Mit dem für Dienstag, den 2.August 2016, von Microsoft angekündigten sog. ‚Anniversary-Update‘ für Windows10 wird laut einem Bericht des Computer-Magazin c’t die Möglichkeit, die Suchfunktion nach Dateien auf den eigenen PC zu begrenzen, entfernt. Im Ergebnis bedeutet das, dass jede Suche nach z.B. privaten Dokumenten auf dem eigenen Computer auch über Internet an Microsoft übertragen wird. Diese automatisierte Datenweitergabe an Microsoft wird den Nutzern per Update übergestülpt, eine explizite Einwilligung zur Übertragung der Daten wird nicht eingeholt. Auch wird der Nutzer nicht ausreichend auf diese neue Datenübertragung hingewiesen.
Professionelle Administratoren oder auch versierte Anwender können dies zwar über komplizierte Wege noch verhindern, aber die Weitergabe von sensitiven Informationen dürfte für die meisten Microsoft-Kunden mit dem Update zwangs-eingerichtet werden. Hier besteht die Gefahr, dass private Daten von Endnutzern sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen an Dritte übertragen werden. Auch ein Einsatz in der öffentlichen Verwaltung sollte sich aus datenschutzrechtlicher Sicht verbieten.
Es sollte daher jeder Windows 10-Nutzer die automatische Aktualisierung abschalten, damit ihm dieses zweifelhafte Update erspart bleibt. Wir haben die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sowie Microsoft um Stellungnahme gebeten.
Ein Gedanke zum Ausreiseverbot für Akademiker aus der Türkei: Welche Konsequenz hat das für die Kontrollinstanzen?
Sicher nur dann, wenn es in der Türkei ein zentrales Akademikerregister gäbe, wäre die Selektion zu gewährleisten.
In Wahrheit dürfte auch in türkischen Pässen nichts über den Bildungsabschluss stehen. Folgerichtig dürfte die „negative Akademikervermutung“ bestehen, wonach jeder türkische Staatsbürger im Fall der Ausreise nachweisen müsste, NICHT Akademiker zu sein. Das ist nahezu unmöglich.
Konsequenz: Das Ausreiseverbot gilt praktisch für alle türkischen Staatsbürger.
Wer ein ganzes Volk oder zumindest namhafte Teile (Akademiker) einsperrt, kreiert einen „Unrechtsstaat“. Mit diesem Treiben hat Erdogan, hat die Türkei die Grenze zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 7 e des Römischen Statuts des internationalen Gerichtshofs „Freiheitsentziehung“) überschritten und jedweden Anspruch, Mitglied einer internationalen Staatengemeinschaft (zumal einer militärischen – NATO) sein zu können, verloren haben, zumal die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei damit endgültig gebrochen ist.
Wann bestellt Merkel eigentlich den türkischen Botschafter ein?
(Kann sie nicht. Der Botschafter wurde im Juni wergen der Armenien-Resolution aus Berlin abberufen.)
Neulich las ich den Blogbeitrag von Michael Seemann aka mspr0 mit dem Titel „Ich lehne Marx‘ Arbeitswerttheorie ab und hier ist warum“. Ich fand ihn recht schlüssig, und – auch emotional berührend und tröstlich. Also erst mal danke, mspr0!
Warum? Weil‘s mir oft genauso geht. Freunde von mir, die sich nach dem althergebrachten, eindimensionalen und ziemlich kaputten Polit-Kompass eher links einordnen würden, tja, sie mögen diese Theorie, manche schwören sogar drauf.
Und schlimmer noch, der beste Platz ist sowieso zwischen den Stühlen. Denn Freunden gegenüber, die sich eher nicht als „links“ bezeichnen, aus den unterschiedlichsten Gründen, yep, davon – ja Schimpf und Schimmel über mich – habe ich auch ein paar, lehnen diese Theorie so vollständig ab, dass ich fast jedes Mal in einen Verteidigungsmodus gerate, um ihnen gegenüber zumindest die historische Wichtigkeit dieser Theorie hervorzuheben, denn sie wollen nicht mal diese Relevanz wenigstens anerkennen. Dabei hat es was mit der Renaissance und der bürgerlichen Renaissance-Revolution zu tun. Hier ist möglicherweise eine gewollte, leicht genervte Form der Geschichtsvergessenheit im Spiel.
Dazu kann ich nur sagen, dass das verstehende Erinnern, die Anamnesis, mehr ist als bloßes Speichern, es ist ein kognitiver Prozess, der lebenden Systemen, also uns Menschen vorbehalten ist und bleibt. Und es hilft nichts, auf das Internet zu verweisen, da stünde doch sowieso schon alles. Das entbindet einen nicht von der Verantwortung, sich den kognitiven Prozessen des Verstehens auszusetzen. Die Wikipedia nämlich – für sich betrachtet – „weiß“ nichts, sie ist nur eine Speicherfunktion – aber auch nicht weniger.
