Die #GroKo – das schönste Weihnachtsgeschenk für unser Land

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retail-store-81950_640(Einen Antrag, den es so leider nie gegeben hat.)

(Update vom 23.12.)

Jetzt gibt es den Antrag, den es so leider nie gegeben hat, auch als Video. Mit Fraktionskollegen haben wir den Text eingesprochen, und Yaro hat ein satirisches Video daraus geschnitten. (Dankeschön, liebe Kollegen!)

Viel Spaß! Achtung, enthält Spuren von Zynismus.

I. Hintergrund

Auf Bundesebene haben SPD und CDU/CSU eine große Koalition vertraglich vereinbart. Auch nordrhein-westfälische Politiker haben an den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene teilgenommen und damit das Regierungsprogramm einer möglichen Großen Koalition maßgeblich mitgestaltet.

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Laut SPD-Parteivorsitzendem Sigmar Gabriel trägt der zwischen SPD und Unionsparteien ausgehandelte Koalitionsvertrag “eine sozialdemokratische Handschrift und beinhaltet vieles, was das Leben der Menschen in Deutschland erleichtern und besser machen soll.” Er zeige, “dass Politik keine abstrakte Veranstaltung irgendwo in der Mitte Berlins ist, sondern Arbeiten und Zusammenleben in unserem Land ganz konkret in den Blick nimmt.” [1]
  2. CDU-Generalsekretär Gröhe betonte, dass sich die intensiven und harten Verhandlungen gelohnt hätten. Der entscheidende Maßstab sei, dass der Koalitionsvertrag unser Land voranbringe. Er kommentiert: “Der Vertrag spiegelt in guter Weise das Wahlergebnis wieder und ist von einer kräftigen Handschrift der Union geprägt.” [2]
  3. Der Landtag nimmt zur Kenntnis, dass der Koalitionsvertrag gleichzeitig die Handschrift von SPD und CDU trägt.

III. Der Landtag beschließt:

Der Landtag beglückwünscht die an den Koalitionsverhandlungen beteiligten Mitglieder der Landesregierung zu ihrem Einsatz und begrüßt die hervorragenden Verhandlungsergebnisse, insbesondere

