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Kleine Anfrage 296
Einblick in AO-SF Gutachten für Eltern in Bochum und Herne
In Bochum und Herne wurde von der kommunalen Schulaufsicht angeordnet, Eltern von Kindern mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf, Einsicht in die erstellten Gutachten zu geben. Während es bislang üblich war, in einem beratenden Gespräch gemeinsam mit den Eltern, die beste Lösung für ein Kind zu finden, wird den Eltern nun zusätzlich Einblick in das Gutachten gewährt. Diese Gutachten enthalten neben den Informationen zur Lernentwicklung und zum Leistungsstand des Kindes auch Angaben zum Sozial- und Arbeitsverhalten. Nicht selten enthalten sind auch Angaben zu den Lebensbedingungen des Kindes. Da hier die familiären Hintergründe und sich daraus ergebende Erschwernisse geschildert werden, ist es bei der derzeitigen Vorgehensweise nicht mehr möglich, gerade im letztgenannten Bereich konkrete und oftmals wichtige Angaben zu machen, da sie eben nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern betreffen und von Eltern als verletzend empfunden werden können. Die Gutachten AO-SF beinhalten zusätzlich häufig Stellungnahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie, anderer psychologischer Dienste und/oder des Jugendamtes. Die Einsichtnahme der Eltern in die Gutachten ist bei der Unterstützung und Förderung von Schülern und deren Familien nicht immer hilfreich.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1. Gibt es diese Verfahrensweise, außer in Bochum und Herne, auch in anderen Städten in NRW?
2. Wie schätzt die Landesregierung die Gefahr ein, dass durch diese Einsichtnahme, Kriterien für eine Fördermaßnahmenempfehlung nicht deutlich dargestellt werden?
3. Handeln die verantwortlichen Schulaufsichtsbeamten hier mit Billigung dieser Verfahrensweise durch das Schulministerium?
4. Ist es im Sinne der Landesregierung, dass Eltern flächendeckend in NRW Einsicht in die Gutachten nach AO-SF erhalten?
5. Sieht die Landesregierung sinnvolle alternative Vorgehensweisen der Information und Beteiligung von Eltern, ohne die direkte Einsichtnahme in das Gutachten?
Monika Pieper
Antwort
Die Ministerin für Schule und Weiterbildung
hat die Kleine Anfrage 296 mit Schreiben vom 29. August 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet.
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
In Bochum und Herne wurde von der kommunalen Schulaufsicht angeordnet, Eltern von Kindern mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf, Einsicht in die erstellten Gutachten zu geben. Während es bislang üblich war, in einem beratenden Gespräch ge-meinsam mit den Eltern, die beste Lösung für ein Kind zu finden, wird den Eltern nun zusätz-lich Einblick in das Gutachten gewährt. Diese Gutachten enthalten neben den Informationen zur Lernentwicklung und zum Leistungsstand des Kindes auch Angaben zum Sozial- und Arbeitsverhalten. Nicht selten enthalten sind auch Angaben zu den Lebensbedingungen des Kindes. Da hier die familiären Hintergründe und sich daraus ergebende Erschwernisse ge-schildert werden, ist es bei der derzeitigen Vorgehensweise nicht mehr möglich, gerade im letztgenannten Bereich konkrete und oftmals wichtige Angaben zu machen, da sie eben nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern betreffen und von Eltern als verletzend empfun-den werden können. Die Gutachten AO-SF beinhalten zusätzlich häufig Stellungnahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie, anderer psychologischer Dienste und/oder des Jugendam-tes. Die Einsichtnahme der Eltern in die Gutachten ist bei der Unterstützung und Förderung von Schülern und deren Familien nicht immer hilfreich.
Vorbemerkung der Landesregierung
Auskunfts- und Einsichtsrechte der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler sind in §120 Absatz 7 Schulgesetz gesetzlich normiert.
§ 12 Absatz 6 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (Ausbildungsverordnung gemäß § 52 SchulG vom 25. April 2005 – AO-SF) konkretisiert diese gesetzliche Grundlage wie folgt:
„Die Schulaufsichtsbehörde gibt den Eltern auf Wunsch Einsicht in das Gutachten sowie die Unterlagen, auf denen es beruht.”
