Daniel Schwerd zu Medien in der Haushaltsdebatte 2013

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Mittwoch, 27. November 2013

 

Rede im Rahmen der Haushaltsdebatte 2013

III. Einzelplan 02

c) Medien

Unser Redner: Daniel Schwerd

Unsere Abstimmungsempfehlung: Enthaltung
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Protokoll der Rede von Daniel Schwerd:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Kreativbürgerinnen und Kreativbürger! Herr Keymis, es tut mir sehr leid, dass ich den Schnittchentermin bei der Filmstiftung auch nicht habe wahrnehmen können.

(Beifall von den PIRATEN) Weiterlesen »

Große Koalition der Lobbyisten

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

scene-97966_640Schon in den Koalitionsverhandlungen zeichnet sich ab, was wir unter einer #GroKo zu erwarten haben: Den Durchmarsch der Lobbyisten. Ich habe ein paar besonders erschreckende Beispiele aus den Verhandlungen hier gesammelt. Derweil übt sich der Bundestag in Arbeitsverweigerung…

Verkohlung der Bundesrepublik

• Unter Führung von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Kraft für die SPD und Bundes”umwelt”minister Altmaier für die CDU wurde die Kehrtwende von den erneuerbaren Energien zu den Interessen von Großkonzernen wie RWE und EON vereinbart. KohleKraft tut das offenbar so gut, dass ein Kraftwerksbranchen-Lobbyist witzelte: “Frau Kraft macht gerade meinen Job“.
• Auf Wunsch der RWE sollen Erzeuger erneuerbarer Energien verpflichtet werden, einen Vertrag mit den Großkonzernen abzuschließen, der dazu führen dürfte, dass sie 6ct pro produzierter Kilowattstunde an die Multis bezahlen müssen.
• Mit den just eingegangenen Spenden des Evonik-Konzerns (90.000 Euro für die SPD, 70.000 Euro für die CDU) hat das gewiss gar nichts zu tun. Hauptaktionär der Evonik ist übrigens die RAG-Stiftung der RAG Aktiengesellschaft, einst Ruhrkohle AG genannt.
• Ich wollte es nicht glauben – bis Hannelore Kraft es mir persönlich erklärt hat.

Die Koalition der Drossel

• Einen ordentlichen Ausschuss für Internet und digitale Gesellschaft wird es im Bundestag nicht geben, genauso verzichtet man auf ursprüngliche Pläne für einen Internet(staats)minister.
• Die Telekom bekommt wieder Zugriff auf die letzte Meile, durch den Abbau der Netzregulierung. Angela Merkel nennt das den Telekommunikationssektor “etwas besser” zu “ordnen”.
• Ein bisschen Netzneutralität möchte man. Einer “Vielzahl von Managed Services” erteilt man eine Absage – was aber heißt, dass man einige Managed Services durchaus dulden würde. Also wird es doch ein Zwei-Klassen-Internet geben, die erste Klasse wird nur etwas exklusiver.
• Die Netzneutralität im Mobilfunkbereich ist noch schwammiger: Internettelefonie wird erlaubt (ist ja toll), kostet aber extra. Eine kreative Auslegung von Neutralität.
• Der Abschnitt zu Urheberrecht aus der Arbeitsgruppe Innen & Justiz liest sich wie aus der Feder der Content-Lobby-Verbände. Böse Erinnerungen an ACTA und co. werden wach.

Aktionismus statt Strafrecht

• Im Strafrecht plant die Große Koalition die Einführung eines Auto-Fahrverbotes für Straftäter. Hätten sie doch bitte vorher mal jemanden gefragt, der sich damit auskennt. Altbekannter Aktionismus, der nachher wieder vom Bundesverfassungsgericht repariert werden muss.
• Bei Massen-DNA-Tests geraten jetzt auch automatisch die Verwandten ins Fadenkreuz – durch sogenannte “Beinahe-Treffer”. Mit einer Unschuldsvermutung hat das nichts mehr zu tun, wohl eher mit Sippenhaft.