  1. den Einstieg in die Totalüberwachung der Gesellschaft durch die geplante Einführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung;
  2. den dokumentierten Willen, weiterhin keine ernsthaften Anstrengungen zur Aufklärung des NSA-Überwachungsskandals unternehmen zu wollen;
  3. die Durchsetzung einer fortschrittlichen Familienpolitik durch die Beibehaltung des “schwachsinnigen” Betreuungsgeldes (Zitat SPD-Bundestagsfraktion [3]);
  4. den anhalten Stillstand beim Ausbau des Breitband-Internets – auf diese Weise wird sichergestellt, dass Deutschland auch in den kommenden Jahren in Sachen Infrastruktur nur mittelmäßig bleibt;
  5. den Abschied vom Prinzip der Netzneutralität durch die geplante Zulassung priorisierter Dienste (“Managed Services”), was die Dominanz der großen Player im Online-Bereich mittelfristig zementieren wird und Innovationen hemmt;
  6. den halbgaren Kompromiss bei der doppelten Staatsbürgerschaft, wonach jemand, der nicht in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, sich auch in Zukunft für einen Pass entscheiden müssen egal, wie lange er oder sie in Deutschland lebt;
  7. die Fortsetzung der verheerenden Austeritätspolitik von Bundeskanzlerin Merkel auf europäischer Ebene;
  8. den Abschied von der Energiewende durch eine Vielzahl von Maßnahmen zugunsten der Kraftwerkslobby, etwa durch den sogenannten “Kapazitätsmechanismus” – Zitat WDR: “RWE, Eon und Co. sollen Geld dafür bekommen, Kraftwerksreserven vorzuhalten” [4];
  9. die völlige Abwesenheit jeder Bemühung, ein gerechteres Steuersystem in Deutschland zu etablieren und ein weiteres Auseinandergehen der sozialen Schere zu verhindern;
  10. den Verzicht auf die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns, der diesen Namen tatsächlich verdient, durch die Verankerung zahlreicher Sonder- und Ausnahmeregelungen;
  11. den Verzicht auf die Gleichstellung von Homosexuellen durch Verhinderung der “Homo-Ehe” und eines allgemeinen Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare;
  12. die Einführung von Sippenverdacht durch Ausweitung der Fahndung bei Massen-Gentests auch auf Verwandte der getesteten Personen (sogenannte Beinahe-Treffer);
  13. das Bekenntnis, dass Abgeordnetenbestechung auch weiterhin straflos sein wird;
  14. die weitere Privatisierung der Rechtsdurchsetzung im Internet und die weitere Aufweichung des Haftungsprivilegs für Internetunternehmen;
  15. das Außerachtlassen der dringend notwendigen Verkehrswende durch den ausschließlichen Fokus der Verkehrspolitik auf Autos, Straßen und PKW-Maut;
  16. die Einführung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung durch das Ausschöpfen des vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten maximal möglichen Spielraums;
  17. die unterlassenen Bemühungen, für eine effektive Sicherheit für die IT von Bürgern und Unternehmen zu sorgen und stattdessen den Schutz per Einführung eines IT-Sicherheitsgesetzes herbeizudefinieren;
  18. die Beibehaltung der organisierten Intransparenz und Verantwortungslosigkeit im Bildungswesen und insbesondere im Hochschulbereich;
  19. das Bekenntnis zu fortgesetzter Intransparenz staatlichen Handelns durch eine demonstrative Missachtung des Themas;
  20. die Aussicht auf weiterhin kostenpflichtige frühkindliche Bildung;
  21. die Beibehaltung des Kooperationsverbotes, was jede Zusammenarbeit zwischen Bund und Bundesländern im Bildungsbereich im Keim zu ersticken droht;
  22. den Verzicht auf Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen;
  23. dass es wieder einmal gelungen ist, im Koalitionsvertrag nicht niederzuschreiben, die Welt sei keine Scheibe.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten, Deutschland.

Für die SPD waren folgende Regierungsmitglieder aus NRW an den Verhandlungen beteiligt:

  • Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD und stellvertretende SPD-Vorsitzende
  • Norbert Walter-Borjans, Finanzminister von Nordrhein-Westfalen
  • Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk in Nordrhein-Westfalen
  • Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr in Nordrhein-Westfalen
  • Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales von Nordrhein-Westfalen
  • Marc Jan Eumann, Staatssekretär bei der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen

Für die CDU waren folgende Mitglieder des Landtags NRW an den Verhandlungen beteiligt:

  • Armin Laschet, nordrhein-westfälischer CDU-Vorsitzender und stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender
  • Karl-Josef Laumann, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag NRW

[1] http://www.spd.de/linkableblob/112916/data/20131127_unsere_handschrift_koa-vertrag_mini_broschuere.pdf
[2] http://www.cdu.de/artikel/groehe-bundesvorstand-billigt-koalitionsvertrag
[3] http://www.spdfraktion.de/themen/das-betreuungsgeld-ist-schwachsinnig
[4] http://www1.wdr.de/themen/politik/seriekoalitionsvertrag104.html

Die feuchten Träume der Überwachungsfanatiker:

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Arbeitsagentur will Hartz-IV-Empfänger überwachen

Die Bundesagentur für Arbeit hat angekündigt, ALG I und II-Empfänger zu überwachen und ihre Aktivitäten bei Online-Händlern zu überprüfen. Außerdem soll künftig der Datenabgleich auf Versicherungen und Grundbuchämter ausgeweitet werden. Torsten Sommer, Arbeitspolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW:

„Die Datensammelwut hat die Bundesagentur für Arbeit erreicht. Die Datenskandale der vergangenen Monate von NSA & Co. gelten offensichtlich als Vorbild. Dieses perfide Vorgehen gehört sofort gestoppt. Es scheint sich ein Wettbewerb daraus zu entwickeln, wer den gläsernsten Bürger schafft. Was kommt als nächstes? Weiterlesen »

Bodewig-Kommission lässt Chancen liegen und Fragen offen.