Dem Wunsch der Eltern nachzukommen zielt darauf, eine selbstverständliche Offenheit und Transparenz gegenüber den Erziehungsberechtigten zu praktizieren. Auch gehört es zur professionellen Beratung, die Eltern über ihre rechtlichen Möglichkeiten zu informieren.
Grundsätzlich und auch schulfachlich wird ein offener und transparenter Umgang mit dem pädagogischen Gutachteninhalt nicht als hinderlich für die Unterstützung und Förderung der Schülerinnen und Schüler eingeschätzt, da die Eltern sehr wichtige Partner für ein erfolgrei-ches Umsetzen der konkreten Fördermaßnahmen im Zusammenspiel aller am schulischen Erziehungsprozess Beteiligten sind.
1. Gibt es diese Verfahrensweise, außer in Bochum und Herne, auch in anderen Städten in NRW?
3. Handeln die verantwortlichen Schulaufsichtsbeamten hier mit Billigung dieser Verfahrensweise durch das Schulministerium?
Die Fragen 1 und 3 werden gemeinsam beantwortet.
Die Gewährung von Einsicht in die für eine behördliche Entscheidung maßgeblichen Unter-lagen ist ein tragender Grundsatz, der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt und in § 12 Abs. 6 AO-SF Niederschlag gefunden hat. Damit eine Bürgerin oder ein Bürger die Entscheidung überprüfen kann, muss sie/ er feststellen können, von welchen Grundlagen die Behörde ausgegangen ist. Im Verfahren auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes ist das Gutachten die zentrale Entscheidungsgrundlage. Es ist daher nur folgerichtig, wenn § 12 Abs. 6 AO-SF ausdrücklich feststellt, dass den Eltern auf Wunsch Einsicht in das Gut-achten und in die Unterlagen, auf die es beruht, gewährt. Das kann auch durch Überlassung einer Kopie geschehen.
Die Landesregierung geht davon aus, dass diese gesetzlichen Vorgaben landesweit umge-setzt werden.
Eine Nachfrage in den Bezirksregierungen ergab, dass bezüglich der Verfahrensweise ge-mäß § 12 Absatz 6 AO-SF keine Probleme bekannt sind. In einigen Schulämtern wird das erstellte Pädagogische Gutachten den Eltern im Zuge der Entscheidung über den festgestell-ten sonderpädagogischen Förderbedarf grundsätzlich zugeschickt, was den rechtlichen Grundlagen (§ 12 Absatz 6) entspricht.
2. Wie schätzt die Landesregierung die Gefahr ein, dass durch diese Einsichtnahme, Kriterien für eine Fördermaßnahmenempfehlung nicht deutlich dargestellt werden?
Die Landesregierung sieht grundsätzlich keine Gefahr, dass durch den Anspruch auf Ein-sichtnahme der Eltern in diese erstellten Pädagogischen Gutachten Förderempfehlungen beeinträchtigt werden.
Die in VV 12.12 zu § 12 AO-SF dargestellten Informationsbereiche des Pädagogischen Gut-achtens sehen Aussagen zum Lebensumfeld, also eine sogenannte systemorientierte Kind-Umfeld Analyse vor, die professionell dokumentiert sein soll. Das Pädagogische Gutachten bildet im beratenden Gespräch mit den Eltern die Grundlage für die empfohlenen konkreten Fördermaßnahmen.
4. Ist es im Sinne der Landesregierung, dass Eltern flächendeckend in NRW Einsicht in die Gutachten nach AO-SF erhalten?
§ 12 Absatz 6 der AO-SF regelt nach Ansicht der Landesregierung den Umgang mit den Pädagogischen Gutachten bislang rechtlich zufriedenstellend, um dem Anspruch der Erzie-hungsberechtigten auf Transparenz nachzukommen und eine vertrauensvolle Zusammenar-beit zu entwickeln, zu fördern und zu pflegen.
5. Sieht die Landesregierung sinnvolle alternative Vorgehensweisen der Informati-on und Beteiligung von Eltern, ohne die direkte Einsichtnahme in das Gutachten?
Nein.