Seemann sagt nun, dass ihm schon in den Grundsätzen der Arbeitswerttheorie etwas aufstößt. Dem kann ich mich anschließen. Denn, nach Marx ist die Arbeit die Quelle aller Werte. Das hat er mit den Bürgern der Renaissance-Revolution gemeinsam, die Arbeit und Fleiß – als Werte – dem nicht arbeitenden Adel und der klerikalen vulgo kirchlich-platonischen Idee der reinen Form entgegensetzten. Der Wert als Kategorie, im Gegensatz zum Glauben an die göttlichen Formen. Und, der Begriff der Arbeit, insbesondere der körperlichen Arbeit, mutierte von einer Form der Strafe – im Schweiße deines Angesichts sollst du … – zu einer Tugend.
Als kleine Ergänzung zu Seemanns Beitrag möchte ich zwei weitere Aspekte in die Diskussion bringen – just my 2 cents.
Erstens, nehmen wir beispielsweise mal einen Klavierbauer. Er baut und verkauft Klaviere, damit leistet er gesellschaftlich relevante Arbeit, er produziert Tauschwerte. Kauft nun ein Pianist ein solches Klavier und gibt damit Konzerte, für die er Eintritt nimmt, produziert auch er die Dienstleistung „Klavierkonzert“ als Tauschwert. Das Klavier ist für ihn ein Produktionsmittel.
Wenn aber, sagen wir, eine Ingenieurin oder ein Handwerker ein Klavier kauft, um sich und vielleicht andere abends im häuslichen Wohnzimmer durch eigenes Klavierspiel zu erfreuen und zu entspannen, dann hat dies nach Marx lediglich einen individuellen Gebrauchswert. Das Klavier ist nicht mehr Produktionsmittel sondern „Luxusgut“. Hier bricht die ökonomische Wertschöpfungskette ab, – die, wie Viele schon wissen, ja eigentlich keine Kette sondern ein Kreislauf sein sollte. Aber tut sie das wirklich? Denn sicher trägt das individuelle Klavierspiel zum Erhalt oder gar zur Steigerung der beruflichen Produktivkraft und Kreativität der Ingenieurin und des Handwerkers bei.
Das lässt sich jedoch nicht mehr vordergründig „messen“, denn es gibt keinen Preis, keinen Tauschwert.
Und auf einmal bewegen wir uns argumentativ auf ganz gefährlichem Boden. Denn es gibt, wie wir inzwischen wissen, die Bestrebungen, auch das zu messen, jenseits soziologischer Stichproben- und Feldforschungen per Fragebogen. Diese Bestrebungen stecken beispielsweise in der – ohne Zweifel ökonomisch motivierten – Frage von Zuckerbergs Facebook: „Was tust du gerade?“ Und es murmelt weiter in den social networks, „auch du bist interessant, zeige doch der Welt, wie toll du bist. Kriege Likes und verteile Likes!“ So funktioniert unerfragte Messung heute.
Informationsgesellschaft und Digitalisierung bringen einen ganz neuen Ansatz hinein, den des Versuchs der totalen Vermessung der Welt per Big Data. Das Dilemma besteht hier darin, dass auf der einen Seite Freiheit und damit auch Zweckfreiheit im Tun als Menschenrecht betrachtet wird und andererseits diese Freiheit wieder als Zweck recycelt werden soll, als Prozess der Selbstoptimierung, zu dem – ganz natürlich – auch bspw. die musikalische Entspannung zählt, nämlich dann, wenn sie quantitativ erfassbar gemacht wird, die Apple Watch lässt grüßen ….
Also Holz-, äh, Digitalauge sei wachsam.
Der zweite Aspekt ist grundsätzlicher und führt zu Vilém Flusser (1920 – 1991) – womit ich ein weiteres Mal in einen Verteidigungsmodus gerate. „Du und dein Flusser!“ – „Wann zitierst du den denn das nächste Mal im Landtag?“ – „Dein Lieblingsphilosoph!“
Nee, stimmt nicht. Ich habe keinen Lieblingsphilosophen und einen Guru schon gar nicht. Damit wird man diesen ohne Zweifel klugen Leuten nicht gerecht. Verherrlichung hat noch nie irgendwas Sinnvolles hervorgebracht.
Das Sinnvolle bei Flusser hingegen besteht in der außergewöhnlichen Kombination aus seinem phänomenologischen Ansatz, mit dem er sich klar in die Tradition Edmund Husserls stellt, seinen kulturhistorischen und sprachbezogenen Blickwinkeln sowie seinem Vermögen, ausgeprägt assoziativ und springend zu denken, gepaart mit Charisma im Live-Vortrag. Im Arbeitskreis Medienphilosophie an der FH Düsseldorf sagte mal jemand respektlos, man könne den Flusser „nur als Komiker“ lesen. Ich kann das bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen, jedoch nicht gutheißen. Wildes Denken wie bei Flusser hat in der Wissenschaft genauso seinen Platz, sollte seinen Platz haben, wie akribisches Ableiten.
Nicht umsonst hat Friedrich Kittler 1991 Flusser an die Ruhruniversität Bochum geholt. Die Bochumer Vorlesungen, unter dem Titel „Kommunikologie weiter denken“ als Buch erschienen, sind ein Kracher, ebenso wie sein Vortrag 1991 auf der CulTec in Essen, „Informationsgesellschaft, Phantom oder Realität?“. Womit seine anderen Publikationen natürlich nicht ins Abseits geschoben werden sollen.