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Jahrzehnte wurde falsch in Verkehrsinfrastruktur investiert. Deutschland und NRW brauchen eine Verkehrswende, um Mobilität, Transport und die entsprechende Finanzierung in Zukunft sicherzustellen.
Doch die einzigen Erkenntnisse der Verkehrsminister heute waren „Erhalt vor Neubau“ und „Wir brauchen mehr Geld“. Schade. Chance vertan.

Was ist passiert?
Heute haben sich die Verkehrsminister – auch Minister Groschek aus NRW – in Berlin zu einer Sonderkonferenz getroffen, um zu besprechen, wie es mit der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland weitergehen soll. Das ist klug, denn so können die Ergebnisse – man sprach gar von „Textbausteinen“ – noch in den Koalitionsvertrag einfließen und Deutschland auf Jahre hinaus gestalten. Dabei sollte es egal sein, wer nun wie mit wem koaliert.

Grundlage dafür bildeten die Ergebnisse der Bodewig-Kommission, die aus den Ergebnissen der vorangegangenen Daehre-Kommission einen empfehlenswerten Instrumentenkasten zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur entwickeln sollte. Die Daehre-Kommission hatte zuvor Möglichkeiten von der City-Maut bis zum Infrastrukturfond evaluiert. Natürlich ist mit der Finanzierung der Zukunft  immer auch ein Verkehrskonzept der Zukunft verbunden.

Wie es sich bereits vorher andeutete, ist die Ausweitung der LKW-Maut eines der empfohlenen Instrumente. Ebenfalls soll es für Schiene und Straße getrennte Infrastrukturfonds geben. In der Schweiz hat man damit – gespeist aus vielen Quellen, die jedoch zum Teil bei uns nicht in Frage kommen – gute Erfahrungen gemacht. Erfolgreiche Varianten solcher zweckgebundenen Sondervermögen sind auch in NRW bekannt: für Darlehen zum Bau von Sozialwohnungen.

Die Idee dieser Infrastrukturfonds ist gut. Man erhält Planungssicherheit für langjährige Bauvorhaben und hoffentlich eine zweckgebundene Bestimmung der Mittel – „nur für Verkehr“. Man entzieht die Mittel allerdings auch ein Stück weit der Kontrolle des Parlaments. Damit solche Fonds nicht zu Tricks werden – möglicherweise zur Umgehung der Schuldenbremse, des Parlaments oder der Öffentlichkeit – müssen wir aufpassen.

Die Verkehrsminister verlangen mehr Geld – und zwar für alle Verkehrsträger.
Das ist zunächst eine gute Nachricht, konnte man doch bei Bundesminister Ramsauer vermuten, es ginge ihm nur um Bundesfernstraßen. Natürlich benötigen gerade die Verkehrsträger mehr Investitionen, die in den letzten Jahrzehnten besonders vernachlässigt wurden, auch wenn es im Sinne des „Erhalts“ natürlich absolut die höchsten Defizite bei den Straßen gibt. Davon gibt es am meisten.

Doch „alle Verkehrsträger“ schließt scheinbar im wesentlichen Schiene und Straße ein. Wo ist der ÖPNV? Wo ist die Binnenschifffahrt? Wo sind das Radfahren und die Nahmobilität? Haben die Verkehrsminister vergessen, dass es um die Verkehrsinfrastruktur der Zukunft geht?

Sollen wir wirklich weiter machen wie bisher? Nur mit noch größeren Geldtöpfen, weil uns das „weiter so“ dahin gebracht hat, dass wir heute nicht mal mehr erhalten können, was wir bereits gebaut haben?

Ich sehe auch bei den Anmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan 2015 nur noch wenig Hoffnungen, dass es – trotz vorgeblich besserer Bewertungsverfahren – ein Umdenken gibt: Wir werden weiterhin eine riesige Wunschliste an weiteren Straßenbauprojekten pflegen, weil unser Netz noch nicht dicht genug, noch nicht jeder Ort mit Umgehungsstraße versehen zu sein scheint. Wir werden weiter bauen, was wir in Zukunft nicht mal mehr erhalten können.

