Veröffentlicht am von in Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden, Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk (A18).

Donnerstag, 28. November 2013

Rede im Rahmen der Haushaltsdebatte 2013

 

I. Einzelplan 14

Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk

a) Wirtschaft, Industrie, Mittelstand und Handwerk

Unser Redner : Daniel Schwerd

 

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Protokoll der Rede von Daniel Schwerd:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, Unternehmerinnen und Unternehmer! Ich möchte dem Kollegen Eiskirch gerne noch eine Antwort geben, denn es ist schwierig, im Rahmen meiner Intervention direkt auf ihn zu antworten.

Ausstattung und Schwerpunktsetzung des EFRE-Programms werden doch zwischen der Landesregierung und der Kommission verhandelt. Ich kann also nicht glauben, dass die Regierung jetzt wirklich keinen Einfluss darauf gehabt hätte, diese Schwerpunktsetzung vorzunehmen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Und außerdem entscheidet die Kommission nicht völlig alleine über diese Umstände. Das wollte ich noch hinzufügen.

Liebe Kollegen, als wir an diesem Ort über den Wirtschaftshaushalt des Jahres 2013 geredet haben, haben wir Piraten dem Wirtschaftsminister Duin Mutlosigkeit vorgeworfen. Dieser Vorwurf war in der Rückschau falsch und unbegründet.

(Zuruf von der SPD: Das habe ich früher bei Frau Thoben auch!)

Mutlosigkeit ist das falsche Wort, Tatenlosigkeit trifft es besser.

(Beifall von den PIRATEN)

Eine Wirtschaftspolitik, die diesen Namen verdient, findet in diesem Land nicht statt. Dieser Befund muss sich jedenfalls aufdrängen, wenn man unter Wirtschaftspolitik den Anspruch versteht, wirtschaftliche Entwicklungen aus der Politik heraus aktiv mitzugestalten. Wenn man darunter versteht, Einfluss darauf zu nehmen, wie sich die Wirtschaft in diesem Land entwickelt, dann kommt man unweigerlich zu dem Schluss: Dieser Wirtschaftsminister macht sein Ministerium zunehmend überflüssig.

Wenn ein Wirtschaftsminister hingegen vor allem rhetorische Aufgaben hat, wie Herr Duin das vor einiger Zeit selbst formuliert hat, muss man sagen: Schlecht macht er das nicht. – Wir finden allerdings, dass sich Regierungspolitiker an ihren Taten messen lassen sollten. Und in dieser Hinsicht erkennt man schon aus der Ferne: Es gibt nicht allzu viel zu sehen.

Nun, es ist definitiv nicht so, dass das Wirtschaftsministerium nichts tun würde. Im Gegenteil, es kümmert sich verlässlich um die Durchleitung von EU– und Bundesförderungsmitteln. Das ist eine wichtige Aufgabe. Schließlich besteht quasi die gesamte Wirtschaftsförderung des Landes in der Verteilung dieser Gelder. Doch auch hier wird deutlich: Mit bewusster Gestaltung hat das nichts zu tun. Wenn es Geld von der EU gibt, dann freut sich der Herr Minister, und wenn nicht, dann eben nicht.

Wenn wir angeregt haben, sich bei den Verhandlungen über EU-Fördermittel für bestimmte Themen einzusetzen – ich sprach die Breitbandförderung bzw. den Breitbandausbau, der in Nordrhein-Westfalen wirklich katastrophal langsam ist, schon an –, dann haben wir von Minister Duin dazu nur ein Achselzucken bekommen.

Aber halt! Ich tue dem Minister unrecht. Beim Breitbandausbau ist Bewegung zu spüren; denn der Minister hat vor etwas mehr als einem halben Jahr tatsächlich angekündigt, unverzüglich einen runden Tisch zu diesem Thema einzuberufen. Bei der sonstigen Tatenlosigkeit wird einem fast schwindelig. Nach der Ankündigung haben wir allerdings sechs Monate lang gar nichts von diesem Gremium gehört. Also haben wir Piraten nachgefragt und die Antwort bekommen, man werde schon bald die ersten Experten einladen. Donnerwetter, schon nach sechs Monaten!