Flussers Argumentation läuft gerafft dargestellt so ab: Arbeit, herstellende Arbeit, die Produktion von Gegenständen, Artefakten, besteht darin, dass Menschen Materie in eine bestimmte Form bringen. Sie „informieren“ also die Materie. Und das Resultat ist Künstliches, Her-Gestelltes. Um es anschaulicher zu machen, können für dieses in-Form-bringen die Tätigkeiten des Gießens, Pressens oder Prägens als Beispiele herangezogen werden.
Dabei lassen sich zwei Phasen der Arbeit unterscheiden. In der ersten Phase wird die Form ausgearbeitet, entworfen, und in der zweiten wird die Form auf den oder die Rohstoffe angewandt.
Man stelle sich eine Presse vor, die metallene Schreibfedern für Füller produziert. Der Wert einer Schreibfeder ergibt sich nun aus der Tatsache, dass man damit schreiben kann. Und das verdankt sie ihrer Form, die Form ist aber Sache des Designers!
Der Wert steckt in der Form, in der In-form-ation.
Die Quelle der Werte ist also nicht die Arbeit aus Phase 2 des Aufprägens der Information auf die Materie. Die Quelle der Werte ist der Designer. Und dieser Designer, der Entwerfer, so Flusser, hat bei Marx nie ganz reingepasst.[1]
Außerdem lässt sich feststellen, dass diese Phase 2 des Prägens, Gießens, Pressens, des Informierens der Materie sich ganz wunderbar zur Automatisierung eignet. Maschinen können das besser als wir. Und die Arbeit, als menschliche, entfremdete Arbeit, ist futsch.
In „Kommunikologie weiter denken“ drückt Flusser es am Beispiel eines Werkzeugmachers noch drastischer aus [2]:
„Ein Mensch macht einen Blueprint, eine Blaupause, eines Schlüssels. Dann nimmt er eine Maschine, die diese Zeichnung in ein Stahlwerkzeug überträgt. Eine andere Maschine schiebt das Stahlwerkzeug in die dritte Maschine. Dann kommt eine Maschine und schiebt die Stahlplatte hinein, und es geht „tak-tak-tak“, und auf der anderen Seite fallen die Schlüssel heraus. Der Mensch, der das gezeichnet hat, ist gar nicht mehr dabei. Das ist das Ende des Marxismus. Der Mann ist gar nicht mehr beteiligt daran. Er hat die Sache irgendwo formal entworfen. Weder das Material noch die Arbeit ist etwas wert, sondern nur der Entwurf. Darum habe ich so lange auf dem Platonismus bestanden. Das ist doch eine außerordentlich platonische Idee. Dieser Designer ist doch eigentlich jener Philosoph, der die Form betrachtet, die „Schlüsselheit“.
Aus seiner theoretischen Sicht entstehen automatisch das Stahlwerkzeug und die Stahlindustrie und die Industriegesellschaft. Unsere Vorurteile, was die menschliche Arbeit betrifft, zerbrechen unter dieser Analyse.
Der Wert liegt in der Information. Das Wichtige am Begriff der Information ist, sie ist nichts Materielles. Information ist übertragbar von Materie zu Materie. [….] Wenn man die informatische Gesellschaft verstehen will, muss man das vollkommen intus haben. Man muss den Unterschied zwischen soft und hard im Bauch haben, um das zu verstehen. Der Wert des Kuchens liegt im Rezept.“
Daraus lässt sich auch ein schlüssiger Vorschlag für ein mögliches Definitionselement für den Begriff „Informationsgesellschaft“ ableiten:
„In der Informationsgesellschaft wird immer mehr Gewicht auf das Erzeugen und Bearbeiten von reinen Informationen gelegt und immer weniger Gewicht auf das Erzeugen informierter Gegenstände.“
Das mag nun das Ende des Marxismus als schlüssige Arbeitswerttheorie sein, wie Flusser behauptet, es ist jedoch keinesfalls das Ende im Kampf um menschenwürdige Lebensbedingungen.
Darüber hinaus kann man auch – im eingehenden Informationszeitalter – die very big question stellen nach dem Sinn und Zweck alles Maschinellen.
Der Mathematiker und Philosoph Rudolf Kaehr sagte dazu mal [3]:
„Also, man kann das so weit sich ausdenken, dass wir möglichst alles, was wir heute überhaupt haben, an die Maschine abgeben können, um an etwas ‚ranzukommen, was uns bis dahin immer verdeckt war, nämlich sozusagen die reine Faktizität unserer Existenz.“
In diesem Sinne, zum weiter Draufrumdenken, just my 2 cents.
Nick H. aka Joachim Paul
Quellen:
[1] Flusser, Vilém; Die Informationsgesellschaft, Phantom oder Realität?; Vortrag auf der CulTec in Essen vom 23.11.1991, Suppose-Verlag, Köln 1999
[2] Flusser, Vilém; Kommunikologie weiter denken – Die Bochumer Vorlesungen; Frankfurt a.M. 2009, S. 142ff
Meine Rede zu TOP 6 am 08. Juli 2016, „Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – TVgG – NRW)“ – Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 16/12265 – 1. Lesung
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bombis. – Für die Piratenfraktion spricht jetzt Herr Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Wir befassen uns heute in erster Lesung mit dem neuen Entwurf für das Tariftreue- und Vergabegesetz. Wir Piraten bleiben bei der Position: Öffentliche Vergabe muss frei von Sozialdumping und menschlicher Ausbeutung sein und bleiben.
