Das erlebte und unreflektierte Ende des Industriezeitalters

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ein Gastbeitrag von Eberhard von Goldammer

Teil 1: Der Blick aus der Vogelperspektive auf eine geistig ermüdete Gesellschaft

Es ist schon mehr als verwunderlich, dass nahezu alle kritischen Beiträge zur wirtschaftlichen Situation heute ausschließlich die Finanzkrise bzw. den Kapitalismus ins Visier nehmen. Damit wird aber nur über Symptome diskutiert, die man „heilen“ oder verändern möchte ohne die wirkliche Ursache der „Krankheit“, die man bisher ganz offensichtlich noch nicht einmal wahrgenommen, geschweige denn analysiert hat, von der Wurzel her zu behandeln. Die Krankheit ist nämlich nichts anderes als das in den westlichen (frühindustrialisierten) Gesellschaften erlebte – und nicht reflektierte – Ende des Industriezeitalters. Besonders in Deutschland ist man total blind gegenüber dieser Entwicklung und daran scheinen auch Worthülsen wie Postwachstumsgesellschaft, nachhaltiges Wirtschaften, Wissens- oder Informationsgesellschaft – was immer das ist – nichts zu ändern.

In den 70er Jahren hat Margret Thatcher das Ende des Industriezeitalters für England erklärt und die Banken von nahezu allen Fesseln der Regulierung befreit. Man schwafelte dann überall von Dienstleistungsleistungsgesellschaft oder vom „Dritten Weg“ (Giddens) usw. Das alles ging aber total am Kern des eigentlichen Problems vorbei, weil es einfach zu kurz gedacht war. In England hat es (zunächst!) nur deswegen einigermaßen funktioniert, weil man vor der Küste Englands Gas und Öl gefunden hat (nach der Ölkrise 1973!!) und sich daher dieses Kurzschlussdenken ökonomisch überhaupt leisten konnte; – das Öl und Gas vor der englischen Küste geht aber heute so langsam seinem Ende entgegen und was dann?[1] US-Amerika exportiert – etwas zugespitzt ausgedrückt – Waffen, Krieg und Terror und bietet nun sein Fracking-Gas an und lebt darüber hinaus grotesk über seine Verhältnisse und das auf Kosten der restlichen Welt (Dollar als Leitwährung!).

In den südeuropäischen Ländern kann man heute sehen, was passiert, wenn man diese Entwicklung einfach ignoriert, denn große Industriestaaten waren diese Länder ohnehin schon vorher nicht. In Deutschland ist man deswegen mit Blindheit geschlagen (und das wird sich bald rächen!), weil wir infolge des verlorenen Krieges und des Schuldenerlasses nach dem WK-II alles neu aufbauen konnten/mussten und auf diese Weise zum Exporteur-Nummer-Eins aller klassischen(!!) Industriegüter wie Maschinen, Autos, Chemie (und Waffen) wurden – auf dem Computersektor sind wir heute praktisch gar nicht erst vertreten und das gilt auch für die Unterhaltungselektronik nebst Software usw. – Deutschland war und ist immer noch eine industrialisierte Handwerkergesellschaft und das bezieht sich vor allen Dingen auf unser Denken – Karl Steinbuch hat in diesem Zusammenhang von einer Hinterwelt-Gesellschaft gesprochen [2].

Was ist aber der Kern des Problems?

Um diese Frage zu beantworten muss man sich erst einmal klar machen, was man unter einer Industriegesellschaft zu verstehen hat. Das ist eine Gesellschaft, in der mit viel Energie und Maschinen eine Massenproduktion von Gütern (und in gewissem Umfang auch Dienstleistungen – man denke dabei nur an Massentourismus usw.) entwickelt wurde. Da sind Wachstum, Aktien, Zinsen und Inflationsraten systemimmanente Erscheinungen und nicht nur das – auch die uns heute bekannte Form der Demokratie ist ein Produkt dieser Entwicklung, denn man musste den Menschen gewisse Freiheiten gewähren, damit die massenhaft produzierten Güter auch (in Massen) gekauft werden konnten.[3]

Die Banken machten durch Finanzierung von Industrieanlagen und der entsprechenden notwendigen Infrastruktur (Bau von Eisenbahnen, Brücken, Straßen usw.) in diesen Ländern gute Geschäfte – der Höhepunkt dieser Entwicklung ist in allen frühindustriellen Ländern heute längst überschritten. Das ist einer der wesentlichen Gründe für die Spekulationen der Banken sowie der Spekulation an den Börsen. Ein weiterer Grund für diese Spekulationen ist das erwirtschaftete Kapital eines relativ kleinen Prozentsatzes von Menschen am Ende dieser (Industrie)Gesellschaften [4] – ohne die Unmengen an Kapital würde es diese Spekulationen ja gar nicht geben. Die Diskussion über die negativen Erscheinungen des Kapitalismus gehen daher ein wenig am eigentlichen Kern des Problems vorbei. Das kann man schon daran erkennen, wenn man sich die Frage stellt, was denn die Negation – also das Gegenteil – des Kapitalismus ist.

Kapitalismus gab es schon lange bevor das Industriezeitalter im 19. Jdt. begann – allerdings hat sich mit der Industrialisierung die Gesellschaft gewandelt und damit natürlich auch das, was wir heute unter dem Begriff Kapitalismus verstehen. Auch hier diskutiert man nur an einem Symptom herum und übersieht dabei den eigentlichen Kern des Problems. Dazu kommt, dass als Gegensatz zum Begriff des Kapitalismus sofort der Begriff des „Kommunismus“ oder „Sozialismus“ (im Sinne des so genannten „Real-existierenden-Sozialismus“) am Horizont – meist unausgesprochen – auftaucht und diese beiden Begriffe sind derart verbrannt, dass keiner (außer vielleicht der Linken und auch die nicht wirklich) es wagt, sie in den Mund zu nehmen.

Würde man dialektisch denken – was die US-Amerikaner in aller Regel erst gar nicht können und die Europäer seit dem Fall der Mauer und der sich daran anschließenden enorm zugenommenen geistigen VerAmerikanisierung auch kaum noch können; – würde man also dialektisch denken, dann würde einem auffallen, dass möglicherweise beide Begriffe untauglich geworden sind, weil beide Begriffe im gleichen gesellschaftspolitischen Umfelde – also auf der Basis der gleichen Rationalität einer Kultur als polarisierende, sich wechselseitig ausschließende – als duale – Denkansätze entstanden sind, die dann in Europa politisch-ideologisch – mit allen Folgen, die wir kennen – umgesetzt wurden. Aus hegelscher Sicht müsste man hier also über eine dialektische Aufhebung und Synthese nachdenken – aber das setzt voraus, dass man über die Ursprünge, die Möglichkeiten und Grenzen der abendländischen Rationalität und der sich daraus ableitenden Kultur, aus der diese Begriffe hervorgegangen sind, nachzudenken anfängt. Das wird aber gar nicht erst in Betracht gezogen, weil es – aus welchen Gründen auch immer – ganz offensichtlich gar nicht gesehen wird.

Bis hierher ist das alles – vielleicht oder auch nicht? – keine wirklich neue Erkenntnis.

Schwieriger wird die Sachlage schon, wenn man sich fragt: Was kommt danach – also nach dem industriellen Zeitalter? Denn mit den Finanzspekulationen, die sich zu einer sich immer weiter öffnenden Schere von Arm und Reich entwickelt, wird es nicht ewig weiter gehen können. Man kann eben aus Geld – ohne realwirtschaftlichen Untergrund ­– nicht Geld machen (oder erwirtschaften), es sei denn, man druckt das Geld, wie in den USA, was ja bekanntlich nur deshalb möglich ist, weil der US-Dollar (noch!) als Leitwährung fungiert – aber das geht nicht für alle Zeiten so weiter.

Irgendwann kommt der Kollaps, zumal ja auch noch der Klimawandel und damit verbunden die Umweltverschmutzung sowie das rasante Anwachsen der Weltbevölkerung und die Transformation der Gesellschaften (wie China, Indien und einige der afrikanischen Staaten) zu Industriegesellschaften vor dem Hintergrund immer knapper werdenden Ressourcen (man wird bald einen zweiten Planeten benötigen, wenn alle so leben wollen wie die frühindustrialisierten Gesellschaften) das Problem nicht gerade vereinfachen. Auch diese Länder stehen daher vor dem (nicht-reflektierten) Problem eines zu Ende gehenden Industriezeitalters und das obwohl es für einige noch gar nicht wirklich begonnen hat.

Was kommt also danach?

Wenn die Europäer und/oder die US-Amerikaner, die allerdings noch nie sehr tief nachgedacht haben, sondern immer erst gehandelt und dann nachgedacht haben, wenn das Kind in den Brunnen gefallen war [5]–, wenn also von diesen Gesellschaften keine Antwort gefunden wird, dann sieht es für den Planeten Erde und den darauf lebenden Erdlingen für die Zukunft nicht sehr rosig aus, denn der anthropogene Treibhauseffekt und der damit verbundene Klimawandel ist heute kaum noch zu leugnen und die Modelle der Klimaforschung erlauben drei gleichwahrscheinliche Aussagen: 1) es wird alles nicht so schlimm, wie es durch die Modelle beschrieben wird (da hätten wir Glück); – 2) es wird so wie die Modelle es beschreiben (das wäre schon verheerend genug); oder, last but not least, 3) es wird alles noch viel schlimmer als es in den Modellen beschrieben wird (kaum auszudenken).

Um die Frage nach dem „Was-kommt-danach?“ zu beantworten, muss man sich erst einmal die Frage stellen, wie und warum sich in einigen Gesellschaften – nämlich in der abendländischen, also in Europa – eine Industriegesellschaft entwickelt hat und in anderen Teilen der Welt – also beispielsweise in China oder Indien – eben nicht. Ohne diese Frage zu stellen und eine Antwort zu finden, versteht man gar nichts und kommt auch niemals zu einer sinnvollen Antwort auf die Frage „was kommt danach?“.

Die Entwicklung zur Industriegesellschaft ist ohne die logisch-mathematisch-naturwissenschaft­liche [6] Ratio­nalität und der sich daraus entwickelten Wissenschaft und Technik nicht denkbar – der Beweis für diese Aussage ist die Entwicklung in China. Im 15./16. Jahrhundert war die kulturelle Entwicklung Chinas bis ins 17. Jahrhundert vergleichbar mit der Entwicklung im damaligen Europa – ja einige meinen sogar, dass sie weiter fortgeschritten war. Als Grund für Needham’s Grand Ques­tion „warum der Westen trotz des früheren hohen Standes der chinesischen Kultur diese am Ende über­holte?“, machte Needham die Einflüsse des Konfuzianismus und Daoismus verantwortlich.[7] – Die Frage müsste aber lauten, warum sich in China oder Indien eine mathematisch-naturwissen­schaft­lich fundierte Rationalität nicht ausgebildet hat? [8] Heute holt China auf diesem Gebiet rasant auf – aber was kommt danach, wenn sie aufgeholt haben – kehren sie dann zurück zum Konfuzia­nismus und Daoismus?

