Mindestspeicherfrist = Vorratsdatenspeicherung

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Zu den Aussagen über das gemeinsame Wahlprogramm der CDU/CSU, dass diese Parteien die Vorratsdatenspeicherung der Telekommunikationsdaten nicht weiter verfolgen wollen, sagt Frank Herrmann, Sprecher für Privatsphäre und Datenschutz:

„Die Unions-Parteien wollen weiterhin die Kommunikationsdaten der deutschen Bevölkerung auf Vorrat speichern, daran ändert auch der Austausch der dafür verwendeten Begriffe nichts. In dem seit 1. Juli in Kraft getretenen Gesetz zur Bestandsdatenauskunft ist bereits eine Auskunftspflicht der Telekommunikationsanbieter enthalten. Den Schnüfflern und der CDU und CSU  ‚fehlt‘ also nur noch die Speicherfrist! Dann können die Behörden auch in Deutschland völlig legal die gleichen Durchsuchungen in den Kommunikationsdaten der Bürger vornehmen wie US-amerikanische Behörden. Mit ‚freiwillig‘ gespeicherten Daten kann das auch heute schon gemacht werden. 

Ein Hohn ist es zudem, die Mindestspeicherfrist als eine Verbesserung zur Vorratsdatenspeicherung darzustellen. Bei der Vorratsdatenspeicherung war die Speicherung auf 6 Monate begrenzt! Die Mindestspeicherfrist legt nur ein Minimum fest und würde wohl eine ewige Speicherung zulassen!“

Die Piraten machen ja nichts zu #PRISM und #Tempora

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800px-Anger_Controlls_HimLiebe Presse, ich habe Hals.

In diversen Veröffentlichungen von Euch liest man derzeit viel vom “Versagen” der Piraten, die “merkwürdig still” seien angesichts der Datenschutzskandale um die Abhörprogramme PRISM und Tempora des britischen und amerikanischen Geheimdienstes.

Von uns käme dazu ja nichts.

Darf ich gerade mal laut werden?

ANSTATT DASS EINER VOM ANDEREN ABSCHREIBT, DASS WIR DAZU NICHTS ZU SAGEN HABEN, NEHMT DAS GEGENTEIL ZUR KENNTNIS!

Um es Euch in mundgerechte Häppchen aufzuteilen:

Es gibt Pressemitteilungen dazu auf Landes- und Bundesebene, Interviews und vielbeachtete Podiumsdiskussionen (z.b. mit Katharina Nocun im WDR), Petitionen, konkrete Pläne der europäischen Piraten, Blogartikel und offene Briefe. Piraten waren schon mehrfach in Demonstrationen auf der Straße und vor dem amerikanischen Konsulat, selbst einen lustigen Flashmob gab es. Von Piraten organisierte Kryptopartys zur digitalen Selbstverteidigung schießen allerortens wie Pilze aus dem Boden. Nicht zuletzt die Online-Kampagnen und Petitionen “AntiPRISM.eu” und “Stopwatching.eu”, der sich Bürger anschließen können – letztere alleine wären schon einen tollen Bericht wert.

Und das sind nur die Informationen, die ich selbst durch eine oberflächliche Google-Suche auf die Schnelle gefunden habe – jeweils die Allererste. Es gibt mehr.

Auch die Landtagsfraktionen der Piraten sind politisch aktiv. Allein im Landtag Nordrhein-Westfalens gibt es von den 20 Piraten zum Thema insgesamt fünf politische Anträge:

Weiter gibt es diverse kleine Anfragen zum Thema – hier die im Nordhein-Westfälischem Landtag:

Es hat auch schon Ausschussbefassungen und mündliche Anfragen dazu gegeben.

Am vergangenen Mittoch haben wir im Landtag eine Pressekonferenz gegeben, zu der Sie, liebe Presse, persönlich eingeladen wurden. Gekommen ist – ein – Journalist. Selbstverständlich wurden vorher Einladungen und nachher Pressemitteilungen dazu verschickt.

Ich habe unsere Anträge auch verschiedenen Redaktionen direkt geschickt, man möge doch darüber im Thema Prism und Tempora berichten. Von den meisten kam gar keine Rückmeldung. Von einer kam die interessante Antwort “Haben wir schon reichlich. Aber wie wäre es mit einem Kommentar, weshalb man von den Piraten gerade jetzt so wenig sieht?”

Das zeigt die Schizophrenie der Situation: Man will eben nicht berichten, sondern lieber ein paar O-Töne haben, warum wir nichts tun.

Kann es sein, dass Sie deswegen von den Piraten nichts hören, weil Sie im Moment lieber weghören? Weil es nicht ins bevorzugt kolportierte Bild von der Chaotentruppe ohne Konzept passt, die sich mit sich selbst beschäftigt? Weil man lieber abschreibt, was der Kollege zuvor geschrieben hat, anstelle sich selbst Gedanken zu machen und selbst zu recherchieren? Piraten und Sachpolitik? Das geht ja gar nicht.

Tun Sie Ihre Arbeit! Wir tun unsere.

Bild: Autor: Jessica Flavin, Lizenz: CC-BY-2.0

Globales Lernen

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Bericht von meinem Besuch im Welthaus Bielefeld zu einer Veranstaltung über Globales Lernen in der Region OWL:

Aus meiner Zeit als Lehrerin weiß ich, dass Schüler*innen, wenn sie mit ca. 16 Jahren bei mir im Berufskolleg landeten, erschreckend wenig wissen über diverse (auch globale) Zusammenhänge.

Wie ist das eigentlich mit Fleischproduktion?
Wo kommt die Jeans her und wie leben die Menschen, die sie nähen?
Wie ist das mit Handys?
Ist meine Schokolade mit Kinderarbeit produziert?

Es hat Gründe, warum ich vegetarisch esse, warum ich ab und an noch bei Attac bin und warum ich ein Fairphone bestellt habe. Insofern war der Termin heute in Bielefeld ein wirklich spannender:

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“Globales Lernen als Bildungskonzept”

“Bildung verändert alles”

Wie wollen wir in Zukunft leben (in der einen Welt)?

Wie werden Menschen aus anderen Ländern (in Schule) dargestellt?
Wie werden wirtschaftliche Verflechtung dargestellt?

Schulen fragen Projekttage an (zum Schuljahresende), aber das hat nichts mit globalem Lernen zu tun.

Was braucht Schule? Was kann langfristig (ich kann “nachhaltig” nicht mehr hören) in Schulen geleistet werden?

Wo steht das Globale Lernen an Schulen?

(Kurz: Man weiß es nicht so genau. Es gibt natürlich ein paar Vorgaben in den Lehrplänen von NRW in allen Schulformen für unterschiedliche Fächer (Gesellschaftslehre, Erdkunde etc. Es gibt darüber aber keine Studien. Meist geht es leider ausschließlich um kognitive Wissensvermittlung.)

(Ich habe das meist in VWL untergebracht. (In der Gymnasialen Oberstufe mit Schwerpunkt Wirtschaft auch in Deutsch (sogar über ein halbes Jahr im Lehrplan vorgesehen).) In einer meiner letzten Unterrichtsreihen haben Schüler*innen in vier Gruppen Präsentationen zu vier Themen erarbeitet. Wenn ihr Präsentationen macht, denkt ab und an mal an Garr Reynolds “If you are trying to change the world, there is no excuse for beeing boring” – also die Kombination von guter! Präsentation mit wissenschaftlichen Inhalten.)

Es geht aber bei Globalem Lernen nicht darum, mal einmal etwas über Globalisierung im Unterricht gehört zu haben, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen in einer globalen Welt.

Den globalen Blick zu entwickeln bei unterschiedlichen Themen. Entscheidungen hier über Energie, über Handelsabkommen etc. haben immer auch Effekte auf Menschen auf der Welt. Schule kann hierbei ansetzen, eigenes Verhalten zu reflektieren.

Sinnvoll: Andere Gruppen einladen. Junge Menschen einladen in Schule. (z.B. Menschen, die ein Jahr in einem Entwicklungsprojekt mitgearbeitet haben.)

Schlussfolgerung: Derzeit ist globales Lernen von wenigen Lehrer*innen abhängig, die sich engagieren. (Aber Globales Lernen darf nicht strukturell darauf abzielen, nur auf wenige Lehrer*innen zu vertrauen.)

Wie kann man ansetzen? Qualitativ und quantitativ?
Fortbildung. Bedarfsunterstützung. Lehrpläne. Lehrer*innenausbildung!

Projekt: Schule der Zukunft

Frage: Wie bekommt man die Angebote zur Schule? (Es gibt ja durchaus Angebote zum Globalen Lernen.)

Beispiele Kernlehrpläne, Unterrichtsmaterialien:
www.globales-lernen-schule-nrw.de
Mediothek/Datenbank Welthaus: http://www.welthaus.de/bildungsbereich/mediothek/

Modellschulen für Globales Lernen

Modellschulen

Projektzeit 15.7.2011-15.10.2013
(Plus Verlängerung)

Schulen:
Max-Planck-Gymnasium, Bielefeld
Gerträud-Bäumer-Realschule, Bielefeld
Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule
Grundschulverbund Wichern-Lohe, Bad Oeynhausen

Leitbild für eine nachhaltige Entwicklung als Grundlage

Alle Schulen, nicht nur Modellschulen, können umfangreiche Beratung und Materialien bekommen.

