21. April 2016, TOP ), ca. 15.35 Uhr
Drucksache 16/11692
I. Sachverhalt
Die heutige Arbeitsgesellschaft fordert einen hohen Preis: hohe Arbeitslosigkeit, hohe soziale Ungleichheit, schlechte und teils prekäre Arbeitsbedingungen. Wer nicht oder nur teilweise arbeitet, droht aus der (Arbeits-) Gesellschaft ausgegrenzt zu werden. Wir brauchen daher eine neue Wertschätzung von Einsatz und Kreativität in unserer Gesellschaft. Dazu muss sich der Arbeitsbegriff ändern. Mit der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens würde sich der Arbeitsbegriff sofort und unmittelbar verändern. Doch nicht nur unser Verständnis von Arbeit ist im Wandel, ebenso wird sich die gesamte Arbeitswelt durch die Digitale Revolution fundamental verändern. Die Menschen stehen vor der Wahl, wie sie in Zukunft arbeiten und leben wollen. Wir müssen den Wandel der Arbeitsgesellschaft und die Digitale Revolution für uns nutzen, sie gestalten und somit unsere soziale Sicherheit steigern und garantieren.
Die Schaffung sozialer Sicherheit kann nicht länger allein an individuelle Arbeitsverhältnisse geknüpft werden, sondern muss als gesellschaftlicher Auftrag verstanden werden. Nur wer frei und selbstbestimmt entscheiden kann, welche Leistung erbracht oder welche Arbeit geleistet wird, erfährt Wertschätzung. Wer einen Teil seines Einkommens bedingungslos erhält, kann wesentlich freier und selbstbestimmter eine Stelle antreten, über das Gehalt verhandeln oder ein Ehrenamt wahrnehmen. Die Selbstbestimmung vieler Menschen wird somit keine leere Floskel mehr sein, sondern Realität.
Die technologische Entwicklung ermöglicht es grundsätzlich, dass nicht mehr jede monotone oder sogar gefährliche Aufgabe von Menschenhand erledigt werden muss. Dies ist ein großer Fortschritt. Doch spiegelt sich die individuelle Wertschätzung für erbrachte Leistungen für die Gesellschaft nicht auch im Aufbau unserer Sozialsysteme wieder, wird die Umwandlung von Arbeitsplätzen in automatisierte, computergesteuerte Prozesse lediglich die aktuellen ungleichen Vermögens- und Einkommensverhältnisse verfestigen und die Digitalisierung wird allein denjenigen zugute kommen, die schon heute in der ökonomischen und sozialen Hierarchie oben stehen.
Daher ist das Streben nach absoluter Vollbeschäftigung weder zeitgemäß noch sozial wünschenswert. Ebenso veraltet sind bürokratische und hierarchische Sozialleistungen wie Hartz IV, das viele Menschen oftmals als Schikane mit System erleben. Stattdessen sollten wir uns dafür einsetzen, dass alle Menschen gerecht und bedingungslos am Gesamtwohlstand beteiligt werden.
Die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, das die Ziele des „Rechts auf sichere Existenz und gesellschaftlicher Teilhabe“ darstellt, soll:
- die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen,
- einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie
- ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zur Leistungserbringung garantiert werden.
Wir wissen, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen den Sozialstaat wesentlich verändern wird. Statt mit klassischer Parteipolitik muss dessen Einführung daher mit einer breiten Beteiligung der Bürger einhergehen.
Wir nehmen viele engagierte Menschen wahr, die sich seit Jahren in- und außerhalb von Parteien für ein Bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen. Wir wollen dieses Engagement auf die politische Bühne des Bundestages bringen und mit den dortigen Möglichkeiten eine breite und vor allem fundierte Diskussion in der Gesellschaft unterstützen.
Dazu benötigt man eine konkrete Ausarbeitung und Berechnung neuer sowie die Bewertung bestehender Grundeinkommens-Modelle. Für jedes Konzept sollen die voraussichtlichen Konsequenzen sowie Vor- und Nachteile aufgezeigt und der Öffentlichkeit transparent dargestellt werden.
Zeitgleich müssen die politischen Voraussetzungen dafür geschaffen sein, dass noch vor Ende der laufenden Legislaturperiode die gesetzlichen Grundlagen für Volksabstimmungen auf Bundesebene geschaffen werden. Sie sollen den Bürgern ermöglichen, die einzelnen Grundeinkommens-Modelle als Gesetzesentwurf direkt zur Abstimmung zu stellen. Um dabei über eine Vielfalt an Konzepten gleichzeitig entscheiden zu können, sollen Volksabstimmungen auch mit Präferenzwahlverfahren durchgeführt werden können.
Veränderung der Lebenswirklichkeiten durch die Digitale Revolution
Die etablierte ökonomische, politische und soziale Struktur ist inkompatibel mit dem Stand der Technologie und den daraus resultierenden gesamtgesellschaftlichen Veränderungen.