Offensichtlich reicht die logisch-mathematisch-naturwissenschaftliche Rationalität des Abendlandes heute nicht mehr aus, um die Komplexität der spät-industriellen Gesellschaft und deren geschaffe­nen Probleme auch nur im Ansatz zu verstehen oder gar zu bewältigen. Die – aus konzeptioneller Sicht – geradezu infantilen physikalistischen Modelle der Mainstream-Ökonomen tragen eher mas­siv zur Verschärfung der Probleme und nie und nimmer zu deren Lösung bei. So lautet beispiels­weise eine der Kernbotschaften in dem Klima-Report 2014 [9]:

„Das Klima ist ein globales Allgemeingut, daher kann weltweiter Klimaschutz nur durch internationale Kooperation erreicht werden. Ergänzende Politikmaßnahmen bis hin zur lokalen Ebene spielen eine zentrale Rolle, um die Transformation hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaftsweise zu befördern“. [Hervorhebung EvGo]

Eine Gemeingüter-Ökonomie wäre einer der Ansätze, die Wege jenseits des herrschenden, wachs­tumsfixierten Paradigmas bieten könnten, wenn sie – die Gemeingüter-Ökonomie – denn (global!) umsetzbar wäre. Aus der Sicht der dominierenden Mainstream-Ökonomie sind Gemeingüter aber ineffizient, also schlecht, um nicht zu sagen „Kommunismus pur“ und damit des Teufels.[10] Nicht von ungefähr wurde in der englischen Originalversion des Klima-Reports (s. Ref. 9) lediglich in einer Fußnote auf das so genannte „global com­mons problem“ (globales Gemeingüterproblem) hingewiesen und betont, dass von diesem Problem „die Sozial­wissenschaftler [offensichtlich nicht die Ökonomen!?] sprechen“. Die wissenschaftlich-formalen Modelle der Mainstream-Ökonomen, die alle ein Produkt unserer klassisch-logischen mathematisch-naturwissenschaft­lichen Rationalität darstellen – und darauf sind die Mainstream-Ökonomen stolz(!!) –, sind als Modelle völlig untauglich, um das „Gemeingüter-Problem“ oder „Allmende-Problem“ auch nur im Ansatz an konkreten Beispielen zu applizieren, d.h. zu simulieren.[11]

Wie könnte also eine nach-industrielle Gesellschaft in Europa und anderswo aussehen, wenn die logisch-mathematisch-naturwissenschaftliche Rationalität nicht mehr ausreichend ist?

Sollen wir diese Rationalität aufgeben und uns zurück zu eine Agrarwirtschaft bewegen? Letzteres ist keine rhetorische Frage, sondern würde aus den Vorstellungen vieler Ökobewegungen, die sich heute in unserer Gesellschaft tummeln, folgen, ohne dass dies sonderlich reflektiert wird.[12] Bei diesen Denkansätzen wird Vieles übersehen, vor allen Dingen, dass es Menschsein ohne Technik gar nicht gibt.[13] Folgt daraus nun, dass wir so weiter machen können wie bisher? Das ist sicherlich auch keine gute Lösung. Die Antwort, d.h. die Lösung liegt auf der Hand: Wir müssen unsere Denkwerkzeuge erweitern, d.h. an die Komplexität anpassen. Das kann nur durch eine Erweiterung unsere logisch-mathematisch-naturwissenschaftlichen Rationalität geschehen – also einer Erweiterung von Mathematik und Logik.

Die Grundlagen dafür wurden durch den deutsch-amerikanischen Philosophen und Logiker Gotthard Günther (1900-1984) mit der von ihm eingeführten Polykontexturalitätstheorie [14] im vorigen im 20. Jahrhundert bereits gelegt.[15] Das alles impliziert nicht nur ein grundlegend anderes Verständnis von Technik, sondern auch eine andere Technik, bei der es nicht nur primär um Quantitäten – im Sinne von schneller, weiter, größer oder kleiner – geht, sondern vor allen Dingen um Qualitäten und technische Intelligenz, die in der Technik – also implementiert – und nicht ausschließlich vor der Technik – also im Ingenieur – steckt. Eine formale Theorie der Qualitäten existiert bis heute nicht und lässt sich auf der Grundlage unseres heutigen logisich-mathematischen Denkens auch nicht entwickeln – und zwar grundsätzlich nicht entwickeln!

Es ist schon merkwürdig, dass eine Gesellschaft glaubt, es sich leisten zu können, die Arbeiten eines der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts einfach zu ignorieren und auf der anderen Seite heute überrascht zur Kenntnis nehmen muss, dass sie auf dem Gebiet der Computertechnik ein Entwicklungsland – eine Gesellschaft von „Hinterweltlern“ – geblieben ist. Der Inhalt philosophisch-wissenschaftlicher Essays ist und war des Öfteren in der Geistesgeschichte des Abendlandes von gesellschaftspolitischer und mitunter sogar von volkswirtschaftlicher Bedeutung, wie das Beispiel der Philosophiae Naturalis Principia Mathematica von Isaac Newton oder die Ars Combinatoria von Leibniz und seine mathematisch-philosophischen Studien deutlich demonstrieren.

Die Ignoranz bedeutender geistiger Leistungen ist auch ein Indiz für eine zu Ende gehende kulturelle Epoche, die ungefähr im 17. Jahrhundert mit den Namen von Descartes, Pascal, Newton und Leibniz, um nur einige zu nennen, begann und heute mit dem Industriezeitalters ihr Ende findet – ein Ende, das sich ganz offensichtlich als eine Zeit geistiger Müdigkeit in Europa und ein ziemliches aktives aber geistiges Wirrwarr in Amerika, dem Ableger des Abendlandes, darstellt.

Eine Publikationsliste des Autors Eberhard von Goldammer sowie eine Kurzvita – am Ende der Liste – finden sich hier.

Endnoten:

[1] Englands Ölreichtum geht seit 1999 mit etwa 8% pro Jahr zurück. In der Folge ist England 2006 vom Erdölexporteur zum Importeur geworden. (cf., Wikipedia)
Abbau des Wohlfahrtsstaates: Immer mehr Briten hungern, Telepolis vom 18.04.2014 – [-> zum Text]

[2] Karl Steinbuch, Falsch programmiert-Über das Versagen unserer Gesellschaft in der Gegenwart und vor der Zukunft und was eigentlich geschehen müsste, dtv 1969. Obwohl dieses Buch 1969 veröffentlicht wurde (im WS 69/70 wurde an der TU Karlsruhe der erste Informatikstudiengang eröffnet), so ist es, was die Kernaussage betrifft, heute immer noch aktuell. [-> zum Text]

[3] Man sollte sich auch nicht darüber wundern, dass wir heute total überwacht werden, was ausschließlich der Kontrolle der eigenen Bürger gilt, und dass die demokratischen Rechte – die Bürgerrechte – langsam eingeschränkt werden. Das sind alles typische Indikatoren für eine zu Ende gehende Epoche und es gehört zu dem von Warren Buffett zitierten Klassenkampf, also dem „Krieg – Reich gegen Arm“, den, wie Buffet es sieht, die Reichen begonnen haben und – seiner Meinung nach – auch gewinnen werden.

Zum Thema „Industrialisierung“ und die langen „Wege zur modernen Demokratie“ in Europa, siehe: Wolfgang Kruse, Industrialisierung und moderne Gesellschaft, bpb vom 27.09.2012; Hans Vorländer, Wege zur modernen Demokratie, bpb vom 26.01.2005 [-> zum Text]

[4] Thomas Piketty stellt in Capital in the Twenty-First Century (Belknap Press, 2014—Original: Le Capital au XXIE Siecle, Édition du Seuil, 2014) am Ende des Industriezeitalters fest, dass der (industrielle) Kapitalismus die sozialen Ungleichheiten eben nicht beseitigt hat – es ist viel schlimmer: am Ende dieser Epoche geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf. Karl Marx hat mit seinem Das Kapital sicherlich eine sehr viel wissenschaftlicheres Oeuvre vorgelegt und konnte noch nicht auf vorhandene Daten zugreifen, wie Thomas Piketty. Deshalb ist ein unmittelbarer Vergleich beider Arbeiten nur bedingt sinnvoll – siehe dazu auch: James K. Galbraith, Kapital for the Twenty-First Century?, Dissent– A Quarterly of Politics and Culture, 2014. Siehe auch: Helge Peukert: “Das Moneyfest“, metropolis-Verlag, 2014 / SR-Mediathek
[-> zum Text]

[5] Siehe dazu: Moritz Julius Bonn: Geld und Geist – vom Wesen und Werden der amerikanischen Welt, S. Fischer Verlag, Berlin 31927 — Siehe dazu auch: Resistenz gegen Genmais: Wieso die Schädlinge sich anpassen [-> zum Text]

[6] Hier wird anstelle von „mathematisch-naturwissenschaftlich“ das Adjektiv „logisch-mathematisch-naturwissen­schaftlich“ verwendet, um dezidiert darauf hinzuweisen, dass sowohl die uns heute bekannte Mathematik als auch die Naturwissenschaften auf dem Fundament der klassischen Aristotelischen Logik (cf. Folie_007) ruhen – das ist vielen Mathematikern und Naturwissenschaftlern heute gar nicht mehr bewusst.  [-> zum Text]

[7] The “Needham Question” or “Needham Problem,” also misleadingly called “the Needham Paradox,” refers to the guiding question behind Joseph Needham’s (b. 1900–d. 1995) massive Science and Civilisation in China, as well as his many other publications. As he phrased it, “the essential problem [is] why modern science had not developed in Chinese civilization (or Indian) but only in Europe.” He went on to consider another quite different question, equally important, and centered his historical research on it: “why, between the first century BC and the fifteenth century AD, Chinese civilization was much more efficient than occidental in applying human natural knowledge to practical human needs” (p. 190 of The Grand Titration [Needham 1969], cited under Basic Works by Needham). To seek answers, he compiled what Europeans had learned over three hundred years about science, medicine, and technology in China. Substantial original investigations by Needham and his several collaborators, of whom the best known were Lu Gwei-djen (Guizhen), Wang Ling, and Ho Peng Yoke (Bingyu), expanded and added depth to the picture, and Needham’s interpretations of the results gave it coherence. — aus: Oxfords Bibliographies. [-> zum Text]

[8] Gottfried Wilhelm Leibniz hat das sehr deutlich formuliert, wenn er 1697 in Novissima Sinica schreibt: “…dass die Chinesen, auch wenn sie seit einigen tausend Jahren mit erstaunlichem Eifer die Gelehrsamkeit pflegen und ihren Gelehrten höchste Preise aussetzten, dennoch nicht zu einer exakten Wissenschaft gelangt sind, ist, wie ich glaube, durch nichts anderes bewirkt worden als dadurch, dass sie … die [axiomatisch-deduktive] Mathematik nicht hatten…”. Aus: Novissima Sinica, deutsche Übersetzung von H.G. Nesselrath, Iudicium Verlag, München 2010, p. 17. (Zusatz in eckiger Klammer von EvGo). [-> zum Text]