Zusätzlich bei Modellschulen: Auf die Schule zugeschnittene Unterrichtsreihen, Fortbildungen auf die Schulen/Kollegien zugeschnitten, Empfehlungslisten für alle Lehrpläne (Wo gibt es Ansatzpunkte für Globales Lernen? Beispiele: Menschenrechte, Migration/Rassismus/Vorurteile, Wirtschaft, Kinderarbeit, Energie, Klima, Ernährung, Kleidung, Konsum… mit Linklisten, Projektangeboten usw.), Vernetzung mit Kooperationspartner*innen.

Das Projekt wird evaluiert von der Universität Erlangen.
Über Gelingensbedingungen für erfolgreiche Implementierung von Globalem Lernen bei Schüler*innen, Lehrer*innen, Schulen.
Wie verändert es alle Beteiligten?

Beispiele von Modellschulen:
Screenshot http://www.modellschulen-globales-lernen.de/die-schulen/gertrud-baeumer-realschule/

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PAB Gesamtschule: Zusätzlich Partnerschaft mit Projekt in Nairobi (inklusive Besuche dort alle zwei Jahren (mit 12 Schüler*innen))

Max-Planck-Gymnasium:
Auch eine schöne Idee, Expert*innen aus aller Welt einzubeziehen: Skype-Konferenzen
(Zum Beispiel mit Teilnehmer*innen von “weltwärts” http://www.welthaus.de/weltwaerts/ )

Ausblick/Ziele/Wünsche

Ideen aus der Diskussion: Lehrer*innenausbildung, Zentrum für Lehrerbildung einbinden, Kooperationen zwischen Schulen verbessern, Praxissemester für Student*innen, Bekanntheitsgrad erhöhen (zu wenig Schulen kennen die Projekte oder das Welthaus), Vernetzung verbessern (zwischen NGOs, zwischen Schulen etc.)
Problem: Kompetenzteams, Fortbildung derzeit vor allem auf Inklusion ausgelegt.

Ausblick des Welthauses:

Projekt Schule der Zukunft ausbauen (dort gibt es auch verschiedenen Level, die Schulen recht niederschwellig erreichen können), neu: Fairtradeschulen, aber Problem der vielen Siegel in Deutschland.

Öffnung für Ostwestfalen-Lippe von Bielefeld aus
Vernetzung vorantreiben (zum Beispiel mit Art at Work)
Qualität verbessern (Fortbildung für Mitarbeiter*innen des Welthauses: Inhalt, Pädagogik, Bildungsmanagement (Wie tickt Schule?))
Datenbanken mit Material vernetzen,
Landkarte erstellen mit guten Projekten aus der Region

Fazit: Da sind wirklich großartige, engagierte Menschen, die die Welt ein wenig besser machen wollen. Danke! (Weil das die Momente sind, warum ich Politik machen möchte, warum ich auf Demos gehe oder zu Veranstaltungen und weil ich dann das Gefühl habe, dass es irgendwie noch was werden könnte mit dieser Welt.)

Sachverständige fordern Reform der Störerhaftung bei offenen WLANs

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Wi-Fi_Mail.ruHeute war die Anhörung zu unserem Antrag “Abschaffung der Störerhaftung”, den wir in den Landtag eingebracht haben, und der in den Wirtschaftsausschuss verwiesen ist. Der lief aus meiner Sicht sehr erfreulich und eindeutig – alle anwesenden Experten waren der Meinung, dass es einer rechtlichen Klarstellung bedarf, und dass die gegenwärtige Situation schädlich für die Verbreitung des Zugangs zum Internet ist.

Bereits die vorhandene Rechtsunsicherheit sorgt dafür, dass es weniger freie WLAN-Zugänge an öffentlichen Plätzen, in Cafes und Eisdielen, aber auch von Privatleuten gibt als möglich wäre.

Interessant war auch die Feststellung mehrerer Experten, die darauf hinwiesen, dass es dieses Rechtskonstrukt der Störerhaftung nur in Deutschland gäbe – ein typisch deutsches Problem also.

Wir haben dazu die folgende Pressemitteilung herausgegeben:

Sachverständige fordern Reform der Störerhaftung bei offenen WLANs

Das Urteil der Sachverständigen ist eindeutig: Die Störerhaftung, wie sie heute besteht, muss dringend reformiert werden. „Nach Ansicht der Experten verursacht das derzeitige Prinzip der Störerhaftung erhebliche Rechtsunsicherheit. Jeder, der ein offenes WLAN anbieten will – etwa Hotels, Kommunen oder Bildungseinrichtungen – muss fürchten, Opfer der Abmahnindustrie im Internet zu werden“, fasst Daniel Schwerd, Netzpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW, die Ergebnisse der heutigen Anhörung im Landtag zum Piraten-Antrag „Abschaffung der Störerhaftung“ (Drucksache 16/2284) zusammen.

Aus diesem Grund sprachen sich die Sachverständigen – darunter Amtsrichter, Vertreter der Internetwirtschaft (eco), des Chaos Computer Clubs(CCC) und der Verbraucherzentralen – einstimmig für die Abschaffung bzw. Reform der Störerhaftung aus. Von den acht eingegangenen Stellungnahmen forderte lediglich die GEMA die unveränderte Beibehaltung.

Schwerd erklärt: „Im Ausland kann man an jeder Ecke per WLAN im Internet surfen. Bei uns traut sich niemand, seinen Anschluss freizugeben. Dieser Zustand ist schädlich für die Wirtschaft und verschärft die digitale Spaltung der Gesellschaft. Das Potenzial offener WLANs, einen einfachen und kostenlosen Zugang zum Internet zu ermöglichen, wird in Deutschland nicht ansatzweise ausgeschöpft.

Die Piratenfraktion fordert daher eine Präzisierung des Telemediengesetzes, damit Anbieter offener WLANs den kommerziellen Internet-Providern gleich gestellt und so vor Abmahnungen geschützt werden. Der Gesetzgeber muss hier tätig werden – wir können nicht darauf warten, dass die Gerichte die rechtlichen Unklarheiten beseitigen.“

Für Irritationen unter den Abgeordneten der Piratenfraktion sorgte die Tatsache, dass von CDU und FDP nur jeweils ein Abgeordneter anwesend war. Von ihnen kam zudem nur eine einzige Frage. „Das zeigt das eklatante Desinteresse von CDU und FDP an einer fortschrittlichen Netzpolitik und an der Meinung der Experten. Schwarzgelb im Landtag setzt damit die Blockadepolitik der Bundesregierung bei diesem Thema fort“, so Schwerd.

Hier findet Ihr die Stellungnahmen der Sachverständigen und unseren Antragstext:

CCC
Verbraucherzentrale NRW
DEHOGA NRW
eco
Rechtsanwälte Frey
Richter Dr. Reto Mantz
Richter Dr. Ulf Buermeyer
GEMA
Antrag der Piraten “Abschaffung der Störerhaftung”, Drucksache 16/2284

Bild: Autor: hi-tech.mail.ru, Lizenz: CC-BY-3.0

Sonderplenum: Angriff der Geheimdienste auf die Demokratie stoppen!

Veröffentlicht am von unter Bürgerrechte, Das Neueste, Dietmar Schulz, Hanns-Jörg Rohwedder, Nico Kern, Persönliche Blogposts, Robert Stein.

 

Vor dem Hintergrund jüngster Enthüllungen muss sich ein Sonderplenum des Landtags NRW mit den schockierenden globalen Überwachungsaktivitäten der Geheimdienste der USA und von Großbritannien befassen.

Daher haben heute die Unterzeichner als Abgeordnete des Landtags NRW eine Initiative gestartet, eine Sondersitzung des Plenums des Landtags unter Berufung auf Art. 38 Abs. 4 der Landesverfassung NRW einzuberufen. Laut NRW-Verfassung sind hierfür die Unterschriften von einem Viertel der Mitglieder des Landtags; das sind 60 Abgeordnete.

Einziger Debattenpunkt soll der internationale Überwachungs-Skandal sein, welcher durch das Leaken von Dokumenten seitens des Whistleblowers Edward Snowden offenkundig wurde und der federführend von den Geheimdiensten der USA (NSA) und Großbritanniens (GCHQ) ausgeht. Die genannten Geheimdienste haben nach derzeitiger Erkenntnislage über Jahre vermittels der Überwachungsprogramme „PRISM“ und „Tempora“ inzwischen Milliarden Daten (Emails, SMS u.a.) abgegriffen, teils gespeichert und ausgewertet. Auch wurde in bisher unvorstellbarem Ausmaß weiterer Telekommunikationsverkehr abgehört, aufgezeichnet und ausgewertet. In Europa stand dabei insbesondere Deutschland im Visier der Dienste.

Es handelt sich um einen Frontalangriff auf die Werte, die unsere Gesellschaftsordnung auszeichnen und auf die zu Recht als Errungenschaften unserer Zivilisation allenthalben hingewiesen wird. Ein Thema von höherer politischer Brisanz ist für die Unterzeichner kaum vorstellbar.

Die Unterzeichner gehen davon aus, dass der Schutz und Durchsetzung der Rechte der Menschen in unserem Land, insbesondere auf informationelle Selbstbestimmung, Privatsphäre und Meinungsfreiheit,  zentrales Anliegen aller im Landtag NRW vertretenen demokratischen Kräfte ist. Wir fordern daher alle Mitglieder des Landtages auf, sich unserem Petitum anzuschließen.

 

Nico Kern, MdL

Marc Olejak, MdL

Hanns-Jörg Rohwedder, MdL

Daniel Schwerd, MdL

Dietmar Schulz, MdL

Robert Stein, MdL

Olaf Wegner, MdL

O tempora, o mores – wider die Aushöhlung von Grundrechten, Demokratie und digitaler Kultur durch zügellose Überwachung!

