beispielsweise der der Grünen.

Und diese Aufgabe ist jetzt auch echt was anderes, als sich als lockere Gruppe mit nur einem gemeinsamen Interesse und begrenzter, weil nicht gewählter politischer Sprechfähigkeit einmal im Jahr entrüstungsverpflichtet zur Feierabendmesse in Berlin zu versammeln, und sich vom selbsternannten Heißluftföhn der Netzgemeinde einen Einlauf verpassen zu lassen.

Die Domain netzgemeinde.de hat er gekauft – und internetministerium.de. Und das angekündigt unter großem Applaus der Zu-hörigen. Kann er behalten. Brauch’ ich nicht. So überflüssig wie ein Kropf. Popelismus.

Zu allem Überfluss zitiert er noch Herbert Marcuse – der, so Lobo, “bislang in der Netzdebatte gar nicht stattgefunden hat” – und die von ihm nochmal ventilierte alte – im Übrigen grottenfalsche – linksideologische Erkenntnis, dass Zwecke und Interessen der Herrschaft schon in die Konstruktion eines technischen Apparates eingehen.

Denn etwas in die Konstruktion einfließen zu lassen, es überhaupt anzunehmen, dass Mensch das kann, setzt eine deterministische Vorausbestimmungsmöglichkeit von Herrschaft – und Zukunft von Herrschaft – voraus, die mittlerweile historisch erwiesen nicht gegeben ist.

Denn z.B. die Erfindung des Buchdrucks wurde vom Vatikan befürwortet und gefördert als Mittel zur umfassenderen Verbreitung des Glaubens und zur Zementierung Roms und des deutschen Kaisers als zentrale spirituelle und weltliche Instanzen. Der historische Effekt von Gutenbergs Kunst war allerdings das genaue Gegenteil: Das neue Medium, – flächendeckend genutzt -, wurde zur Triebkraft von Protestantismus und politischer Dezentralisierung.

Der Vatikan zeigt, die Absicht allein ist Wurst, immer. Und man sollte sich eher Vilém Flussers Credo “Wir müssen erstmal entdecken, was wir da erfunden haben” zum Leitgedanken machen, als populistisch “Das Internet ist kaputt” in die Welt zu tröten, wenn bezogen auf das Internet im Grunde erwartbare Instrumentalisierungsversuche wirtschaftlicher und nationalstaatlicher Gewalt umsichgreifen.

In einem Punkt hat Lobo recht, das, was seit letzen Sommer fortschreitet, ist weder ein Skandal, noch eine Affäre. Es ist DER Selbstverrat des Westens an seinen erklärten Werten, es ist der größte Anschlag auf Demokratie und Bürgerrechte in der Geschichte der Menschheit. (Neben mir haben viele Piraten das von Anfang an übrigens auch so klar gesagt. Das sind beileibe keine Lobo-Credits der Klarheit.) Und der Anschlag ist definitiv vorsätzlich. Denn das Konzept des Nationalstaats ist bedroht. Die “gute Macht” (muhaha) mutiert zum Schläger.

Und was macht Lobo? Er rät erstens VW, doch endlich ein Software-Unternehmen zu werden, mokiert sich übers Navi-System des Phaeton, eines Autos, das sowieso niemand interessiert, und demonstriert die schlechte Benutzeroberfläche!

Leute, geht’s noch? Nicht nur, dass soviel klar sein dürfte, Deutschland wird es pünktlich dann geschafft haben, die weltbesten Autos zu bauen, wenn die Welt keine Autos mehr braucht, nein, Lobo verbleibt – wasweißich – schlicht auf der Benutzeroberfläche, ebenso wie sein zuhöriges Klientel, die Netzgemaainde …

Ihr starrt seit Monaten gelähmt wie das sprichwörtliche Kaninchen auf die Schlange NSA (& Co) – allein weitere mögliche Erkenntnisse gehen dabei verloren, denn das Netz, seine Neutralität und der Kampf um die Bürgerrechte sind nur die Vordergrundfolie für den Kampf eines Kapitalnetzwerks um die globale Vorherrschaft auch gegenüber Nationalstaaten. Siehe TTIP. Mehr dazu im Abschnitt “The Dark Side of the Net” meines Beitrags zu den Piraten, der am 11.05.2014 bei peira.org erscheint. [Link zum Gastbeitrag "Gedankensplitter - Richtungsstreit ..." auf peira.org]

Zum Abschluss rät Lobo, Druck auf den kleineren Koalitionspartner im Bund auszuüben, die SPD. Die SPD! Frage: Was kriegt man für so einen Rat?

Leute, Netzbewegte, ich bin immer noch stinksauer. Kämpft mit uns, scheut euch nicht, auch auf die parlamentarische Komponente zu setzen, seht uns Piraten ein paar Fehler nach – die im Übrigen immer in der Gruppendynamik neuer Bewegungen liegen – oder schlaft weiter. Und denkt über das Netz hinaus. Demokratie hatt übrigens IMMER eine ANALOGE Komponente. Umarmungen gibt es nicht online. In Südeuropa brennt gerade die Hütte, sozialpolitisch.

Und schaut euch genau an, wer euch sponsort. Nur mal so.