Die Verkehrsminister haben es leider zudem versäumt, über die Verteilung der durch die neuen Instrumente akquirierten Gelder zu sprechen. Wohin, in welche Region und in welche Art von Instandhaltungsprojekten werden die Gelder hauptsächlich fließen?

Weder wurde ein Tor zur verkehrspolitischen Zukunft geöffnet, noch wurde in den wesentlichen Streitfragen eine Einigung erzielt.
Schade. Aber noch nicht zu spät für ein Umdenken.

Arbeitskreis 4: Sitzung vom 29.07.2013

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Themen des Fraktions-Arbeitskreises #4 (F-AK4): Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Klimaschutzplan, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Wirtschaft, Mittelstand, Energie und Bergbausicherheit, Enquete Chemische Industrie

Einige Themen der Sitzung: Enquete-Kommissionen (aktuelle – Chemie, geplante – ÖPNV), Anhörungen in Vorbereitung und eine große Diskussion zu City-Maut/Tempolimit Problematik.

Protokoll der Sitzung

SimCity: Wahlprogramme von CSU, SPD und FDP bald als DLC?

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SimCity soll im Wahlkampfcheck als raumpolitische Simulation dienen, dabei ist kein Spiel dafür schlechter geeignet.

Macht der Spiele: Der SimCity Wahlkampf-Check” titelt EA auf seinem deutschen SimCity-Blog und lässt die Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU), Lars Klingbeil (SPD) und Jimmy Schulz (FDP) SimCity spielen. Eine von 2012 aus betrachtet sehr schöne Idee. Vor etlichen Monaten hatten wir in den Mittagspausen im Landtag NRW auch diese Idee:

SimCity – Screenshot mit Atomkraft und Nissan LEAFWie wäre es, SimCity zur eingängigen Darstellung von Verkehrsproblemen, möglichen Lösungen, von Auswirkungen eines gut ausgebauten und attraktiven ÖPNV auf die Zufriedenheit der Pendler und die gesamtgesellschaftlichen Ressourcen zu nutzen? SimCity hätte vielen die Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik näher bringen können.

Hätte man vielleicht gar Mods (eigene Erweiterungen) entwickeln können, die u.a. dabei helfen, einen ticketfreien ÖPNV, die Einführung einer CityMaut oder Verbrechensverlagerung bei flächendeckender Videoüberwachung zu simulieren? Viel schien möglich. Zu früheren SimCity-Versionen gab es sehr schöne Mods und das ursprüngliche SimCity wurde als “Micropolis” mittlerweile sogar unter der freien Lizenz GPL veröffentlicht. Die Stadt Seoul nutze SimCity einst zur Bürgerbeteiligung in der Stadtplanung.

Doch wir hatten wohl zu wenig auf die Buchstaben E und A geachtet, als wir die Pläne schmiedeten. Bereits vor der Veröffentlichung war uns klar, dass SimCity dafür nicht geeignet ist und auch Mods nicht möglich sein würden. Ich beschaffte dennoch für gute 200 Euro vier Exemplare des Spiels, um zumindest die Unzulänglichkeiten und Nachteile von Kopierschutzsystemen und übertriebener Nutzergängelung zu testen. Dieser Test war mehr als erfolgreich. SimCity konnte die Probleme eines restriktiven Vertriebs und einer Online-Server-Pflicht sehr gut darstellen.

Was SimCity dagegen nicht darstellen kann, ist Verkehrs-, Stadtentwicklungs-, Wirtschafts- oder Steuerpolitik. Dass SimCity das nicht einmal ansatzweise kann, hätte ich beim Kauf wirklich nicht gedacht. Sofern EA die Wahlprogramme von CSU, SPD und FDP nicht als DLC (nachträglich zu erwerbenden Spielinhalt) anbietet, erwarte ich von dem angekündigten Wahlkampfcheck keine Erkenntnisse bzgl. der politischen Inhalte.