Die fortschreitende Digitalisierung führt unter den jetzigen Bedingungen zu einer Verlagerung von Arbeit zu Kapital. Ob Roboter oder Algorithmen; immer mehr Arbeitsplätze werden durch die Digitalisierung in automatisierte, computergesteuerte Prozesse umgewandelt. Dabei sind bisher weite Teile der sozialen Sicherungssysteme stark veraltet. Abzusehen ist heute schon, dass in der Phase des Übergangs in die durchweg digitalisierte Lebenswirklichkeit mindestens ein Drittel aller herkömmlichen Arbeitsplätze, so wie wir sie bisher gekannt haben, vom Wegfall bedroht sind. Dies betrifft nicht nur Beschäftigungsverhältnisse mit simplen Tätigkeiten, sondern auch Arbeitsplätze von vermeintlich höher- und hochqualifizierten Menschen.
Dennoch ist die öffentliche Hand mit dem gegenwärtigen Steuersystem und der Sozialversicherung überhaupt nicht vorbereitet auf die technologisch exponentiell wachsenden Umwälzungen und deren revolutionierenden Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur in NRW, der Bundesrepublik und der ganzen Welt.
Die Digitalisierungsdividende nutzen
Dabei könnten die notwendigen Steuermittel durchaus erwirtschaftet werden. Dafür muss wieder zum Prinzip der Einheitlichkeit der Besteuerung zurückgekehrt werden. Das bedeutet insbesondere die Rücknahme jeglicher Privilegien bei der Besteuerung von Kapitalerträgen sowie die Bekämpfung des Ausnutzens ruinöser Steuervermeidungsstrategien. Außerdem muss der Bedeutungsgewinn von immateriellen im Verhältnis zu materiellen Gütern innerhalb des Produktionsprozesses auch im Steuer- und Sozialsystem seinen Niederschlag finden.
Dieses wäre ein erster Schritt, um hin zu einer auskömmlichen Finanzierung der öffentlichen Hand und zu einer höheren Einkommensgerechtigkeit über die Abschöpfung einer „Digitalisierungsdividende“ zu kommen.
Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) einführen
Neben der immer weiter aufgehenden Schere bei der Vermögens- und Einkommensverteilung wird es in Zukunft darum gehen, wie wir die enormen Effizienzsteigerungen aufgrund der Digitalisierung von Arbeit sinnvoll zum Wohle der Gemeinschaft einsetzen.
Wir wollen die Digitalisierungsdividende nutzen, um ein sozial gerechtes Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) zu finanzieren. Das BGE bietet die Basis und damit die Wahlfreiheit für sinnstiftende Arbeit und Tätigkeiten. Die Menschen sollen ihre Potenziale und Talente so ausschöpfen können, wie sie es für richtig halten. Kleinteilige und ergebnislose Diskussionen um die Stärkung von Zivilgesellschaft und Ehrenamt, die Bekämpfung der Folgen des Burn-Out-Syndroms, welche immer häufiger durch den zunehmenden Arbeitsstress hervorgerufen werden, oder um die Entwicklung finanzierbarer Konzepte für lebenslanges Lernen, erübrigten sich durch die Einführung eines BGE größtenteils.
Nur durch das Ergreifen der Digitalisierungchancen und durch die Einführung eines BGE als moderne und selbstbestimmte Form sozialer Sicherheit kann Nordrhein-Westfalen mittel- bis langfristig für die Menschen lebenswert bleiben.
Es gibt eine Mehrheit für ein Bedinungsloses Grundeinkommen in Deutschland
Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hat Ende Januar 2016 festgestellt, dass 53% bei einer repräsentativen Umfrage in Deutschland sich prinzipiell für das Bedingungslose Grundeinkommen aussprechen würden.
Kritik an der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens wird häufig an der in Frage stehenden Finanzierung eines entsprechenden Modells entgegengebracht. Hier ist festzuhalten, dass bereits im Jahr 2006 das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages „Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland“ ergab, dass durch Neuverteilung aller bereits bestehender Sozialtransfers sofort ein Bedingungsloses Grundeinkommen von ca. 645 Euro pro Person und Monat gezahlt werden könnte, ohne dass es eine zusätzliche Finanzierung dazu bräuchte (Stand 2006). Eingerechnet sind bei diesem Betrag noch nicht die freiwerdenden Mittel durch den Abbau des Bürokratieapparats zur Verwaltung der Sozialtransfers.
II. Der Landtag stellt fest
a) Ein Bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland ist zeitgemäß und realisierbar. Die verschiedenen Modelle gilt es öffentlich zu diskutieren und in einen Entscheidungsprozess zu bringen.
b) Das Bedingungslose Grundeinkommen muss zur auskömmlichen Finanzierung des menschlichen Grundbedarfs und zur Teilhabe am öffentlichen Leben ausreichend sein. Die Höhe muss daher weit über der heutigen Armutsgefährdungsgrenze liegen.
III. Der Landtag beschließt
die Landesregierung aufzufordern eine Bundesratsinitiative zu starten mit dem Ziel, dass auf Bundesebene eine Volksabstimmung über die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens stattfinden kann.