Ich mache erstmal weiter bis 2017. Im Landtag NRW. Vielleicht sind einige ja froh, wenn ich Arschloch dann weg bin.

Nick H.

Vertritt mich im Landtag! Jugend-Landtag 2014

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

print-316454_640Vom 04. – 06. September 2014 ist in Düsseldorf der 6. Jugend-Landtag Nordrhein-Westfalen geplant. Jugendliche aus ganz NRW im Alter zwischen 16 bis 20 Jahren können dann auf den Stühlen der Abgeordneten im Plenarsaal und in den Sitzungssälen Platz nehmen.

Der Jugend-Landtag ist eine dreitägige Veranstaltung mit Übernachtung in der Jugendherberge auf der gegenüberliegenden Rheinseite und Verpflegung im Landtagsrestaurant. Sämtliche Kosten werden vom Landtag übernommen. Bewerben können sich Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Studierende oder junge Berufstätige direkt bei mir:

Daniel Schwerd MdL
Platz des Landtags 1
40221 Düsseldorf
daniel.schwerd ät landtag.nrw.de.

Jede/r Abgeordnete kann einen jungen Menschen einladen. Der Jugend-Landtag wird sich mit mehreren aktuellen Themen beschäftigen. Zwei Vorschläge werden von den Helfern (allesamt Teilnehmer des Vorjahres) detailliert ausgearbeitet. Beraten wird über eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten und über eine KiTa-Pflicht. Darüber hinaus haben die Jugendlichen die Möglichkeit, Eilanträge und Aktuelle Stunden zu formulieren. Die parlamentarischen Abläufe werden von Fraktionssitzungen über Ausschusssitzungen, öffentliche Anhörungen von Experten bis hin zur Plenarsitzung simuliert. Die Beschlüsse der „Jugend-Landtagsabgeordneten“ werden den realen Abgeordneten des Parlaments anschließend zur Kenntnis gegeben.

Seit 2008 findet jedes Jahr der dreitägige „Jugend-Landtag“ im Düsseldorfer Parlament statt. Mehr als 1000 Jugendliche konnten seitdem dort in die Rolle der Abgeordneten schlüpfen und den parlamentarischen Arbeitsalltag eines Politikers/ einer Politikerin selbst erleben. Ziel ist es, durch „learning by doing“ die Jugendlichen über die parlamentarische Arbeit zu informieren und zu langfristigem politischen Engagement zu ermuntern.
Ausreichend für die Bewerbung sind eine E-Mail, ein Fax oder ein Brief mit Adresse und Altersangabe sowie einem kurzen Satz, warum man beim Jugend-Landtag mitmachen möchte.

Bewerbungsschluss ist der 15. Juni 2014.

Weitere Informationen zum Jugend-Landtag sind erhältlich beim Sachbereich „Jugend und Parlament“ des Landtags NRW, Frau Dorothea Dietsch, Telefon: 0211/884-2450, Mail: dietsch ät landtag.nrw.de.

Weitere Infos gibt es hier:
http://www.jugend-landtag.de
http://www.facebook.com/jugendlandtag
http://www.youtube.com/jltnrw
http://www.twitter.com/jltnrw
Offizieller twitter-hashtag: #jltnrw

Hausaufgaben nicht gemacht: Polizisten in NRW wissen nichts über Fankultur

Veröffentlicht am von unter Frank Herrmann, Innenausschuss (A09), Persönliche Blogposts.

Im Innenausschuss des Landtags wurde gestern über Aus- und Fortbildungen der Polizei zu den Themenkomplexen „Fanbeauftragte, Fankultur und Fanrituale“ gesprochen. Wir hatten diesen Punkt beantragt, weil in einer polizeiinternen Evaluation zur NRW-Initiative „Mehr Sicherheit bei Fußballspielen“ (liegt uns vor) gravierende Mängel im Kenntnisstand über die Funktion und Erkennbarkeit von Fanbeauftragten und über die Fankultur insgesamt aufgefallen sind. Fanbeauftragte der Gastvereine sind demnach den Beamten auf allen Hierarchieebenen in der Regel nicht bekannt. Die Evaluation legt auch nahe, dass die Ergebnisse auf die Zusammenarbeit mit Fanprojektmitarbeitern übertragbar sind. Außerdem gaben fast 99 Prozent der in der Evaluation befragten Gruppenbeamten an, noch nie an einer Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Fanbeauftragte, Fankultur und Fanrituale“ teilgenommen zu haben. 1 Prozent antwortete mit „weiß nicht“.

Deshalb fragten wir Innenminister Jäger, wie denn dieses Thema in der Aus- und Fortbildung der Polizei verankert ist und wie, wann und wo ein Austausch zwischen den o. g. Akteuren stattfindet. Die Antwort zeigt auf, dass der Nachholbedarf enorm ist.

Zwar ließ die Landesregierung es sich natürlich nicht nehmen, wieder einmal Schreckensszenarien der Gewalt rund um Fußballspiele zu malen, aber leicht kleinlaut mussten die Verantwortlichen zugeben, dass die mangelnden Kenntnisse der Beamten daher rühren, dass es bisher faktisch keine speziellen Seminare oder ähnliches in den Bereichen gibt.

