Knapp 4.000 Euro sind für die dritte Fußballmannschaft von Teutonia Ehrenfeld zusammengekommen: Die Landtagsabgeordnete Simone Brand (Bochum) hatte zu einer Spendenaktion aufgerufen, um die Fußballmannschaft zu unterstützen, bei der auch zahlreiche Asylbewerber aus der nahe gelegenen Flüchtlingsunterbringung mitspielen. Sie versprach, 250 Euro zu spenden, wenn einhundert weitere Personen jeweils 25 Euro spenden.
Simone Brand, Mitglied des Landtags, Abgeordnete der Piratenfraktion:
„Es war dringend nötig, dass die Spieler anständige Ausrüstung erhalten. Umso mehr freue ich mich sehr, dass sich 51 Menschen an der Spendenaktion beteiligt haben – gemeinsam mit einer sehr großzügigen Spende der Sparkasse Bochum sind anstatt der anvisierten 2.7500 Euro nun insgesamt 3.985 Euro zusammengekommen. Das hat meine Erwartungen deutlich überstiegen, ich bin überwältigt!
Jetzt erhalten die Spieler endlich langärmelige Trikots und Trainingsanzüge. Außerdem sind die Mitgliedsbeiträge für die nächste Zeit gesichert.
Die Vision geht aber noch weiter: Die Integrationsbemühungen enden nicht mit der 3. Mannschaft. Die weitere Herausforderung soll sein, dass sich die Integration von der Jugend bis in die 1. Fußballmannschaft vollzieht und sich auch auf andere Abteilungen erstreckt.“
Weitergehende Informationen zur Pledge: http://www.pledgebank.com/TeutoniaBo
Aus dem Euroland Estland, Heimat von Skype, reiste diese Woche eine parlamentarische Delegation nach Deutschland. Nach Gesprächen im Bundestag mit dem Verteidigungs-, Finanz- und Auswärtigem Ausschuss, Besuchen an der ehemaligen Berliner Mauer und der Holocaust-Gedenkstätte stand gestern der Landtag NRW auf der Agenda. Dabei hatten die Fraktionssprecher im Europa-Ausschuss und ich als dessen Vorsitzender die Gelegenheit, mit dem Präsidenten des Riigikogu, Eiki Nestor, und weiteren estnischen Politikern aus den Bereichen „Auswärtiges“ und „Europa“ verschiedene interessante Themen anzusprechen.
Silicon Tallinn
Estland hat lediglich 1,3 Millionen Einwohner. Obwohl es also im europäischen Vergleich eher klein ist, ist es ein technologisch fortschrittliches Land. So ist es Vorreiter in Sachen e-Government. Wähler können dort neben der klassischen Papierwahl auch per Internet und SMS abstimmen.
Neben dem e-Voting gibt es auch Dienste wie die digitale Krankenakte. Jeder kann seine Gesundheitsdaten online einsehen. Außerhalb der Hauptstadt liegt ein eigenes „Silicon Valley“ namens Technopolis. Auch der Bildungssektor setzt zunehmend auf e-Learning.
Andererseits sind die Esten, was den Datenschutz angeht, auch eher technologiegläubig. Es gab durchaus Missbrauch mit den Daten. Polizisten hatten sich etwa unberechtigt Zugriff verschafft, das wurde mitgeloggt, die Leute dann aus dem Dienst entfernt und bestraft. Ob Sanktionsmöglichkeiten für Missbrauch aber ausreichen, um den dadurch geschaffenen Gefahren zu begegnen und die Nachteile auszugleichen, darf aus Piratensicht bestritten werden.
Auf Seiten der Gäste wurde andererseits Verwunderung über Deutschland geäußert. So wurde mehrfach betont, dass es in Deutschland kaum öffentliches WLAN gibt, und wenn, dann recht teuer. Ich konnte mir an dieser Stelle ein Grinsen in Richtung meiner Ausschusskollegen von den anderen Parteien nicht verkneifen.