[9] Aus den „Kernbotschaften des 5. IPCC-Sachstandberichts“ vom 11.04.2014 – Im englischen Originaltext lautet diese Passage (Summary for Policymakers, p. 4): Effective mitigation will not be achieved if individual agents advance their own interests independently. Climate change has the characteristics of a collective action problem at the global scale, because most greenhouse gases (GHGs) accumulate over time and mix globally, and emissions by any agent (e.g., individual, community, company, country) affect other agents.[4] International cooperation is therefore required to effectively mitigate GHG emissions and address other climate change issues. Furthermore, research and development in support of mitigation creates knowledge spillovers. International cooperation can play a constructive role in the development, diffusion and transfer of knowledge and environmentally sound technologies. [4] In the social sciences this is referred to as a ‘global commons problem‘. As this expression is used in the social sciences, it has no specific implications for legal arrangements or for particular criteria regarding effort-sharing. [-> zum Text]

[10] Den Anhängern des „Bedingungslosen Grundeinkommens“ sei gesagt, dass eine Industriegesellschaft immer ein kapitalistisches Wirtschaftssystem impliziert – ein Wirtschaftssystem, in dem ein bedingungsloses Grundeinkommen geradezu einen Widerspruch-in-sich darstellt; – auch der Kommunismus der Ostblockstaaten ist an diesem Widerspruch-in-sich von allem Anfang an gescheitert. Industrieller Kapitalismus und Kommunismus im Sinne einer Gemeingüter-Ökonomie schließen sich wechselseitig aus.  [-> zum Text]

[11] Was man benötigen würde, wären Simulationswerkzeuge wie etwa SimCity, bei denen die Computer nicht nur als Plattform für die Software dienen, sondern bei denen die Computer – und nicht nur ausschließlich der Mensch – die spielenden Akteure sind … :-) [-> zum Text]

[12] Johannes Heimrath: Die Post-Kollaps-Gesellschaft: Wie wir mit viel weniger viel besser leben – und wie wir uns heute schon darauf vorbereiten können, Scorpio Verlag, 2012 — siehe auch: Auf in die Post-Kollaps Gesellschaft
[-> zum Text]

[13] Siehe dazu: Paul Alsberg: Das Menschheitsrätsel, Sybillen Verlag Dresden 1922, neu verlegt 1978, edition schlot [-> zum Text]

[14] Diese Theorie umfasst eine Erweiterung der Zahlen durch so genannte nebengeordneten (oder qualitative) Zahlen, durch die polykontexturale Logik, durch die Kenogrammatik (eine prä-semiotische Theorie) und die Morphogrammatik (eine prä-logische Theorie) – siehe Folie_009. [-> zum Text]

[15] Siehe dazu: Gotthard Günther in Wikipedia sowie Gotthard Günther und Rezeptionen in: www.vordenker.de, www.thinkartlab.com [-> zum Text]

Breitbandausbau: Thema im Landtag NRW

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snow-220636_640In den letzten zwei Plenarrunden war der Breitbandausbau wieder einmal Thema im Landtag Nordrhein-Westfalens. Ihr wisst, dass wir schon mehrere Anträge dazu eingebracht haben, es Expertengespräche und Anhörungen auf unseren Antrag hin gab. Unserer Meinung nach geht der Breitbandausbau in NRW viel zu langsam voran, genauer gesagt gibt es bislang noch überhaupt kein Konzept, wie man ein schnelles Internet in alle Haushalte bringt. Derzeit stehen rund 9 Mio Euro Fördermittel dafür zur Verfügung – aus dem Landwirtschaftsministerium, zum Ausbau in Gegenden, in denen weniger als 2 Mbit/s. zur Verfügung stehen. Wer jetzt schon 2 Mbit hat, guckt in die Röhre.

Wir forderten, Fördergelder aus dem “Europäischen Fonds für regionale Entwicklung”, kurz EFRE genannt, ebenso für den Breitbandausbau zu nutzen. Bislang stand die Landesregierung auf dem Standpunkt, Fürdergelder aus EFRE nicht für den Ausbau von Breitband-Internet verwenden zu dürfen. Eine Meinung, die sich nach einem Expertengespräch im Wirtschaftsausschuss vom 19.03.2013 als falsch herausgestellt hat.

Piraten, CDU und FDP haben daraufhin eine aktuelle Stunde “Landesregierung darf beim Breitbandausbau nicht weiter auf der Bremse stehen” beantragt, die am Freitag, den 28. März 2014 debattiert wurde. Die gesamte Debatte könnt ihr hier nachsehen, meinen ersten Redebeitrag findet ihr ab Minute 7:20, meinen zweiten Redebeitrag bei 1:14:00.

Zu Beginn wurde ich übrigens wegen meines EFF-T-Shirts von der Präsidentin ermahnt.

Aus der Debatte folgte ein Antrag “Breitbandausbau beschleunigen – Landesregierung muss Operationelles Programm EFRE für flächendeckenden Breitbandausbau öffnen”, der im Grunde einen alten Antrag der gesamten Opposition aufgriff, sowie einen Entschließungsantrag dazu mit der Drucksachennummer 16/5534. Die Debatte dazu fand am Mittwoch, den 09. April 2014 statt. Meinen Redebeitrag könnt ihr hier nachsehen:

Erfreulicherweise gab es viel Resonanz, zum Beispiel in RTL, 1Live, WDR, sowie in der Presse (zum Beispiel hier oder hier). Das mit den Themen halt. Netzpolitik und so.

curva monasteria vs. curva pirata

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Ich. Beim Fußball. Soweit nix besonderes. An die 1000 Fußballspiele dürften es mittlerweile sein, die ich in den vergangen Jahren so besucht habe. Unzählige Grounds, unzählige Vereine. Aber neben vielleicht 50 bis 60 Schalker Spielen und einigen Deutschland-Spielen eigentlich immer im Support für meinen Verein RWO. Heute jedoch hat mich der schöne Zufall nach Münster getrieben. Auf Einladung (danke @NicoWde und @Saendralein) hab ich mir heute das Spiel SC Preußen Münster gegen den 1. FC Saarbrücken angesehen. Irgendwas wie Mittelfeld der Tabelle gegen Absteiger.
Ansgar Brinkmann im Fanblock, kein berauschendes Spiel, zwei Preußen-Tore, ein verdienter Arbeitssieg für die Preußen und für mich die Erkenntnis: Trotz gewisser Sympathie mit einem Verein, der nicht zu den Global Playern gehört, der ähnliche Schicksale wie meine Kleeblätter erleiden musste und für den ich mich heute sogar extra in grün gekleidet habe:

 

Aber darum soll es hier gar nicht so sehr gehen …
Was mir schon zu Beginn des Spiels aufgefallen ist und mir bislang in dieser Auswirkung so nicht klar war: Die Münsteraner Fan- und Ultraszene ist gespalten.

 

 

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Auf dem Foto gut zu erkennen: In Block M die Deviants und die “restlichen” Ultras ganz rechts im Bild in Block N. Dazu gesellt sich noch im Bereich des Blocks L der “Normalo”.
Stadionplan

 

Jetzt ist der SCP, wenn nicht Derby gegen Osnabrück ist, nicht gerade für berauschende Stimmung bekannt. Aber das heute war schon sehr bezeichnend … die beiden Ultrablöcke sangen zwar das ganze Spiel über, aber der Funke ging nur selten auf den Rest des Stadions über, welches mit etwa 7500 Zuschauern zur Hälfte gefüllt war. Jetzt will ich nicht weiter darauf eingehen, dass es in den letzten beiden Jahren Versuche gab, sich anzunähern. Schon gar nicht, warum diese scheiterten, bzw. über ein “ran rücken” der Ultras aus Block O in Block N nicht hinaus gingen. Und ja, ich weiß, dass es ähnliche Phänomene in vielen Vereinen gibt – auch bei meinem. Aber das heute war aktuell und hat mich ein wenig zum Nachdenken gebracht …

 

Den Ultras in Münster kann ich nicht wirklich helfen. Denen kann ich nur sagen: Ihr seid wenige. Wenn ihr Euch auch noch aufteilt, oder gleichzeitig zwar coole Aktionen, coole Gesänge macht, kommt davon nix oder nur wenig rüber. Würdet ihr zumindest, bei aller räumlichen Trennung, hier und da das ein oder andere gemeinsam auf die Beine stellen, so wäre Euch allen geholfen. Euch eint eine Sache, der SCP.

 

Das schöne an diesem Blogpost, und jetzt verlassen wir den Fußball, ist: den letzten Absatz könnte ich auch uns Piraten ins Stammbuch schreiben. Wir haben da ja diesen Richtungsstreit aka Flügelkacke oder wie auch immer jeder das zur Zeit für sich interpretiert oder nennt. Um es mit den Worten des @DSLawfox zu sagen: Fakt ist, wir sind gespalten. Trotz der berechtigten oder nicht berechtigten Meinungsverschiedenheiten, programmatischen Differenzen und was auch immer: Uns eint Dinge. Uns eint diese Piratenpartei. Uns eint der Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung, gegen Überwachung, für Datenschutz, Netzneutralität, kostenfreie Bildung, Teilhabe am digitalen Leben, mehr Demokratie, eine Reform des Urheberrechts, fahrscheinlosen ÖPNV und und und.

 

Nein, das wird kein “weiter so”. Wir dürfen uns streiten. Ich fand die Diskussionen auf dem letzten #lptnrw141 ja durchaus gut – auch wenn ich mit dem Ergebnis nicht immer ganz zufrieden bin. Wir können das auf dem #aBPT fortsetzen. Sollten dies auch tun. Aber: bleibt sachlich, beleidigt niemanden, werdet nicht unfair. Stempelt niemanden ab. Steckt niemanden in eine bestimmte Schublade, in der er sich selber vielleicht gar nicht einordnen möchte. Es gibt auch Piraten, die möchten in keine der zur Verfügung stehenden Schubladen hüpfen.

 

Ja, es gibt in dieser Partei Menschen, die hier nichts verloren haben. Die Missgunst sähen, die den Streit bringen und forcieren. Ich bin überzeugt davon, dass diese von alleine gehen, wenn sie merken, dass sie damit bei uns keine Chance hätten. Leider ist das im Moment anders. Wir gehen auf Provokationen ein, jeder holt seine persönliche Filterbubble und drauf … kann man machen, dann is man aber halt kacke.

 

Ich habs früher schon geschrieben. Es gibt so viel zu tun. Unser politischer Gegner sitzt da draußen. Guckt Euch die Osterblogs und Tweets der CDU an und schaut, wie sie mit dem freiheitlichen Wunsch nach einer Lockerung des Tanzverbots umgehen. Größtenteils mit Arroganz. Mit der Arroganz der Macht. Schaut Euch die ach so soziale SPD an oder die grüne Verbotspartei, die alles reglementieren möchte, was es zu reglementieren gibt. Oder diese Wirtschaftsliberalen. Mit der AfD muss ich wohl wirklich nicht anfangen … am Samstag bin ich mit einigen Vertretern dieser Spezies in Münster an deren Infostand ins Gespräch gekommen. Die werden einen einmaligen Erfolg im Mai feiern und sich danach selbst zerlegen. Soviel Doofheit habe ich selten auf einem Fleck getroffen.