Zurzeit entwickelt eine Arbeitsgruppe landesweite Standards zur Durchführung der Fortbildungen, damit Beamte zukünftig über Erkennbarkeit, Handlungsfelder und Aufgaben der Fanbeauftragten und Fanprojekte sowie über das Verhalten und die Rituale der Fans informiert sind. Da wohl rund die Hälfte aller Fanbeauftragten bereits selbst schon einmal im Rahmen ihrer Arbeit Opfer von Gewalt geworden sind, ist es jetzt sehr dringlich, dass die Beamten Fanbeauftragte und Fanprojektmitarbeiter erkennen, um dann auch mit ihnen reden zu können.

Zukünftig soll auch mehr dafür gesorgt werden, dass Veranstaltungen mit Fanbeauftragten und Fanprojektmitarbeitern organisiert werden, bei denen diese ihre Aufgaben und Tätigkeiten vorstellen. Ich dachte zwar, dass es selbstverständlich sei, dass Fanbeauftragte oder Fanprojekte eingeladen werden, um den Polizeibeamten Kenntnisse über die Fankultur und die Fans zu vermitteln, aber das hat sich leider als Irrglaube herausgestellt.

Insgesamt sollten die Innenminister aller Länder nun dafür sorgen, dass der Polizeiapparat seine Hausaufgaben macht und seine Energie nicht für unsägliche Buszwang-Ideen u.ä. verschwendet.

 

Unsere Beantragung findet ihr hier.

Den Bericht des Innenministers findet ihr hier.

 

Sitzungen, Parteitage, Partizipation und Folter ….

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Am vergangenen Samstag fuhr ich im Rahmen des NRW-Kommunalwahlkampfs nach Recklinghausen zu einem Piraten-Infostand. Hey, dachte ich, beim Richard Sennett, Zusammenarbeit, fehlt noch das letzte Fünftel, das hast Du noch nicht gelesen, das wäre doch was für die Zugfahrt. OK, Buch in den Rucksack und los.

So etwa zwischen Duisburg und Gelsenkirchen stoße ich auf folgenden Absatz:

So wichtig bloße Andeutungen und Schweigen auch sein mögen, kommt es bei der Kooperation letztlich doch eher auf aktive Beteiligung als auf passive Anwesenheit an. Dieser Auffassung folgte Tocqueville, als er die Bürger- und Vereinsversammlungen in den Städten Neuenglands idealisierte, auf denen jeder etwas zu sagen hatte. Diese rosige Aussicht wird allerdings oft zu einer Tortur, wenn zwanzig Leute endlos über eine Entscheidung diskutieren, für die ein Einzelner nur eine Minute benötigte. Zudem wissen geschickte Folterer genau, wann sie das Killerargument anzubringen oder den “eigentlichen Sinn der Versammlung” zusammenzufassen haben, einen Konsens, dem die anderen dann nur aus Erschöpfung zustimmen. In solchen Fällen mag jemand mit Denis Diderot ausrufen: “Der Gefühlsmensch folgt den natürlichen Impulsen und vermag nur den Schrei seines Herzens genau wiederzugeben – in dem Augenblick, da er diesen Aufschrei mildert oder verstärkt, ist er es nicht mehr selbst.”
Die Herausforderung bei der Partizipation liegt darin, dass sie auch die darauf verwendete Zeit wert sein sollte. Bei Versammlungen oder Sitzungen hängt alles von deren Strukturierung ab. Wären sie wie die Werkstatt der Geigenbauer strukturiert, gelangte man dort durch körperliche Gesten zu einem Konsens. Wären sie wie ein Labor strukturiert, käme man durch ein offenes Vorgehen zu einem Ergebnis, wobei man zwischen der Skylla eines festen Arbeitsplans und der Charybdis eines ziellosen Umherschweifens hindurchsteuern müsste. Eine interessante Sitzung würde wie bei der Reparaturform des Umbaus die Leiden und Mühen anerkennen, welche die Menschen an den Verhandlungstisch geführt haben, und sie würde die Illusion vermeiden, die Dinge ein für alle Mal regeln zu können. In allen Versammlungen oder Sitzungen dieser Art würden die Teilnehmer auf dem üblichen Wege der Ausbildung von Fertigkeiten Rituale entwickeln, die es ihnen ermöglichen, besser und ausführlicher miteinander zu reden.
Das klingt gut. Aber ist es nicht eine Illusion? Wir möchten wissen, ob und wie es in der Praxis Realität werden kann. Dazu müssen wir uns mit einem scheinbar langweiligen Gegenstand befassen – Formelle und informelle Treffen ….

Also irgendswie kommt mir das bekannt vor. Und die Tatsache, dass Alexis de Tocqueville feststellen musste, dass die Neuengländer das Problem auch schon hatten, beruhigt mich jetzt nicht wirklich.
Notieren wir das mal unter Lernschmerzen.

Nick H.

Quelle: Sennett, Richard; Zusammenarbeit – Was unsere Gesellschaft zusammenhält; orig.: Together: The Rituals, Pleasures and Politics of Cooperation; dt., Berlin, München 2012, S. 312f

Schlagkräftige Fraktion gesucht!