Dieser Stil steht stellvertretend für die übrige Abwesenheit von Ambition und Gestaltungswillen. Welche Themen gäbe es denn noch, für die sich Herr Duin einsetzen könnte? Da wären zum Beispiel landeseigene Förderprogramme, also die Programme, die das Land ausschließlich alleine finanziert. Hier hätte das Land Möglichkeiten, eigene Impulse zu setzen, und zwar unabhängig von den anscheinend so strengen Vorgaben aus Brüssel. Und gibt es diese Schwerpunkte von Herrn Minister Duin? – Raten Sie einmal!

Wie wäre es mit der von Politikern so wortreich beschworenen Kreativwirtschaft? Das Wirtschaftsministerium hat vor gar nicht allzu langer Zeit eine Studie zu diesem Thema erstellen lassen, den Kreativ-Report NRW. Die Studie ist gelungen, die Analyse präzise. In NRW gibt es im Bereich Kreativwirtschaft noch echte Schätze zu heben. Hier liegt ein enormes Potenzial für Wirtschaft und Beschäftigung, nicht zuletzt, weil Impulse aus der Kreativwirtschaft weit in andere Wirtschaftsbereiche hineinstrahlen. Ich vermute, Herr Minister Duin würde mir diesbezüglich zustimmen.

Präsidentin Carina Gödecke: Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Der Kollege Eiskirch würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Ja, gerne.

Thomas Eiskirch (SPD): Verehrter Kollege Schwerd, ist es richtig, dass Sie im Laufe dieser oder der letzten Woche mit dem für den EFRE zuständigen Herrn Dufeil von der Europäischen Kommission an einer Veranstaltung teilgenommen haben, in der deutlich gemacht worden ist, dass zwar kleinteilige Fragestellungen des Breitbandausbaus aus dem EFRE unterstützt werden können, dass aber das, worum es uns im Kern geht, nämlich sozusagen das Ausrollen in die Fläche bzw. der wirkliche Ausbau nur dort möglich sind, wo Marktversagen festgestellt wird? Das ist aus Sicht der Kommission in Nordrhein-Westfalen nur der ländliche Raum. Deswegen könnte nicht der EFRE, sondern nur der ELER zur Verfügung stehen.

Mich würde, wenn Sie das dort bei dieser Veranstaltung mitbekommen haben, interessieren, warum immer weiter versucht wird, einen anderen Eindruck zu erwecken, der schlicht und ergreifend unrichtig ist.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Eiskirch, Zwischenfragen relativ kurz! – Herr Kollege Schwerd.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Ja, ich habe an dieser Veranstaltung teilgenommen. Das wäre die Antwort auf die Frage.

(Beifall von den PIRATEN)

Selbstverständlich hat er gesagt, eine flächendeckende Nutzung des EFRE-Programms sei in dem Zusammenhang nicht vorgesehen. Das war nicht die Intention.

Aber erstens ist die flächendeckende Ausrollung dieses Programms ja auch über andere, nämlich zum Beispiel über landeseigene Fördermittel möglich.

Zweitens. Das mit dem ländlichen Raum kann man dadurch regeln, dass man sich darauf konzentriert: Wo sitzen denn zum Beispiel kleine und mittelständische Unternehmen? Wo findet denn Forschung statt? Die findet ja nicht nur auf dem platten Land statt. Auch die muss eine Breitbandförderung bekommen. Das kann sie über die entsprechenden EFRE-Programme.

Lassen Sie mich fortführen. Welche Konsequenzen zieht der Wirtschaftsminister aus der Feststellung, dass die Kreativwirtschaft so wichtig ist? – Keine spürbaren. Immer noch wird die Kreativwirtschaft mit nur wenigen Cents pro Arbeitsplatz gefördert. Das ist viel zu wenig, wenn man da einen Effekt erreichen will.

Wo wir schon bei Effekten sind: Was wissen wir bislang über Effizienz und Effektivität von Wirtschaftsförderung? Auf dem Papier sieht Vieles sicherlich sehr gut aus. Aber wie stark unterscheidet sich das Abschneiden geförderter Unternehmen verglichen mit nicht geförderten Betrieben? Ich glaube, hier können wir noch viel Potenzial heben.