Auch ökologische Standards müssen heutzutage selbstverständlich Beachtung bei Ausschreibungen finden. Von daher können wir dem ganzen Zirkus, den die Kollegen von CDU und FDP hier veranstalten, überhaupt nichts abgewinnen.
Wissen Sie, Herr Wüst, Herr Bombis, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Ich habe den Eindruck, dass hier dann immer so ein Geist von ökonomistischer Eindimensionalität durch die Hallen weht. Das ist wirklich schwer auszuhalten.
(Beifall von den PIRATEN)
Die Landesregierung hat sich also entschlossen, das Gesetz zu novellieren, um es anwenderfreundlicher auszugestalten. Es wurde eben schon erwähnt, es geht unter anderem um die Einführung des Bestbieterprinzips und um neue Schwellenwerte. Wir werden natürlich im Ausschuss prüfen, inwieweit nun Rechtssicherheit und Anwenderfreundlichkeit gegeben sind, aber auch ob die genannten sozialen und ökologischen Ziele erreicht werden.
Lassen Sie mich den ökologischen Aspekt herausgreifen. Es ist auch so ein bisschen die Förderung des Bewusstseins von „Care-about“ für unseren Planeten auf kommunaler Ebene. Wir halten das für wichtig.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch das beste Gesetz der Welt verfehlt seine Wirkung, wenn die Umsetzung nicht kontrolliert wird.
Im vergangenen Jahr wurde bereits bei der Evaluierung des Gesetzes ein Defizit bei den Kontrollen festgestellt. Damals war die Prüfbehörde noch nicht zu 100 % einsatzfähig. Jetzt wird die Prüfbehörde in das Landesministerium für Arbeit verlegt. Wir fordern Sie nachdrücklich auf, eine wirkungsvolle Kontrolle der Einhaltung der sozialen und ökologischen Vorgaben sicherzustellen. Es ist im Interesse aller Beteiligten, wenn die schwarzen Schafe auffliegen. Nur so kann es einen fairen Wettbewerb um öffentliche Aufträge geben.
Das bringt mich zu einem weiteren Punkt, leider, muss ich sagen. Denn es ist immer noch ein Trauerspiel, dass die Große Koalition in Berlin noch immer kein bundesweites Korruptionsregister auf den Weg gebracht hat. Damit ist bis heute nicht sichergestellt, dass nachweislich wirtschaftskriminelle Unternehmen konsequent von der Vergabe ausgeschlossen werden. Es ist zwar zu begrüßen, dass das Korruptionsregister hier in Nordrhein-Westfalen vorhanden ist, aber ein vollwertiger Ersatz ist das aber nicht.
Ich komme zum Ende: Faire und nachhaltige öffentliche Beschaffung ist keine Kür, es ist Pflicht. In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Asch.
Meine Rede zur Aktuellen Stunde, TOP 1 am 08. Juli 2016 „Wie schätzt die Landesregierung die Auswirkungen des „Brexit“ auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Vereinigten Königreich ein und welche politischen Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen?“ –
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/12418 – in Verbindung damit
„Mögliche Auswirkungen des Austritts des Vereinten Königreichs aus der Europäischen Union auf Nordrhein-Westfalen“
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/12419
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Piraten spricht Herr Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen lieben Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Die Menschen im Vereinigten Königreich haben sich mit knapper, aber dennoch unmissverständlicher Mehrheit für den Brexit entschieden. Sie haben mehrheitlich den Weg der Instabilität, der potentiellen Desintegration – insbesondere der im eigenen Land – und der politischen und wirtschaftlichen Verunsicherung gewählt. Und sie wurden gesellschaftlich gespalten. Doch es ist noch mehr passiert. Das zeigt auch diese Debatte hier.
Nach dem Brexit kann in Europa – in Brüssel, Berlin, Paris und auch Düsseldorf – nicht wie bisher weitergemacht werden. Wir haben den Brexit in einer ausführlichen und guten Debatte im Europaausschuss behandelt und behandeln ihn jetzt hier im Rahmen der Aktuellen Stunde im Plenum. Das ist gut so. Die Debatte beschäftigt sich aus unserer Sicht aber zu sehr mit vordergründigen Wirtschaftseffekten, mit dem müßigen Aufrechnen von Import- und Exportvolumina. Da hilft es auch nicht, Herr Laschet und Herr Engstfeld, wenn man die falschen Beispiele wählt. Bei ERASMUS ist der EWR mit dabei. Da mache ich mir die wenigsten Sorgen.
(Armin Laschet [CDU]: Ne, ne, ne!)
Ich mache mir viel mehr Sorgen darüber, was mit dem Forschungsstandort Europa passiert, und über die britischen Wissenschaftler, die händeringend auf Mittel aus Brüssel angewiesen sind.
(Beifall von den PIRATEN)
Das hilft uns zum jetzigen Zeitpunkt aber kaum weiter. Es macht auch wenig Sinn, sich an Farage, Cameron oder Johnson abzuarbeiten.
