Freitag, 29. November 2013
TOP 2. Energiewende darf Arbeitsplätze nicht gefährden – Landtag Nordrhein-Westfalen wehrt sich gegen die pauschale Streichung von Ökostrom-Rabatten
Audiomitschnitt der Rede von Hanns-Jörg Rohwedder als Download
Protokoll der Rede von Hanns-Jörg Rohwedder:
„Das war die Chance, uns durch eine rationale und marktwirtschaftliche Energiepolitik gegen alle Mitbewerber zu profilieren. Es ist unverzeihlich, dass wir sie nicht genutzt haben.“
So äußerte er sich gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und warf dem leider immer noch amtierenden Wirtschaftsminister Rösler Versagen vor. Diesem Vorwurf können wir uns gerne ohne Vorbehalte anschließen.
Unklar bleibt jedoch, was der Kollege Lindner unter einer rationalen Energiepolitik versteht. Liest man den vorliegenden Antrag, beschreibt der erste Absatz banale Selbstverständlichkeiten. Insofern ist durchaus Rationalität zu erkennen. Wenn Unternehmen subventioniert werden – egal ob direkt oder indirekt –, muss es dafür sachgerechte und europarechtskonforme Kriterien geben. Es muss regelmäßig geprüft werden, ob die Bedingungen noch erfüllt sind. Wir stimmen daher zu und haben diese Forderung an das Plenum in unseren Änderungsantrag übernommen.
Zweifel an der Rationalität kommen jedoch beim zweiten Absatz auf. Die pauschale Herausnahme bestimmter Branchen aus der Besonderen Ausgleichsregelung im EEG „entspricht nicht den Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen“, heißt es dort. Wessen Interessen sind aber die des Landes NRW? Die Interessen einzelner Unternehmer? Das Interesse der RWE? Hier sollen uns nach Vulgär-liberallala-Manier wieder einmal betriebswirtschaftliche Partikularinteressen als volkswirtschaftliche Gesamtinteressen angedreht werden.
Schauen wir uns doch eine der im Antrag der FDP genannten Branchen genauer an, die nicht pauschal aus der Privilegierung herausgenommen werden soll, nämlich den Bergbau, speziell den Abbau der Braunkohle. Mitten in der Energiewende erlebt ausgerechnet die besonders schmutzige Braunkohle eine Renaissance. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres stieg die Produktion von Braunkohlestrom um 11,7 %. Bereits im Jahr 2012 hatte sie um rund 5 % zugelegt. Die Bundesnetzagentur prognostiziert in einer kürzlich erschienenen Studie, dass eine Abschwächung oder gar eine Umkehr dieses Trends nicht abzusehen ist.
Geradezu absurd ist, dass ausgerechnet die Braunkohle immer stärker vom Erneuerbare-Energien-Gesetz profitiert. So war in „SPIEGEL ONLINE“ zu lesen, dass laut einem als „vertrauliche Verschlusssache“ deklarierten internen Dokument der Bundesregierung die Rabatte bei der Ökostromumlage für den energieintensiven Braunkohletagebau von 43,5 Millionen € im Jahr 2012 auf 67,6 Millionen € in diesem Jahr zulegten. Das ist ein Anstieg von 55,4 % innerhalb eines Jahres.
Die Vertraulichkeit begründet die Bundesregierung mit der Wahrung des Geschäftsgeheimnisses der Tagebaubetreiber. Ich erspare mir den Hinweis darauf, was wir Piraten von solcher Vertraulichkeit halten.
(Beifall von den PIRATEN)
Die FDP setzt sich in ihrem Antrag dafür ein, dass es genauso bleibt. Herr Lindner fordert zeitgleich rationale und marktwirtschaftliche Energiepolitik. Das ist eine Rationalität, die sich nur einem radikalen Marktliberalen erschließt, wobei sich die Frage stellt, wie Subventionen eigentlich in das liberale Marktverständnis der Antragsteller passen. Das sind schizoide Argumentationsmuster, verursacht durch Wahrnehmungsstörungen und Realitätsverweigerung.
(Henning Höne [FDP]: Witzig!)
Das ist typisch für Sekten, aber das lassen wir jetzt mal.
Aus unserer Sicht müssen die Rabatte bei der EEG-Umlage für die energieintensive Industrie alle auf den Prüfstand. Das gesamte System muss neu geregelt werden im Interesse aller Bürger.
(Beifall von den PIRATEN)
Grundsatz muss sein, dass eine Privilegierung, wenn überhaupt, nur in Betracht kommen kann für Unternehmen, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen. Für Rabatte braucht es gute Gründe, zum Beispiel den Nachweis, dass besondere Anstrengungen im Hinblick auf Energieeffizienz unternommen werden. Nur das ist rational und im Interesse der Menschen in NRW. Für diese Interessen stehen wir ein, nicht aber für die Interessen einzelner Unternehmen oder Branchen. Das überlassen wir gerne der Mövenpick-Partei.
(Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU])
Dennoch sind wir bereit, das Rationale im Absurden zu suchen. Deshalb haben wir das Selbstverständliche in unseren Änderungsantrag übernommen und bitten hier um Ihre Zustimmung – auch um die der FDP.
Der Entschließungsantrag der CDU ist wohl etwas in Eile gestrickt worden. Es steht nicht drin, dass Sie eigentlich gegen die Energiewende im Land wie im Bund sind. Das haben Sie vergessen, hineinzuschreiben. So steht da nichts wirklich Böses und Verkehrtes drin. Also kann man auch diesem Antrag zustimmen, obwohl er ziemlich wischiwaschi ist und man nicht so genau weiß, ob mehr wischi oder mehr waschi. Es steht, wie gesagt, nichts wirklich Verkehrtes drin. – Danke schön.
(Beifall von den PIRATEN)