Ich war bereits vor einiger Zeit in Tallinn, und kann die Kritik bestätigen. Dort gibt es freies WLAN in fast jedem Restaurant, außerdem auch in den ÖPNV-Bussen. Das habe ich allerdings nicht selbst ausprobiert.
ÖPNV gratis
Estlands Hauptstadt führte im Januar 2013 Gratis-Nahverkehr in der ganzen Stadt ein. Seither nutzen die rund 430.000 Einwohner der Großstadt die Busse und Bahnen umsonst. Eine Bürgerbefragung im Frühjahr 2012 ergab, dass mehr als 75 Prozent der Tallinner die ÖPNV-Initiative unterstützen. Der fahrscheinlose Nahverkehr ist sogar so attraktiv, dass Menschen aus dem Umland nach Tallinn ziehen. Dies war durchaus Sinn dieses Projektes, bestätigte uns die Delegation.
Rund 12.000 Menschen, die in Tallinn arbeiten, aber dort nicht wohnten, verlegten dorthin ihren Hauptwohnsitz. Hinzu kommen diejenigen, die mit ihrer Datsche außerhalb der Stadtgrenze gemeldet waren. All jene zahlen nun ihre Steuern in Tallinn, im Durchschnitt 1.200 Euro pro Person. Damit scheint das Projekt momentan solide gegenfinanziert.
Nachbar Russland
Sorgen um den großen Nachbar Russland kamen zur Sprache. Einzelne Delegationsmitglieder fanden sehr deutliche Worte, wie etwa „Krieg in Europa“. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass nicht jeder diese sehr drastischen Formulierungen teilte. Generell wurden die Befürchtungen hinsichtlich Russland aber geteilt. Was auch nicht verwunderlich ist, vor dem Hintergrund einer jahrzehntelangen Besatzung.
Das Verhältnis zwischen Estland und Russland gilt nicht erst seit der Krimkrise in der Ukraine als belastet. Im Juni 2014 forderte Estlands Premierminister Taavi Roivas mehr NATO-Präsenz im Baltikum, um eine „klare Abschreckungswirkung“ zu erzielen.
Piraten und Wikinger
Interessiert zeigte sich die Delegation an Zielen der PIRATEN, denn in Estland gibt es (noch?) keine Piratenpartei im Parlament. Daraufhin scherzte der Präsident und sagte sinngemäß, dass sie ja sowieso alle Wikinger sind.
Die Diskussion über unsere Ziele wurde dann am Abend beim Empfang des Honorarkonsuls fortgesetzt.
PIRATEN im Gespräch mit Parlamentspräsident Eiki Nestor (rechts im Bild): Dr. Joachim Paul, Vorsitzender der Piratenfraktion (links) und Nico Kern, Vorsitzender Europaausschuss (Mitte).
Die Piratenfraktion in NRW schlägt dem Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags insgesamt sechs Haushaltsänderungsanträge im Bereich der Landesmaßnahmen für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge vor. Neu einrichten möchten wir ein dezentrales Beschwerdemanagement in den Landeseinrichtungen, angelehnt an den sächsischen Heim-TÜV, und wir wollen die Willkommenskultur rund um die Landesaufnahmen fördern. Dafür veranschlagen wir eine Summe von 2.930.000 Millionen Euro. Aufgrund der jahrelangen Vernachlässigung der Landeseinrichtungen für Asylbewerber durch die Landesregierung ist die Einrichtung eines transparenten, unabhängigen und dezentralen Beschwerde- und Qualitätsmanagements nach dem Modell des sächsischen „Heim-TÜV“ unerlässlich. Die letzten Monate haben außerdem gezeigt, dass es bitter nötig ist, Kontakte zwischen Einwohnern der Städte rund um die Landeseinrichtungen und den Schutzsuchenden in den Einrichtungen im Sinne einer Willkommenskultur zu fördern, um auf allen Seiten etwaige Ängste abzubauen.