 

Also, der Gegner wartet. Und der wartet nicht in Halle auf dem Bundesparteitag. Der wartet draußen, auf dem Spielfeld. An den Infoständen, in den Räten und Parlamenten.
Was ich spätestens heute gelernt habe: ein großer Block ist lauter als drei kleine.

 

Will sagen: wenn Spieltag ist, müssen wir gemeinsam Hand in Hand für unsere Ziele einstehen.

Wir waren so nah dran… (UPDATE)

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Ein paar Tage Abstand zum Landtag, ein Plakat auf dem Klo und ein kleiner Link im Internet – mehr braucht es nicht, um Nostalgie aufkommen zu lassen und mich in die Stimmung zu bringen, die Piraten als Idee zu hinterfragen: Was mir dafür fehlte? 2 Tage krank im Bett rumliegen, die Geschichte der Sozialdemokratie, eine Auflistung der Piratenparteien weltweit und ein wenig Wehmut. Dazu ein Plakat im Wahlkreisbüro:

“Aufgeben oder Kämpfen ?”

Von 2010, als die Welt noch in Ordnung war … aber wann ist dann eigentlich dieser ganze Scheiß mit uns passiert?

Am Anfang stand eine Bewegung, eine Idee, etwas ohne Grenzen. Internationale Gedankenwelten. Da ist etwas Neues, eine Entwicklung, die uns zusammenbringt, reaktionäre und konservative Kreise, die nichts von uns und unseren Problemen wissen wollte. Also haben wir eine Partei gegründet. Sind in die Politik; haben neben unseren Aktivitäten in den verschiedensten NGO versucht, durch politischen Druck etwas zu bewegen; sind gewählt worden, sicher aus dem Gefühl heraus, dass etwas falsch läuft in diesem Land, dass Menschen darunter leiden, wie Entscheidungen getroffen werden, wer wann welchen Blödsinn erzählt und die tumbe Masse damit auf seine Seite zieht; sitzen jetzt im Parlament und – geben unsere kämpferische Einstellung nach und nach auf…

Merken Sie noch was? So, oder so ähnlich hätte sicherlich ein Politiker der frühen SPD schreiben können! Oder eben ein verzweifelter Michele Marsching

…der im Landtag in NRW sitzt und sich immer wieder fragt, auf welchen Vorstellungen eigentlich die Anträge so beruhen, die wir Piraten im Plenum stellen? Warum sind wir eigentlich so sehr in der Realpolitik angekommen, dass jemand in der Fraktion der festen Überzeugung ist, bei Wirtschaftstheorie oder in der 200 Jahre dauernden Bergbau-Diskussion oder bei Themen wie Landwirtschaft, Gleichstellungspolitik oder Europa mitreden zu müssen bzw. überhaupt zu können?

Na gut, in einigen Bereichen kann man sich gute Referenten einkaufen, die dann ihr Fachwissen in den Landtag einbringen. Aber will man das überall? Ist ein Referent, der einen zu großen Wissensvorsprung hat nicht auch eine Gefahr, dem MdL einfach wegzulaufen und eigene Agenden zu verfolgen? Was wenn ein MdL überhaupt keine Verbindung mehr zu einem Thema herstellen MUSS, weil Referent/in X ihm schon all diese lästige Lese- und Recherchearbeit abnimmt, ihm alles vorkaut?

Wir reden also zu allen Themen mit. Jeder Antrag nimmt uns gefangen, zu allen Themen muss man eine Meinung haben! Das Hamsterrad dreht sich…unsere Grundsätze drehen aber nicht mit…

Als wir in den Landtag kamen, da war die Sache einfach: Haben wir ein Thema in dem wir keinen blassen Schimmer haben, dann fragen wir “die Basis”(tm). Irgendwer wird schon wissen, was die Fakten sind, dann machen wir eine Abstimmung und dann wissen wir, was “die Bürger”(tm) denken. Ist natürlich Blödsinn, kann man aber erstmal so denken!

Klar, wir haben kaum jemals die Basis zu irgendwas abstimmen lassen, die Zusammenarbeit mit Arbeitskreisen klappt nur so la-la, aber alles wird bald besser, denn die Partei passt sich dem Landtag an. Bald haben wir einen AK Religionspolitik und können da über einen Antrag zum Tanzverbot am Karfreitag beraten. Schöne neue Piratenwelt!

Aber ist das wirklich der richtig Weg? Was ist aus der internationalen Bewegung geworden, die vor allem 3 Sachen gefordert hat: freies Internet, Reform des Urheberrechts aus sozio-historischen Gründen und die Transparenz des Staates statt des transparenten Bürgers? Wo sind die Ideale davon hin, dass Politik vor allem Informationsgeber sein und der mündige Bürger selbst entscheiden soll? Wann erlauben wir uns endlich mal zu sagen: “Sorry, aber zu diesem Thema haben wir nun wirklich noch keine Meinung!”?

Im Wahlkampf hat uns das nicht geschadet, jetzt werden wir langsam und sicher wie alle anderen Parteien, haben auf alles eine Antwort und stellen kaum noch (an die richtigen Leute) (die richtigen) Fragen. Wohin hat uns das gebracht? Von 7.9% auf 1.8%?

Wir können jetzt aufgeben und das Experiment als gescheitert erklären. Aber das machte keinen Sinn. Die Probleme, wegen derer wir alle in die Politik und einige in Landtage und ins Abgeordnetenhaus gingen, sind doch lange nicht verschwunden. Im Gegenteil: mit jedem Prozentpunkt weniger für uns sinkt die Angst der Etablierten und sie machen weiter wie bisher. Sie schreiben jetzt überall Transparenz mit drauf und denken damit sei das Problem gelöst.

Wir müssen uns zusammen raufen, wieder Biss zeigen, auf der Straße stehen und Flyer verteilen, den Menschen zeigen, dass wir noch da sind. Wir dürfen uns nicht mehr um Menschen streiten, sondern um die Sache. TTIP, Snowden, die GroKo, dass Urheberrecht und die Beteiligung der Bürger. Das alles liebt noch im Argen, auch wenn wir uns mit vier Mini-Fraktionen auf Landesebene den Arsch aufreissen.

Machen wir so weiter, ohne Präsenz, ohne ständigen Wahlkampf, ohne Biss, dann sind wir bald draußen aus den Parlamenten. Kein Druck mehr von Innen, keine Angst mehr vor den kleinen Piraten. Dann haben wir versagt und unser Ziel verpasst. Dann können wir sagen

“Wir waren so nah dran.”

Da hängt es wieder, dieses Plakat. “Aufgeben oder Kämpfen?” und starrt mich an. Schon einmal habe ich hier gesessen, mit Twitter in der Hand und unruhigen Gedanken. Von Fraktionsaustritt bis Partei verlassen. Wie damals starre ich zurück und schreie am Ende das Plakat an.

Nur nah dran gewesen zu sein ist keine Lösung.

Aufgeben ist keine Option!

UPDATE: Nach einigen Gesprächen mit Mitarbeitern möchte ich klar stellen: Mitnichten wollte ich darstellen, dass es bereits Mitarbeiter in der Fraktion gibt, die statt der MdL politische Entscheidungen treffen und die Abgeordneten “fernsteuern”. Ich wollte nur auf die schwerwiegenden Kosequenzen hinweisen, wenn es dazu kommen sollte. Nicht jeder kommt mit hehren Zielen in den Landtag, mancher hat eine eigene Agenda und wird diese auch umsetzen wollen, wenn er merkt, dass ihm dies aufgrund der Situation möglich ist.

Mehr als nur Nazis jagen?!

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Da ich selber leider nicht zur Bilokation fähig bin und dieser Workshop parallel lief und auch super interessant klang, hier ein Gastbeitrag von Alice zum Workshop “Antifa feministisch weiterdenken”:

Das letzte Podium, was ich im Rahmen des Kongress “Antifa in der Krise?!” besucht habe, beschäftigte sich mit queerfeministischen Themen in der antifaschistischen Bewegung. Auffällig wurde, noch bevor es losging, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen dem oft formulierten Anspruch “Antifa ist mehr als Nazis jagen!” und den tatsächlichen Zuständen. Offensichtlich scheint es die cis-männlichen Genossen wenig zu interessieren was die beiden referierenden Personen der “trans*geniale f_antifa” zu sagen hatten. Immerhin waren ca. 3x mehr Frauen* als Männer anwesend. Die kommunistische Argumentation des Nebenwiderspruchs drängt sich auf.

Nach einer kurzen Einleitung fingen die Referierenden an einige Begriffe, die für dieses Thema wichtig sind, zu erklären. Damit kamen sie einem selbsterklärten Anspruch nach, ihren Vortrag auch für Personen offen zu gestalten, die keinen akademischen Hintergrund haben, um einer Exklusion vorzubeugen.

Im Rahmen dieser Begriffserklärung wurden einige Ansichten geäußert, die ich gerne weitertragen würde, da ich sie für interessant und/oder wichtig halte:

1. Ablehnung der Begriffe “Homophobie” und “Transphobie”, da sie Hass und Gewalt, zumindest dem Begriff nach, mit Angstzuständen erklären und damit eben jenen Hass relativieren. Als Ersatz wurde der Begriff “Heterosexismus” vorgeschlagen oder das Ersetzen des Wort “Phobie” durch “Feindlichkeit”.

2. Im Zusammenhang mit der Thematik Ableismus (Diskriminierung/Exklusion von behinderten Menschen) wurde angemerkt, dass Menschen nicht behindert sind, sondern durch die Gesellschaft behindert werden. (Stichwort: Einrichtung einer barrierefreien bzw. barrierearmen Gesellschaft und Umwelt)

Anschließend wurde die Struktur/Gruppe vorgestellt, aus der die beiden kommen. Die “trans*geniale f_antifa” versteht sich als Gruppe, die an feministische Antifakonzepte der ’90er anknüpft und sie um die Bedürfnisse von Trans- und Inter-Menschen erweitert. Um für die Gruppenmitglieder einen Raum zu schaffen, in dem sie sich vor Übergriffigkeiten sicher fühlen, sind keine cis-Männer zugelassen. Ansonsten probiert die Gruppe jegliche Exklusion zu vermeiden und übt daher Gesellschafts- und Herrschaftskritik, die u.a. auch in Reflexion über die eigenen Privilegien und eigenen Betroffenheit mündet. Sie versuchen barrierearme Räume und Veranstaltungen zu organisieren. (Stichwort: Reflexion darüber, inwiefern nicht-drogenfreie Räume (von Tabak über Alkohol bis hin zu “härteren” Drogen) eine Barriere darstellen)
Kritik wurde u.a. an der teils sehr heterosexistischen Berliner linksradikalen “Szene” geübt, an linker Emotionsfeindlichkeit, die den Umgang/die Verarbeitung von Erfahrungen mit sprachlicher und körperlicher Gewalt schwieriger macht und damit selber wieder zur Barriere werden kann.