Der Sieger, der keiner ist

Während die Presse ein mediales Zerrbild des Verhandlungsstandes berichtet (die CDU habe ihren Markenkern verraten meldet beispielsweise das Handelsblatt) stellt sich der Verhandlungsstand im Grunde anders da: “Nicht einmal ansatzweise gibt es großkoalitionäre Absichten, das umzusetzen, was die SPD im Wahlkampf verheißen hatte” nennt es Arno Klönne bei Heise.

Letzte Chance Mitgliederbefragung?

Die SPD hat sich die Bestätigung ihrer Basis vorbehalten – eine Mitgliederbefragung soll über den Koalitionsvertrag entscheiden. Tatsächlich ist das nur eine Inszenierung und hat keinerlei Bindungswirkung. Eine Mitgliederbefragung ist in der Satzung der SPD nicht vorgesehen, es ist eben kein Mitgliederentscheid. Die Spitze der SPD muss sich nicht daran halten – sie kann sich die Erlaubnis dann trotzdem auf einem kleinen Parteitag mit Delegierten abholen. Und die Spitze droht im Falle eines nichtpassenden Votums schon mit Rücktritt.

Es ist also egal, was die Mitglieder wollen. Ein Trauerspiel. Schreiner haben Hochkonjunktur: Schleifspuren von über den Tisch gezogenen SPD-Mitgliedern entfernen. Ein klares Signal der SPD-Basis, dass ihr Werte und Überzeugungen mehr bedeuten als Ministerposten für ihre Granden würde ich mir dennoch sehr wünschen.

Es sieht nicht gut aus für die nächsten vier Jahre.

Grumpys Lesezeug vom 02.11.2013

Veröffentlicht am von unter Marc 'Grumpy' Olejak, Persönliche Blogposts, Presse, Service.

Ruhrnachrichten: Energiepolitik: Rot-grüne Koalition in NRW demonstriert Einigkeit – Demonstrieren ist das eine – Gestalten ist was anderes. Das hat Dave_Kay bereits gut zusammengefasst.

Golem: Silent Circle: PGP-Gründer und Lavabit bringen sichere E-Mail – Absolut korrekte Idee – und sie setzt auf XMPP auf – hoffe, da kommt zügig ein genaueres Papier.

nrw.de: Umweltportal NRW – Das neue Umweltportal des Landes ist eine Glanzleistung – mittels Javascript-Sperre ist es zu 100% BarriereUNfrei und die Wetterdaten werden vom norwegischen Service yr.no eingebunden – herrlich. Der DWD war wahrscheinlich zu teuer – ach ne, der darf gesetzlich ja nur seine Rohdaten verkaufen und nicht selber auswerten. Wußte bis dato aber nicht, dass dies auch für Behörden & Ministerien gilt. Marktliberalisierung at it’s best.

yr.no: 48-Stunden-Wetter-Diagramm für Düsseldorf– Warum Deutschland bei Wetterberichten im Netz sowieso hinterherhängt. Eine exemplarische Grafik für Düsseldorf sagt alles. Nutze ich persönlich seit 2007.

Carta: Glyn Moody Das TTIP-Freihandelsabkommen ist ein Angriff auf das Vorsorgeprinzip – Schon was älter und droht fast ein wenig im Abhörtotquatsch der Regierungen unterzugehen – Die Vertragsverhandlungen mit den USA könnte eine EU-Kommission, wenn sie denn wollte, auch einfach mal aussetzen – aus Gründen.

netzpolitik.org: BND arbeitet eng mit britischem Geheimdienst GCHQ bei Netzüberwachung zusammen – abgesehen davon, dass es wohl niemanden überraschen sollte, ist auch dies ein weiteres Hinweis, welchen die EU-Kommission für ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien nehmen könnte. Als wenn das mit Artikel 11 der EU-Grundrechtscharta und der Pressefreiheit nicht reichen könnte…

euractiv.de: Datenschutz könnte Freihandelsabkommen mit USA zu Fall bringen – Arbeitsplätze und Handel stehen über den Menschenrechten – ganz logisch. Finde es amüsant, denn Kommissarin Reding „freute“ sich ja über die EU-Parlamentsabstimmung zum „besseren“ Datenschutz *hust*

tagesschau: US-Reaktionen: Snowden-Aktion ein „echter Hammer“ – oder auch „Last Green Standing“. Na, da werden sich die Grünen, die Ströbele ja seit Jahren mit allen Kräften „unterstützen„, wahnsinnig freuen.