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Nein, ich suche keine neue Fraktion. Ich habe schon eine schlagkräftige Fraktion …. allerdings findet vom 4. bis 6. September 2014 in Düsseldorf der 6. Jugend-Landtag Nordrhein-Westfalen statt. Jugendliche aus ganz NRW im Alter von 16 bis 20 Jahren können dann drei Tage lang auf den Stühlen der Abgeordneten im Plenarsaal und in den Sitzungssälen Platz nehmen und hautnah Politik gestalten.

Es handelt sich um eine dreitägige Veranstaltung mit Übernachtung in der Jugendherberge auf der gegenüberliegenden Rheinseite und Verpflegung in der Landtagskantine. Sämtliche Kosten werden vom Landtag übernommen. Bewerben können sich Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Studierende oder junge Berufstätige direkt bei mir:
Daniel Düngel
Wahlkreisbüro Oberhausen
Langemarkstraße 15 – 17
46045 Oberhausen
Telefon: (0208) 84833093
Landtagsbüro: (0211) 8844635
Fax: (0211) 8843704
E-Mail: daniel.duengel@landtag.nrw.de

Der Jugend-Landtag wird sich mit zwei aktuellen Themen beschäftigen, die detailliert vorbereitet werden. Beraten wird über eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten und über eine KiTa-Pflicht. Darüber hinaus haben die Jugendlichen die Möglichkeit, Eilanträge und Aktuelle Stunden zu formulieren. Die parlamentarischen Abläufe werden von Fraktionssitzungen über Ausschusssitzungen, öffentliche Anhörungen von Experten bis hin zur Plenarsitzung simuliert. Mit den Beschlüssen der Jugendlichen befassen sich anschließend die Abgeordneten des Landtags Nordrhein-Westfalen in den realen Fachausschüssen.

Ausreichend für die Bewerbung sind eine E-Mail, ein Fax oder ein Brief mit Adresse und Altersangabe sowie einem kurzen Statement, warum du beim Jugend-Landtag mitmachen möchte. Bewerbungsschluss ist der 30. Juni 2014.

Weitere Infos gibt es hier:
www.jugend-landtag.de
www.facebook.com/jugendlandtag
www.youtube.com/jltnrw
www.twitter.com/jltnrw
Offizieller twitter-hashtag: #jltnrw

bunt statt braun – #BlockaDO 1. Mai 2014

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Nazis sind doof. Das wissen alle. Nur die Nazis selber nicht!

Sandra:
Ich war heute auf meiner ersten Nazi-Gegendemo. Also, auf meiner ersten richtigen.
Ich habe letztes Jahr in Münster gestanden, als der NPD Truck da war und auch in Gelsenkirchen. Aber diese 8 NPD’ler kann man nicht mit über 400 Nazis vergleichen.
Und ich war bei “Kein Meter den Nazis” in Münster. Da aber eher Beobachterin, weil ich meinen Ex-Freund begleitet hat, der ein kleines Video dazu gedreht hat.
Ich habe ja immer ein bisschen Angst, wenn ich auf Hundertschaften treffe(n muss). Man sieht ja immer Bilder. Weil irgendwie niemand aus Münster nach Dortmund gefahren ist, habe ich mich Daniel Düngel, Torsten Sommer, Olaf Wegner und David Grade angeschlossen. Menschen, die ich kenne.
Es ist wichtig, den Nazis Wiederstand zu zeigen. Diese Menschen haben hier und auch überall anders keinen Platz.

Daniel:
1. Mai, der Tag an dem traditionell die Gewerkschaften den Tag der Arbeit feiern. Seit Jahren aber auch traditionell der Tag an dem Faschisten auf die Straße gehen um ihre hirnrissigen Forderungen abzusondern. Für mich seit Wochen klar: ich werde bei den Gegendemonstrationen dabei sein. Ich entschied mich für Dortmund, weil Dortmund als Nazihochburg gilt und viele Faschisten zu erwarten waren. Nicht zuletzt aber auch, weil die Piratenpartei die Gegenveranstaltung und damit das Bündnis BlockaDO unterstützen.
Warum die Unterstützung richtig und wichtig war, werde ich nochmal in einem separaten Blogpost verarbeiten.

Gegen 11:30 Uhr sind wir am Dortmunder Hauptbahnhof mit der S-Bahn Richtung Westerfilde gefahren. Überraschung. Durch die Blockade am Gleis hielt der Zug da nicht (Was uns klar war) aber wir hofften, dass wir eine Station davor oder danach hätten aussteigen können.
Satz mit X war wohl nichts.
Der Zug hielt in Mengede wo am Bahnhof vereinzelt Polizisten standen.
Nach dem wir vergebens einen Bus auf dem Fahrplan gesucht haben, haben wir ein Taxi gesucht und haben vor der Polizeiwache zwei Nazis gesehen. Beobachter.

Der Bahnhof in Westerfilde war großräumig abgesperrt. Die Polizei lässt niemanden in die Nähe des Bahnhofs.