Wir brauchen eine flüchtlingspolitische Wende in NRW. Dafür soll auch unser Antrag „Förderung der dezentralen Unterbringung in Wohnungen“ sorgen. 40 Millionen Euro stehen den Kommunen für die Errichtung eines kommunalen Auszugsmanagements zur Verfügung. Die Kommunen erhalten z. B. Gelder für Personalstellen, die Flüchtlinge dabei unterstützen, geeignete Wohnungen zu finden. Viele Städte in NRW machen es bereits vor und bescheinigen der dezentralen Unterbringung im Wohnumfeld, viel humaner und sogar kostengünstiger zu sein. Die zusätzlichen Gelder für die Flüchtlingsaufnahme, die den Kommunen auf dem Flüchtlingsgipfel in Aussicht gestellt wurden, sollen in humane, praktische und vor allem nachhaltige Konzepte fließen. Die Umsetzung dieses Antrags würde garantieren, dass das Geld bei denen ankommt, für die es vorgesehen ist. Bilder von überfüllten Einrichtungen und Problemen rund um die Einrichtungen können so vermieden werden und setzen sich nicht in den Köpfen der Anwohner fest.
Ein weiteres Problem in NRW ist die mangelnde Betreuung, Versorgung und Beratung der Flüchtlinge in ihren medizinischen, sozialen, rechtlichen und psychologischen Belangen. NRW fördert zwar seit vielen Jahren Personalstellen in diesen Bereichen, aber eine Anpassung an die stetig steigende Zahl Hilfesuchender wurde verpasst. Die Stellen in diesem Bereich müssen nun verdoppelt werden, da auch immer mehr Bürgerkriegsflüchtlinge Hilfe und Schutz in Deutschland suchen. NRW hatte noch 2012 die soziale Beratung mit 146,60 Euro pro Flüchtling gefördert. 2013 waren es noch 109 Euro und 2014 dann lediglich noch 75 Euro pro Flüchtling. Viele Probleme in den Einrichtungen für Flüchtlinge wären durch eine nominale Anpassung der sozialen Betreuung und Beratung an die steigenden Zahlen vermeidbar gewesen.
Ähnlich verhält es sich mit der Förderung der Flüchtlingsarbeit des Flüchtlingsrates in NRW. Seit dem Haushaltsjahr 2011 wurde dieser Titel nicht erhöht, deshalb sollte der Haushaltstitel um 70.000 Euro gesteigert werden. Der Flüchtlingsrat ist das Sprachrohr der Flüchtlinge in NRW. Seit zwei Jahren nimmt der Flüchtlingsrat aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen aber immer mehr Aufgaben wahr: In vielen Anhörungen im Landtag, auf Veranstaltungen, bei Runden Tischen usw. garantiert der Flüchtlingsrat, dass die Perspektive der Flüchtlinge Berücksichtigung erhält. Die Aufarbeitung der Vernachlässigungen und Misshandlungen in den Landesaufnahmen wird der Flüchtlingsrat zudem begleiten. Wegen der schrecklichen Vorfälle hat sich die Arbeitsbelastung für die Flüchtlingsarbeit also noch einmal massiv erhöht, weswegen es unabdingbar ist, weitere Personalstellen zu fördern.
Die Piratenfraktion setzt sich für die medizinische Betreuung von allen Menschen in Deutschland ein. Deshalb schlagen wir einen Haushaltstitel „Modellkommune für die anonyme Krankenkarte“ vor. Kommunen können aus diesem Haushaltstitel Gelder erhalten, wenn sie durch eine anonyme Krankenkarte – analog dem niedersächsischen Konzept – die medizinische Versorgung für Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus sicherstellen.
Mit diesen Vorschlägen möchten wir unseren Beitrag liefern, die Flüchtlingsunterbringung zu verbessern und der Perspektive der Flüchtlinge endlich mehr Raum in der Flüchtlingspolitik geben.