Vielleicht gestatten Sie mir ein persönliches Wort als Nachfahre eines Mannes und einer Frau, die den Zweiten Weltkrieg noch als Erwachsene mitgemacht haben. Ich habe das Bild von Menschen vor Augen, die sich politisch vor der Verantwortung drücken, auf den Scherben tanzen und Champagner trinken. Ich meine die AfD, die UKIP und den Front National. Dieses Bild, das ich vor Augen habe, ist schier unerträglich für einen überzeugten Europäer!
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD, der CDU und den PIRATEN)
Wir müssen uns jetzt erst einmal fragen: Wie konnte es soweit kommen? Zweitens ist zu fragen: Wo liegt möglicherweise unsere Verantwortung? Und drittens müssen wir uns fragen: Was muss jetzt passieren?
Zur ersten Frage: Wir wissen, die Leave-Kampagne war von populistischer Fehlinformation geprägt. Sie hat es bedauerlicherweise geschafft, in Teilen der Bevölkerung vorhandene Ressentiments gegen Ausländer und Muslime, das Gefühl des wirtschaftlichen und sozialen Abgehängtseins sowie den Hass auf den vermeintlichen Sündenbock Brüssel gezielt anzusprechen und die Stimmung aufzuheizen. Doch – da müssen wir auch ehrlich sein – die Europäische Union und ihre Protagonisten waren da auch ein allzu einfach zu schlagender Gegner. Denken wir beispielsweise an den undemokratischen Umgang mit CETA und TTIP oder an die Allmachtsfantasien der EZB. Wir wollen und brauchen ein anderes Europa!
(Beifall von den PIRATEN)
Seit langem fehlt die Vision für ein Europa jenseits der Binnenmarktintegration oder des Spardiktats. Was fehlt, ist Zuversicht. Es fehlt Zuversicht von Zagreb bis Hammerfest – ja, ich weiß, das liegt in Norwegen – und von Zypern bis Belfast. Was fehlt, ist der Gestaltungswille für eine lebenswerte Zukunft in Europa. Stattdessen erfahren die Menschen und insbesondere die jungen Europäer, dass viel Stillstand verwaltet wird. Das muss sich ändern!
(Beifall von den PIRATEN)
Wo liegt denn unsere Verantwortung? Unser Politiksystem – dazu gehört auch das in Nordrhein-Westfalen – braucht ein Update; denn momentan schafft es nur weiteres giftiges Misstrauen in die Politik und die Politiker.
Geld vernichtende ÖPP-Projekte, politisches Postengeschacher, das Platzen der Verfassungskommission – das alles sind kleine, manchmal klitzekleine Puzzlestücke im Big Picture des politischen Systemversagens.
Wir erleben aber auch die politischen Nachwehen der Finanz- und Bankenkrise von 2007. Mit der jahrzehntelangen Deregulierung der Finanzmärkte wurde nicht nur die Wirtschaft, sondern auch unsere Demokratie destabilisiert. Die namhafte Soziologin an der London School of Economics, Dr. Lisa MacKenzie, hat sogar die These aufgestellt, dass das Ergebnis des Brexit-Referendums in Großbritannien eine verspätete Absage an die britische Politik gewesen sei.
Was muss jetzt passieren? Das Ergebnis des Brexit-Referendums ist auch ein geteiltes Votum. Das ist gefährlich. Die Jüngeren, sofern sie zur Wahl gegangen sind, haben sich mit großer Mehrheit für einen Verbleib in der Europäischen Union ausgesprochen. Je älter die Wählergruppe, desto geringer die Zustimmung zur EU.
Es bedarf einer deutlichen Senkung des Wahlalters bei Wahlen und Volksentscheiden,
(Zuruf von der FDP: Quatsch!)
auch weil diese immer öfter fundamentale Zukunftsfragen behandeln. Diese Referenda sind sehr gut vorzubereiten. Vor allem die Jugend muss ihre eigene Zukunft direkt mitgestalten dürfen.
(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Wir wissen: Der zentrale gesellschaftliche Konflikt unserer Zeit, den wir Europa austragen und zukünftig austragen werden – das zeigt sich vor allen Dingen in Südeuropa –, könnte lauten – davor habe ich große Angst –: alt versus jung. Die junge Generation von Cádiz bis Tallinn ist die Hauptverliererin. Dieser Konflikt ist potenziell spaltend und muss daher mit äußerster politischer Sorgsamkeit angegangen werden.
Wir Piraten wollen einen Ausgleich, aber im Zweifel stehen wir immer für die Zukunft.
(Beifall von den PIRATEN)
Was muss noch geschehen? Wir müssen die soziale Union ausbauen und eine soziale Komponente, soziale Mindeststandards, angemessene Unternehmensbesteuerung ohne gewollte Steuerschlupflöcher schaffen. Sonst kann mit der Europäischen Union kein positives Bild vermittelt werden.
Wir sollten die Menschen an einer verfassungsgebenden Versammlung, an einem Verfassungskonvent für die Europäische Union, teilhaben lassen. Ziel muss es sein, das politische System der Europäischen Union und ihre Beziehung zu den Mitgliedstaaten und Regionen neu zu strukturieren und auf eine wirklich demokratische Basis zu heben. Hierbei kann auch ein Europa der Regionen weitergedacht werden.