Daniel:
Ich zücke deutlich früher als geplant das erste mal meinen MdL-Ausweis. Schnell wird klar, als Abgeordneter kommt man natürlich durch. Mit ein wenig Überzeugungskraft gelingt es uns, dass auch Sandra als Begleitperson mitkommen kann. Hierbei werden unsere Personalien festgehalten, was uns in den nächsten Tagen dazu veranlassen wird, eine entsprechende Anfrage an die Dortmunder Einsatzleitung abzuschicken, was mit den Daten passiert. Unsere Erfahrungen aus Hamburg sind ja eher negativ :D
Mir ist nach wie vor unklar, was ich davon zu halten habe. Die Polizei möchte uns nicht zu den Gegenmaßnahmen, die größtenteils angemeldet wurden, durchlassen. Die Blockade auf dem S-Bahnhof wurde als Versammlung angemeldet. Warum dürfen wir nicht offiziell an dieser Versammlung teilnehmen??

Als die erste Rutsche Nazis aus der U-Bahn geführt wurden und an uns vorbei, lief dort eine Frau von mitte zwanzig her und versteckte ihr Gesicht hinter ihren Haaren.
Ich musste ein bisschen lachen. Wenn man als Nazi/Demonstrant auf eine Nazi-Demo/Demo geht, dann doch, weil man zu 100% dahinter steht? Weil man den Menschen zeigen will: Wir und ich wollen genau DAS.

Wir standen lange an der Westerfilderstraße und haben überlegt was wir tun können. Wie wir die Demo aufhalten können. Wir wir das alles abbrechen lassen können. Als fast einzige Möglichkeit sahen wir den Tunnel.
Auch wurde eine Blockade angesprochen. Wir waren in diesem Moment 5 Leute. Eine Blockade von 5 Menschen kann nicht viel bewirken.
Wenn wir blockieren gäbe es 3 Möglichkeiten:
1. die Polizei würde uns ggf. einkesseln und die Nazis an uns vorbei schleusen.
2. die Polizei fordert uns auf zu gehen
und geht dann bei nicht erfüllen der Aufforderung in den letzten Punkt über
3. lässt die Straße räumen und trägt uns weg.

Die Nazi Kundgebung war beendet. Die Nazis formierten sich und gingen einige Meter. Daniel setzte sich auf den Boden und schnell folgten die anderen 4 Menschen. Die Aktion war nicht im Vorfeld geplant und relativ spontan am Telefon abgesprochen. Die Grüne Landtagsabgeordnete Daniela Schneckenburger kam gerade zufällig vorbei und wir sagten, sie solle sich doch zu uns setzten, was sie auch tat.David verteilte “Nazis stoppen” Postenkarten an uns und der Nazizug stoppte.

Schnell füllte sich die Straße mit Pressefotografen, viele Medien berichteten darüber, dass Landtagsabgeordnete sich den Nazis in den Weg stellten. Verärgert waren wir über die Berichterstattung der Ruhrbarone, die das ganze als PR-Gag wertete. Ein PR-Gag von Menschen, die teilweise schon am Vorabend auf der Straße aktiv waren, die seit 9 Uhr auf den Beinen waren, die teilweise an der Organisation der Gegendemo beteiligt waren? Nein, wir taten dies aus Überzeugung, so wie wir an beiden Tagen an unterschiedlichen Aktionen beteiligt waren. Die bisherige Berichterstattung hierzu nervt und am Ende bleibt für uns nur die Gewissheit, das Richtige getan zu haben – auch wenn man sicher hätte ein wenig länger sitzen bleiben sollen. Aber womöglich können wir tausend mal sagen, wie es war und ihr werdet immer noch der Presse glauben.

Neben den Pressemenschen erschien natürlich auch die Polizei. Wir meldeten eine spontane Kundgebung an dieser Stelle an, welche mit der Auflage versehen wurde, die Straße zu räumen. Nach längerer Diskussion und der mehrfachen Aufforderung die Straße zu räumen, taten wir dies schließlich. Uns war klar, dass wir zu wenige sind, um die Demo ernsthaft länger aufzuhalten. Die Presse war enttäuscht, da die MdL nicht weggetragen wurden und somit keine wertvollen Pressefotos entstanden sind.
DAS wäre ein PR Gag gewesen!

Sandra:
Ich setze mich dort mit einem mulmigen Gefühl hin. Mein erstes mal eine Blockade. Ich habe vorher schon lange überlegt, was ich tue und irgendwo sitze und wir dann aufgefordert werden zu gehen oder wir würden weggetragen werden. Ich hatte Angst. Aus der Angst entschied ich mich von vorne heraus einfach aufzustehen wenn es brenzlig wird.
Als die Presse kam versuchte ich immer möglichst auf den Boden zu gucken.
Aus Angst die Nazis würde dann irgendwas tun. Aber… wie wahrscheinlich ist das?
Möglicherweise haben meine Hände arg gezittert.
Und jetzt ärger ich mich, dass wir nicht länger dort geseßen haben.