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

O tempora, o mores. Wer nicht lesen will, darf hören:

Bild: Datenkrake auf der FSA-Demo '09PRISM und Tempora enthüllt

Durch die Weitergabe von Geheimdokumenten durch den US-amerikanischen Whistleblower und ehemaligen Geheimdienst-Angestellten Edward Snowden an die britische Tageszeitung „The Guardian“ hat die Weltöffentlichkeit erstmals Einsicht in das Ausmaß der Überwachung von Internet und Telekommunikation durch britische und US-amerikanische Geheimdienste bekommen.

Durch das US-amerikanische Überwachungsprogramm „PRISM“ hat die NSA mutmaßlich Zugriff auf sämtliche Daten, die bei US-amerikanischen Internet-Diensteanbietern anfallen. Nach Informationen der „Washington Post“ erlaubt „PRISM“ die Überwachung von Kommunikation in Echtzeit. Das Programm wird laut „Washington Post“ jährlich von einem Geheimgericht autorisiert; die einzelnen Datenabfragen – von Metadaten bis hin zu Inhalten von E-Mails oder Chats – benötigen hingegen keine richterliche Erlaubnis und liegen allein im Ermessen der NSA-Mitarbeiter.(1) Laut Berichten betroffener Firmen wie Microsoft, Apple oder Google werden in jedem dieser Unternehmen pro Halbjahr Zehntausende Datensätze von der NSA abgefragt.

Das Überwachungsprogramm „Tempora“ des britischen Geheimdienstes GCHQ zielt darauf ab, durch Anzapfen der Datenleitungen den gesamten Internet-Datenverkehr aufzuzeichnen und anhand bestimmter Kriterien auszuwerten. Dieser Vorgang – die gesamte Kommunikation, die über ein bestimmtes Medium geführt wird, global und vollumfänglich zu überwachen – ist historisch ohne Vorbild.

Gezielt Deutschland überwacht

Sowohl „PRISM“ als auch „Tempora“ werden zudem gezielt für die Überwachung befreundeter Staaten, insbesondere Deutschlands, eingesetzt. Laut Informationen des Spiegel gilt Deutschland für die NSA als lohnenswertes „Angriffsziel“; rund eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen (SMS, E-Mails, Telefongespräche) werden pro Monat von der NSA allein in Deutschland abgehört. An durchschnittlichen Tagen werden von der NSA nach Spiegel-Informationen bis zu 20 Millionen Telefonverbindungen in Deutschland überwacht. Laut Informationen des „Guardian“, der sich auf ein NSA-Programm mit Namen „Boundless Informant“ beruft, ist Deutschland das in Europa am stärksten von der NSA überwachte Land – und steht in Sachen NSA-Überwachung auf einer Stufe mit China oder Saudi-Arabien. Inzwischen wurde bekannt, dass die NSA Einrichtungen der Europäischen Union und europäischer Staaten in den USA verwanzt und gehackt hat. Für „Tempora“ haben britische Agenten hunderte Glasfaserleitungen angezapft, die auch zur Abwicklung deutscher und europäischer Kommunikation dienen.

Das Argument, diese Überwachung diene ausschließlich dem Kampf gegen den Terrorismus, ist angesichts der jetzt bekannt gewordenen Vorgänge unglaubwürdig. So überwachte der britische GCHQ während des G-20-Gipfels in London 2009 offenbar deshalb die Telefongespräche und die Onlinekommunikation zahlreicher angereister ausländischer Politiker, um der britischen Regierung Vorteile in Verhandlungen zu verschaffen. Unter den überwachten Staaten befanden sich Partner der Briten wie Südafrika und die Türkei.(2) Die Überwachung europäischer und anderer befreundeter Staaten durch britische und US-amerikanische Geheimdienste findet zudem nicht erst seit gestern statt: Bereits im Jahr 2001 stellte ein Bericht des Europäischen Parlaments (A5-0264/2001) fest, dass das von den USA und Großbritannien gemeinsam betriebene Programm „ECHELON“ zur Überwachung europäischer Staaten genutzt wurde.

Geheimdienste ausser Kontrolle

Das Ausmaß und die Skrupellosigkeit dieser Überwachung zeigt die Hybris von Geheimdiensten, die hinter dem Rücken der Öffentlichkeit und ohne effektive demokratische Kontrolle ihre Befugnisse immer weiter ausdehnen konnten.

Die Definitionsmacht dessen, was zum Schutz unserer Sicherheit und unserer Demokratien notwendig ist, darf aber gerade nicht den Geheimdiensten überlassen werden, die selbst nur über zweifelhafte demokratische Legitimität verfügen. Geheimdienste sind nur schwer mit den demokratischen Prinzipien von Transparenz und Kontrolle in Einklang zu bringen. Ihre aus Furcht und Misstrauen geborene Weltsicht führt zu einem unstillbaren Sammel- und Überwachungstrieb. Wie in der Atomkraft schlummert in ihnen ein unkalkulierbares Restrisiko: Das des totalitären Staats.

Diese Gefahr sehen angesichts der Uferlosigkeit von „Tempora“ selbst Mitarbeiter des britischen Inlandsgeheimdiensts MI-5. Innerhalb des MI-5 bestand laut „Guardian“ die Sorge, dass der GCHQ mit „Tempora“ in Bezug auf Bürgerrechte „zu weit“ gehe. Der „Guardian“ zitiert einen Mitarbeiter: „Wenn dieses System gegen uns verwendet werden sollte, haben wir keine Chance.“(3)

Checks and Balances

Aus diesen Gründen muss jede staatliche Überwachung von Kommunikation innerhalb strenger gesetzlicher Grenzen stattfinden, die in einem transparenten und demokratischen Prozess festgelegt und umfassend rechtsstaatlich und öffentlich nachvollziehbar kontrolliert werden. Es reicht nicht aus, den Sicherheitsbehörden blind zu vertrauen – auch nicht in demokratischen Staaten: Demokratie beruht nicht auf bloßem Vertrauen, sondern auf dem Prinzip der „Checks and Balances“, also auf Kontrolle und Machtdiffusion.

Das genaue Gegenteil scheint jedoch aktuell die Regel zu sein. Sowohl „PRISM“ als auch „Tempora“ wurden hinter dem Rücken der jeweiligen Öffentlichkeiten entworfen und umgesetzt. Die Geheimdienste haben alles daran gesetzt, schon die bloße Existenz dieser Programme geheim zu halten und zwar gerade auch gegenüber jenen Menschen, die sie zu schützen vorgeben. Namentlich die NSA hat die Öffentlichkeit und demokratisch gewählte Abgeordnete über die Existenz und das Ausmaß ihrer Überwachungsprogramme vorsätzlich getäuscht. In solchen Strukturen ist eine effektive demokratische Kontrolle nicht möglich.

Im Gegensatz zur Vermutung von Bundesinnenminister Friedrich, die Empörung über „PRISM“ und ähnliche Überwachungsprogramme speise sich aus einer „Mischung aus Antiamerikanismus und Naivität“(4), gründet der Protest über die jetzt aufgedeckten Vorgänge auf der empörenden Leichtfertigkeit, mit der Regierungen demokratischer Staaten offenbar bereit waren, zum Zweck vermeintlicher Sicherheit liberale Freiheitsrechte hintanzustellen.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Privatsphäre und Datenschutz, mithin der souveräne Umgang mit den eigenen Daten, sind Voraussetzungen für ein Leben in Würde und Freiheit. Aus diesem Grund schützt Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz.

In Deutschland besteht zudem ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Zu diesem Grundrecht führte das Bundesverfassungsgericht aus: „Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. […] Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“(5)

Das Ende der Unschuldsvermutung

Bei der Überwachung unserer gesamten Internetnutzung handelt es sich um echtes #Neuland. Nahezu jeder Mensch in Deutschland, der das Internet nutzt und sich beispielsweise durch Chats oder E-Mails austauscht, ist von der Überwachung durch „PRISM“ und/oder „Tempora“ betroffen. Es handelt sich um den umfassendsten Eingriff in die Grundrechte deutscher Staatsbürger, der bislang bekannt wurde.

Der gesellschaftliche Konsens, dass eine systematische und verdachtslose Überwachung im Alltag, wie wir sie nicht zuletzt in der deutschen Vergangenheit erleben mussten, nicht stattfinden darf, gilt offenbar noch nicht für die neuen digitalen Möglichkeiten.

Die flächendeckende, systematische Überwachung und Ausspähung von Individuen wirkt sich negativ auf die hohen Güter der Demokratie wie Meinungsfreiheit, Kritik, Mut zu Widerspruch und Andersartigkeit, Individualität und Kreativität aus. Eine zügellos überwachte Gesellschaft erzeugt ein soziales Klima, in dem die Unschuldsvermutung umgekehrt wird und Individuen als potenzielle Täter gelten; sie fördert Konformität, Stromlinienförmigkeit, politische Apathie, Opportunismus und graues Duckmäusertum.

Schon heute warnt Spiegel Online: „Nach dem derzeitigen Stand der Dinge sollte man sich bei allem, was man online – auch in vermeintlich privaten Bereichen – tut, fragen, ob es nicht eines Tages gegen einen verwendet werden könnte.“(6)

Die Schere im Kopf

Eine überwachte Gesellschaft ist eine kulturell gehemmte Gesellschaft. Die sprichwörtliche Schere im Kopf, Selbstzensur und geändertes Verhalten aus Angst vor Repressalien sind nur wenige Beispiele dafür, welch verheerende Auswirkungen eine Totalüberwachung von Menschen hat.