WDR2: Immer mehr Kirchenaustritte – Proaktives Anregen einer Novellierung der Kirchenfinanzierung ist eindeutig zu begrüssen… und zur Erinnerung nochmal Vergleichszahlen aus 2010 für Köln: WDR 2010: Zahl der Kirchenaustritte steigt an

FAZ: NSA-Überwachung: Angriff mit FoxAcid – Da muß sich sofort die SPD einschalten! Hier geht es immerhin um den Erhalt von Arbeitsplätzen – eine automatisierte Infiltration der $Geräte von Menschen, das geht ja mal gar nicht. Fällt wahrscheinlich wegen mangelnder Zuständigkeit unter den Tisch.

netzpolitik.org: MUSCULAR: So verschafft sich die NSA Zugang zu Yahoo und Google – Masku… Verzeihung, MUSCULAR – so langsam verstehe ich – die NSA kommt mit der rechtstaatlichen Zuordnung all ihrer Programme so durcheinander – da greift man schon mal mehr ab als zulässig wäre.

Lesen.net: “Unknackbares” Adobe DRM vor der Tür – Ich las ja „Abkackbares“ – keine weiteren Fragen.

WDR: Happy birthday, c’t – 1983 – aus dieser Zeit hat, glaube ich, gerade mal noch die Chip überlebt – warum ausgerechnet auch immer. „Meine allererste c’t“ steht übrigens immer noch im Regal – die Kaufentscheidung eines 20287er-Coprozessors fiel auf einen Cyrix – daher auch mal „Danke, c’t!“

netzfeuilleton.de: Statt Jugendsender: Ein öffentlich-rechtliches YouTube-Netzwerk – Die Antwort hat einen Namen: „Owntube„.

RP: Nordrhein-Westfalen: Immer weniger männliche Lehrer an Schulen – Quote anyone?

WAZ: NRW-Städte fordern eingeschränkte Verkaufszeiten für Alkohol – bitte den Dreh beachten, etwas zu fordern, was bereits verboten ist – und damit zugleich eine zeitlich beschränkte Prohibition einführen zu wollen. Daheim im elterlichen Vorratskeller ins Koma saufen, ist natürlich ausgenommen.

Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen: Medienkompetenz ist Schlüsselkompetenz – in der PDF sind 126 Seiten geballte Fakten über Bürgerradio, überhaupt Rundfunk & Fernsehen und dann halt noch dieses Netz, welches natürlich auch zur Sucht werden kann.

LDI: Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit – Das LDI geht wenigstens mit gutem Beispiel voran – aber hat überhaupt irgendein Ministerium in NRW auch nur mal in Betracht gezogen, PGP zu verwenden? Geht wahrscheinlich nicht, da es nicht von Microsoft zertifiziert wurde – Stichwort Vendor-LockIn.

16. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien mit Anhörung “Netzneutralität”

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

16. Sitzung (öffentlich) des Ausschusses für Kultur und Medien

am Donnerstag, dem 10. Oktober 2013, nachmittags, 13.30 Uhr, Raum E3 – A 02
Landtag Nordrhein-Westfalen
Platz des Landtags 1
40221 Düsseldorf

Tagesordnung

1.

Für echtes Netz: Netzneutralität dauerhaft gewährleisten und gesetzlich festschreiben

 

           Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN

           Drucksache 16/2888

           Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN

           Drucksache 16/2963

 

 

In Verbindung mit

 

 

Netzneutralität gesetzlich verankern, Drosselung von Netzzugängen verhindern

 

           Antrag der Fraktion der PIRATEN

           Drucksache 16/2892

 

           Anhörung von Sachverständigen

 

 

 

 

2.