Das beginnt mit Augenfälligem: Wie will Dorothee Bär dort ohne Mod die PKW-Maut einführen, wie Lars Klingbeil die Gesamtschule oder energetisches Wohnen ..und Jimmy Schulz die Steuerbremse? Geht nicht, auch zentrale politische Forderungen lassen sich in die vermeintliche Simulation nicht einfügen – und selbst vorhandenes funktioniert nicht, weil SimCity sich darauf beschränkt, zu simulieren, dass es Simulation sei und sonst nichts.

Ein kleines Beispiel der Realitätsferne:

In meinem schicken Atomkraftwerk (siehe Bild) gab es eine Kernschmelze und in der angrenzenden Straße wollte wegen der Strahlung erst einmal niemand mehr wohnen. Ein paar Meter weiter jedoch wird neu gebaut und das Trinkwasser der umliegenden Städte kommt auch noch immer direkt vom Atomkraftwerk.

Schlimmer als eine Kernschmelze ist es, wenn man die Straßen von Beginn an nicht breit genug gebaut hat; dann muss man später sehr viel abreißen, was zwar kein Problem ist, da sich die die Enteigneten nicht beschweren, aber es kostet Geld die immer breiteren Straßen zu bauen. ÖPNV gibt es im System, aber da alle Daseinsfunktionen die Straße zur Bedingung haben, Busse grundsätzlich nur in Kolonne fahren und die Sims (Bewohner SimCitys) auch sonst die Infrastruktur alles andere als intelligent nutzen, kommen wir um massig Verkehrsflächen nicht herum.

Kein Problem dagegen sind Prestige-Bauwerke: Große Investitionen lohnen sich fast immer und falls es als DLC mal eine Elbphilharmonie, S21 oder BER gibt: Zugreifen und bauen! Den Schnellen Brüter gibt es jetzt bereits.

Sehr realistisch ist SimCity nur bei der Simulation von Versprechungen der Lobby-Verbände. So hilft es den Städtebau-Politikern weiter, wenn Sie “Nissan LEAF Ladestationen” (der LEAF ist ein Elektroauto) bauen und auch den MediaMarkt freischalten, denn “Sims, die im Media Markt einkaufen, werden glücklicher”. Nicht-integrierte Lagen für diese Art von großflächigen Einzelhandel sind dort übrigens zu bevorzugen. Weisen Sie die Flächen schön getrennt aus und schaffen Sie eine perfekte, autogerechte Stadt, wie man sie sich in den USA anscheinend noch heute vorstellt.

Die FDP hätte anfangs übrigens noch groß punkten können: Stellte man die Steuern auf 0 Prozent, war den Sims alles egal: Es gab maximales Wachstum ohne Versorgung der Bevölkerung. Ein Bug, der mittweilweile gefixt wurde und auch in den Köpfen der entsprechenden Politiker langsam einmal verschwinden sollte.

Matthias Heese-Steinmetz bringt es auf der Facebook-Seite der Wahlkampfcheck-Aktion auf den Punkte: “Passt doch prima. Politik und Simcity5 – Viele Versprechungen und nix dahinter.”

@DoroBaer twittert zur Aktion “Freue mich aufs Zocken mit @larsklingbeil & @jimmyschulz (und will gewinnen!) :-) pic.twitter.com/GMxZVZAvKV” – Klar ist, man kann SimCity nicht gewinnen, es ist ein Endlosspiel. Hier zeigt sich SimCity ausnahmsweise realitätsnah: Man kann höchstens Etappenziele erreichen, es gibt keinen Sieg und auch kein Ende.

Davon abgesehen: Eines der größten Probleme der Politik vor allem in Deutschland ist, dass es viele Ebenen und viele Geldtöpfe gibt. Wer durch Ausgaben bei Topf #1 viel Geld in ganz anderen Töpfen einspart, hat nichts davon. Es ist schön, wenn man das in Spielen ausblenden kann, um zu sehen wie es ohne dieses Problem wäre, doch dann spielt lieber ein älteres SimCity, LinCity (unter Linux), Cities in Motion oder einfach eine Runde Civilization ..und dann noch eine Runde.