Ein schwerer, aber berechtigter Vorwurf ist, dass die radikale Linke, genau wie der Rest der Gesellschaft, Trans-Menschen unsichtbar macht (z.B. auf Plakaten, in Aufrufen gegen Naziaufmärsche etc.) Dabei gibt es viele und berechtigte Gründe, warum Queer-Feminismus Teil der antifaschistische Bewegung sein sollte. Die “trans*geniale f_antifa” nimmt z.B. positiven Bezug auf den Schwur von Buchenwald und benennt als Wurzel des Nazismus u.a. die duale Geschlechtereinteilung und das Patriarchat. So wurden z.B. bei der ersten Bücherverbrennung in Berlin auch sexualwissenschaftliche Werke verbrannt.

Weiterhin zeigt sich gerade in letzter Zeit wie “besorgte Eltern” und Rechte Hand in Hand gehen (z.B. Pro Köln in Köln, NPD und Autonome Nationalist_innen in Stuttgart).

Ein weiteres Bespiel, dass Nazis massiv antifeministisch sind, ist einer der jüngsten Angriffe in Schweden auf Showan Shattak. Er war nicht das einzige Opfer des Angriff. Er und seine Genoss_innen kamen von einer Veranstaltung zum Frauenkampftag. Weiterhin hat Showan die Kampagne “Fottbolssupportrar mot Homofobi” (Fußballfans gegen Homophobie) mit initiiert. Aber natürlich gibt es trans- und homofeindliche Übergriffe auch in Deutschland und nach Aussage der Referierenden ist die queerfeministische Bewegung alleine nicht in der Lage, das alles abzufangen und Widerstand zu leisten. Genau hier könnte “die Antifa” ins Spiel kommen.

Zusätzlich wurde noch ein ganz konkretes aktivistisches Thema angesprochen. Der “Marsch für das Leben” eine heteronormative, patriarchale und reaktionäre Demonstration, die jeden September in Berlin stattfindet und sich gegen Abtreibungen richtet. Trotz steigender Mobilisierungszahlen und politischem und gesellschaftlichem Einfluss (Grußworte kommen u.a. von Mitgliedern des Bundestages und der Landtage sowie von Bischöfen) bleibt eine große linksradikale Mobilisierung zu Gegenprotesten bis jetzt aus. Hier wären antifaschistische Gruppen gefragt, um die (queer)feministische Bewegung zu unterstützen und Teilnehmer_innen der Gegenveranstaltungen vor Übergriffen zu schützen.

In der anschließenden Diskussion wurde u.a. gefragt, was sich “die queerfeministische Bewegung” von “der Antifa” wünscht. 3 Hauptpunkte wurden daraufhin von den Referierenden genannt.
1. Reflexion über eigenes exkludierendes Verhalten
2. Zusammenarbeit (z.B. Mobilisierung gegen reaktionäre Demos)
3. Queerfeminismus muss Alltag werden!

PS: Wie sehr auch die antifaschistische Bewegung patriarchale Verhaltensmuster verinnerlicht hat, zeigt sich auch darin, dass Frauen in der Naziszene in den meisten Fällen als Mitläuferinnen angesehen werden und selten als Täterinnen benannt werden oder Ziel von Recherche sind.

“You shall not pass”

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Antifa-Kongress, nächster Teil

Workshop:

nazifrei revisited – Über Blockadebündnisse

Immerhin beginnt es mit einer Entschuldigung, dass nur Männer auf dem Podium sitzen. Ich erfreue mich daran, dass es in der Szene zumindest ein Bewusstsein für diese Probleme gibt, aber der Leidensdruck ist offensichtlich nicht groß genug, um’s zu ändern, sondern nur, um sich zu entschuldigen. (Und das nächste Mal läuft’s dann wieder so?)

Aber kommen wir zum eigentlichen Thema:
Auf dem Podium Vertreter aus Dresden, Cottbus, Bad Nenndorf

Dresden nazifrei:

Dresden wird sehr oft als Vorbild genannt. Aber dieses Jahr war eher kein Erfolg.

Erfolg in Dresden: bis 2009 konnten große Gruppen Neonazis durch Dresden marschieren. Zwar mit kleinen Gegenbewegungen, aber bis dahin war die zivilgesellschaftliche Auffassung sehr davon geprägt, dass man sie halt laufen lassen könne und dann wären sie nach einem Tag wieder weg. Mittlerweile wird immerhin mehr darüber diskutiert, wie man mit diesem Tag nun umzugehen hat. Es ist lange noch nicht so, dass die Auseinandersetzung mit dem Opfermythos in weiten Teilen der Gesellschaft zufriedenstellend erfolgt.

Die Frage nach Legitimität von Blockaden wurde diskutiert. Diesbezüglich hat sich gefühlt das Klima in der Stadt durchaus verändert. Mehr Menschen aus Dresden selbst, sind bereit, sich an Blockaden zu beteiligen.

Kritisch wird gesehen, dass in diesem Jahr in der Öffentlichkeit dargestellt wurde, dass Dresden den 13.2. zurück habe und dies ist schlicht nicht wahr. Es waren Nazis in der Stadt und die kritischen Stimmen waren viel zu wenig bei den Gedenkveranstaltungen. Da der große Punkt des Naziaufmarsches wegfiel, wird es schwerer, den Diskurs um den Opfermythos und die Feierlichkeiten des Tages aufrecht zu halten. Ordner*innen der Menschenkette sollen die Anweisung gehabt haben, auch bei offenkundigen Neonazis dazwischen nicht einzuschreiten, um das Gedenken nicht zu stören. Die Demo der Nazis am Tag zuvor wurde hingegen kaum in der Öffentlichkeit beachtet.

Bad Nenndorf:

Angst der Menschen vor Ort vor angeblich Autos anzündende Autonomen war zunächst vorhanden. Struktur geschaffen, um Massenblockade zu organisieren. Erst zwei Jahre nach den ersten Naziaufmärschen hat sich die breite Mehrheit mit dem Problem beschäftigt. Vorher haben sich hauptsächlich Menschen aus Antifa-Strukturen dem entgegengestellt. Weiterhin ist es eher ein kleiner Ort, so dass Vertrauensarbeit wichtig war. Seit 2010 geht die Teilnehmer*innenzahl der Naziaufmärsche deutlich zurück aufgrund der Gegenproteste.

Cottbus:

Bündnis seit ungefähr vier Jahren. Vorbild Dresden. Unterschiedliche Akteur*innen. Zwei Jahre lang hat das Konzept nicht funktioniert. Sitzblockaden wurden gewaltsam geräumt etc.
Zwei Jahre hat es geklappt, den Naziaufmarsch zu verhindern. Es haben sich zunehmend Menschen getraut, mitzumachen. Bei größeren Gruppen in Sitzblockaden nimmt die Gefahr von Gewalt durch die Polizei gegen Aktivist*innen ab. Viel Kommunikation mit der Stadt. Breites Bündnis: Gewerkschaften, Autonome Antifa, Parteimitglieder etc.

Magdeburg:

Problem der Informationsbeschaffung: Da es keine Informationen über die Route der
Nazis gab, war es quasi unmöglich, effektive Sitzblockaden durchzuführen. Dadurch werden Gruppen zersplitterte. (Es ist nicht machbar, 11 Bahnhöfe zu besetzen.) Akzeptanz ist in der
Mehrheit schon vorhanden.

Dortmund:

Bündnis noch relativ neu. Diskussionen natürlich auch über Aktionskonsens. Verschiedene Akteur*innen (Autonome Antifa, Gewerkschaften, Parteien etc.) Bürgermeister hat zunächst freudig verkündet, dass es das Bündnis gibt. Später dann doch keine Unterstützung. Weiterhin Diskussionen darüber, ob man überhaupt Blockaden durchführen oder dazu aufrufen darf. Ablauf des 1. Mai im Detail noch unklar.

Kritikpunkte: Wird genug reflektiert, ob Sitzblockaden sinnvoll sind? Gibt es weitere Aktionsformen, die angewendet werden können? Viel hängt an der frühzeitigen Kenntnis der Route von Aufmärschen. Problem außerdem, mit wem man zusammenarbeiten möchte. Eine Kooperation mit Menschen, Parteien, die in ihrem Verhalten Rassismus etc. mittragen, muss kritisch gesehen werden. Oft geht es halt darum, dass Image einer Stadt zu verbessern. Alle machen toll was gegen Nazis. Presse/Öffentlichkeit: Wenn es gut klappt, war es die breite Gesellschaft/die Stadt, die Naziaufmärsche verhindert haben. Wenn irgendetwas schief geht, waren es “die Autonomen”.

Wünschenswert:

In antifaschistischen Gruppen sollte es mehr Vor- und Nachbereitung von Aktionen geben. (Zum Beispiel zum Umgang mit Polizeigewalt und dadurch entstandenen physischen und psychischen Verletzungen. Darauf gehe ich eventuell nochmal mit einem gesonderten Text ein, weil es auch zu der im Seminar zu Antifa und Feminismus geäußerten Emotionsfeindlichkeit der linken Szene passt und damit als Thema komplexer wird.)

Verkackt. Oder: man kann schon den Wahlausschuss anlügen …

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tl,dr

 

 

Die Langfassung:

Wir hatten zu Aufstellungsversammlungen geladen. Insgesamt zu dreien an der Zahl. Am 15.02., 05.03. und 30.03. – uns allen war klar, dass es schwierig wird, alle 29 Wahlbezirke zu besetzen. Aber wir taten es. Am 30.03. konnten wir nach großen Anstrengungen die restlichen Wahlbezirke formell besetzen.
Spät, weil wir in unserem kleinen Piratendorf vor dem 15.02. mit zwei Aufstellungsversammlungen gefailt hatten. Die ersten beiden Einladungen wurden vom beauftragten Piraten nicht rechtzeitig verschickt.
Schwierig, weil wir in Oberhausen auf dem Papier zwar rund 70 Piraten zählen, die Zahl der Aktiven aber meist an einer Hand abzuzählen ist. Nun kommt es also immer auf jeden Einzelnen dieser Aktiven an. Und wenn dann nicht alles Hand in Hand geht, gibt’s Probleme.
Nachdem wir also am 30.03. die letzten Kandidierenden aufgestellt hatten, hat sich Andreas um die weiteren Formalitäten gekümmert. Unterschriften einholen, Formulare ausfüllen und und und. Dabei hatte er mich auch gebeten, nochmal über die Formulare drüber zu schauen, bevor er die einreiche. Das haben wir unter der Woche nicht mehr geschafft, so dass wir uns verständigten, die Unterlagen mit nach Bielefeld zu nehmen, weil eh noch die Unterschriften des Landesvorstands fehlten.
Mein persönlicher Fail an dieser Stelle: Ich habe es auch am LPT-Wochenende nicht geschafft, mir die Unterlagen konzentriert anzusehen. Ich ging einfach davon aus, dass es schon passen wird. Wie dem auch sei … wir haben uns verständigt, dass AndRo, als einer der Vertrauensleute, am Montag morgen direkt zum Wahlamt geht und die vorliegenden Unterlagen einholt. Drei Unterschriften von Kandidaten fehlten noch, ich wollte diese im Laufe des Montags einholen und tat das auch.