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014); kultur- und medienpolitisch relevante Kapitel

 

           Gesetzentwurf der Landesregierung,

           Drucksache 16/3800

           Vorlage 16/1164 (Erläuterung Epl 02)

           Vorlage 16/1071 (Erläuterung Epl 07)

 

 

3.

Gesetz zur Aufhebung der gesetzlichen Befristung des Landespressegesetzes NRW

 

           Gesetzentwurf der Landesregierung

           Drucksache 16/3526

 

 

4.

Abschaffung der Störerhaftung

 

           Antrag der Fraktion der Piraten

           Drucksache 16/2284

           Ausschussprotokoll 16/288 (Anhörung)

 

Abschließende Beratung und Abstimmung

 

 

5.

60 Jahre Bundesvertriebenengesetz – 50 Jahre Gerhart-Hauptmann-Haus

Erinnern an die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation

 

           Antrag der CDU-Fraktion

           Drucksache 16/3443

 

 

6.

Novellierung Landesmediengesetz

 

           Sachstandsbericht der Landesregierung

 

 

7.

Verschiedenes

 

 

 

Anhörung

des Ausschusses für Kultur und Medien

“Netzneutralität”

Antrag der Fraktion der SPD / BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/2888

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN

Drucksachen 16/2963 und 16/2892

 

Donnerstag, 10. Oktober 2013

13.30 Uhr, Raum E 3 – A 02

Sachverständige

Wikimedia Deutschland
Gesellschaft zur Förderung

Freien Wissens e. V.
Berlin

 

Marcus Isermann

Vice President

Public Affairs Regulation&Federal States (GPRA-PRF)

Deutsche Telekom AG

Bonn

 

Prof. Dr. iur., LL.M.

Bernd Holznagel

Westfälische Wilhelms-Universität

Münster

 

Verbraucherzentrale

Nordrhein-Westfalen e.V.

Düsseldorf

Christian „Fukami“ Horchert

Chaos Computer

Hamburg

 

Digitale Gesellschaft e.V.

Berlin

eco – Verband der deutschen

Internetwirtschaft e.V.

Klaus Landefeld

Vorstand Infrastruktur und Netze

Köln

 

Dr. Jürgen Brautmeier

Direktor der

Landesanstalt für Medien

Nordrhein-Westfalen (LfM)

Düsseldorf

 

Joerg Blumtritt CEO

Lognos GmbH i. Gr.

München

Vizepräsidentin

Dr. Iris Henseler-Unger

Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen

Bonn

 

 

PhD Ben Scott

Programmdirektor der

Stiftung Neue Verantwortung e.V.

Beisheim Center

Berlin

 

(Alternativbenennung, falls Herr Scott nicht teilnehmen kann)

 

PhD Stefan Heumann

Stellv. Direktor “European Digital Agenda”

Stiftung Neue Verantwortung e.V.

Beisheim Center

Berlin

 

Für mich wird diese Sitzung eine Premiere, erstmals werde ich den Vorsitz dieses Ausschusses führen.

Über Feedback / Input freue ich mich!

Big Money, Big Data, Big Media

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Das Totalversagen des Neoliberalismus

…. besser spät als nie – hier nun die Replik auf einen Beitrag von Christian Lindner aus der FAZ vom 14. August 2013, S. 25 – Wahlkämpfe sind sehr gute Gelegenheiten, deutlich zu werden ….

Zeitlich eingerahmt von Grünen, die uns dieser Tage mit nervigem Ökocalvinismus und vegetarischem Genuss per Dekret das Real-Life freudloser gestalten und die Selbstbestimmung darüber, wann wir fleischlos essen, einschränken wollen, und britischen Geheimdienstmitarbeitern, die in einem schlecht inszenierten post-dadaistischen Pseudo-Kunstevent im Keller der Redaktionsräume des Guardian Journalisten dazu nötigen, irgendwelche Festplatten zu zerstören – und flankiert durch den eigentlichen Skandal, nämlich den des Nicht-Aufschreis der freien Journalisten dieser Welt – macht sich Christian Lindner (FDP) Gedanken zu einer „Ordnung für den Datenmarkt“ (FAZ, 14.08.2013, S. 25).