Daniel:
Die Rolle als parlamentarischer Beobachter ist spätestens an dieser Stelle beendet. Wir greifen aktiv in die Blockade der Nazis ein. Nun stellt sich die Frage: Darf ein MdL das überhaupt? Und wie geht man mit der Aufforderung seitens der Einsatzkräfte um?
Letztlich waren wir wenige und die Erfolgsaussichten, bis auf ein paar doofe Pressebilder sind gering. Ich bin sicher: Mit ein paar Menschen mehr hätte das erfolgreich sein können. Man stelle sich 19 Piraten bei einer Sitzblockade vor, die den Demozug der Nazis aufhalten.
Ich ärgere mich. Weil wir recht früh aufstanden. Weil wir nicht genug Aktivisten zu diesem Ort bekamen.
Die Aktion war übrigens mit unseren Kontaktpersonen zu BlockaDO abgesprochen um für eine andere geplante Aktion Zeit zu gewinnen. Hat leider nicht geklappt. Sei’s drum.

Wir liefen weiter der Demo vorweg. Irgenwo bei einem der ersten Polizeiwagen.

Wir überlegten weiter, was wir tun können. Ob man was machen kann.
Wir kamen an dem Kessel vorbei. Hier würde es hitzig werden.
Hier wäre die Möglichkeit noch eine Sitzblockade zu machen schlau gewesen, da durch den Kessel nur eine Straßenseite der zwei begehbar war.
Wir waren zu fünft, ein Mensch sprach sich dagegen aus. Wir haben es sein gelassen

Wir stellten uns neben den Kessel, so dass die Nazis direkt an uns vorbei zogen und nur die mitlaufenden Polizisten uns von dem braunen Pack trennte.

Sandra:
Die Nazis liefen 30 Zentimeter vor der Nase vorbei, manchmal war keine Polizei zwischen uns un den Nazis. Möglicherweise beunruhigte mich das ein bisschen. Ich hielt meinen Mittfelfinger empor. Und schon schalten nach und nach Beleidigungen.
Man wolle meinen Finger brechen, man würde uns finden, wir seien hässlich und jämmerlich und irgendwer sagte sogar was gegen meine Schuhe.
Ich versuchte mir Angst und Panik nicht an merken zu lassen. Einschüchtern können die. Aber das Wissen, dass ich neben mir weitere Menschen hatte und das Wissen, dass diese Menschen so fürchterlich rechts sind liesen mich stark sein. Ich hielt Augenkontakt mit Nazis die mich direkt anstarrten und guckte ganz ganz böse.

Im Kessel befanden sich gut 60 Personen, die bereits über mehrere Stunden festgesetzt wurden. Daniel, Olaf und Dings haben versucht zwsichen eingekesselten und Polizei zu verhandeln. Ein langer Zeitraum. Deswegen konnten wir auch keine weiteren Aktionen planen.

Daniel:
Wir fragten nach, wann der Kessel aufgelöst werde. In den Gesprächen mit dem Einsatzleiter der Polizei wurde klar, dass vier Personen eine Straftat vorgeworfen werde und deswegen der Kessel bislang nicht aufgelöst wurde. Diesen Personen wurde vorgeworfen, sich im Laufe der Aktion vermummt zu haben. Danebod und ich verhandelten nun, wie der weitere Ablauf sein könnte. Während dieser Verhandlung kommt es innerhalb des Kessels zu einem versuchten Zugriff seitens der Einsatzkräfte mit dem Ziel, die vier Personen zu isolieren. Dieser schlug fehl, da die eingekesselten Aktivisten solidarisch zusammenstanden und ohne Gewalt anzuwenden den Eingriff verhinderten. Ich muss gestehen, dass ich geschockt war, dass die Einsatzkräfte während unserer Verhandlung offenbar eigenständig vorgingen. Wir zogen uns darauf zurück, besprachen mit den Antifas die weitere Vorgehensweise. Im weiteren Verlauf ergab sich dann die Option, dass nur die Personalien der vier festgestellt werden sollten und alle anderen gehen konnten. Durch unsere Verhandlung erreichten wir, dass die vier Personen sich nicht in die Obhut der Polizei begeben mussten und aus wenigen Metern Abstand identifiziert werden konnten.
Für das weitere Verfahren boten wir uns selbstverständlich als Zeugen an. Mal sehen, was da am Ende rauskommt.

Das Dortmunder U hat auf seinen LED’s immer einen besoneren Spruch stehen, wenn Nazis mal wieder durch die Stadt marschieren.

Danke

Wir bedanken uns
bei allen, die ein deutliches Zeichen gegen Rechts gesetzt haben,
bei den Aktivisten, die versucht haben, den Demozug friedlich zu stören,
bei all den Menschen die dort friedlich demonstriert haben,
bei allen Anwohnern, die die Gegendemonstranten mit Getränke, Nahrung und WC’s versorgt haben,
bei all den Polizisten die deeskalierend im Einsatz waren

Wir bedanken uns nicht
bei den Nazis,
bei den Menschen, die mit Flaschen auf Pferde warfen,
bei den Menschen, die die Polizei unnötig provoziert haben

NSU Untersuchungsausschuss NRW

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Update: Wir haben heute in der Fraktionssitzung beschlossen, die Anträge erst im Juli! einzubringen. Mir ist die Einsetzung wichtiger als Wahlkampf. Ich möchte dazu beitragen, Aufklärung zu ermöglichen und voranzutreiben. Insofern werden wir in den Wochen bis zum Juniplenum versuchen, mit anderen Fraktionen weiter zu verhandeln über einen gemeinsamen Antrag.