Einreichung der Unterlagen beim Wahlamt am Montag, 07.04.2014

Vom Montag Mittag berichtet AndRo wie folgt:

“Als wir vor der abschließenden Einreichung der Unterlagen die von uns nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellten und ausgefüllten Formulare zur Prüfung  vorlegten, hatte sein Mitarbeiter pflichtgemäß darauf hingewiesen, dass die Protokolle, wie wir sie geführt haben formal nicht ausreichen, und wir in einer separaten Liste die Direkt- und Listenkandidaten aufführen müssten. Desweiteren bestätigte er mir, dass wir keine zusätzlichen Zustimmungserklärungen für die Listenkandidaten bräuchten, da wir entsprechende Felder auf den Wahlvorschlägen für die Wahlbezirke korrekt gekennzeichnet hätten. Darüber hinaus wies er noch auf einige kleine formelle Fehler hin, die wir bitte noch korrigieren mögen. Man beachte: mehrfach wurde also die Aufstellung einer Reserveliste angesprochen. Das Fehlen eines notwendigen separaten Formulars mit dem Wahlvorschlag wurde allerdings nicht moniert.Als wir wenig später und nach großen Anstrengungen alle Unterlagen entsprechend zusammengestellt und – wo nötig – vervollständigt und korrigiert hatten, standen wir in letzter Minute – knapp vor Ablauf der Einreichungsfrist um 17:45 Uhr – mit den Unterlagen im Wahlamt.

Diesmal setzte sich Abteilungsleiter Ludwiczak dazu und verfolgte mit kritischem Blick die Überprüfung. An drei Terminen hatten wir Wahlversammlungen abgehalten, damit wir für alle Wahlbezirke Kandidaten aufstellen können. Bei der ersten Niederschrift hakte er sofort wegen dem eingetragenen Termin nach, weil er im Internet einen anderen angekündigten Termin gelesen hätte. (Zwei Aufstellungsversammlungen hatten wir ausfallen lassen müssen, da keine fristgerechte Einladung erfolgt war. Wir waren sehr darauf bedacht alle formal korrekt durchzuführen! Daher hatten wir die inoffiziell vorangekündigten Termine storniert und erst gewählt, nachdem unsere Einladungen fristgerecht bei unseren Mitgliedern eingegangen waren.) Offensichtlich hat er aber unsere Bemühungen sogar auf unseren eigenen Medien verfolgt. Umso erstaunlicher, dass er hingegen die entsprechende Berichterstattung der Lokalpresse nicht mitkommen hat, in der auch über die von uns aufgestellte Reserveliste berichtet wurde. Denn geradezu genüsslich monierte er jetzt das Fehlen des Wahlvorschlages dieser Reserveliste. Auch eine Gelegenheit zum kurzfristigen Nachreichen gäbe es jetzt nicht mehr, da es inzwischen nach 18:00 Uhr wäre und die Frist damit halt um. Im gleichen Atemzug lehnte er auch die Annahme weiterer Unterlagen ab, da diese bei Betreten des Raumes nicht mit vorlagen. Ein Kandidat war extra direkt zum Wahlamt gekommen um eine Unterschrift zu leisten, die noch fehlte und saß mit diesem Stapel auf dem Flur. Laut dem Abteilungsleiter hätte aber alles bereits mit Betreten des Raumes “auf dem Schreibtisch liegen” müssen, sonst könne er es nicht mehr gelten lassen.”
Wir trafen uns danach in meinem Wahlkreisbüro um die weitere Vorgehensweise zu besprechen. So zweifelte ich im Wahlamt noch die Frist 18 Uhr an (ich ging davon aus, die Frist liefe bis Mitternacht), welche sich aber leider bestätigte. Ins Auge fiel uns dann aber §27 (1) der Kommunalwahlordnung (KWahlO), der besagt:

“Vorprüfung der Wahlvorschläge für die Wahlbezirke durch den Wahlleiter

(1) Der Wahlleiter vermerkt auf jedem eingereichten Wahlvorschlag den Tag und die Uhrzeit des Eingangs. Er prüft unverzüglich, ob die eingegangenen Wahlvorschläge vollständig sind und den Erfordernissen des Gesetzes und dieser Verordnung entsprechen. Stellt der Wahlleiter Mängel fest, die einen gültigen Wahlvorschlag bis zum Ablauf der Einreichungsfrist nicht zustande kommen lassen (§ 15 Abs. 2 Satz 5 und Abs. 3 Satz 5, § 17 Abs. 8 Satz 5 des Gesetzes), so fordert er unverzüglich auf, diese Mängel zu beseitigen. Stellt er Mängel fest, die die Gültigkeit des Wahlvorschlags bei Ablauf der Einreichungsfrist nicht berühren, so fordert er unverzüglich auf, diese Mängel bis zur Zulassung zu beseitigen.”

Nichts davon geschah am Montag Mittag. Zumindest nicht in Bezug auf die Einreichung des Wahlvorschlags für den Gemeinderat. Wir werden bei unserem Beschwerdeverfahren selbstverständlich hierauf referenzieren.

zum weiteren Wochenverlauf – die offizielle Mängelliste

Am Dienstag erhielten die Vertrauenspersonen (Sandra und ich) Mails vom Wahlamt mit aufgeführten Mängeln:

      • Der Wahlbewerber für den Wahlbezirk 14, Herr XYZ, wohnt weder unter der angegebenen Wohnung, noch hält er sich dort auf.
      • Das Sitzungsprotokoll/die Anwesenheitsliste der Versammlung vom 30.03.14 mit den Unterschriften der Teilnehmer bitte ich mir bis zum 08.04.2014 vorzulegen
      • Vorlage der Sitzungsprotokolle/Anwesenheitsliste vom 15.02.14 mit den Unterschriften der Teilnehmer bis zum 08.04.2014
      • Weiterhin bitte ich mir mitzuteilen, wer die Wahlvorschläge unterschrieben hat. Ein Nachweis von der Wahl des für das Wahlgebiet zuständigen Vorstandes nach demokratischen Grundsätzen ist vorzulegen.
      • Im Wahlvorschlag zum Wahlbezirk 19 ist das Geburtsdatum des Wahlbewerbers bei der Bescheinigung der Wählbarkeit zu ändern.
      • Im Wahlvorschlag für den Wahlbezirk 03 fehlt der Beruf des Wahlbewerbers,
      • im Wahlvorschlag für den Wahlbezirk 09 ist die Wahlbezirksbezeichnung unvollständig
      • Laut Niederschrift über die Mitgliederversammlung zur Aufstellung der BewerberInnen haben sie einzeln über die Reservenlisteplätze 1-6 abgestimmt. Ein Wahlvorschlag zur Wahl der Gemeindevertretung wurde jedoch nicht eingereicht. Die in den hiesigen Hausbriefkasten nach Ablauf der Einreichungsfrist eingeworfenen Unterlagen wurden verspätet eingereicht.
      • Die in den hiesigen Hausbriefkasten nach Ablauf der Einreichungsfrist eingeworfenen Unterlagen zu den Wahlbezirken 02, 04, 08, 11, 12, 16 und 18 und den Bezirksvertretungen Alt-Oberhausen und Sterkrade wurden verspätet eingereicht.

Die Bereinigung der aufgeführten Mängel

Ne Menge Holz .. aber soweit nichts Ungewöhnliches im Großen und Ganzen. Wir haben unter der Woche dann die Unterlagen zusammengetragen und alles nachgereicht, was bemängelt wurde.
Zu den einzelnen Punkten:

      • Der Wahlbewerber für den Wahlbezirk 14, Herr XYZ, wohnt weder unter der angegebenen Wohnung, noch hält er sich dort auf
Der Bewerber wohnt dort, die Adresse steht auf seinem Personalausweis. Das Wahlamt zweifelt dies dennoch an. Offenbar wohnt der Leiter des Wahlamts dort und er kennt den Anwohner nicht. Nun denn …
      • Das Sitzungsprotokoll/die Anwesenheitsliste der Versammlung vom 30.03.14 mit den Unterschriften der Teilnehmer bitte ich mir bis zum 08.04.2014 vorzulegen
      • Vorlage der Sitzungsprotokolle/Anwesenheitsliste vom 15.02.14 mit den Unterschriften der Teilnehmer bis zum 08.04.2014
Alles nachgereicht. Unterschriftslisten haben wir nicht geführt. Die Anwesenheit wurde elektronisch protokolliert (Pad und Verwaltungsportal). Das hat das Wahlamt leider nicht verstanden. Spannend hierzu bei der Sitzung des Wahlausschusses: Es wurde moniert, dass im Protokoll ein Nickname verwendet wurde. Ich entgegnete darauf, was das Wahlamt denn mit meinem vollen Namen anfangen könne. Darauf wurde erwidert, man könne die Wahlberechtigung prüfen, um zu sehen, ob der Anwesende berechtigt ist, die Liste aufzustellen.
Was dabei aber übersehen wird: Das ist bedeutungslos. Denn entscheidet ist, dass der Anwesende Mitglied bei den Piraten ist – und das kann das Wahlamt sowieso nicht prüfen. Dieser Mangel geht also völlig ins Leere.
      • Weiterhin bitte ich mir mitzuteilen, wer die Wahlvorschläge unterschrieben hat. Ein Nachweis von der Wahl des für das Wahlgebiet zuständigen Vorstandes nach demokratischen Grundsätzen ist vorzulegen
Ganz spannender Punkt. Ich teilte per Mail mit, dass unser stellvertretender Vorsitzender Christian Gebel unterschrieben habe. Damit kam man gar nicht klar. Wieso denn der Landesverband? Es wurde telefonisch bei mir angefordert, dass ich doch bitte einen Nachweis über einen Beschluss der Piraten Oberhausen erbringen solle, der über die Leitung durch den Landesverband beschlossen hat. WTF? Einfach mal mit gesetzlichen Bestimmungen beschäftigen … ich teilte mit, dass ich einen Nichtbeschluss nicht beibringen könne.
Im Laufe der Woche wollte man dann noch die Satzung des Landesverbands haben, weil man das wohl im SPD-geführten Wahlamt so gar nicht nachvollziehen konnte. Kein KV? Keine Posten? Was ist denn das für eine komische Partei?
      • Im Wahlvorschlag zum Wahlbezirk 19 ist das Geburtsdatum des Wahlbewerbers bei der Bescheinigung der Wählbarkeit zu ändern
      • Im Wahlvorschlag für den Wahlbezirk 03 fehlt der Beruf des Wahlbewerbers
      • im Wahlvorschlag für den Wahlbezirk 09 ist die Wahlbezirksbezeichnung unvollständig
Alle drei Punkte wurden zügig von uns berichtigt.
      • Laut Niederschrift über die Mitgliederversammlung zur Aufstellung der BewerberInnen haben sie einzeln über die Reservenlisteplätze 1-6 abgestimmt. Ein Wahlvorschlag zur Wahl der Gemeindevertretung wurde jedoch nicht eingereicht. Die in den hiesigen Hausbriefkasten nach Ablauf der Einreichungsfrist eingeworfenen Unterlagen wurden verspätet eingereicht.
Das ist der spannendste Punkt. Andreas war, wie oben ja berichtet, mit allen Unterlagen mittags im Wahlamt. Unter anderem dabei: Die Sitzungsprotokolle, aus denen die Wahl einer Reserveliste deutlich hervorgeht und die Anlagen 11a zu § 26 Abs. 1 Satz 1 KWahlO (Wahlvorschlag für die Wahl im Wahlbezirk), aus denen unter Punkt II ebenfalls unmissverständlich hervorgeht, dass wir eine Reserveliste aufgestellt haben. Was fehlt allerdings war Anlage 11bzu § 31 Abs. 1 Satz 1 KWahlO (also der eigentliche Wahlvorschlag für die Reserveliste). Ja, das ist dumm, vor allem, weil das Blanko-Formular die ganze Zeit bei den Wahlunterlagen dabei war, aber: der Wahlleiter ist hier meiner Auffassung nach ganz eindeutig nicht seiner Pflicht nach §27 (siehe oben) nachgekommen. Hier hätte zwangsläufig ein Hinweis erfolgen müssen, dass Anlage 11b fehlt. Spannend dabei:
Als wir vor 18 Uhr erneut im Wahlamt waren und die fehlenden Unterlagen abgegeben hatten, erfolgt der Hinweis seitens des Amtsleiters um kurz nach 18 Uhr. Ich gehe davon aus, dass der Mangel bereits mittags auffiel, jedenfalls vor 18 Uhr und kein Hinweis an uns gegeben werden sollte.