Gestern Abend bin ich auf Twitter in eine unangenehme Diskussion verwickelt worden. Diese hat mich so getroffen, dass ich mit mir meinem Twitter-Account eine kurze Auszeit verordnet hatte. Ausgelöst wurde die Diskussion durch einen Tweet von Christopher Lauer, in der er eine NPD-Kandidatin mit dem Begriff „adipös“ abwerten wollte. Davon empfanden sich andere Menschen angegriffen, die nicht den Normalgewichtidealen entsprechen. Die Verwendung dieses Begriffs in einer angreifend gemeinten Verwendung legitimiere es, Menschen allgemein so zu beleidigen.
Dieses Problem sehe ich ganz genauso. Das Wiederholen von strukturellen und gruppenbezogenen Diskriminierungen verletzt Leute auch dann, wenn es in einem anderen Kontext geschehen soll. Für mich persönlich gibt es allerdings eine Ausnahme: Ich habe Verständnis, wenn man Nazis auf jede Art und Weise beleidigt, die sie trifft, und die den Taten, die diese Nazis tun, angemessen sind. Und ich möchte kurz erläutern, warum ich das so sehe.
Die Pflicht eines jeden Demokraten und Antifaschisten ist es, sich Nazis in den Weg zu stellen. Sie aufzuhalten, ihre Demonstrationen zu stören, sie zu demaskieren und die Verbreitung ihres Giftes zu stoppen. Ich kann Menschen nicht verurteilen, die sich in der Erfüllung dieser Aufgabe nicht so verhalten wie man selbst es tun würde. Ich kann Menschen nicht verurteilen, die dabei „über die Stränge schlagen“ (solange sie nicht jedes Maß verlieren).
Das dadurch Dritte beleidigt werden, tut mir sehr leid. Bei den Menschen, die dadurch angegriffen sind, ohne Nazis zu sein, möchte ich mich ganz herzlich entschuldigen. Insofern habe ich verstanden, dass diese aus dem Zusammenhang gerissene Aussage schädlich und dumm war.
Ich finde die Diskussion darüber, wie man Nazis politisch korrekt beleidigt, abträglich. Wichtiger ist es für mich, sich tatsächlich und wirksam Nazis entgegen zu stellen. Die Idee, Nazis emanzipatorisch gegenüberzutreten ist naiv – mit Nazis diskutieren ist zwecklos, man kann sie nicht überzeugen. Und politisch korrektes Beleidigen trifft sie nicht. Das wollte ich in dieser Diskussion (offenbar erfolglos) darstellen, wo ich die „politisch inkorrekte Beleidigung“ mit diesem Tweet beispielhaft auf die Spitze treiben wollte (und offensichtlich darüber hinaus getrieben habe).
Wenn sich antifaschistisch eingestellte Menschen gegenseitig dafür angreifen, auf welche Weise sie das tun, schwächt das den Widerstand insgesamt. Ich bitte die Antifaschisten: Verurteilt nicht die Menschen, die in der Verwirklichung der gleichen Ziele wie ihr zu Maßnahmen greifen, die ihr selbst nicht verwenden würdet. Ich möchte keines der möglichen Instrumente im Kampf gegen Nazis aus der Hand legen. Ich möchte niemanden verurteilen, der aus eigener Betroffenheit heraus unangemessen reagiert. Wichtiger ist der gemeinsame Kampf. Über Differenzen in den Methoden kann man sich sicher auch austauschen – in geeignetem Rahmen, mit kühlem Kopfe, wenn niemand gerade in einer Ecke steht und der Solidarität bedarf.
Als jüdischer Mensch sehe ich mich permanent Angriffen ausgesetzt, und stehe ständig in einer Verteidigungssituation. Die Angriffe kommen von verschiedenen Seiten, auch aus meiner eigenen Partei, und nehmen dabei keine Rücksicht darauf, was angemessen oder politisch korrekt ist. Ich fühle mich dabei durchaus oft sehr isoliert. Sicher reagiere ich darauf nicht immer angemessen, ich kann mich nicht davon freisprechen, auch mal eine falsche oder dumme Formulierung zu verwenden. Ich kann auch nicht versprechen, dass das nie vorkommt. (Genau das will ich damit ausdrücken.) Ich bitte lediglich um Verständnis, wenn das geschieht, vielleicht könnt ihr das dann einordnen, wenn es Euch möglich ist, und eine Entschuldigung annehmen.