Mit den ihm eigenen flotten Sprüchen bedient er stramm auf der Oberfläche surfend das latente gesellschaftliche Unbehagen über Datensammlung, Datenschnüffelei und Datenmissbrauch staatlicher und kommerzieller Stellen, um seine Partei in das Image einer Pole-Position beim Kampf um Bürgerrechte und Netzpolitik zu hieven. Dabei verharrt er jedoch analytisch in den Positionen eines Liberalismus, der sich kognitiv immun gegenüber den letzten 150 Jahren moderner Gesellschaftsanalyse und -kritik gezeigt hat.

Völlig korrekt nimmt er zunächst Bezug auf die Metapher der Bundeskanzlerin, unterschlägt oder übersieht jedoch die tiefere Implikation des Begriffs vom Neuland, nämlich das versteckte Eingeständnis der Politik, dass die politische Sphäre der technisch-ökonomischen hoffnungslos hinterher läuft – und das bereits seit Jahrzehnten. Passend dazu bleibt das neoliberale Freiheits- und Wettbewerbs-Credo in der Verdinglichung einer standortgebundenen Wahrnehmung stecken.

Indem Lindner den Strukturwandel der Gesellschaft an der „Digitalisierung aller Lebensbereiche“ festmacht, legt er eben nicht den Fokus der Betrachtung auf die zentraleren Änderungen: den Trend von einer Real-Wirtschaft zu einer virtuellen Ökonomie des sog. Finanzmarktkapitalismus, der durch seine Anlagestrategien und Profitraten-Erwartungen die Aushöhlung des realwirtschaftlichen Bereichs verursacht und befeuert. Wertschöpfung findet nach wie vor in der (realen) Wirtschaft statt, diese hat die Anlagenerwartungen gefälligst zu erfüllen, die Abschöpfung jedoch erfolgt im Bankenbereich.

Dieser Trend beginnt in den USA nicht mit dem wirtschaftlichen Durchbruch des Internet, sondern bereits ein Jahrzehnt zuvor mit der aggressiven Steuersenkungspolitik der „Reaganomics“ 1981. Der erste große sog. Netscape-Aktienpeak folgte erst 1994.

Bevor Lindner in den betriebswirtschaftlichen Bezügen seines Denkens die Ökonomisierung aller Lebensbereiche mit „Digitalisierung“ glaubt beschreiben zu müssen, sollte er besser der Frage nachgehen, wie bei einer umgekippten Pyramide globaler Liquidität, in der der Derivatemarkt 855% des Weltsozialproduktes ausmacht, auch nur ein Prozent Rendite als Kostenanteil auf das reale Weltsozialprodukt durchschlägt.

Die „digitale Unordnung“ und ihr Wildwuchs können – mindestens ebenso schlüssig – auch als sekundär und dem „Terror der Ökonomie“, der anarchischen Produktionsweise folgend interpretiert werden. Unter Berücksichtigung historischer Kenntnisse kann die gegenwärtige sog. Finanzmarktkrise auch als dritte große Depression eingeordnet werden. Wenn Regierungen in einer Mischung von Dilettantismus und Komplizenschaft sich von Banken haben erpressen lassen („too big to fail“), ist das nur die eine Seite einer sonderbaren Situation, in der inzwischen „die kleinen Leute“ im Verbund mit der Realwirtschaft für die Casino-Schulden von „denen da oben“ zahlen. Und die amerikanische Immobilienpolitik der Nuller-Jahre, „Eigenheim ohne Eigenkapital“, war auch nur der Versuch, die vorgelagerte unbefriedigende Verteilungsfrage zu kaschieren.