In einem derart überwachten Umfeld wird der Gebrauch des Netzes zu einem Wagnis, das ganz reale Konsequenzen im Alltag nach sich zu ziehen droht – wie zum Beispiel die Eintragung in geheime „Gefährder-“ oder „No-Fly-Listen“.

Das Internet bezieht seine Stärke und seinen gesellschaftlichen Nutzen jedoch gerade aus der Tatsache, dass es mehr ist als ein Medium zur bloßen Datenübertragung oder eine Plattform für innovatives Wirtschaften. Das Internet ist vielmehr ein Raum, der den freien, ungehinderten und weltweiten Austausch der Meinungen und Ideen ermöglicht – damit wird es zu einem Hort der Vielfältigkeit, der Innovation, der Weiterentwicklung und der Zusammenballung der menschlichen Globalkultur. In diesem Zusammenhang muss das Internet als schützenswerter Kulturbestandteil betrachtet werden, der Zu- und Abgänge zu den anderen Bestandteilen der physischen Welt mit ihren eigenen Kulturräumen besitzt. Beide Teile, der physische und der digitale, beeinflussen einander und profitieren voneinander.

Wir fordern daher den Landtag Nordrhein-Westfalens auf, festzustellen:

  1. Das Internet darf kein grundrechtsfreier Raum sein. Grundrechte müssen auch im Internet geschützt werden.
  2. Die verdachts- und schrankenlose Überwachung von Individuen ist nicht vereinbar mit dem Geist und den Regeln einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
  3. Die Grundrechte Freiheit und Sicherheit sind gleichwertig. Freiheit braucht Sicherheit, aber Sicherheit muss Freiheit schützen und nicht aushebeln. Es ist eine der Grundaufgaben der Demokratie, beide Rechte in Einklang zu bringen, anstatt sie gegeneinander auszuspielen.
  4. Jede staatliche Überwachung von Kommunikation muss innerhalb strenger gesetzlicher Grenzen stattfinden, die in einem transparenten und demokratischen Prozess festgelegt und umfassend rechtsstaatlich und öffentlich nachvollziehbar kontrolliert werden.
  5. Die verdachts- und schrankenlose Überwachung der digitalen Kommunikation in Deutschland lebender Menschen durch „PRISM“, „Tempora“ und/oder ähnliche Überwachungsprogramme ist unverhältnismäßig und verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
  6. Die Bundesregierung hat es bisher versäumt, auf den massenhaften Eingriff in die Grundrechte in Deutschland lebender Menschen durch „PRISM“ und „Tempora“ adäquat zu reagieren. Die vorsätzliche und umfassende Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch ausländische Nachrichtendienste darf nicht einfach hingenommen werden. Die Bundesregierung muss ihrer staatlichen Schutzpflicht nachkommen.

Wir fordern den Landtag Nordrhein-Westfalens auf, zu beschließen:

  1. Der Landtag appelliert an die Bundesregierung, ihren Schutzauftrag ernst zu nehmen und geeignete Maßnahmen zum Schutz in Deutschland lebender Menschen sowie Organisationen, Unternehmen und Behörden in Deutschland vor ausländischer Datenüberwachung zu entwickeln.
  2. Der Landtag appelliert an die Bundesregierung, von den Regierungen des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten nachdrücklich Aufklärung zu verlangen
    • über ihre Rolle im Zusammenhang mit „PRISM“ und „Tempora“,
    • über Ausmaß und Inhalt der Überwachungsprogramme,
    • sowie über die Frage, in welchem Maß in Deutschland lebende Menschen sowie Organisationen, Unternehmen und Behörden in Deutschland von diesen Programmen betroffen sind.
  3. Der Landtag appelliert an die Bundesregierung, von der Regierung des Vereinigten Königreichs das umgehende Ende der Aufzeichnung deutscher Datenübermittlungen einzufordern.
  4. Der Landtag appelliert an die Bundesregierung, Verhandlungen auf europäischer Ebene zur Entwicklung eines verbindlichen Abkommens aufzunehmen oder andere geeigneter Maßnahmen zu ergreifen, um
    • eine massenhafte, anlasslose und verdachtsunabhängige Überwachung digitaler Kommunikation in der Europäischen Union durch nationale Nachrichtendienste oder durch Nachrichtendienste befreundeter Staaten zukünftig auszuschließen;
    • allen in der Europäischen Union lebenden Menschen einen gleich hohen Schutz des Privatlebens, des Briefgeheimnisses und der digitalen Kommunikation zu garantieren
  5. Der Landtag appelliert an die Bundesregierung, darüber hinaus mit den USA Verhandlungen für ein Abkommen aufzunehmen, das nachrichtendienstliche Aktivitäten der USA gegen Deutschland ausschließt.
  6. Die Landesregierung wird aufgefordert zu prüfen, ob eine Bundesratsinitiative zur Verankerung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im Grundgesetz dazu geeignet ist, die Durchsetzung des staatlichen Schutzauftrags für dieses Grundrecht zu verbessern.

(1) http://apps.washingtonpost.com/g/page/national/inner-workings-of-a-top-secret-spy-program/282/
(2) http://www.guardian.co.uk/uk/2013/jun/16/gchq-intercepted-communications-g20-summits
(3) http://www.guardian.co.uk/uk/2013/jun/23/mi5-feared-gchq-went-too-far
(4) http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/PRISM-tempora-und-die-bundesregierung-a-908250.html
(5) BVerfGE 65, 1 – Volkszählung
(6) http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/PRISM-tempora-und-die-bundesregierung-a-908250.html

Diesen Text haben wir als politischen Antrag im Landtag Nordrhein-Westfalens als Drucksache 16/3436 eingereicht.

Bild: Lizenz: CC-BY-2.0, Fotograf: Matthias Hornung, Datenkrake wurde gebaut und koordiniert von dem Künstler Peter Ehrentraut für den FoeBuD e. V. auf der FSA ’09

Themenübersicht 14. Kultur- und Medienauschuss

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Hallo liebe Leute,

folgende Themen werden im Wirtschaftsausschuss am 02.Juli2013 im Landtag behandelt:

1) Landesmusikakademie Nordrhein-Westfalen, Heek

  • Gespräch mit Frau Antje Valentin, Direktorin der Landesmusikakademie

2) Kulturelle Bildung allen Kindern und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen ermöglichen – Landesregierung muss halten, was sie verspricht: Kein Kind zurücklassen

3) Eckpunkte des Kulturfördergesetzes

4) Neue Philharmonie Westfalen

5) Für echtes Netz: Netzneutralität dauerhaft gewährleisten und gesetzlich festschreiben

In Verbindung mit

  • Netzneutralität gesetzlich verankern, Drosselung von Netzzugängen verhindern
  • Antrag der Fraktion der PIRATEN: Drucksache 16/2892

6) Medienforum NRW 2013

  • Bericht der Landesregierung

7) Verschiedenes

 

Die Sitzung ist öffentlich, sie findet am Mittwoch, den 02.Juli 2013 ab 13:30 Uhr in Raum E1-A16 statt.

Über Feedback / Input freue ich mich.

Themenübersicht 17. Wirtschaftsausschuss & Anhörung

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Hallo liebe Leute,

folgende Themen werden im Wirtschaftsausschuss am 03.Juli2013 im Landtag behandelt:

1) Aktueller Stand Landesentwicklungsplan

2) Aufstellung des Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen (LEP NRW) – Sachlicher Teilplan Großflächiger Einzelhandel – Bericht über das Aufstellungsverfahren und Zusammenfassende Erklärung, Planbegründung und Entwurf einer Verordnung über den sachlichen Teilplan großflächiger Einzelhandel zum Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen

 

3) Zielabweichungsverfahren vom Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen zur 117. Flächennutzungsplanänderung der Stadt Aachen (Konzentrationsflächen für Windenergieanlagen)

  • Vorlage wird erwartet

4) Mit mehr Marktwirtschaft die Energiewende aktiv gestalten – Verantwortung für den Energie- und Industriestandort Nordrhein-Westfalen übernehmen

5) Energiewende durch Bürger stärken – Bürgerenergieprojekte fördern statt verhindern

6) Landesregierung darf Kommunen bei Konversion und Strukturwandel nicht im Regen stehen lassen – Nordrhein-Westfalen braucht landesweites Programm für Konversion und Strukturwandel aus Mitteln der Europäischen Union!

7) Stärkung der gemeinwohlorientierten und solidarischen Wirtschaft

  •   Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
  • Drucksache 16/3228

8) Situation bei der Adam Opel AG

  • Bericht der Landesregierung

 9) newPark/Opel

10) Marktgesetz NRW

11 ) Verschiedenes

 

Die Sitzung ist öffentlich, sie findet am Mittwoch, den 03.Juli 2013 ab 10:00 Uhr in Raum E1-D05 statt.

Im Anschluss findet eine öffentliche Anhörung statt:

Abschaffung der Störerhaftung

– öffentliche Anhörung von Sachverständigen –

Über Feedback / Input freue ich mich.