Ich verwehre mich dagegen, dass sich Leute, die von dem Angriff in keinem Falle umfasst sein können (weder antifaschistisch aktiv, noch von einer solchen Beleidigung betroffen sind), sich jetzt tadelnd einschalten. Insbesondere finde ich es absurd, einem jüdischen Menschen bei der Beleidigung von Nazis Antisemitismus vorzuwerfen. Wer ständig von Nazis antisemitisch beschimpft wird, soll bitte nicht ausgerechnet dafür verurteilt werden, wenn er dies den Nazis mit gleicher Münze entgegenschreit.
Ich habe manchmal diese Probleme mit der Augenerkrankung. Das trat bei mir bisher nur in Schüben auf und ging bisher zumindest irgendwann wieder weg. Aber manchmal grübele ich dann, wie eigentlich der Umgang mit Behinderungen/Einschränkungen in der linken Szene so ist. Oder in Antifa-Strukturen? Wie klappt das auf Demos? Sind da nur Menschen erwünscht, die voll “funktionsfähig” sind? (Das können ja auch andere körperliche oder psychische Einschränkungen sein (oder etwas, was man selber als einschränkend empfindet)). Wie gehen Bezugsgruppen damit um? Gibt es Beispiele, dass das gut funktioniert? Oder wird man dann eher als lästiges Anhängsel betrachtet?
Es geht aber nicht nur um Demos. Wie viele Räume sind barrierefrei? Wie achtsam ist generell der Umgang miteinander? Trauen sich neue Menschen in solche Strukturen? Ich merke selber, dass ich bei einem aktuellen Schub unsicher werde und dann Veranstaltungen mitunter meide, wenn ich nicht weiß, wie der Umgang miteinander sein wird. Oder ob ich die Räume gut genug kenne, um mich dort zurechtzufinden.
Wie sind eure Erfahrungen? Was hilft? Was funktioniert gut? Was könnte man verbessern? Oder ist das alles eigentlich gar kein Thema?
Am 5. November habe ich zu unserem Antrag “Europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen CETA stoppen!”, Drucksache 16/7150, gesprochen. Die Rede könnt hier hier nachlesen bzw. nachsehen. Ich freue mich auf Euer Feedback!
Redeprotokoll
Daniel Schwerd (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal, auf der Tribüne und am Stream!
(Beifall von Marcel Hafke [FDP])
In den letzten Jahren war vielfach von einem verlorengegangenen Primat der Politik die Rede. Begriffe wie „Postdemokratie“ folgten und sprachen eine generelle Krise des demokratischen Systems in der westlichen Welt an. Wer bis jetzt noch nicht so recht verstanden hat, was damit gemeint ist, sollte einmal einen Blick in CETA werfen, das beabsichtigte Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union. Was Politikwissenschaftler und Intellektuelle seit Langem auf theoretischer Grundlage diskutieren, hat dort nachvollziehbare Formen angenommen.
Dieses abseits von jeder politischen Öffentlichkeit, hinter verschlossenen Türen ausgehandelte Abkommen gibt Konzernen eine Brechstange in die Hand, in zentrale Bereiche des Staatswesens einzudringen. Die Grundrechte der Bürger sowie Standards im Bereich des Arbeitsrechts, des Verbraucher- und Umweltschutzes sind in Gefahr, durch diesen Vertrag ausgehebelt zu werden.
Auf dem Altar eines vermeintlichen Investitionsschutzes wird darauf abgezielt, Konzernen sogar ein außergerichtliches Klagerecht gegen alles einzuräumen, was ihren Geschäftsinteressen entgegensteht. Dabei sind die Karten äußerst ungleich verteilt. Während Konzerne ein Klagerecht gegen Staaten haben, ist es umgekehrt nicht möglich, dass Staaten ihrerseits gegen Konzerne klagen. Zudem gibt es keinerlei Rechtsmittel gegen ein Schiedsurteil.