Was alle Spiele abbilden (am wenigsten vielleicht Civilization), ist übrigens keine Demokratie mit all ihren Prozessen, sondern – im Falle von SimCity – ein diktatorisch geführter Stadtstaat. Da kann man dann gleich ehrlich an die Sache herangehen und mit seinen Abgeordnetenkollegen TROPICO 4 spielen.

Das Wording-Problem der Piraten vom ÖPNV bis zum großen Ganzen

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ÖPNV fahrscheinlos? ticketlos? kostenlos? Nulltarif? Flatrate?

Erwähnt man, Piraten würden den “kostenlosen Nahverkehr” fordern, so kann man schnell erfahren, man solle bitteschön “fahrscheinlos” oder auch “umlagefinanziert” schreiben. So geschehen dem taz-Journalisten Sebastian Heiser, der zu dem Thema sogar einen längeren Text geschrieben hat – in Reaktion auf einen Tweet von Gerwald Claus-Brunner. Dabei hieß das Konzept selbst bei den Piraten anfangs “zum Nulltarif” und viele Piraten haben inzwischen erkannt, dass man die Idee anders erklären muss.

Im Wahlprogramm der NRW-Piraten von 2010 heißt es noch “Modellversuch für einen Öffentlichen Personennahverkehr zum Nulltarif” und wir in NRW hatten kein Problem mit dem Wort “kostenlos”, druckten es sogar auf unsere Plakate. Die Berliner Piraten erfanden dann für ihr Wahlprogramm 2011 den Begriff “fahrscheinlos”, um dem Vorwurf zu entgegnen, eine Finanzierung eines solchen Projekts sei nicht realistisch.

In Gesprächen mit Bekannten, Infostand-Besuchern oder auch den Passanten des ÖPNV-Aktionstags in Hannover am 12.01.2013 habe ich allerdings immer wieder die Erfahrung gesammelt, dass “fahrscheinlos” nicht verstanden wird. Viele Piraten berichten mir das Gleiche. Oft werden Karten mit RFID-Chip damit assoziiert: Nichts, was Piraten oben ins Wahlprogramm schieben würden.

In einem Gastbeitrag für das Blog Ruhrbarone vor drei Wochen habe ich absichtlich mehrere Begriffe genutzt und mich auch nicht beschwert, dass die Redaktion das griffige “Alternative kostenloser Nahverkehr?” als Überschrift gewählt hat. Denn auch “umlagefinanziert” trifft es nicht immer, weil es verschiedene Modelle gibt. Je nach Region, Stadt oder Gemeinde können unterschiedliche Finanzierungsmethoden interessant sein: Eine City-Maut für Großstädte, Kurtaxe in touristischen Gemeinden, Umlage auf die ansässigen Firmen, Gemeindeumlage bzw. eine Haushaltsabgabe a la GEZ, Finanzierung durch Parkplatzabgaben oder Öko-Abgaben. Solange “fahrscheinloser Nahverkehr” lokal realisiert wird – und das ist zur Etablierung zunächst empfehlenswert – wird es unterschiedliche Finanzierungsarten geben. Wichtig ist jeweils eine starke lokale Initiative und ein Bundesland, das die lokalen Initiativen durch entsprechende Rahmenbedingungen unterstützt. Erst bei zumindest landesweiter Einführung kommen Lösungen (z.B. via Kraftstoffabgabe) in Frage, die einheitlich benannt werden können.

Die Piratenpartei hat ein generelles “Wording-Problem”.
Oder sollte es “Begriffsfindungsschwierigkeiten” heißen?

Die Politik der Piraten krankt derzeit daran, dass die Piratenpartei ihre Themen nicht vermitteln kann. Entweder gelten die Themen als sehr speziell (“Open Access”, “Trivialpatente”, “INDECT”, “BGE”) oder man hat das Gefühl, die Piraten würden das Gewäsch der anderen bloß aufbrühen.