Da das nun doch schon so irgendwie öffentlich ist, mal eine kurze Stellungnahme vorab von mir:

Seit ungefähr Januar schreiben meine Mitarbeiter und viele Freiwillige mit mir zusammen an einem Antrag für einen möglichen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss für NRW bezüglich der Aufarbeitung der Taten des NSU. An dieser Stelle erst einmal vielen Dank an alle. Dabei geholfen haben Menschen und Mitarbeiter*innen von den Piraten natürlich, aber auch mehrere Journalist*innen, Aktivist*innen aus unterschiedlichsten Gruppierungen, von Antifa-Recherchegruppen, aus unterschiedlichsten Parteien (vor allem von “Die Linke”) usw.

Da wir aktuell noch in Verhandlungen mit den anderen Fraktionen sind, ist noch nicht ganz klar, wie es weitergeht. Die politische Variante mit mehr Zeit ist der kurze Antrag, der dann zur Diskussion in die Ausschüsse gehen kann:

http://www.piratenfraktion-nrw.de/wp-content/uploads/2014/05/Politischer_Antrag_PUA_NSU-Aussch%C3%BCsse.docx

Die ausführliche Variante, die dann aber direkt abgestimmt würde, findet sich hier:

http://www.piratenfraktion-nrw.de/wp-content/uploads/2014/05/Antrag_NSU-PUA-DIREKT.docx

Die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses erfordert in NRW die Zustimmung von 20 Prozent der Mitglieder des Landtages. Dies bedeutet, dass wir noch Menschen aus anderen Fraktionen benötigen, um wirklich einen Untersuchungsausschuss zu bekommen. Da ich keinen Showantrag will, sondern mir diese Einsetzung sehr wichtig ist, tendiere ich aktuell dazu, den kurzen Antrag einzubringen, damit die anderen Fraktionen nochmal Zeit haben, ihre möglichen Änderungswünsche einzubringen.

Ich halte den Untersuchungsausschuss für absolut notwendig, weil bei weitem nicht alle offenen Fragen rund um den Themenkomplex beantwortet wurden und weil neben dem Gericht in München und neben dem bereits abgeschlossenen Untersuchungsausschuss des Bundestages auch die Länder in der Verpflichtung sind, alles ihnen Mögliche zu tun, um die Aufklärung so weit wie möglich zu betreiben.

Finanzministerium NRW vergrault Portigon-Vorstand Voigtländer

Veröffentlicht am von unter 20 Piraten, Finanzen, Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Persönliche Blogposts, Presse, Pressemitteilungen, Themen.

Zum überraschenden Abgang von Dietrich Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Portigon AG erklärt Dietmar Schulz, Haushalts- und Finanzpolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW:

Die Tatsache dass Voigtländer bei der Portigon AG das Handtuch wirft und dies offenbar auf sachlichen Meinungsverschiedenheiten mit dem Finanzministerium fußt, zeugt einmal mehr von fehlender Weitsicht auf Seiten des Hüters der NRW-Finanzen. Diskontinuität ist gerade in der jetzigen Lage von Portigon, EAA und PFS (Portigon Financial Services) für den Markt, auf dem in den nächsten 2 Jahren die notwendigen Veräußerungsinteressen des Landes ausgetragen werden müssen, absolut kontraindikativ.  Weiterlesen »

G8 oder G9 – wir sagen JA!

Veröffentlicht am von unter Monika Pieper, Persönliche Blogposts, Schule und Weiterbildung (A15).

Die Frage, ob Schüler/innen am Gymnasium in 8 oder 9 Jahren zum Abitur geführt werden sollen, erhitzt weiterhin die Gemüter vieler Schüler, Eltern und Lehrer. An einem „Runden Tisch“ soll nun erneut darüber debattiert werden, ob es zurück zum G9 gehen soll, oder wie man unter Beibehaltung von G8 die Schüler so entlasten kann, dass Schule nicht zum alleinigen Lebensinhalt für viele Betroffenen wird. Diese Diskussion wird zurzeit nicht nur in NRW, sondern in mehreren Bundesländern geführt, zum Teil nicht nur ideologisch, sondern auch sehr emotional und nicht sehr differenziert.

Schüler und Eltern beklagen, dass durch die Einführung von G8 kaum noch Zeit für außerschulische Interessen und Hobbys bleibt. Der Leistungsdruck ist erheblich gestiegen und viele Schüler müssen mehr arbeiten, als von erwachsenen Arbeitnehmern erwartet wird. Dies ausgerechnet in einem wichtigen Lebensabschnitt, in dem Jugendliche ihre Persönlichkeit entdecken und sich durch vielfältige Lebenserfahrungen zu kritischen, verantwortungsbewussten Erwachsenen entwickeln sollen.

Es haben sich einige Elterninitiativen gebildet, welche die Rückkehr zum G9 fordern. Dabei geht es häufig auch um den Ausbau des Ganztags an den Gymnasien. Bei allem Verständnis dafür, halten wir es für falsch, die Diskussion über die Schulzeitlänge mit der Diskussion über den Ganztag an Gymnasien zu verbinden. Dies beiden Themen sollte man strikt voneinander getrennt betrachten und diskutieren.