An vielen Stellen ist das Abkommen zudem unpräzise formuliert. Die Auslegung und Interpretation solcher unklaren Rechtsbegriffe werden später in der Praxis einem außerdemokratischen Komitee überlassen sein. Dies setzt Wirtschaft und Bürger unkalkulierbaren Risiken aus.
(Beifall von den PIRATEN)
Im Vertrag selbst wird eine knappe Ausnahmeliste aufgestellt. Alle anderen Wirtschaftsbereiche sind vom Vertragswerk umfasst. Das bedeutet, dass vergessene oder zukünftig entstehende Bereiche vom Vertrag eingeschlossen sein werden, auch wenn diese eines besonderen Schutzes bedurft hätten. Eine Reihe von Regelungen, die das Europäische Parlament mit der Ablehnung des ACTA-Abkommens verworfen hat, findet sich im CETA-Vertragsentwurf erneut. Dies bedroht die dringend notwendige und geplante EU-Urheberrechtsreform, die wir Piraten mit vorantreiben wollen.
Schließlich gibt es im Vertragswerk keine Exception culturelle, durch die Kultur und Bildung generell ausgenommen wären. Es ist ganz offensichtlich: CETA greift in die Kompetenz des Bundes und der Länder ein. NRW ist vielfach unmittelbar und selbst von diesen Einschränkungen betroffen. Aus diesem Grunde darf das Abkommen in der jetzigen Form auf keinen Fall unterzeichnet werden!
(Beifall von den PIRATEN)
Der amerikanische Regierungsberater Samuel Huntington bemerkte einmal, Macht sei dann am stärksten, solange sie im Dunkeln bleibe. Dem Sonnenlicht ausgesetzt, beginnt sie sich zu verflüchtigen. Genau dies ist scheinbar auch bei CETA der Fall. Das steht uns auch beim Handelsabkommen TTIP bevor. Der hinter verschlossenen Türen ausgehandelte Vertragsentwurf wurde glücklicherweise von Whistleblowern geliebt, und man kann jetzt sehr gut nachvollziehen, wovor es Huntington graust. Die Transparenz, die wir immer eingefordert haben, ist dringend nötig, um vor solchen fatalen Fehlentwicklungen warnen zu können, wie wir sie jetzt sehen.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich freue mich sehr, dass der Mehr Demokratie e. V. sowie die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA unseren Antrag ausdrücklich unterstützen. Vielen Dank und viele Grüße von dieser Stelle! Im Diskurs über CETA ist unsere Grundposition klar: Wir Piraten sind entschieden gegen jede Transformation der Demokratie in marktkonforme Gesellschaftssysteme, in denen Märkte die Entscheidungen des demokratischen Souveräns aushebeln.
(Beifall von den PIRATEN)
Genauso wenig halten wir es für akzeptabel, dass eine außerstaatliche Paralleljustiz, ein Primat des Marktes, installiert wird. Wir halten es dagegen mit Kant, der bereits vor mehr als 200 Jahren feststellte: Alle Politik muss ihre Knie vor dem Recht beugen. Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Genau!)
Aktuelle Recherchen, veröffentlicht von Süddeutscher Zeitung und NDR, zeigen einmal mehr, wie richtig wir mit unserer Forderung nach schnellstmöglichem Ausstieg aus der nuklearen Energieproduktion auf allen Ebenen liegen.
Die erwarteten Mengen von Atomabfall „mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung“ haben sich plötzlich und unerwartet verdoppelt. Das ist zum Teil Abbruchmaterial aus stillgelegten Kraftwerken, aber auch Weiteres wie abgereichertes Uran aus Gronau. Dazu kommen 200.000 Tonnen aus der absaufenden Asse.
Es hat sich auch gezeigt, dass beschädigte Atommüllfässer in Zwischenlagern der generelle Standard und nicht etwa eine Ausnahme sind.