Halblegale Drogen und missbrauchsfähige Medikamente

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Gastbeitrag

ein Essay von

Maike Wehmeier
Bergische Universität Wuppertal

Kurs: Vertiefungsseminar Physiologische Grundlagen der Biopsychologie

Studienfach: Bachelor Psychologie
Institut: Fachbereich G – Bildungs- und Sozialwissenschaften
Datum: 14. März 2013

Einleitung

Ob es uns gefällt oder nicht, Drogen und Rausch sind bis heute ein omnipräsentes Thema in nahezu sämtlichen Bereichen unserer Gesellschaft. Von kiffenden Jugendlichen über arbeits- und obdachlose Heroin-Konsumenten bis hin zu alkoholkranken Familienvätern (und -Müttern) und medikamentenabhängigen Schmerzpatienten, jede Bildungsschicht, jede Altersstufe und jede Subkultur hat ihr eigenes Rauschmittel der Wahl und die dazugehörigen Probleme. Die oben erwähnten Beispiele sind nur ein paar der gängigen Klischees – dazwischen und darüber hinaus gibt es kaum eine Form des praktizierten Drogenkonsums, die allein hier in Deutschland nicht vorkommt. Religiöse Gemeinschaften, die ihren Glauben auf spirituellen Erfahrungen unter Einfluss von Psychedelika begründen, Gewalttäter, die ihre Opfer mit Hilfe verschreibungspflichtiger Medikamente als sogenannte ‘KO-Tropfen’ betäuben und homosexuelle Männer, die Schnüffelstoffe, sogenannte Poppers, für den besonderen Kick beim Sex einsetzen sind nur ein paar weitere, etwas ausgefallenere Varianten.

Einer der entscheidendsten – und meiner Meinung nach willkürlichsten – Unterschiede ist die Rechtslage um die jeweiligen Stoffe. Man unterscheidet in legale Drogen (Alkohol, Nikotin, Koffein…), illegale Drogen und die Grauzone der missbrauchsfähigen Stoffe, hauptsächlich Medikamente. Hierbei wiederum reicht die Skala von besonders geschützten Mitteln, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen und nur mit einem speziellen Rezept und unter externer Überwachung verschreibungsfähig sind, über verschreibungspflichtige Medikamente bis hin zu frei verkäuflichen, nur teilweise apothekenpflichtigen Stoffen, die unkontrolliert und nahezu von jedermann erstanden werden können. Weiterhin fallen in die semi-legale Kategorie diverse Chemikalien die zum Beispiel als Nagellackentferner, Klebstoff oder Felgenreiniger verkauft werden, außerdem in Labors synthetisierte Derivate psychoaktiver Stoffe, sogenannte Research Chemicals und einige handelsübliche Pflanzen und Pflanzenteile, die sich missbräuchlich als Rauschmittel verwenden lassen. Ebenso wie legalen Drogen sind diese Stoffe zwar nicht verboten, dürfen aber im Gegensatz zu diesen nicht gezielt für den Konsum als Rauschmittel verkauft werden, daher die Bezeichnung missbrauchsfähig.

Mit dem Verbot von weithin konsumierten Rauschmitteln gehen weitreichende Folgen einher – die Preise steigen, der Reiz des Verbotenen kommt gerade für Jugendliche dazu, Händler und Konsumenten werden kriminalisiert. Letzteres mag manche Konsumenten abschrecken – für andere jedoch verringert es schlicht die Skrupel, sich auf weitere Straftaten einzulassen. Beschaffungskriminalität ist eine Seite dieses Effekts, das Auftauchen immer gefährlicherer Stoffe als Streckmittel ein anderer.

Weiterhin führt ein Verbot illegaler Drogen zu einer gesteigerten Nachfrage nach legalen, preiswerteren und leichter zu beschaffenden Alternativen. Die Suche danach bleibt nicht lange erfolglos, denn die Möglichkeiten sind vielfältig – sowohl in historischer Pflanzenkunde als auch in der modernen Chemie lassen sich zahllose als Rauschmittel einsetzbare Substanzen finden, die vom Betäubungsmittelgesetz nicht (oder noch nicht) erfasst sind.
(Geschwind, 2007)

Ob Stimulanzien, Psychedelika oder Sedativa/Hypnotika – das gesamte Wirkspektrum bekannter Rauschmittel findet sich auch unter dem Deckmantel missbrauchsfähiger, jedoch nicht hauptsächlich als Rauschdroge gedachter Stoffe. In diesem Essay möchte ich ein paar der weniger bekannten Beispiele aus dem Bereich der missbrauchsfähigen, nicht per se als Droge klassifizierten Stoffe vorstellen, deren Wirkspektrum und Gefahrenpotential meiner Meinung nach weithin unterschätzt werden.

Vom Heilmittel zur Rauschdroge – missbrauchsfähige Medikamente

Nicht wenige der heute als illegale Drogen bekannten Stoffe haben ihren Ursprung in der Pharmazie. So tauchte zum Beispiel das von vielen als gefährlichste Droge überhaupt eingeschätzte Heroin erstmals als Hustensaft von Bayer auf. Als klar wurde, welches dramatische Suchtpotential Diamorphin aufweist – für ein Morphinderivat und damit einen dem Opium nahe verwandten Stoff eigentlich nicht sehr verwunderlich – wurde es zwar vom Markt zurückgezogen, in Konsumentenkreisen hatte es allerdings bereits seinen Platz erlangt und hält sich bis heute hartnäckig.

Sinnigerweise ist Methadon, der Stoff mit dem, neben dem neuartigen Subutex, heute meist die Substitution und Entwöhnung Heroinabhängiger durchgeführt wird, tatsächlich schädlicher als reines Diamorphin. Ein entsprechendes Pilotprojekt in Deutschland erzielte gute Erfolge mit der Ausgabe von pharmazeutisch reinem Heroin an Abhängige in der Substitution. Die Risiken beim Konsum von Straßenheroin liegen, abgesehen von der Kriminalisierung, der dadurch entstehenden Beschaffungskriminalität und dem hohen Toleranz- und Suchtpotential, hauptsächlich in den Gefahren des Umgangs mit nicht-sterilen Spritzen, den beigemischten Streckstoffen und nicht zuletzt, der Überdosierung bei unerwartet reinem Stoff. (Verthein, Haasen & Reimer, 2011)

Ein deutlich weniger bekannter, vermutlich stark unterschätzter Stoff ist das als Dextromethorphan-hydrobromid (9S,13S,14S)-3-Methoxy-17-methylmorphinan·HBr) in verschiedenen Hustenstillern vorliegende Dextromethorphan, kurz DXM. In Deutschland findet es sich als Monopräparat zum Beispiel in Hustenstiller Kapseln von Ratiopharm und Silomat und ist in dieser Form zwar apotheken-, nicht aber rezeptpflichtig.

Den gewünschten, antitussiven Effekt erzielt Dextrometorphan – wie auch Opioide – mittels agonistischer Wirkung am Sigma-1-Rezeptor, weshalb es zuerst fälschlicherweise als opioid-artiger Stoff klassifiziert wurde. Da es jedoch an keinem typischen Opioid-Rezeptor andockt, wurde diese Zuordnung inzwischen widerlegt. Weiterhin fungiert es als Serotonin- und Dopaminwiederaufnahmehemmer, wodurch die Rauschwirkung zustande kommt. Als NDMA-Antagonist wirkt DXM außerdem (oberhalb der therapeutischen Dosis) schwach analgetisch.

Der Reiz den DXM als missbrauchsfähiges Medikament ausübt, liegt auf der Hand – es ist selbst für Jugendliche einfach und bequem in der nächsten Apotheke zu erhalten, zudem verhältnismäßig preiswert und unkompliziert oral zu konsumieren. Dieser Umstand führt mit dazu, dass die Rauschwirkung und -intensität von Dextromethorphan in der Regel unterschätzt wird. Die therapeutische Dosis von Dextromethorphan liegt bei etwa 30mg Dextromethorphan-hydrobromid (entsprechend 22mg Dextromethorphan) bis zu vier mal täglich. Zu Missbrauchszwecken wird diese Dosis jedoch um ein vielfaches überschritten. Der Konsum erfolgt oral, teilweise werden die Kapseln geöffnet, um das Pulver direkt zu konsumieren und so einen schnelleren Wirkeintritt hervorzurufen. Der Rausch hält, abhängig von Faktoren wie Toleranz, Mageninhalt und eventuell Beikonsum 6-9 Stunden an.

Je nach Dosis wirkt Dextromethorphan euphorisierend bis dämpfend und enthält dabei starke psychedelische und dissoziative Elemente. Man unterscheidet die anhand der Dosierung 4 bis 5 Wirk-Plateaus, die sich in der Intensität so wie den dominierenden Effekten des Rausches stark unterscheiden. Die Angaben der Dosierung sind nicht sehr präzise und hängen unter anderem auch von körperlicher Verfassung und Toleranz des Konsumenten ab. Dabei erstreckt sich die missbräuchlich konsumierte Menge von 1,5 bis hin zu 17mg pro kg Körpergewicht bei einmaliger Einnahme. Zum erreichen des sogenannten Plateau Sigma werden über längeren Zeitraum mehrfach mittlere bis hohe Dosen eingenommen, so dass die Wirkung sich auf die Dauer potenziert.

Bei leichter Intoxikation mit Dextromethorphan steht, ähnlich wie bei einem schwachen Alkoholrausch, die stimulierende Wirkung im Vordergrund. Der Konsument wirkt euphorisch, die Aufmerksamkeit ist weitestgehend nach außen gerichtet. Es kann zu leichten halluzinogenen Effekten kommen, auch die Kommunikation ist betroffen (vergleichbar mit Lallen unter Alkoholeinfluss), die Motorik ist zumeist jedoch noch relativ zielgerichtet und unauffällig. Bei gesteigerter Dosierung verschiebt sich der Fokus von außen nach innen, die hypnotischen und dissoziativen Aspekte treten in den Vordergrund. Interaktion mit der Außenwelt wird schwierig bis unmöglich, stattdessen werden Reize aus der Umwelt in die nach innen gerichtete Wahrnehmung integriert. Die gefühlte Verbindung zum eigenen Körper reisst nach und nach ab, bis hin zu als außerkörperlichen Erfahrungen wahrgenommenen, stark dissoziativen Zuständen.

