Wie der Weg für Datteln 4 frei gemacht werden kann (und soll), den Gerichte versperrt hatten, das erläuterte Frau Hannelore Kraft persönlich am 21.Juni 2013 im Landtag NRW:
„Gemäß § 16 LPIG kann von den Zielen der Raumordnung im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist. Dies ist – wie schon geschildert – im Einvernehmen mit den fachlich zuständigen Ministerien zu prüfen. Fachlich zuständige Ministerien sind in diesem Zielabweichungsverfahren – das nur zur Erläuterung – das Ministerium des Kollegen Remmel und das Ministerium des Kollegen Duin.…
Gemäß § 16 Abs. 3 LPlG ist anschließend – wie ich bereits angeführt habe – das Benehmen mit dem für die Landesplanung zuständigen Ausschuss des Landtages herzustellen.“ [1]
Der WDR meldete am Nikolaustag [2], in der kommenden Woche werde die Entscheidung der Landesplanungsbehörde im Hause von Frau Kraft bekannt gegeben. Dem Antrag des RVR auf ein Zielabweichungsverfahren nach § 16 Landesplanungsgesetz wird stattgegeben.
Da wird sich Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender der E.ON AG, sicher freuen und sich brav beim heiligen St. Nikolaus bedanken. Sicher hat er auch einen besonders großen Stiefel vor die Tür gestellt.
Bedanken darf er sich auch ganz besonders bei Herrn Remmel, dem grünen (!) Umweltminister, der vermutlich nicht einmal rot anlaufen wird, wenn er in der kommenden Woche die Entscheidung, der auch er zustimmen musste erläutern wird. Das nämlich hat er dann schon hinter sich, da mit Sicherheit die grüne Basis ein paar Fragen zum Thema Datteln 4 hat, falls die Basis noch angehört wird. Vielleicht hätte sie ihn lieber in der Rolle des Knecht Ruprecht gesehen, der Herrn Teyssen die Rute zeigt.
Auch wir haben ein paar Fragen:
Was werden die Anwohner sagen, denen das Kraftwerk vor die Tür gebaut wurde?
Was wird mit dem Klimaschutz in NRW, wenn Datteln 4 alleine 5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr freisetzen wird?
Was ist eigentlich ein Landesentwicklungsplan wert, wenn von den darin formulierten Zielen bei Bedarf abgewichen wird? Und vor allem, wer hat das Recht ein solches Abweichungsverfahren zu initieren, also abseits von den Konzernen? Bauen sie mal ihre Garage einen halben Meter zu nah an das Nachbargrundstück und verlangen ein Zielabweichungsverfahren – viel Spaß!
Mit Sicherheit werden sich mit diesen und weiteren Fragen Gerichte befassen, die Klagen sind vermutlich schon formuliert. Wir werden also schon bald sehen, ob der Weg tatsächlich frei ist. Aber ein erster Schritt ist getan.
Ein Schritt, den der Koalitionsvertrag zwischen SPD und GRÜNEN hätte verhindern können, wenn man sich auf eine konsequente Umsetzung der Klimaschutzziele geeinigt und für neue Kohlekraftwerke keinen Raum gelassen hätte.
Das aber ist wohl nicht das Ziel des umfangreichen Vertrags gewesen. Streitpunkte ausklammern und es bei wesentlichen Aufgaben, wie den Klimaschutz, bei Absichtserklärungen belassen. So gestaltet man Koalitionsvereinbarungen. Der Erfolg zeigt sich, wenn im Falle Datteln 4 Herr Römer von der SPD sagen kann:
„ Der Koalitionsvertrag hat sich bewährt“.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
… stünde dann im Plenarprotokoll.
Ja, hat er. Es kracht nicht und man kann gemeinsam weiter regieren. E.ON ist zufrieden und der Klimaschutz wird vertagt. Wie es aussieht hat sich die große Koalition in Berlin ein Beispiel daran genommen.
Das alles führt mich wieder dorthin, wo ich am Anfang der Legislaturperiode schon stand, Koalitionen sind böse. Während so mancher der Meinung sein mag, man könne in einer Koalition eigene Positionen umsetzen, glaube ich, dass man in eben jenen Glaubwürdigkeit verspielt und zwar massiv.
Bei Datteln 4 hat sich Remmel nun ein weiteres Mal dem Kraftwerk nicht in den Weg gestellt, bei der Abstimmung im Landtag zur VDS [3] waren die Grünen an ihren Koalitionspartner gekettet und haben unserem Antrag nicht zugestimmt.
Das sind nur 2 Beispiele, landauf, landab kann man hunderte solcher Beispiele finden. Und bei jedem einzelnen Beispiel, verliert eine Partei Glaubwürdigkeit und zwar massiv.
Die Frage die mich dazu umtreibt ist folgende: „Wie versöhnt man den Bürger mit der Politik, wenn die Politik quasi durch das System schon gezwungen ist, ihre eigenen Positionen zu verraten?“ Die Antwort darauf ist einfach, so lange man an diesem System fest hält, schlicht und ergreifend niemals.
[1] http://landtag/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMP16-35.html
[2] http://www1.wdr.de/themen/archiv/sp_kraftwerk_datteln/datteln126.html
[3] http://www.abgeordnetenwatch.de/vorratsdatenspeicherung_stoppen-745-539.html