Wir brauchen eine demokratische Stärkung des Europäischen Parlaments mit mehr Initiativ- und Beschlussrechten. Denn es ist die einzige Institution, gegen die sich die EU-Skepsis nicht direkt gerichtet hat.
(Christian Lindner [FDP]: Darf das Parlament dann auch über CETA abstimmen?)
– Wie gesagt: neu strukturieren. – Wir müssen darüber erst einmal reden, Herr Lindner.
(Christian Lindner [FDP]: Sagen Sie das mal!)
– Das muss erst einmal auf die Agenda. Dann müssen wir debattieren. Ich gebe Ihnen hier kein abschließendes Votum.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP] – Gegenruf von Michele Marsching [PIRATEN])
– Lassen Sie mich bitte zum Ende kommen. – An der Demokratisierung und Transparenz der EU weiterzuarbeiten, ist der einzig gangbare Weg, wenn man nicht zurück in die dunkle Vergangenheit nationaler Egoismen – da bin ich bei Ihnen – zurück möchte.
Ich komme zum Schluss. Der Brexit zeigt: Wir brauchen eine positive Vision für unseren Kontinent. Denn das Beispiel der Europäischen Union ist historisch beispiellos. Der Brexit ist auch beispiellos. Oftmals bedeutet die EU für die junge Generation nur noch einen leblosen Binnenmarkt oder ein chancenvernichtendes Spardiktat.
Wir brauchen ein Europa des sozialen Ausgleichs, der politischen Transparenz, der Bildung in der digitalen Welt und der fairen Unternehmensbesteuerung.
(Beifall von den PIRATEN)
Ein solches Systemupdate ist verfügbar. Lassen Sie uns das angehen! – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von der CDU: Nix verstanden!)
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Lersch-Mense.
2. Redeblock:
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Stefan Engstfeld! Ich kann dir versichern: Es geht weiter. Und wir werden uns hier intensiv weiter über Europa Gedanken machen und Handlungskonzepte entwickeln.
Zunächst einmal eine kleine Replik an Herrn Lindner, der es mehr oder weniger erfolgreich immer wieder versucht, mich beim Reden durcheinanderzubringen. Einen Supranationalismus, den Sie wahrscheinlich angesprochen haben, wenn jetzt das europäische Parlament allein über Großabkommen entscheidet, den kann natürlich niemand wollen. Das bringt mich aber zu der Frage, wie wir denn die Entscheidungsmodi für solche überregionalen Dinge in Zukunft organisieren.
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
– Herr Laschet, ich komme gleich zum zweiten Punkt. Es ist manchmal hilfreich, sich Leute anzusehen und zu Gemüte zu führen, die in der Vergangenheit mit ihren Einschätzungen der Zukunft richtig gelegen haben. Wenn sie Einschätzungen vorgebracht haben für die weitere Zukunft, dann macht es Sinn, sich das einmal anzusehen und wenigstens darüber nachzudenken.
Ein solcher Mensch war der Medienphilosoph aus Prag, der aus Prag stammende Vilém Flusser, ein Jude, der auch die Außensicht hatte, der sich von Brasilien aus die Entwicklungen in Europa angesehen hat. Er hat die These aufgestellt, dass in den ersten beiden Dekaden des 21. Jahrhunderts der Nationalismus in Rückzugsgefechte gerät. Und diese Einschätzung sollte uns eigentlich Mut geben. Die nationalistischen Thesen kennen wir ja von den entsprechenden Vertretern vom rechten Rand.
Er hat die Hoffnung ausgesprochen, dass sich auf der anderen Seite die Regionen neu organisieren zu einem übergeordneten Gebilde. Darüber sollte man einmal nachdenken – Stichwort AdR, Ausschuss der Regionen. Vielleicht vermittelt man ihm mehr Kompetenz in Brüssel. Das würde Sinn machen.
Ein zweiter ganz wesentlicher Punkt, der jetzt nicht positiv, sondern in der Argumentation negativ zu Buche schlagen wird, ist die Einschätzung von Manuel Castells in seinem Werk „Das Informationszeitalter“, 1998 geschrieben, der gesagt hat, dass er die Gefahr sieht, dass in der Zukunft im 21. Jahrhundert die Menschen wesentlich mehr Entscheidungen auf der Basis dessen treffen, was sie glauben oder glauben zu wissen, anstatt auf der Basis dessen, was man nachschlagen und nachlesen kann. Das halte ich für eine gefährliche Entwicklung. Da müssen wir im Bereich Bildung gegenarbeiten.
Ein vierter Punkt: Ich habe letzte Woche – ich mache das schon mal – die NRW-SPD „Dienstagspost“ gelesen. Das ist so ein Newsletter.
(Zurufe)
– Ja, da sprang mir ein Satz von Hannelore Kraft ins Auge, Minister Lersch-Mense hat ihn gerade auch noch einmal gesagt, ein ganz einfacher Satz: „Europa muss sozialer werden.“
Dem kann man nur zustimmen. Damit ist nicht alles gesagt. Man kann sich natürlich jetzt in sozialphilosophischen Seminaren damit ein Jahr lang beschäftigen und über den Satz meditieren. Es müssen diesem Satz ganz dringend Handlungen folgen.