Diese Diversität in der Wirkung hängt mit der Vielzahl an Rezeptoren zusammen, mit denen DXM auf unterschiedlichste Art und Weise interagiert. Wie genau sich die einzelnen Rauschaspekte herleiten lassen, ist bisher noch nicht bekannt – Dextromethorphan hat, trotz seit den 80er Jahren ungebrochener Popularität als Rauschmittel, bisher wenig Aufmerksamkeit in der Forschung erfahren. Dementsprechend dürftig sind auch die verfügbaren Informationen zu SaferUse, Abhängigkeitspotential und Langzeitfolgen des Konsums. (White, 1995)

Ein drittes, ebenfalls selten in Betracht gezogener missbrauchsfähiger Stoff ist der heute weniger populäre (Diethyl)Ether. Ähnlich wie Chloroform wurde Ether aufgrund seiner zentral-dämpfenden Wirkung ursprünglich als Narkotikum zum Beispiel bei Operationen eingesetzt. Der hohe Halbwertzeit, unangenehmen Nebenwirkungen sowie der Risiken im Umgang mit einer derart entzündlichen und (im Kontakt mit Sauerstoff und Sonnenlicht) teils explosiven Substanz wegen wurde Ether als Anästhetikum um 1900 nahezu vollständig durch geeignetere Stoffe ersetzt. Heute findet Diethylether in der Medizin hauptsächlich als Lösungsmittel in Tinkturen Verwendung.

Obwohl als Gefahrenstoff katalogisiert und nur zum Verkauf an Apotheken und Chemiker zugelassen, wird Ether auch heute noch gelegentlich als Rauschmittel missbraucht. Unter dem Vorwand beispielsweise eines schulischen Experimentes lässt sich in vielen Apotheken relativ leicht eine ausreichende Menge erwerben – weiterhin liegt Ether in verschiedenen Starthilfe-Mitteln aus dem Automobil-Bedarf vor, die ebenfalls frei verkäuflich sind.

Ein Etherrausch – herbeigeführt durch Inhalation oder Ingestion – ähnelt einem starken Alkoholrausch, bei höheren Dosen tritt ein narkoseähnlicher Zustand ein. Wie die meisten Schnüffelstoffe wirkt Ether sehr schnell, hat allerdings eine deutlich längere Halbwertzeit als zum Beispiel Poppers. Neben der mangelnden Aufklärung und den oben erwähnten Risiken im Umgang mit Ether (Explosionsgefahr etc.) birgt der leicht flüchtige und damit schwer zu dosierende Stoff die Gefahr einer schnellen Überdosierung. Außerdem kann es je nach Konsumweise zu Reizungen der Atemwege und der Rachen- sowie Magenschleimhäute kommen. (Geschwind, 2007)

Am Rande der Legalität – synthetische Drogen und Research Chemicals

Als KO-Tropfen oder Liquid Ecstasy begegnet es uns immer wieder in den Medien – GBL, Gamma-Butyrolacton. Diese farblose, allerdings keinesfalls geruchs- oder geschmacksneutrale Flüssigkeit, die in erster Linie als Lösungsmittel zum Beispiel in Reinigungsmitteln Verwendung findet, wird im Körper zu dem als Betäubungsmittel klassifizierten GHB (Gamma-hydroxybutansäure) metabolisiert. Im Gegensatz zum verschreibungspflichtigen GHB lässt sich GBL relativ einfach zum Beispiel im Internet erwerben, da es als Vorläuferstoff nur der freiwilligen Selbstkontrolle der Händler unterworfen ist. Diese wird in vielen Fällen akut vernachlässigt, eine Abgabe des Stoffes als Felgenreiniger mit dem Hinweis, dass dieser nicht zum Verzehr geeignet ist, hält geneigte Konsumenten wohl kaum vom missbrauch der Chemikalie ab.

Auch GBL verleitet neben seiner hohen Verfügbarkeit und dem Status außerhalb der Kriminalisierung der Konsumenten durch den niedrigen Kostenfaktor (Flaschen a 50ml GBL von 99,7 prozentiger Reinheit werden im Internet für rund 25€ angeboten) und die bequeme, wenig abschreckende orale Konsumtechnik. Zu Missbrauchszwecken werden je nach Körpergewicht des Konsumenten 0,5-2ml der Droge mit einer beliebigen Flüssigkeit verdünnt getrunken. Der Wirkeintritt erfolgt zeitnah, innerhalb von 2-5 Minuten. Je nach Dosis hält die Wirkung 30 – 90 Minuten an, wodurch sich der Konsum unauffällig ins alltägliche Leben integrieren lässt – im Gegensatz zu Drogen mit längerer Wirkdauer hält ein GBL-Rausch den Konsumenten nicht zwingend über Stunden davon ab, seinen Verpflichtungen im Alltag nachzukommen. (Kam, 1998)

Das aus GBL metabolisierte und für die eigentliche Rauschwirkung verantwortliche GHB ist ein dem inhibitorischen Neurotransmitter GABA eng verwandter Stoff und liegt außerdem in geringerer Zahl als eigenständiger, exitatorischer Neurotransmitter im ZNS vor. Im Gegensatz zu GABA selbst hat es eine höhere Affinität an Monocarboxylat-Transporter (MCT), sogenannte Transportmoleküle, die es GHB ermöglichen, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren. Zuerst bindet es hauptsächlich an den spezifischen GHB-Rezeptoren, welche die Glutamat-Ausschüttung erhöhen und damit die für geringe Dosen typische antriebssteigernde Wirkung auslösen. Bei höherer Konzentration von GHB steigt allerdings die Affinität zu GABAB-Rezeptoren. Aktiviert ermöglichen diese den Einstrom negativ geladener Chlorid-Ionen ins Zellinnere, der zur Hyperpolarization der Zelle führt, wodurch sich die dämpfende Wirkung erklären lässt. Zusätzlich wirkt GHB als Dopamin-Agonist.

Durch die Kombination dieser drei Mechanismen ergibt sich die für GBL typische Wirkkurve. Bei geringen Dosen zeigen sich hauptsächlich Euphorie, Zufriedenheit, Bewegungsdrang, Angstlinderung und ein allgemeines Rauschgefühl. Bei höheren Dosen kommt es zu Ataxie, gesteigertem Lustempfinden, Benommenheit und Schläfrigkeit bis hin zu narkotischen Zuständen. Neben einer schnellen und ausgeprägten Toleranzentwicklung führt die Wirkung an Dopamin-Rezeptoren zu einem erhöhten Suchtpotential und löst bei Abstinenz nach längerem Konsum Absetzsymptome aus, die mit denen einer Benzodiazepinabhängigkeit vergleichbar sind. (Geschwind, 2007)

Obwohl GBL im Körper sehr schnell und nahezu vollständig zu GHB verstoffwechselt wird, welches keine toxischen Eigenschaften aufweist, wirkt sich der orale Konsum eines wenig verdünnten Lösungsmittels natürlich negativ auf den Organismus aus. Es kann zu Reizungen an den Schleimhäuten im Mund-, Rachen- und Magenbereich kommen, außerdem greift GBL den Zahnschmelz an und wirkt bei Haut- und Augenkontakt ätzend.

Aufgrund seiner amnetischen und narkotisierenden Wirkung hat GBL den Ruf, als sogenannte KO-Tropfen eingesetzt zu werden. Sicher ist es schnell und unauffällig möglich, die geringe benötigte Menge von ca 2ml unbemerkt in ein unbeobachtetes Glas zu mischen – der beißende, chemische Geschmack der Substanz sollte meiner Meinung nach jedoch in den meisten Fällen auffallen, zumal der Stoff relativ zügig konsumiert werden muss, was eine zu starke Verdünnung unmöglich macht. Die typischen Symptome einer Vergiftung mit KO-Tropfen – Benommenheit, Störungen und Ausfälle in der Motorik, Black-Outs mit anschließender retrograder Amnesie – passen wiederum gut in das Wirkspektrum von GBL. Auch die enthemmende, luststeigernde Wirkung einer geringeren Dosis dürfte dem Zwecke der KO-Tropfen dienlich sein. So bleibt GBL, neben dem vielfach derart missbrauchten Benzodiazepin Flunitrazepam (Rohypnol), einer der am stärksten für den Gebrauch als KO-Tropfen verdächtigen Stoffe. (Smith, 1999)

Rausch aus der Natur – legale, pflanzliche Drogen

In den letzten Jahren erregte das Thema pflanzlicher, legaler Drogen, speziell am Beispiel von Kräutermischungen wie dem inzwischen verbotenen ‘Spice’. Dabei handelt es sich nur scheinbar um ein pflanzliches Rauschmittel – laut Hersteller basiert die Wirkung zwar auf dem Zusammenspiel verschiedener pflanzlicher Bestandteile, tatsächlich wurden allerdings vermehrt synthetische Cannabioide nachgewiesen. Unabhängig der speziell zu Rauschzwecken angebotenen Produkte, legal oder illegal, gibt es jedoch noch viele andere frei verkäufliche oder in der Natur zu findende Pflanzen- und Pflanzenteile, die eine zum Teil stark berauschende Wirkung haben können. Darunter, neben den berüchtigten Nachtschattengewächsen (Stechapfel, Tollkirsche, Engelstrompete etc.), auch alte Bekannte wie Waldmeister oder Muskatnuss.