Schon an diesem Punkt wird deutlich: Lindner hätte hier aufhören sollen zu googeln, um statt dessen lieber die richtigen Fragen zu stellen. Doch dies setzt noch etwas mehr als die Absolvierung eines ökonomischen Alphabetisierungsprogrammes und die Beherrschung der Grundrechenarten voraus. Es ist vielmehr Ausdruck eines politischen Totalversagens, den Blick genau dann abzuwenden und ebenso wie sein Parteifreund Wirtschaftsminister Rösler ökonomisch-marktautistisch auf die fiktionale technologische Überlegenheit innovativer Start-Ups und den Wettbewerb zu richten. Zugegeben, es ist richtig, dass die kleinen Schnellen den großen Langsamen etwas voraus haben, gar etwas abringen können. Nur sind die Großen im Digital Business, Google, Amazon, Facebook & Co, eben schnelle Große mit zudem wohl gefüllten Kriegskassen. Der vollzogene Kauf von Youtube durch Google ist hier nur ein Beispiel unter vielen. Darüber hinaus steht es den schnellen Großen praktisch frei, jederzeit und je nach Gusto die nationalstaatlichen Grenzen politischer Regelungen zu überschreiten.

Und es ist auch ein Ausdruck einer demokratischen Betriebsblindheit, nicht zu sehen, was eigentlich durch die aktuellen Ereignisse um PRISM und TEMPORA und den Selbstverrat der westlichen Demokratien deutlich wird, nämlich dass wirkliche demokratische Gesellschaften das Moment der Sicherheit als Organisationsstruktur und -inhalt in sich selbst tragen müssen. Die Lektüre von Frantz Fanon, der im letzten Jahrhundert vor den gesellschaftlichen Ursachen des Terrors warnte, oder auch etwa von Gandhi, der darauf hinwies, dass diese Gesellschaft reich genug ist, um die Bedürfnisse aller, aber nicht die Gier vieler zu befriedigen, wäre hier sicher hilfreicher gewesen. Wer den Menschen identitätsstiftende Lebensverhältnisse verwehrt, muss sich nicht über unerwünschte Reaktionen wundern.

Bei Richard Sennett in „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens“ und „Der flexible Mensch“ finden sich kluge Überlegungen über das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit. Lindner und mit ihm die gesamte FDP, die im Bund in Regierungsverantwortung steht, weichen der grundlegenden zentralen Frage aus: “Welche menschlichen Folgen hat die politische Ökonomie, in der wir leben?“ Hier nur die oberflächliche Veränderung im Bereich von Informations-, Transport- und Produktionstechnologien zu sehen, geht am eigentlichen Kern der Sache vorbei: Die tatsächlichen psychologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen zeigen sich vielmehr daran, wie Institutionen organisiert sind und wie die Menschen in ihnen leben. Und wenn Arbeitsplatz, Sozialstaat und Gemeinschaftsleben als Bezugsrahmen einem immer rascheren Wandel unterworfen sind, Ursachen sich kaum noch Wirkungen zuordnen lassen, Absichten und Vorhaben sich in einem Netz von Unwägbarkeiten und Zufälligkeiten verlieren, über die Einzelne und Gruppen immer weniger Kontrolle haben, müssen die Fragen aufgeworfen werden „Wie sozial sind eigentlich soziale Netzwerke, wie demokratisch ist unsere Demokratie?“

Jeder, der den Durchmarsch der Geheimdienste nicht sieht und auch blind ist für neue Gefahren, wie etwa die Schieds- und Geheimgerichte des geplanten Freihandelsabkommens zwischen den USA und Europa („Transatlantic Trade and Investment Partnership“ / TTIP), muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ein naiver Lobbyist der Marktgesellschaft zu sein. In einem taz-Interview hat Ulrich Beck jüngst die sich nationalstaatlicher Regelung entziehende globale Bedrohung benannt: „Wir haben eine laufende Revolution der IT-Branche und der Kommunikationsmedien in Kooperation mit dem militärisch-industriellen Komplex, die permanent die Grund- und Freiheitsrechte relativiert, aushöhlt oder aufhebt.“ Politiker, die die Tragweite dieser Entwicklungen nicht erkennen und anerkennen, die stillschweigend zusehen, wie die EU verwanzt und ihre Bürger ausgeforscht werden, können die noch aufwachen?