Zudem gilt es, langfristige Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Selbst ein Wirtschaftsminister sollte langsam eingestehen, dass unsere wirtschaftspolitischen Zielkoordinaten nicht nur in der Steigerung des Bruttoinlandsproduktes liegen können. Es wird höchste Zeit, auch andere Indikatoren für wirtschaftliches Wohlergehen zu finden als bloßes Wachstum. Wie wäre es mit Nachhaltigkeit, Lebensqualität, vielleicht sogar Glück?

(Beifall von den PIRATEN)

Gestatten Sie mir da ein bisschen Gutgläubigkeit.

Der Wirtschaftsminister könnte hier vorangehen. Er könnte richtig Politik machen. Er könnte in seinem Ministerium Pläne entwickeln und Ideen, wie wir in Zukunft leben wollen, wie wir leben können, wenn wir die Grenzen des Wachstums erreichen. Denn eines ist klar: Unbegrenztes Wachstum ist nicht möglich.

Sie sehen also: Es gäbe eine Menge Möglichkeiten und eine Menge Themen, mit denen man zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik machen könnte.

Ich kenne den Grund nicht, warum das nicht passiert. Ich stelle fest: Bisher hat sich sein Ministerium in erster Linie als Verwaltungsapparat betätigt. Es fehlt der Wille, dicke Bretter zu bohren. Stattdessen beschränken wir uns also auf die Durchleitung von Fördermitteln. Das ist aber keine Politik. Das ist Verwaltung. Ein Wirtschaftsministerium, das nur noch Verwaltungsministerium ist, macht sich überflüssig. Sollte dieser Trend anhalten, gründen wir doch lieber ein Internetministerium mit einem echten Minister an der Spitze. Das würde dem Land wesentlich mehr nützen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ein Glücksministerium!)

Es könnte Wirtschaftshemmnissen vorbeugen wie die Wirtschaftsspionage durch die NSA, die mangelnde Verfügbarkeit von Breitband abbauen. Es könnte die Verfügbarkeit freier Netzzugänge erhöhen. Es könnte sich beispielsweise für Plattformneutralität einsetzen. Es könnte Wirtschaftsförderung betreiben durch offene Standards und Unterstützung neuer Softwaresicherheit made in Germany.

(Beifall von den PIRATEN)

Für die Durchleitung von EU-Fördermitteln gründen wir dann ein Durchleitungsamt. Das haben die Beamten dort mit Sicherheit gut im Griff.

Die Abwicklung des Kohlebergbaus übernimmt das Umweltministerium. Die Energiewende ist dank des „tatkräftigen“ Einsatzes von Frau Kraft sowieso erst mal gestorben. Wozu auch auf saubere Energien setzen und auf Zukunftsorientierung, wenn wir die alten Kohlekraftwerke solange wie möglich weiterlaufen lassen können? Das ist nämlich genau das, was Frau Kraft auf Bundesebene mit den Kollegen der CDU ausgewürfelt hat.

„SPIEGEL ONLINE“ zitierte dazu einen Lobbyisten der Kraftwerksbranche, der sagte: „Frau Kraft macht gerade meinen Job.“ – Gut zu wissen. Die Bezeichnung „Kohlekraft“ erhält hier eine ganz neue Bedeutung.

(Beifall von den PIRATEN – Dietmar Brockes [FDP]: Energie kommt gleich erst!)

Statt auf Modernisierung und auf innovative Wirtschaft setzen Kraft und Duin auf Rückschritt und die Energieerzeugung des letzten Jahrtausends. Das erhält uns kurzfristig möglicherweise jetzt ein paar Arbeitsplätze, aber gleichzeitig gehen in anderen Bereichen Arbeitsplätze verloren.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Langfristig wird uns diese Politik ins wirtschaftspolitische Abseits führen. Immerhin: Das ist natürlich auch eine Art Wirtschaftspolitik, aber keine, die wir gutheißen können. Ins Abseits sollten wir uns nicht stellen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

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