Die Schilderungen im Wahlausschuss sprechen ebenfalls deutlich dafür. Hier wurde seitens des Amtsleiters gelogen. Andreas sei nicht mit den besagten Unterlagen da gewesen. Für das Wahlamt sei nie ersichtlich gewesen, dass eine Reserveliste aufgestellt wurde. Skandal! Man kann schon den Wahlausschuss anlügen, aber dann iss man halt kacke.

      • Die in den hiesigen Hausbriefkasten nach Ablauf der Einreichungsfrist eingeworfenen Unterlagen zu den Wahlbezirken 02, 04, 08, 11, 12, 16 und 18 und den Bezirksvertretungen Alt-Oberhausen und Sterkrade wurden verspätet eingereicht.

Dieser Mangel wird von uns nicht bezweifelt. Es fehlten halt noch Unterschriften. Das ist besagter Papierstapel, der halt nicht zeitgerecht beim Wahlleiter war, sondern in Ralfs Händen, weil er auf eine Unterschrift wartete … Soviel zu den Mängeln und unseren Versuchen, diese zu bereinigen.

Wie gehts jetzt weiter?

Wir werden gemäß §18 Kommunalwahlgesetz NRW Beschwerde beim Landeswahlausschuss einlegen.
… to be continued.

Ein persönliches Statement zum Abschluss:

Ja, wir haben einiges verbockt. Mehrere beteiligte Piraten in Oberhausen. Auch ich, in dem ich versäumt habe, mit meiner Erfahrung aus den letzten Wahlkämpfen, die Formalitäten rechtzeitig zu kontrollieren. Am vergangenen Montag ging meine Meinung auch eher in die Richtung “ok, Scheiße gebaut, nicht alles vollständig, doof, unser Pech”. Aber der Umgang seitens des Wahlamts mit uns von Montag mittag und über die ganze Woche hinweg; der Verlauf der Wahlausschusssitzung, in der zwei Mitglieder uns ermunterten, den Beschwerdeweg zu gehen – das sind Dinge, die dann mitten ins Piratenherz treffen. Wir lassen uns das nicht gefallen. Werden zudem prüfen, welche Konsequenzen das Lügengebahren im Wahlausschuss zudem haben kann – unabhängig unserer Wahlzulassung.

Oder um es mit Ghandi zu sagen:
„Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“
Und für mich selber? Konsequenzen? Ich überlege ernsthaft, mich einem funktionierenden (v)KV anzuschließen … zumindest für die nächste Zeit.

Das heißt nicht, Oberhausen links liegen zu lassen. Das heißt, die eigenen Kräft optimal einzubringen. Und dazu brauche ich auch ein Stück regionale, strukturelle Identifikation. Ich überlege weiter …

Aber weitere harte Jahre außerparlamentarische Opposition in dieser verfilzten Stadt? Ich weiß es nicht … vielleicht ist auch die Unterstützung des BOB eine Option. Wir werden sehen, wie es nun weitergeht. Und ein bisschen Europawahlkampf ist ja auch noch ..

“Antifa in der Krise?!”

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Kongress

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Das Podium von gestern ist mir leider entgangen. Hier nun zum heutigen Tag:

(Insgesamt sind es recht viele Eindrücke und Inhalte, so dass es mir schwer fällt, dies kurz zusammenzufassen. Da aber meine geneigten Leser*innen mitunter nicht alle Antifa-Aktivist*innen sind, trotzdem ein paar Betrachtungen auf den heutigen Tag der oben genannten Konferenz.)

Workshop 1:

NSU und Antifa

Erschreckend im Rückblick, dass antifaschistische Gruppen durchaus die Täter*innen und Unterstützer*innen im Blick hatten auch Jahre vor der Enttarnung.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die zentralen Fragen im Prozess zum Beispiel gar nicht geklärt werden?
Was/wer könnte/kann Recherche leisten? Ein Vorschlag war u.a. eine oder mehrere nichtstaatlich organisierte und finanzierte Ganztagsstelle(n), die Rechercheergebnisse zusammentragen, publizieren und weiterführen.

Mehr Kommunikation mit Opfern von rechter Gewalt oder Angehörigen anbieten.

Den NSU nicht als Geschichte betrachten, als abgehakt ansehen, die Vorfälle als von Einzeltäter*innen begangen abtun. Neonazis haben immer noch Waffen. Es gibt eine gute Vernetzung der Szene. Es muss ein Unterstützer*innennetzwerk gegeben haben.

Workshop 2:

Tschechien. Antiziganismus.

Workshop 3:

Proteste gegen Asylsuchendenunterkünfte

Beispiele Hellersdorf, Leipzig, aus dem Publikum Duisburg und Essen und weitere. Schwierig: Alltagsrassimus und Antiziganzismus bei “besorgten Bürger*innen” weit verbreitet. Dies wird von rechten Gruppierungen/Parteien aufgegriffen, im Wahlkampf verwendet und verstärkt. Dadurch werden auch zahlenmäßig recht große Gruppen mobilisiert.

Problem: schmaler Grat zwischen Paternalisierung und Hilfe zur Selbsthilfe (sprich Empowerment oder Ermutigung von Refugees, ihre politischen Anliegen zu formulieren und ihre Kämpfe selbstorganisiert zu führen)

Abendpodium:

http://kriseundrassismus.noblogs.org/post/2014/03/10/antifa-in-der-krise-3/

“Danke an die “Junge Freiheit” (Anm. Rechte Zeitung). Jetzt schaut auch der Verfassungsschutz zu. Das ist ja irgendwie auch beruhigend.”

Welche Rolle kann “die Antifa” spielen in einer Welt in einer Krise?

Themenblock 1:

Die rechtspopulistische Partei AfD stellt die Antifa vor neue Herausforderungen. Die AfD verschiebt den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts. Klassische Strategien funktionieren da nicht, weil die AfD vermeidet mit bekannten Rechtsradikalen zusammenzuarbeiten. Es ist nichtsdestotrotz eine nationalistische Partei. Man muss an der Stelle also inhaltlich angreifen. Widersprüche aufzeigen (auch zwischen Wähler*innenklientel und Leistungschauvinismus im Programm). Die Gefahr besteht, dass die von der AfD vertretenen Positionen in einer von Alltagsfremdenfeindlichkeit durchzogenen Gesellschaft auf fruchtbaren Boden fällt.

Themenblock 2:

Zunehmende Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte, nicht immer gewalttätig, aber häufig, zeigen Probleme des Versuchs der Abgrenzung vieler Bürger*innen gegen Flüchtlinge etc. und eine Verbrüderung eines bürgerlichen Mobs mit Neonazis. Willkommenskultur kann hier frühzeitig helfen, allerdings wird auch hier der Kritikpunkt genannt, dass leider vielfach Asylsuchende selber gar nicht gefragt werden. Ebenso müssen lokale Strukturen eingebunden werden.

Politisch: Überfälle werden als unpolitisch abgetan. Aktivist*innen/Opfer von rechter Gewalt werden zu häufig als Täter*innen angenommen. Es wirkt, als hätte man aus dem NSU nicht gelernt bzw. sind strukturelle Probleme einfach tatsächlich nicht behoben worden. Ermittlungsbehörden sind weiterhin so tätig wie vor dem Bekanntwerden des NSU. Der Verfassungsschutz zieht im
Grunde Vorteile daraus. Heimleiter*innen wollen trotz Übergriffen Normalität zeigen. Hier überall muss der Finger in die Wunden gelegt werden.

“Selbst wenn Rassismus in einer Gesellschaft Normalität ist, ist das nicht unsere Normalität.”

Themenblock 3:

Nachwuchsproblem bei der Antifa? Zu wenig Menschen für zu viel, was man leisten möchte? Warum wächst die Antifa nicht? (Kurze Antwort: “weil es anstrengend ist”)

Was gut funktioniert: Große Bündnisse (Blockaden in Dresden als Beispiel), Blockaden sinnvoll aus einer defensiven Position heraus?) grundsätzlich Diskussion über zivilen Ungehorsam in einer größeren Gruppe von Zivilgesellschaft. Was ist legal? Was ist legitim?

Themenblock 4:

Institutionelles Versagen bei den NSU-Taten. Systemisches Versagen. Auch Antifagruppen haben ihre durchaus Erkenntnisse zu wenig vernetzt. Zu viele Aufgaben, zu wenig Zeit/Menschen. Beispiel: Zu wenig Begleitung des NSU-Prozesses. Arbeitsteilung muss verbessert werden.

Antifarecherchen werden durchaus verwendet, trotzdem wird die Expertise nicht anerkannt. Gesellschaftspolitische Analysen werden komplett ignoriert.

Fragestellungen/allgemeine Ansätze:

Strukturen und Alltagsrassismus als Thema stärker in den Fokus nehmen. Mit Opfern reden.
Wie kann sich Antifa Gehör verschaffen? Mehr selber Akzente setzen, nicht nur reagieren. Willkommenskultur schaffen/verbessern. Mit anderen Gruppen vernetzen? Antifa/Antira-Arbeit besser vernetzen. Wie wird man mehr gesellschaftliche Linke? Sich selbst als politischen Akteur ernster nehmen. Strategischer handeln. Arbeitsprozesse verbessern. Trotz fehlender Bundesorganisation Vernetzung/Austausch autonomer Gruppen verbessern. Erweitern auf soziale Themen.