Wir haben uns daran gewöhnt, seit die Statistik in unseren Alltag quasi flächendeckend eingeführt worden ist, unser kausales Denken durch die Beobachtung von Korrelationen zu ersetzen. Die Ursachen für diese entdeckten Wahrscheinlichkeiten sind dabei von sekundärem Interesse. Dieser „Logik“ haben sich Geheimdienste mit ihrer Rasterfahndung und Datensammelwut verschrieben. Peter Moeschl hat in einem Standard-Beitrag „Die schöne, neue Verschwörungswelt der NSA“ auf die Folgen einer von Kausalitätsvorstellungen „entlasteten“, statistischen Weltsicht aufmerksam gemacht: „die computergestützte Projektion eines Weltbildes, in der es nur gute Konformisten und böse (konspirative) Nonkonformisten gibt … ein neues, ein institutionalisiertes Verschwörungsdenken der höheren Art, das vorauseilend die Welt beurteilt und bewertet.“

In der aktuellen Auseinandersetzung um informationelle Selbstbestimmung und eine demokratische Datenpolitik erweist sich der Parteiliberalismus der Bundesrepublik – sieht man von singulären Erscheinungen einer Frau Leuthäuser-Schnarrenberger oder eines Herrn Baum einmal ab – nicht als Lobby für Aufklärung und Mündigkeit. Der von Herrn Lindner als Lösung ins Feld geführte Neoliberalismus kann daher nicht die Antwort auf Big Money und Big Data sein, er ist vielmehr Teil des Problems, eines Problems, das nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene gelöst werden kann und wird.

Joachim Paul ist Fraktionsvorsitzender der Piratenfraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen.

ps.: Mehr und Tieferes zur Krise des Denkens, auch jenseits der Politik findet sich hier.

Die Piraten machen ja nichts zu #PRISM und #Tempora

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

800px-Anger_Controlls_HimLiebe Presse, ich habe Hals.

In diversen Veröffentlichungen von Euch liest man derzeit viel vom “Versagen” der Piraten, die “merkwürdig still” seien angesichts der Datenschutzskandale um die Abhörprogramme PRISM und Tempora des britischen und amerikanischen Geheimdienstes.

Von uns käme dazu ja nichts.

Darf ich gerade mal laut werden?

ANSTATT DASS EINER VOM ANDEREN ABSCHREIBT, DASS WIR DAZU NICHTS ZU SAGEN HABEN, NEHMT DAS GEGENTEIL ZUR KENNTNIS!

Um es Euch in mundgerechte Häppchen aufzuteilen:

Es gibt Pressemitteilungen dazu auf Landes- und Bundesebene, Interviews und vielbeachtete Podiumsdiskussionen (z.b. mit Katharina Nocun im WDR), Petitionen, konkrete Pläne der europäischen Piraten, Blogartikel und offene Briefe. Piraten waren schon mehrfach in Demonstrationen auf der Straße und vor dem amerikanischen Konsulat, selbst einen lustigen Flashmob gab es. Von Piraten organisierte Kryptopartys zur digitalen Selbstverteidigung schießen allerortens wie Pilze aus dem Boden. Nicht zuletzt die Online-Kampagnen und Petitionen “AntiPRISM.eu” und “Stopwatching.eu”, der sich Bürger anschließen können – letztere alleine wären schon einen tollen Bericht wert.

Und das sind nur die Informationen, die ich selbst durch eine oberflächliche Google-Suche auf die Schnelle gefunden habe – jeweils die Allererste. Es gibt mehr.

Auch die Landtagsfraktionen der Piraten sind politisch aktiv. Allein im Landtag Nordrhein-Westfalens gibt es von den 20 Piraten zum Thema insgesamt fünf politische Anträge:

Weiter gibt es diverse kleine Anfragen zum Thema – hier die im Nordhein-Westfälischem Landtag:

Es hat auch schon Ausschussbefassungen und mündliche Anfragen dazu gegeben.