Wir brauchen – ich sage es noch einmal – ein System Update für Europa. Und an die Adresse all derjenigen, die Europa für parteipolitisches Kalkül benutzen: Mit unserem Europa zockt man nicht. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.
Meine Rede zu TOP 4 am 07. Juli 2016 „Realitätsschock Breitbandausbau. Digitale Spaltung verhindern – an Breitband-Ausbauzielen mindestens festhalten!“ – Antrag des Abg. Schwerd (fraktionslos) – Drucksache 16/12336 – in Verbindung damit –
„Nordrhein-Westfalen muss Impulsgeber und Avantgarde für die Gigabit-Gesellschaft werden – Mit Glasfaser-Offensive digitale Netze der Zukunft schaffen“ – Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 16/12354
Plenarprotokoll:
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! In der Breitbanddebatte haben wir heute viele verschiedene Argumente gehört. Da ging auch, ehrlich gesagt, ziemlich viel durcheinander. Lassen Sie mich daher versuchen, das Wichtigste auf den Punkt zu bringen.
Erstens. Da unser Bundesland aufgrund seiner Siedlungsstruktur viele Ballungsräume hat, ist die alte Infrastruktur auf Kupferbasis noch ein Stück besser ausgebaut als in anderen Bundesländern. Das ist aber keine Eigenleistung weder von der Landesregierung noch von den Kollegen Vogt oder Bolte, die sich hier gern dafür feiern lassen möchten.
Ganz im Gegenteil. Mit der von Ihnen verantworteten Politik werden wir bei dem wohl wichtigsten Infrastrukturthema zu Beginn des 21. Jahrhunderts sowohl national als auch international abgehängt werden.
Das bringt mich zu einem zweiten Punkt. Der ländliche Raum in Nordrhein-Westfalen ist weit-gehend abgeschnitten vom schnellen Internet trotz aller Sonntagsreden der zuständigen Minister hier im Parlament. Mit dem Ausbautempo der letzten Jahre 2012 bis 2015 werden wir erst 2024 alle Haushalte auf dem Land erschlossen haben und das nur mit 50 MBit/s. Da muss man schon – im Wirtschaftsausschuss war das schon Thema – eine Exponentialfunktion darunter legen, auch mit der Förderung, damit das noch klappt.
Das wiederum heißt: Das politische Versprechen von Frau Kraft, alle Haushalte bis 2018 an ein 50 MBit-Netz anzuschließen, werden Sie nach dem derzeitigen Stand mit Pauken und Trompeten reißen. Man kann vielleicht auch die These aufstellen: Die Landesregierung hofft insgeheim, dass 2018 das Verfehlen jemand anders verkünden muss.
Was gilt es zu tun? Die Frage bringt mich zur dritten These. Wer Nordrhein-Westfalen zur Avantgarde für die Gigabit-Gesellschaft machen will, wie es im Antrag der FDP-Fraktion heißt, kommt auch 2016 nicht um die Vorschläge der Piraten herum. Das beweist explizit der hier vorliegende Antrag, dessen Kernpunkte aus Forderungen bestehen, die wir Piraten in den letzten Monaten erarbeitet und hier in den Landtag eingebracht haben und die nun via Copy-Remix-Share recycelt werden.
Das macht die inhaltlichen Punkte im FDP-Antrag nicht weniger richtig. Im Gegenteil, ich wünschte mir allerdings, die Landesregierung würde genauso schnell lernen wie die FDP.
Meine Damen und Herren, die Lobby der alten Kupfernetzbetreiber ist stark in Deutschland. Das zeigt nicht zuletzt der verwegene Versuch der Telekom, die Genehmigung zur Errichtung von Vectoring-Monopolen zu erhalten. Es ist nur wenige Wochen her, da haben wir den Stopp der Vectoring-Pläne der Bundesnetzagentur im Wirtschaftsausschuss gefordert. Mit Vectoring wird untergraben, was eigentlich dringend notwendig ist, nämlich der Aufbau einer nachhaltigen Glasfaserinfrastruktur.
Wir Piraten setzten uns dafür seit Langem ein und sind der Ansicht, dass die Förderprogramme dafür neu gestaltet und konsequent auf den Glasfaserausbau ausgerichtet werden müssen, statt noch mehr öffentliche Gelder im veralteten Kupfernetz zu versenken, wie es der CSU-Digitalverkehrsminister Dobrindt letzte Woche angekündigt hat.
An dieser Stelle möchte ich explizit die Kollegen von der Union ansprechen, die bei dieser Debatte oft so tun, als ob die verfehlte Netzpolitik auf Bundesebene nicht von ihren Partei-freunden mit zu verantworten gewesen wäre.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich sage es noch einmal: Es grenzt an Steuermittelverschwendung, wenn öffentliche Mittel für veraltete Kupferkabel rausgeworfen werden, deren Leistung schon nach kurzer Zeit nicht mehr ausreichen wird.