Die im Atomgesetz vorgeschriebene geregelte Entsorgung gibt es nach wie vor noch nicht einmal in Ansätzen. Der Betrieb der deutschen Nuklearanlagen wäre seit Jahrzehnten illegal, wenn Regierungen, Behörden und Gerichte sich nicht ständig mit faulen Ausreden, luftigen Versprechungen und Prognosen aus dem Kaffeegrums abspeisen ließen – deren Wert sich jetzt mal wieder zeigt.
In Nordrhein-Westfalen warten der sozialdemokratische Staatsreaktor THTR 300 in Hamm und der AVR Jülich auf Abriss. Im Falle Hamm ist völlig unklar, wann der Abriss stattfinden kann, vermutlich wird das noch Jahrzehnte dauern. In Jülich will man den mit Beton aufgefüllten Reaktor kippen, um ihn dann ein paar 100 Meter zu transportieren, auch in diesem Fall ist der Zeitpunkt des Abrisses unklar. Genau so unklar ist, wie viel radioaktives Methan in der Zwischenzeit in der Reaktorkuppel entsteht und abgelassen werden muss oder hinaus diffundiert.
Es ist geplant, den hochradioaktiven Brennstoff-Abfall aus beiden Reaktoren in die USA zu exportieren. Der belastet die neuen Abschätzungen also nicht, da macht es auch nichts, dass der Export illegal ist, weil der Müll aus Leistungsreaktoren stammt. Dieser Abfall liegt im Zwischenlager Jülich, das wegen der Gefahr von Bodenverflüssigung im Falle stärkerer Erdstöße geräumt werden muss. Praktischerweise kam das neue Erdbebengutachten in passendem zeitlichen Zusammenhang mit der Absichtserklärung zwischen der US-Energiebehörde DOE, dem Bundesforschungsministerium und dem nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium aus dem April 2014, den Jülicher Müll ins US-Atomwaffenzentrum Savannah River Site (SRS) in South Carolina zu schaffen. Wahrscheinlich per LKW nach Hamburg und dann weiter per Schiff. Noch mehr riskante Transporte lösen das Entsorgungsproblem nicht, sondern verlagern es nur. In den USA sind die Zustände ähnlich wie in Deutschland – marode Zwischenlager und keine Endlagerung.
Die in Gronau zur Zeit lagernden ca 13.000 Tonnen abgereichertes Uran sind nicht das Ende der Fahnenstange. Uranhexafluorid muss nach Südfrankreich gekarrt und dort in Uranoxid umgewandelt werden, dann karrt man es zurück. In Südfrankreich warten aber schon 20.000 Tonnen Uranoxid auf die Eröffnung des zweiten Lagers in Gronau, das eine Kapazität von 60.000 Tonnen hat – neben den 50.000 Tonnen Kapazität im bereits bestehenden Uranhexafluorid-Lager. Und da Gronau munter weiter läuft, steigt die Menge des Lagermaterials stetig, das jetzt von Wertstoff zu Abfallstoff umdefiniert wurde und die erwarteten Mengen von Atomabfall „mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung“ vermehrt. Dazu kommen Pläne, die gesamte Urenco zu privatisieren – das heißt, die Kosten zu erhöhen und die Sicherheit zu senken.
Und ständig weiter laufen Atomreaktoren in Deutschland, die jeden Tag weiteren hoch- und höchstradioaktiven Abfall produzieren.
Betroffen von den neuen Meldungen ist auch NRW. Die Landesregierung muss jetzt endlich klar Schiff machen. Sie muss erklären, wie es mit den beiden abzureißenden Reaktoren THTR 300 und AVR weitergehen soll, wie sie sich die Räumung des Zwischenlagers Jülich ohne illegalen Export vorstellt, sie muss sich zur raschen Schließung der UAA Gronau bekennen und die Privatisierung verhindern.