Am vergangenen Mittoch haben wir im Landtag eine Pressekonferenz gegeben, zu der Sie, liebe Presse, persönlich eingeladen wurden. Gekommen ist – ein – Journalist. Selbstverständlich wurden vorher Einladungen und nachher Pressemitteilungen dazu verschickt.

Ich habe unsere Anträge auch verschiedenen Redaktionen direkt geschickt, man möge doch darüber im Thema Prism und Tempora berichten. Von den meisten kam gar keine Rückmeldung. Von einer kam die interessante Antwort “Haben wir schon reichlich. Aber wie wäre es mit einem Kommentar, weshalb man von den Piraten gerade jetzt so wenig sieht?”

Das zeigt die Schizophrenie der Situation: Man will eben nicht berichten, sondern lieber ein paar O-Töne haben, warum wir nichts tun.

Kann es sein, dass Sie deswegen von den Piraten nichts hören, weil Sie im Moment lieber weghören? Weil es nicht ins bevorzugt kolportierte Bild von der Chaotentruppe ohne Konzept passt, die sich mit sich selbst beschäftigt? Weil man lieber abschreibt, was der Kollege zuvor geschrieben hat, anstelle sich selbst Gedanken zu machen und selbst zu recherchieren? Piraten und Sachpolitik? Das geht ja gar nicht.

Tun Sie Ihre Arbeit! Wir tun unsere.

Bild: Autor: Jessica Flavin, Lizenz: CC-BY-2.0

Wir setzen PRISM und Tempora auf NRW-Agenda

Veröffentlicht am von unter Das Neueste, Homepage, Pressemitteilungen.

Politischer Überwachungswahn durch „PRISM“ und „Tempora“ gehört gestoppt!

Die Piratenfraktion setzt ein politisches Zeichen gegen den Überwachungswahn durch „PRISM“ und „Tempora“. Mit insgesamt vier Anträgen werden die Piraten bei den nächsten Plenarsitzungen (10.-12.07.2013) das Thema und die Bedeutung für Nordrhein-Westfalen ins Zentrum der politischen Debatte rücken. Damit legt die Piratenfraktion klare Vorschläge auf den Tisch, was in NRW gegen diese Überwachungssysteme unternommen werden muss und wie Bürger und Unternehmen in NRW vor den Spionageattacken geschützt werden können. Weiterlesen »

KellerCast #015 vom 13.01.2013

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Frisch vom Wahlkampf-Wochenende aus Hannover zurück und mit @teilerdoehrden und @grmpyoldman ab in den Fraktionskeller. Die Kamera war heute zwischendurch der Meinung, wir seien unscharf – keine Ahnung warum – wir bitten die Irritation zu verzeihen.

Weiter unten stehen Inhalt & Verlinkungen

Der Folge #015 Erster Teil:

BuVoKeller #015#1 bei Metacafé

Der Folge #015 Zweiter Teil:

WahlCast #015#2 bei Metacafé

Der Folge #015 Dritter Teil:

IrgendwasCast #015#3 bei Metacafé

Wochenrückblick 13.01.13:

Wochenvorschau:

  • 20:45 Lobbykontakte

Wären wir Niedersachsen, würden wir am 20.01.2013 Piraten wählen.


Plenarrede: Paul zur Regierungserklärung

Veröffentlicht am von unter Reden, Reden, uncategorized.

Plenarsitzung 8 vom 13. September 2012

Joachim Paul zu Top 1: Regierungserklärung (Aussprache)

Redeprotokoll:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Ministerpräsidentin! Die kleinste Fraktion zu sein, bietet bisweilen auch einen gewissen Komfort. Man hat öfter mal Gelegenheit, das letzte Wort zu haben.

Frau Kraft, wir haben gestern Ihre Regierungserklärung gehört. Sie haben darin zahlreiche Initiativen und Programme angekündigt. Viele dieser Initiativen machen aus Piratensicht ganz sicher inhaltlich Sinn; letztlich sind es jedoch nur Luftschlösser. Denn Sie haben ausdrücklich gesagt, dass sämtliche Maßnahmen unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Weiterlesen »