(Beifall von den PIRATEN)
Als letzter Punkt sei mir noch ein Hinweis gestattet, um das hier möglicherweise entstehende Missverständnis auszuräumen, die Piraten und die FDP betrieben die gleiche Netzpolitik: Wir Piraten befürworten große öffentliche Investitionen in Glasfasernetze, solange die Netze und die damit verbundenen Infrastrukturwerte danach in kommunale Hand kommen. Ich befürchte aber, Sie, liebe Kollegen von der FDP – Herr Bombis –, wollen stattdessen milliardenschwere Beihilfen an ausbaufaule privatwirtschaftliche Netzbetreiber ausschütten und denen auch noch die Infrastruktur überlassen. Das unterscheidet uns.
Noch ein Wort zum Abgeordneten Schwerd: Vielen lieben Dank, lieber Daniel, dass du mir die Gelegenheit gibst, das hier einmal zu sagen: Die Linke springt zu kurz. – Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Antrag wohlwollend enthalten.
(Beifall von den PIRATEN)
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.
2. Wortmeldung:
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schick. – Für die Piraten spricht jetzt noch einmal Herr Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich muss mit Freuden feststellen, dass wir in Nordrhein-Westfalen offensichtlich zwei Internetminister haben. Das kann man sich einmal rot im Kalender anstreichen. Wir hatten ja nur ein Ministerium gefordert, das dies machen soll. Aber immerhin!
Zurück zur Ernsthaftigkeit: Ich möchte noch einen Hinweis geben, um einmal klar zu machen, was das gesellschaftlich für die Zukunft bedeutet. Denn nach den jetzigen Vorgaben des Bundesförderprogramms – also tun wir einmal so, als hätten wir schon Glasfaser – müssen sich die Kommunen nach Ablauf der Pachtfrist von den Netzen trennen. Dann hätten wir es mit genau solch einem Problem wie bei der anstehenden Privatisierung von Verkehrswegen zu tun. Ich weiß nicht, ob wir noch weiter so mit unserer allgemeinen Infrastruktur umgehen sollten. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Weitere Wünsche nach Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich an dieser Stelle die Debatte zum Tagesordnungspunkt 4.
Meine Rede zu TOP 3 am 06. Juli 2016 „Mehr Freiheit und weniger Bürokratie bei Ladenöffnungszeiten am Sonntag“ – Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 16/12351
Plenarprotokoll:
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bolte. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Zuschauer! Eine Debatte um verkaufsoffene Sonntage lädt fast automatisch zur Kontroverse ein. Das haben wir gesehen. Das Thema berührt ja unsere Vorstellungen einer modernen Gesellschaft.
Ob Sonn- und Feiertage aus sozialen oder religiösen Gründen als möglichst ungestörte Ruhetage angesehen werden oder ein umfassendes Öffnungsverbot an Sonntagen mit Blick auf das Ausland und die zahlreichen existierenden Ausnahmen hier im Land als anachronistisch wahrgenommen wird – das Internet kennt ja auch keine Ladenöffnungszeiten –, die Sichtweisen dazu sind vielfältig, auch in unserer Fraktion.
Eine zielgerichtete Debatte über den vorliegenden Antrag wäre etwas differenzierter anzusiedeln. Denn die antragstellende FDP-Fraktion rüttelt ja nicht an der Vorgabe, dass Geschäfte maximal viermal im Jahr an verkaufsoffenen Sonntagen teilnehmen dürfen. Es geht vielmehr darum, den Kommunen bei der Organisation der verkaufsoffenen Sonntage mehr Spielraum zuzugestehen. Es gilt, aktuell die betont restriktive Handschrift der Fraktionen von Rot und Grün in dem vor drei Jahren novellierten Ladenöffnungsgesetz ein Stück weit zu hinterfragen. Denn das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der Ladenöffnung in Velbert hat ja gezeigt, dass es Umsetzungsschwierigkeiten gibt. Das Anlassgebot im Gesetz ist vielleicht gut gemeint, führt aber zuweilen zu Schwierigkeiten.
Wir plädieren an dieser Stelle für Subsidiarität. Lassen Sie die Kommunen vor Ort entscheiden, wann die Geschäfte öffnen dürfen! Alles andere lädt nur ein zu Planungsunsicherheiten und Rechtsstreitigkeiten.
Auch eine Forderung nach Auflockerung der bisher höchstens elf Sonn- und Feiertage mit geöffneten Geschäften in einer Kommune macht Sinn. Denn – es wurde schon mehrfach gesagt – Großstädte wie Köln, Dortmund oder Essen sind eben nicht vergleichbar mit Ahlen im Münsterland.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir begegnen dem vorliegenden Antrag durchaus mit Sympathie. Das kommt bei der FDP nicht oft vor – das kann man sich schon einmal rot markieren – und wir freuen uns auf eine differenzierte Debatte im Ausschuss.
Ansonsten bin ich der Ansicht, dass wir Gesellschaft als Wertegemeinschaft nicht auf die Sonn- und Feiertage beschränken sollten. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.
Die FDP hat einen Antrag gestellt: „Solo-Selbstständige nicht unter Generalverdacht stellen – Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und Werk- bzw. Dienstverträgen angemessen und rechtssicher ausgestalten“. Mein Beitrag dazu (Transkript folgt)
Die FDP hat einen Antrag gestellt: „Solo-Selbstständige nicht unter Generalverdacht stellen – Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und Werk- bzw. Dienstverträgen angemessen und rechtssicher ausgestalten“. Mein Beitrag dazu (Transkript folgt)