Im Gegensatz zu den meisten bisher beschriebenen Beispielen wird die nächste gemeinhin nicht unter-, sondern eher überschätzt, was in diesem Fall wohl hauptsächlich der Abschreckung dienen sollte. Außerdem ist er streng genommen nicht wirklich eine Pflanze – Amanita Muscaria, der Rote Fliegenpilz. Gerne wird er als giftig, ja tödlich beschrieben, tatsächlich gibt es aber keinen bekannten Todesfall in Folge von reinem Fliegenpilzkonsum. Die letale Dosis des für den Rausch verantwortlichen Wirkstoff Muscimol wurde in Experimenten an Ratten bei oral ca 45mg pro kg Körpergewicht ermittelt, was je nach Individuum einer Dosis von rund zehn ausgewachsenen Fruchtkörpern entspräche.

Um Amanita Muscaria ranken sich, neben seinem Ruf als gefährlicher Giftpilz, unzählige Legenden und Mythen. Zusammen mit Glücksschwein und Schornsteinfeger ist er uns als Glückssymbol bekannt – eigentlich eine seltsame Assoziation für einen vermeintlich hochgiftigen Pilz. So gibt es Interpretationen, die das alt-indische Soma, das griechische Ambrosia, Rumpelstilzchen und sogar Jesus als Sinnbilder für frühe Verehrung des Fliegenpilzes sehen. (Wasson, R. G. 1968)

Fakt ist, dass Amanita Muscaria eine in Vergessenheit geratene, nicht juristisch erfasste und in weiten Teilen Deutschlands natürlich vorkommende Rauschdroge ist. Fliegenpilze – dh, die Fruchtkörper, nicht die unterirdisch liegenden Myzelien – werden frisch oder getrocknet ingestiert. Historische Texte berichten von muscimolhaltigen Tees und sogar von Menschen, die den Urin von Fliegenpilzkonsumenten tranken, da ein großer Teil des Wirkstoffes den Körper auf diesem Wege unverändert wieder verlässt. Teilweise wird diese Konsumform sogar bevorzugt praktiziert, da die beim oralen Konsum mit aufgenommenen im Pilz enthaltenen Gifte, die nicht für die Rauschwirkung, dafür aber für unangenehme Nebenwirkungen verantwortlich sind, auf diesem Wege bereits verstoffwechselt sind.

Muscimol liegt im lebenden Fliegenpilz nicht direkt, sondern in Form des Vorläuferstoffes Ibotensäure, einer nicht proteinogenen Aminosäure vor. Im Verlauf der Trocknung oder Zubereitung des Pilzes zerfällt die Ibotensäure durch Decarboxylierung, also die Abspaltung von Kohlenstoffatomen, zu dem stärker psychoaktiven und weniger toxischen Wirkstoff Muscimol. Weiterhin wird sie im Körper fast vollständig zu Muscimol metabolisiert. Dieses wirkt als GABA-Agonist und entfaltet so seine inhibitorische Wirkung auf das zentrale Nervensystem. Weiterhin erhöht es als Serotonin-Wiederaufnahmehemmer den Serotoningehalt im synaptischen Spalt.

Wie die meisten psychoaktiven Pilze zeichnet sich auch der Fliegenpilz durch einen relativ langsamen Wirkeintritt aus, je nach Konsumform etwa eine halbe bis drei Stunden. Der Rausch selbst hält 10-15 Stunden an, wobei der Konsument meist vorher in tiefen, narkoseähnlichen Schlaf verfällt. Charakteristisch für einen Muscimolrausch sind besonders die ausgeprägten optischen Halluzinationen. Bei geschlossenen Augen werden bewegte, bunte Muster wahrgenommen, sogenannte Closed Eyes Visuals (CEVs), die optische Größenwahrnehmung ist stark gestört, zusammen mit der veränderten Körperwahrnehmung ergibt sich typischerweise das Gefühl, verkleinert zu sein beziehungsweise sich in einer stark vergrößerten Umwelt zu befinden. Die sensorische Wahrnehmung im Allgemeinen wird intensiviert, hohe Geräusch- und Lichtempfindlichkeit tritt auf. Nach und nach weicht die anfängliche halluzinogene Wirkung einer stärker deliranten; es kommt zu Denkstörungen, Orientierungslosigkeit, Derealisation und Depersonalisation, die Wahrnehmung von Zeit, Raum und Kausalität gerät aus dem Gleichgewicht. Mit der zentral-dämpfenden Wirkung geht der Konsument in einen traumartigen Bewusstseinszustand über, der meist nach einer Weile in tiefen, narkoseähnlichen Schlaf übergeht. (Stamets, 1996)

Der Ruf des Fliegenpilzes als Giftpilz hat bis heute ein stark abschreckende Wirkung auch auf sonst experimentierfreudige Drogenkonsumenten. Angesichts der Komplexität und Intensität des Rauschzustandes ist dies sicher auch angebracht, den Armanita Muscaria ist, unabhängig von der toxischen Wirkung seiner Bestandteile, keinesfalls eine zu verharmlosende rekreationelle Substanz. Gerade aufgrund seiner hohen Verbreitung in Deutschland ist es verwunderlich, dass Fälle von Muscimolintoxikation relativ im klinischen Umfeld relativ selten zu finden sind. Das die Zubereitung von Armanita Muscaria und seinen Unterarten in Japan – und in Teilen Norddeutschlands! – eine lange Tradition hat, ist ein Fakt, der zu Gunsten des Respektes vor diesem hochpotenten Psychedelikum wohl besser keine zu große Bekanntschaft erlangen sollte.

Stellungnahme

Wie bereits angedeutet halte ich die Unterteilung potentiell psychoaktiver Stoffe in legal und illegal im besten Falle für willkürlich. Dies betrifft sowohl die beninge Haltung gegenüber Stoffen mit teils bekanntem Gefahren- und Abhängigkeitspotential, die einen reflektierten Umgang damit für einen Großteil der Konsumenten unnötig scheinen lässt und damit quasi unmöglich macht, als auch die überzogene Vorverurteilung anderer, zum Teil harmloserer Stoffe, die aufgrund teilweise längst überholter Argumentation irgendwann als illegal eingestuft wurden und seitdem jeden Konsumenten automatisch zum Kriminellen erklären.

Dieses Grundproblem zeigt sich schon in der meiner Meinung nach nicht anders zu erklärenden ablehnenden Haltung vieler gegenüber einer Substitution opioidabhängiger Patienten mit Diamorphin, also der illegalen Droge Heroin, anstelle des akzeptierten Medikamentes Methadon. Abgesehen von diesem Image-Problem überwiegen eindeutig die Vorzüge einer kontrollierten Diamorphin-Ausgabe, wie inzwischen mehrere Studien überzeugend dargelegt haben.

Die Selbstverständlichkeit, mit der in unserer Gesellschaft Alkohol konsumiert wird, obwohl man längst über die irreversiblen Effekte dessen weiß, ist ein Aspekt, den ich hier nicht weiter ausführen, jedoch der Vollständigkeit halber auch nicht unerwähnt lassen möchte.

Während der Besitz und Konsum von Cannabis – über dessen Einstufung als weiche Droge man aufgrund des hohen psychedelischen Potentials heutiger Züchtungen durchaus streiten kann – eine Straftat darstellt, finden sich Nachtschattengewächse wie Tollkirsche, Engelstrompete oder Stechapfel problemlos in gut sortierten Floristikgeschäften oder direkt im Vorgarten. Durch die kontrollierte Züchtung ist der Wirkstoffgehalt in Hanfpflanzen mittlerweile zwar deutlich stärker als noch vor 20 Jahren, jedoch existiert genug Wissen bezüglich der Wirkweise und der Risiken des Konsums, um einen relativ sicheren Umgang damit zu ermöglichen. Oben erwähnte Nachtschattengewächse hingegen sind zwar ebenfalls pflanzlich, aber deutlich weniger kultiviert. Dementsprechend kann der Wirkstoffgehalt von Pflanze zu Pflanze, ja von Blatt zu Blatt sehr stark schwanken, was das Risiko einer Überdosierung zwangsläufig erhöht. Abgesehen davon lassen sich gerade Nachtschattengewächse aufgrund des enormen halluzinogenen Potentials schwer einschätzen, ein sicherer Umgang mit dieser extrem anspruchsvollen Droge ist nur sehr eingeschränkt möglich – passenderweise existiert dazu, im Vergleich zum illegalen Cannabis, kaum Aufklärungsmaterial.

Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema gerade pflanzlicher Rauschmittel ist mir besonders die hohe Dichte an Verweisen auf historische Beispiele von Drogenkonsum aufgefallen. Rausch und Drogen sind offenbar immer Teil der menschlichen Kultur gewesen – teils rekreationell, teils spirituell, teils als Medikation. Es gibt Theorien, welche die Hexenverfolgung – speziell die von angeklagten ‘Hexen’ beschrieben Erfahrungen des Schwebens, astraler Reisen und ausserkörperlicher Erfahrungen – mit dem Konsum pflanzlicher Rauschmittel in Verbindung bringen, eine Praxis, die gerade in den sicherlich sehr menschenunfreundlichen Zeiten des Mittelalters häufige Verwendung fand. Wohin man sieht, der Mensch scheint ein Bedürfnis nach Rauschzuständen zu haben und sei es nur aus Neugier, um die Grenzen der eigenen Wahrnehmung zu testen und zu überschreiten, die Realität als abstraktes Konzept zu verstehen oder, missbräuchlich, dieser zu entfliehen. So alt wie die Geschichte des Rausches ist auch die der Abhängigkeit, des Substanzenmissbrauch und der Gefährdung des Konsumenten und anderer durch den drogeninduziierten Kontrollverlust.