Dabei ist das Themenkonstrukt der Piraten sehr elegant und schlüssig: Automatisch und für Eingeweihte selbstverständlich fügen sich die Positionen der Piraten ineinander, ohne dass man vorher die Ideologie oder ein Weltbild hätte festschreiben müssen. Doch genau dort liegt das Problem: Das innere Selbstverständnis hat kein einheitliches, verständliches Vokabular, welches die Piratenpartei zur Darstellung ihrer Alleinstellungsmerkmale verwenden könnte. Stattdessen begegnet der potentielle Wähler einem Wust an Abkürzungen oder Erklärungen wie “Piraten stehen für soziale Gerechtigkeit, aber ECHTE soziale Gerechtigkeit, für ECHTE Transparenz und ECHTE Demokratie und ECHTE Zukunftsfähigkeit.” Kernkompetenz vermittelt? Sicher nicht.

Der Erfolg der Piraten im September diesen Jahres wird entscheidend davon abhängen, ob es uns Piraten gelingt, unsere Welt in griffige und dennoch nicht abgegriffene Worte zu fassen. Wir brauchen ein gemeinsames “Wording” – einfache Worte, die unsere Themen in ihrer vollen Breite und gleichzeitig mit dem Hinweis auf unsere Kompetenz transportieren.

Ganz vorne sollten nicht mehr als drei oder vier Begriffe stehen. Bisher gehörten “Bürgerrechte” und “Transparenz” dazu. Dadurch konnten wir einiges vermitteln, aber für den großen Rahmen alltäglicher Politik sind die Begriffe zu unbestimmt und nicht weitgehend genug zugleich. Der Begriff “Gemeinwohl” passt zu uns, bezeichnet aber eher die Klientel als das Handeln unserer Partei. “Teilhabe” ist derzeit ein Favorit für die erste Reihe: Teilhabe erklärt unsere Positionen zu Leistungsschutzrecht und Patentrecht genauso gut wie zur Steuer-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik. Der Begriff ist sehr umfassend, fasst dennoch unsere Standpunkte gut zusammen und grenzt sich gegen die Positionen anderer Parteien (z.B. gegen “Umverteilen”) ausreichend ab. Ideal, sofern “Teilhabe” auch von allen Menschen entsprechend verstanden wird.

Doch nicht nur für das große Ganze, auch für unsere starken Einzelpositionen benötigen wir klare, verständliche Begriffe. In unseren Konzepten zur Verkehrspolitik sticht die Maßnahme “fahrscheinlose Nahverkehr” hervor, weil sie plakativ und leicht vermittelbar ist. Der Begriff allerdings ist es nicht.

Schade, dass sich ausgerechnet ein von Piraten neu eingebrachter Begriff als untauglich erweist. “Bus und Bahn zum Nulltarif” ist wesentlich verständlicher und meiner Meinung nach weiterhin von uns verwendbar, auch wenn die Begrifflichkeit bereits einige Jahrzehnte kursiert und ursprünglich stark mit rein ökologischen Aspekten besetzt war. Gilt auch hier “Wir haben entweder keine eigenen Begriffe oder schlechte”? Griffig und vielleicht ein guter Kompromiss ist “Flatrate-ÖPNV”. Mit dieser Kurzerklärung haben wir – einige Piraten inklusive mir – meist gut vermitteln können, worum es uns geht – und Überschriftenfreundlich ist sie auch.

Ruhrbarone-Gastbeitrag

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Wer den Ruhrbarone-Gastbeitrag von Oliver Bayer bisher verpasst hat, kann diesen hier nachlesen. Die Ruhrbarone fragten nach der “Alternative kostenloser Nahverkehr”. Daher behandelt der Abgeordnete in dem Fachartikel grundlegende Finanzierungsmöglichkeiten von Mobilität in NRW. Zudem erklärt er die bevorstehende Verkehrswende mit einem attraktiven öffentlichen Nahverkehr.

Schlagworte: ÖPNV-Flatrate, Kraftstoffabgabe, City-Maut, Demographischer Wandel, Klimawandel, Güterverkehr, Soziale Gerechtigkeit, Verkehrswende