Sensationell! FDP und LINKE sind sich einig …
Die FDP sagt, wir Piraten sind eine Linkspartei mit Internet-Anschluß.
Die Partei Die Linke (TM) sagt, die Piraten sind eine liberale Partei mit Internet-Anschluß.
Aha. Man ist sich also einig, offensichtlich haben wir einen Internet-Anschluß.
Zieht man beide Aussagen zusammen und schaut, was sie gemeinsam haben, kommt also sowas wie ein Teil der Wahrheit heraus.
Merke: Die Bewertung eines Parteistandorts macht immer auch eine Aussage über den Standort des Bewerters. Denn es kommt auch für die Bewertung darauf an, wo der Bewerter steht und wohin er schaut. Ist der Kölner Bahnhof rechts oder links vom Dom?
Sind wir Piraten nun links? Oder eher liberal? Der Ausbruch aus der politischen Eindimensionalität gestaltet sich allerdings – auch für Piraten – schwierig und etwas anders. Man kann hier mal locker folgendes Denkmuster zur Anwendung bringen.
Das der Grafik zugrunde liegende Muster ist übrigens mindestens 1800 Jahre alt. Das Schema nennt sich auch Tetralemma und wurde erstmals populär durch den indischen Philosophen Nagarjuna (ca. 2. Jh.). Bei ihm heißt es Catuscoti. Heute findet eine ähnliche Methode unter dem Namen Diamond-Strategie Anwendung.
Diskutiere ich mit Linken, z.B. über Banken, dann sagen die, ich sei ein Liberaler. Egal.
Diskutiere ich mit Liberalen, sehen die mich sicher eher links.
Heute macht mir das nix mehr aus, denn irgendwoher kenne ich das. Schon während meines Studiums sagten mir kurz nacheinander nach einer eher philosophischen Diskussion ein Geistes-wissenschaftler, ich würde argumentieren wie ein Natur-wissenschaftler, und ein Naturwissenschaftler – oh wunder – sagte mir, ich spräche wie ein Geisteswissenschaftler. Das kommt davon, wenn man sich für Kybernetik interessiert. Es brachte mich fast an den Rand der Verzweiflung. Mein damaliger akademischer Lehrer und heutiger Freund Eberhard von Goldammer tröstete mich: “Nehmen Sie’s doch einfach als Kompliment!”
Ganz genau.
Weh tut’s nur, wenn Leute in der eigenen Partei z.B. sagen, ich sei “links” wie z.B. in einem Zweiergespräch zuletzt jemand auf der Euwikon in Essen.
Das zeigt mir dann, dass ich entweder a) mich nicht deutlich genug ausgedrückt habe, oder b) der Gegenüber nicht sauber über mich im Netz recherchiert hat, wo man seit Jahren feststellen kann, dass ich mich politisch definitiv nicht links verorte oder c) mein lieber mir gegenüber stehende Pirat ein Opfer der neoliberalen Gehirnwäsche ist und sich dort leider schon im Schleudergang befindet.
Ich hab’ mal zwei Zitate eines meiner Lieblingsphilosophen unten drunter gesetzt, dann braucht nicht recherchiert zu werden.
Denn z.B. eine Idee zu haben, die ein Linker auch haben könnte, macht einen deshalb noch lange nicht zum Linken. Und außerdem sind viele Ideen, die Links erscheinen, in Wirklichkeit gar nicht links. So halte ich z.B. die soziale Marktwirtschaft für ein gescheitertes und daher überholtes Konzept, dass es ganz deutlich und nicht nur unter anderem Namen weiterzuentwickeln gilt. Sahra Wagenknecht aber entdeckt gerade den Ludwig Erhard für sich. Und ich bin mir sicher, ich werde da nicht ihrer Meinung sein. Allein schon deshalb, weil mir die Linken viel zu oligarchische Strukturen haben. Das ist unglaubwürdig.
Ich lehne die linken Ideologien so wie den Liberalismus und die den beiden zugrunde liegenden Heilslehren als solche ab, bin aber durchaus bereit, dort die ein oder andere Idee zu
piratikopiertransformieren.
Und wenn – ja wenn ich mir die Unterwanderstiefel anziehen würde, wäre einer rot und der andere gelb – oder och nö, am besten gleich beide orange.
Wenn Ihr mich fragt, Piraten, Freiheit und Solidarität wohnen hier:
Die Idee zu diesem Blog entstand nach einem schönen und inspirierenden Gespräch mit Jens Ballerstaedt und Lukas Lamla, die somit beide Ihren Anteil daran haben.
In diesem Sinne, einen schönen Tag der Deutschen Einheit,
Nick H. aka Joachim Paul
und hier die Zitate. Sie sind beide von Gotthard Günther und sie sagen, dass wenn wir ewig nur um Strukturen streiten, von denen die eine sich von der anderen nur dadurch unterscheidet, dass sie auf dem Kopf steht, wir nicht weiterkommen. Wir sind aber Piraten und sollten das Neue wagen.
Nummer 1: “Das ist das gegenwärtige Verhältnis zwischen Idealismus und Materialismus: jede Seite hält die Antworten, die der Gegner auf die Rätselfragen der Philosophie gibt, für falsch; aber keiner Seite fällt es in ihrer Selbstgerechtigkeit ein, sich Rechenschaft darüber zu geben, ob nicht vielleicht, die ganze Fragestellung, aus der die Unversöhnlichkeit der Antworten entspringt, längst überholt ist.”
Gotthard Günther: Selbstdarstellung im Spiegel Amerikas. In: L. J. Pongratz (Hrsg.): Philosophie in Selbstdarstellungen II. Meiner, Hamburg 1975, S. 51
und Nummer 2: “Genau in diesem [...] Sinne sind die philosophischen Aussagen des transzendentalen Idealismus und des dialektischen Materialismus voneinander ‘verschieden’, und man kann nicht umhin auf dieser Stufe unserer Analyse der gegenwärtigen Erkenntnissituation den Idealisten zu sagen, daß wenn sie für das Absolute das Wort Gott einsetzen, sie das ruhig mit dem Terminus Materie im nach-Hegelschen Sinne vertauschen könnten. Und ebenso könnte man einem Marxisten und Leninisten sagen, dass wenn er in dem von ihm intendierten Sinn von Materie spräche, er logisch gar nichts anderes meinen könne als das, was seine idealistischen Gegner als Bedeutungsgehalt in das Wörtchen ‘Gott’ investiert haben.”
Günther, Gotthard; Das Ende des Idealismus und die letzte Mythologie; Unveröffentlichtes Manuskript (Fragment, entstanden nach 1950) – im Besitz der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Berlin