es sei in dieser Form der Hinweis erlaubt, dass auf KUNO, den Kulturnotizen zu Kunst, Musik und Poesie, am 11.11.2014 mit Matthias Hagedorns Beitrag “Perlen des Trash – Revisited” eine Reihe über Trivialmythen startete. Es bleibt abzuwarten, wohin uns das noch führen wird. Zunächst geht es um das “Groschenheft” als eigenes literarisches Format – wer weiß noch, dass Raymond Chandler und Dashiell Hammett ihre ersten Produktionen in Heftform verlegen ließen? – und den kreativen Umgang mit der typisch deutschen Trennung in Trivial- und Seriösliteratur …
[Wobei Seriösliteratur, bei Zusammenziehung von Adjektiv und Substantiv, so gar nicht seriöslich daherkommt, wohl aber Trivialliteratur ...]
Am 21. November ist der offizielle Vorlesetag. Eine gemeinsame Initiative von Die Zeit, Stiftung Lesen und Deutschen Bahn Stiftung.
Ich werde an dem Tag in Dortmund, Taranta Babu, in der Humboldtstraße 44 ab 17 Uhr vorlesen und würde mich sehr freuen, euch dort begrüßen zu können. Dazu heißt es auf der offiziellen Webseite der Initiative:
Jedes Jahr am dritten Freitag im November begeistert der Bundesweite Vorlesetag mittlerweile mehr als 80.000 Vorleserinnen und Vorleser sowie Millionen Zuhörer.
Ich schrieb dort:
Ich nehme am Bundesweiten Vorlesetag teil, weil…
ich meinen Kindern jeden Abend vorlese und merke, wie fasziniert Kinder sind, wenn man ihnen etwas vorliest. Außerdem finde ich es sehr wichtig, Kindern Bücher und Geschichten nahe zu bringen.
Der VRR hat die Verträge mit den Hochschulen über das Semesterticket zum Wintersemester 2015/16 gekündigt. Das Ziel sind Verhandlungen und Verträge über neue und deutlich höhere Beiträge, möglich ist aber auch ein Wegfall des Semestertickets an mehreren Hochschulstandorten in NRW mit massiven Folgen für die Verkehrspolitik in NRW – u.a. durch den Umstieg vieler Studenten auf das Auto und die auch formal an das Semesterticket gebundenen reduzierten Stellplätze und verbesserten ÖPNV-Anbindungen.
Für die Sitzung des Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr am 20. November 2014 haben wir den Tagesordnungspunkt „Zukunft des Semestertickets nach den Vertragskündigungen“ beantragt. In der Vergangenheit hat sich das Verkehrsministerium für die Thematik nicht zuständig gefühlt. Daher stellen wir dazu zunächst Fragen, die sich direkt an das Verkehrsministerium richten und dessen Zuständigkeit unterstreichen. Wir behalten uns vor, im Dezember auch noch einmal Vertreter des VRR in den Ausschuss einzuladen.
Wir bitten dazu um einen schriftlichen Bericht der Landesregierung mit der Beantwortung der folgenden Fragen:
Sind die Verkehrsinfrastruktureinrichtungen an den Hochschulen und des Landes heute noch geeignet, einen entsprechenden plötzlichen Modal-Shift auszuhalten?
Wie geht die Landesregierung damit um, dass die Hochschulen infolge des Erfolgs des solidarischen Semestertickets beträchtliche Teile ihrer bisher vorgehaltenen und bewirtschafteten Stellplätze zurückbauen oder anderweitig nutzen konnten?
Wie bewertet die Landesregierung die Preispolitik des VRR und die aktuelle Entwicklung im Rahmen der klima- und verkehrspolitischen Ziele des Landes? Wie kann die Landesregierung im Sinne der klima- und verkehrspolitischen Ziele einer unerwünschten Entwicklung entgegenwirken?
Wie schätzt die Landesregierung die Auswirkungen dieses Preissprungs für mehrere hunderttausend Menschen auf die Verkehrsinfrastrukturen in NRW ein? Ist mit weiteren Engpässen, der Verkürzung von Instandhaltungsintervallen und in der Folge weiteren Kosten für das Land zu rechnen?