Was mich bis dahin beim Kongress bewegt (Zwischenfazit):

Positiv:

Grundsätzlich sinnvolle Veranstaltung, seit Jahren größerer Kongress dieser Art in Deutschland. Viele engagierte Menschen, nach meiner Auffassung recht gut besucht (Workshopräume sehr voll), fachlich in den meisten Fällen sehr hochwertig, interessante Vorträge, gute Einbindung des Publikums, oftmals sehr gute Moderation, wie immer bei Kongressen zu viele spannende Sachen gleichzeitig

Negativ:

Teilweise “Mackerkultur” (mehrfach irgendwie unnötig angerempelt worden, so rücksichtsloses Verhalten nervt mich schnell), überhaupt reden auch mehr (weiße, studierte) Männer als Frauen (der Frauenanteil ist sicherlich nicht bei 50 Prozent), aber zumindest wird über quotierte Redelisten nachgedacht und gesprochen, Essen recht teuer und kaum vegan.

Ein Kritikpunkt mal extra: Mir fällt wiederum auf, dass wir bei diversen Workshops und Themen über Betroffene (Asylsuchende, Roma, von Rassismus betroffene Menschen etc.) sprechen, aber im Grunde keine Betroffenen selber zu Wort kommen oder selber Workshops/Vorträge anbieten. Generell sollte antifaschistische Politik mehr mit Betroffenen zusammen gemacht werden. Ich finde, daran könnten wir in der antifaschistischen Szene arbeiten.

Kein Fußbreit

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Gegenargumentation zum Rückzug der Unterstützung des Dortmunder Bündnisses gegen Nazis “BlockaDO”

Statt einer Podiumsdiskussion zu lauschen zum Rechtsruck in Europa, war es mir zunächst ein Bedürfnis, diese innerparteiliche Farce noch einmal dezidierter zu betrachten.

Man fühlt sich in dieser Partei ja immer wieder an Diskussionen aus den 80ern erinnert.

In der Vergangenheit war es in der Partei auf Bundesebene mehrheitsfähig (mit über 2/3-Mehrheiten), dass Initiativen gegen Neonazis unterstützt werden. Dies findet sich in diesen angenommenen Anträgen:

http://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2011.2/Antragsportal/X016

https://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2011.2/Antragsportal/PA165

Weiterhin wurden Blockadebündnisse in Magdeburg und Dresden unterstützt.

Somit wurde der Konsens diesbezüglich entgegen seiner abschließenden Formulierung von Seiten des Landesvorstands NRW mit gefühlten Mehrheiten statt tatsächlichen Beschlüssen aufgekündigt. Zitat: “Fazit: Gegen einen Aufruf der Piratenpartei zu Blockaden von Nazi-Demos sprechen durchgreifende Gründe. Es gab vor einigen Wochen mal eine Art Konsens, dass die Piratenpartei zu Demonstrationen (!) gegen Nazi-Demos aufruft und es ihren Mitgliedern freistellt. Wenn die Partei es mir freistellt gegen Nazis zu demonstrieren, sich (als Privat-Person und unter Berufung auf die Gewissensfreiheit) an weitergehenden Maßnahmen zu beteiligen. Dieser Konsens würde die Interessen einer überwiegenden Mehrheit in der Partei berücksichtigen, man sollte ihn nicht ohne Not aufkündigen.”

Davon mal ab, sehe ich es eben natürlich nicht so, dass “durchgreifende Gründe” gegen eine Unterstützung von Blockaden existieren. (Überhaupt ist die gnädige Formulierung, man dürfe ja teilnehmen, ohnehin lächerlich.)

Die Unterstützung des Landesverbandes NRW zurückzuziehen ist ein derart verheerendes Signal politisch, zumal wir hier von einer der Hochburgen der Neonazis in NRW reden mit mehreren Todesfällen und unzähligen Übergriffen durch Neonazis. Wir reden weiterhin von einer Nachfolgeorganisation des verbotenen NWDO, die nur deshalb nicht unter das Verbot fällt, weil die Partei “Die Rechte” bereits gegründet war, als das Verbot durchgesetzt wurde. Die handelnden Personen sind aber dieselben.

Formulierungen wie diese:
“So, wie wir uns (zurecht) dagegen wenden, dass wegen ein paar Terroristen bürgerliche Freiheitsrechte aufgeweicht werden, so sollten wir sie auch nicht auf dem Altar des Antifaschismus’ opfern.”
und natürlich die nicht fehlen dürfenden Hinweise auf “Autonome” zeigen, worum es wieder einmal geht, nämlich um polemische Stimmungsmache wie seit Wochen. Hierbei wird nicht mal sauber aus dem Aktionskonsens oder dem Aufruf zitiert, sondern vorab diskutierte Formulierungen als Beleg verwendet, die am Ende nicht übernommen wurden. Hier die tatsächlichen abschließenden Formulierungen:

Aktionskonsens
Aufruf für den 1. Mai

Zu der unsauberen argumentativen Vorgehensweise passt auch, dass implizit unterzeichnende Gruppen als totalitär oder diktatorisch diffamiert werden.

Siehe:
“klare Positionierung”
“Die Piratenpartei Deutschland positioniert sich im §1 Ihrer Satzung und durch ihre Kernthemen eindeutig gegen faschistische und Menschenverachtende Bestrebungen. Dies ist eine klare Positionierung der Partei, welche es auch umzusetzen gilt.” Die Piratenpartei lehnt nach § 1 ihrer Satzung nicht nur faschistische Bestrebungen jeder Art entschieden, sondern auch totalitäre und dikstatorische. Wie würde hier eine klare Positionierung bezüglich manch anderem Erstunterzeichner der Demo aussehen?”

Wen genau meint der LaVo da? Gewerkschaften, Linke, Grüne, Antifaschist*innen?

Weiterhin gibt es einen mehr oder minder lustigen Block über juristische Auslegungen. Hobbyjuristerei ist aber, wenn es um so ein ernstes Thema geht, halt nur bedingt witzig.

Mal so ein paar Beispiele für Auffassungen bezüglich Sitzblockaden:

http://www.staff.uni-giessen.de/~g11003/versr.pdf

https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20110307_1bvr038805.html

http://dortmundquer.blogsport.de/2011/08/13/auch-sitzblockaden-sind-geschuetzt-2/

Sitzblockaden sind eben auch Versammlungen. Stichwort: praktische Konkordanz.

Interessant ist auch die folgende Ansicht: “Durch Demos ändert keine Nazi seine Ansichten. Auch eine diesbezügliche Wirksamkeit von Blockaden dürfte zumindest noch nicht belegt sein.”

Da diverse Städte (Dresden, Mannheim, Magdeburg, Bad Nenndorf etc.) sehr wohl gezeigt haben, dass große, solidarische Bündnisse mit Blockaden sehr viel ändern können, ist diese obige Formulierung befremdlich. Es ist zudem so, dass weitgehend egal ist, ob ein Nazi seine Ansichten ändern. Es ist vielmehr wichtig, dass seinen menschenfeindlichen Ansichten und Aufmärschen von Gruppen von Nazis entsprechend Widerstand entgegengestellt wird. Dulden wird keinesfalls helfen. Appeasement hat in Städten wie Dortmund die Gruppierungen der Neonazis im Gegenteil erstarken lassen. Gerade Wegsehen bei zunehmendem Rassismus und anderer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit birgt die Gefahr des Erudierens von Normen. Wo kein Widerspruch passiert, wird eine Verhaltensweise, eine Äußerung als akzeptiert angenommen. Dem ist entschieden entgegenzuwirken.

Später wird behauptet, eine Unterstützung von Blockaden sei eine Straftat. Auch dies ist polemischer Mist.

“Dass die Partei zu Straftaten aufruft und ungerechtfertigt in das Demonstrationsrecht von politischen Gegnern eingreift, ist mit der Satzung nicht zu vereinbaren.” Als ob Nazis ein politischer “Gegner” unter vielen wären. So wie die FDP oder die SPD.

Kommen wir zu dem auch angerissenen Aspekt der Glaubwürdigkeit.

Wiederum ein Zitat: “In der Satzung steht geschrieben, dass die Piratenpartei totalitäre, diktatorische und faschistische Bestrebungen jeder Art ablehnt. Kann man sich nun darauf zurückziehen, dass man sich ja klar positioniert hat? Meiner Meinung nach ganz klar nicht: Soll eine solche Abgrenzung nicht zu einem Lippenbekenntnis verkümmern, dann ist es geboten, dass die Piratenpartei sich zu gegebenen Anlässen (und ggf. auch darüber hinaus) sich eindeutig und aktiv (!) gegen jede Art solcher Bestrebungen wendet.”

Dazu passt nun eben nicht, dass der Landesvorstand die Unterstützung aufkündigt und damit die Distanzierung vom Faschismus zu eben jenem Lippenbekenntnis verkommen lässt.

Fassungslos.

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Aktualisierung:
Der LaVo hat seine Entscheidung nochmal überdacht:
http://vorstand.piratenpartei-nrw.de/?p=817

(Persönliche Anmerkung: Ich bin darüber froh, bin aber trotzdem unsicher, inwieweit das die Piraten NRW als Bündnispartner beschädigt hat. Ich weiß nicht, ob wir in der linken Szene (über Einzelpersonen hinaus) so überhaupt noch als verlässlich angesehen werden können.)

Ursprünglicher Artikel:

Da fehlen einem die Worte.

Der Landesverband NRW der Piratenpartei zieht seine Unterstützung des Bündnisses gegen Nazis in Dortmund “BlockaDO” zurück.

https://lavoteam.piratenpad.de/2014-04-10-Sitzung
(Ab Zeile 413)

Angesichts eines zunehmenden Rechtsrucks in Europa und vor einer entsprechenden Wahl im Mai halte ich das für ein gefährliches Zeichen.

Ich bin zwar froh, dass der BuVo stattdessen seine Unterstützung zugesagt hat. Diesen Antrag hatte ich gestellt im Wissen um den Antrag an den Landesvorstand NRW. (http://verwaltung.piratenpartei.de/issues/4349)

Für die Menschen in Dortmund, die sich lange für diese Vereinigung der verschiedenen Bündnissen eingesetzt haben, ist dies aber ein Schlag ins Gesicht.

Machen wir uns das mal klar. Wir reden hier von Neonazis, die schon Menschen umgebracht haben, die wieder und wieder Menschen bedrohen. Die durch die Straßen ziehen mit Parolen wie “Wir putzen unsere Stiefel mit dem Blut der Antifa.” Wir reden von der Nachfolgeorganisation des verbotenen NWDO.

Ich bin traurig und fassungslos. Und ich weiß nicht, welche Schlussfolgerung ich daraus ziehen soll. Für die anstehende Wahl, aber auch für meine Parteimitgliedschaft. Vorstellen könnte ich mir einen Wechsel des Landesverbandes nach Sachsen oder Berlin. Das ist auch mit Erhalt des Mandats möglich.