Aber ist es wirklich notwendig, hier eine entweder- oder Diskussion zu führen? Wir sind auf dem Weg hin zu einer Schule, welche die individuelle Förderung aller Schüler in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt. Nimmt man diese Forderung ernst, resultiert daraus auch eine individuelle Geschwindigkeit des Lernens. Betrachtet man die Schullandschaft, stellt man schnell fest, dass viele Schulformen erfolgreich Schüler mit unterschiedlichen Leistungsniveaus unterrichten. Warum soll das nicht auch an den Gymnasien gelingen?

Dabei darf es nicht darauf hinauslaufen, dass Schüler im Rahmen ihrer individuellen Förderung eine Klasse überspringen oder wiederholen, das würde die Intention verfehlen. Wir dürfen auch nicht von einem G8 ausgehen, bei dem, vermeintlich „schlechteren“ Schüler, ein Jahr länger bis zum Abitur gewährt wird. Wir sollten grundsätzlich von 9 Jahren ausgehen und leistungsstarken Schülern durch individuelle Unterstützung das Abitur in 8 Jahren ermöglichen, und das an jedem Gymnasium.

Es gibt verschiedene Modelle, wie dies umgesetzt werden kann. Grundsätzlich halte ich es für viel zu früh, eine solchen Entscheidung, wie das im Moment praktiziert wird, schon während des 4. Schuljahres, durch die Wahl der weiterführenden Schule zu treffen, da eine präzise Prognose über die individuelle Lernentwicklung kaum zu treffen ist. Begriffe wie „Spätstarter“ oder ähnliches belegen dies. Je später diese Entscheidung getroffen wird, desto zielgenauer ist voraussichtlich die Prognose. Es würde daher durchaus reichen, am Gymnasium nach der 6. Klasse zu schauen, welche Schüler eine derart leistungsstarke Entwicklung zeigen, dass eine G8- Laufbahn ohne zu großen Belastungen zu einem erfolgreichen Abschluss führt. Diese könnten dann in G8 Kursen oder G8 Klassen unterrichtet werden.

In der Diskussion ist auch noch ein anderes Modell. So schlägt der VBE (Verband Bildung und Erziehung) die Verkürzung der Oberstufe auf zwei Jahre vor. Das würde die Mittelstufe entlasten und hätte, auf Grund der noch späteren Entscheidung, eine relativ sichere Prognose über den Erfolg einer Verkürzung der Schulzeit zur Folge.

Statt der generellen Verkürzung der Oberstufe, sehen wir hier die Möglichkeit der Wahl. Die Oberstufe sollte generell 3 Jahre dauern, leistungsstarke Schüler könnten statt in drei in zwei Jahren zum Abitur geführt werden. Erst hier die Trennung G8- G9 zu machen hätte außerdem den Vorteil, dass in der Oberstufe sowieso Kurssysteme gefahren werden und daher die Einrichtung einer Extraklasse nicht nötig wäre.

Letztendlich halten wir es aber auch für möglich, ähnlich wie an den Sekundarschulen, G8 und G9 ausschließlich durch individuelle, an die Leistungsfähigkeit der Schüler angepasste Lernangebote im Klassenunterricht anzubieten. Dafür müssen sich aber noch einige Gymnasien bewegen. Auch hier muss sich überall die Erkenntnis durchsetzen, dass nicht immer alle Schüler am gleichen Lernstoff arbeiten, neue Arbeitsformen, wie z.B. das Kooperative Lernen, müssten selbstverständlich werden. Viele Gymnasien haben sich hier auf den Weg gemacht und können als Best- Praxis- Beispiele dienen.

Die Frage ist also nicht, G8 oder G9, sondern vielmehr die Aufgabe, Gymnasien so zu organisieren und zu unterstützen, dass alle Schüler individuell gefördert werden und ihrem eigenen Lerntempo entsprechen zu einem Abschluss gelangen. Dabei sind, abseits der Diskussion G8 G9, die Lehrpläne (nicht nur) an den Gymnasien so zu entschlacken und zu gestalten, dass jeder Schüler durch ein eigenes Lernprofil und einen eigenen Lernplan zu einem bestmöglichen Ergebnis geführt wird.

Das Bildungskonzept der Piraten NRW zeigt ein solches Modell auf. Wir nennen es fließende Schullaufbahn. Fließende Schullaufbahn bedeutet für uns, dass Kompetenzen in einem Kurssystem erworben werden. Durch die erfolgreiche Teilnahme an einem Kurs, mit entsprechenden Prüfungen, erreicht der Schüler die nächste Niveaustufe und wird so zu dem für ihn höchst möglichen Abschluss geführt. Diese Kurse müssen nicht notwendigerweise durch die Einrichtung von vielen Lerngruppen durchgeführt werden, sondern können auch im Rahmen eines individuellen Unterrichts in einem Klassenverband durchgeführt werden. Denn genau das bedeutet individuelle Förderung. Dies schließt unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten mit ein und die Frage der Lerndauer, also G8 oder G9, wird dadurch überflüssig. Diese Vision von Schule werden wir weiterentwickeln und in die öffentliche Diskussion bringen.