In meinen Augen gibt es nur einen sinnvollen Weg des Umgangs mit Rauschmitteln: den der Aufklärung. Nur wenn wir, statt die Augen vor bestehenden Problemen zu verschließen, wirklich hinsehen – die Gründe für Drogenkonsum hinterfragen, statt zu verurteilen, das Potential und die Gefahren unterschiedlichster Stoffe erforschen, statt zu verbieten, können wir lernen, gesund und möglicherweise sogar konstruktiv mit Drogen umzugehen. In aller erster Linie sollte der Fokus darauf liegen, Informationen zur Verfügung stellen, ja aufdrängen. Weder mit Verboten noch mit überzogenen Schauergeschichten werden wir Menschen langfristig damit abhalten können, mit Drogen, legal wie illegal, zu experimentieren. Der Versuch dies zu kontrollieren ist schlicht zum Scheitern verurteilt. Je eher wir dies einsehen und dazu übergehen, Konsumenten eine urteilsfreie Beratung und Begleitung im Umgang mit Rausch anzubieten, desto eher können wir die Risiken des Drogenkonsums eindämmen und das darum entstandene Elend (nicht zuletzt in Produktionsländern illegaler Drogen, die nahezu vollständig in der Hand ansässiger Drogenbarone sind) bekämpfen.

Die Gefahren, die sowohl Rausch- als auch Nebenwirkungen und speziell Abhängigkeit darstellen, sind keinesfalls zu unterschätzen oder zu verharmlosen. Eine vollkommen liberale Haltung gegenüber Drogen halte ich dementsprechend für fragwürdig – sie setzt einen mündigen, informierten Bürger voraus und momentan ist es selbst dem interessierten Konsumenten kaum möglich, wirklich neutrale, sachliche Informationen über Drogen und Konsum zu erhalten. Das ist meiner Meinung nach der Punkt, an dem die Psychologie sowohl als Wissenschaft als auch in der klinischen Praxis ansetzen kann und sollte, um den Raum, den Drogenkonsum in dieser Welt einnimmt, einen weniger gefährlichen zu machen.

Literaturverzeichnis

Geschwind, T. (2007). Rauschdrogen. Marktformen und Wirkungsweisen (7th ed.). Berlin:
Springer
Kam, P. C. A. & Yooung, F. F. Y. (1998). Gamma-hydroxybutyric acid: an ermerging recreational drug.
Anaesthesia, 53, 1195-1998
Kolb, B. & Wishaw, I. Q. (2001). An Introduction to Brain and Behavior (2nd ed.). New York:
Worth Publishers
Smith, K. (1999). Drugs used in acquaintance rape. Journal of American Pharmacology, 39, 519-
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Stamets, P. (1996). Psilocybe murshrooms of the world – an identification guide. Berklrey: Ten
Speed
Verthein, U., Haasen, C. & Reimer, J. (2011). Switching from Methadone to Diamorphin – 2-Year
Results of the German Heroin-Assisted Treatment Trial, Substance Use & Misuse, 46, 980-991
Wasson, R. G. (1968). Soma: Divine mushroom of immortality. New York: Harcourt Brace
Jovanovich, Inc.
White, William E. (1995). The Dextromethorphan FAQ: Answers to Frequently Asked Questions about
Dextromethorphan, Version 4.0., retrieved from http://www.dextroverse.org/faq/dxmfaq40.txt, März 2013

Bezahlbare Wohnungen dürfen in Düsseldorf nicht nur Insellösungen sein: Zur aktuellen Entwicklung, zur Flexiquote der Stadt, Durchmischung und Hammer Dorfstraße

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Hammer Dorfstraße Nr.9

Hammer Dorfstraße Nr.9

Wohnen in Düsseldorf ist teuer – Neuvermietungen liegen im Schnitt bei 10 Euro/qm – und gebaut werden augenscheinlich nur noch teurere Wohnungen, die so gut nachgefragt werden, dass dringend benötigter Wohnraum für die „Normalbevölkerung“ nicht von selbst entsteht. „Der Markt“ schafft keinen bezahlbaren Wohnraum und die Stadt wollte dies wohl auch bislang nicht: Düsseldorfs Oberbürgermeister Dirk Elbers lehnt „billiges Wohnen“ in Düsseldorf ab und verweist auf das Umland. Die Folgen sind Segregation (Entmischung von Bevölkerungsgruppen) im großen Maßstab und hausgemachte Verkehrsprobleme bei der Bewältigung der Pendlerströme.

Doch in den letzten Monaten nahm der Druck auf die Stadt zu. Bundesweit und lokal stand das Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ monatelang auf der Tagesordnung, in Düsseldorf u.a. initiiert durch Protestaktionen eines breiten Bündnisses.

Am Samstagabend endete eine Dauerwohnungsbesichtigung in Düsseldorf. Sie dürfte mit zweieinhalb Tagen – herkömmliche Hausbesetzungen nicht mitgerechnet – eine der längsten der Düsseldorfer Geschichte gewesen sein. ;-)

Hausbesetzung? Was war passiert?

Bei der Städtischen Wohnungsgesellschaft Düsseldorf (SWD) stehen knapp 250 Wohnungen leer, die von der Stadt gepachtet wurden. Warum die Stadt die Wohnungen nicht weitervermieten möchte ist Spekulation, aber genau darum – also um Spekulation – könnte es sich handeln. Im konkreten Fall an der Hammer Dorfstraße lässt die Stadt 34 ehemals günstig vermietete Wohnungen in bester Lage leer stehen – direkt am Hafenviertel, dem teuersten Stadtteil Düsseldorfs.

Der kleine "Her mit dem Mietvertrag"-Altar in der dauerbesichtigten Wohnung

Der kleine “Her mit dem Mietvertrag”-Altar in der dauerbesichtigten Wohnung

Das „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ organisierte für Donnerstag eine Protestaktion mit Pressekonferenz vor den Gebäuden und da die Türen zu einer Wohnung in der Hammer Dorfstraße 9 offen standen, bot sich die Gelegenheit zur Wohnungsbesichtigung, denn immerhin waren einige der Aktivisten bereit, sofort in die freien Wohnungen einzuziehen. Nach einem Gespräch mit Vertretern der SWD durfte die Besichtigung im Stil einer Hausbesetzung bis Samstag 22:00 Uhr dauern und die große Mehrheit der Protestler war mit dem Zeitraum soweit zufrieden – natürlich bereit, sofort wieder aktiv zu werden, sollten die weiterführenden Gespräche scheitern.

Vorteil der langen Besichtigung: Auch Presse und Politiker konnten sich vom Zustand der Gebäude überzeugen. Nachdem am Donnerstag und Freitag andere Piraten (u.a. Olaf Wegner) vor Ort waren, habe ich am Samstag vor dem Finale auch eine teilweise von den temporären Bewohnern geführte Besichtigung vorgenommen: Zumindest bei den Hausnummern 3-9 handelt es sich um augenscheinlich qualitativ hochwertiges Mauerwerk, die Doppelglasfenster sind in gutem Zustand, kein Schimmel o.ä. in den verlassenen Wohnungen sichtbar – allerdings auf dem Dachboden.

Ausblick nach Norden: Wer sieht die S-Bahn?

Ausblick nach Norden: Wer sieht die S-Bahn?

Der Ausblick nach Süden ist malerisch, Südost wird gerade neu gebaut. Im Norden liegt die S-Bahn, aber versteckt durch Bäume und einen angenehmen Hinterhof. Die Sanitäranlagen – im Treppenhaus – sind demontiert, bezugsfertig ist etwas anders. Neben den Toiletten dürfte die fehlende Zentralheizung ein Problem bei einer etwaigen Sanierung sein.

Am Montag wird für die SWD ein Gutachter die Wohnungen bzgl. Sanierung und Vermietbarkeit unter die Lupe nehmen. Ich mutmaße, dass eine seichte Sanierung (einigermaßen preiswert und ohne die Häuser komplett leerziehen zu müssen) möglich ist. Es gibt einen Bedarf an solchen Wohnungen in Düsseldorf und vom schlechten Zustand manch anderer Häuser sind die in der Hammer Dorfstraße weit entfernt.

Natürlich liegen die Mietshäuser ausgesprochen gut, direkt an S-Bahn und Straßenbahn, direkt am Hafenviertel, direkt vor riesigen Freiflächen. Doch gerade hier muss die Stadt dafür sorgen, dass günstiger Wohnraum vorhanden ist. Sie mag an dieser Stelle (z.B. auf der Straßenseite gegenüber) Wohnungen für 7-9 Euro/qm aufwärts ergänzen, aber im Sinne einer gesunden Durchmischung müssen gerade hier Wohnungen im unteren Preissegment bereitgehalten werden. Am elegantesten kann dies die Stadt selbst mit stadteigenen Wohnungen lösen: was für ein Glück, dass die Stadt dort diese Wohngebäude besitzt.

Ja, die Toiletten sind sanierungsbedürftig

Ja, die Toiletten sind sanierungsbedürftig

Doch anstatt als Stadt neue Wohnungen bis 7,50 Euro/qm zu schaffen oder der SWD zur Sanierung und Instandhaltung Geld zur Verfügung zu stellen, muss die SWD 46% ihrer Mieteinnahmen an die Stadt abführen. Dass die SWD damit nicht im Sinne der Bewohner und der Düsseldorfer Aufgabe zur Wohnraumschaffung arbeiten kann, ist klar.

Anfang Oktober 2012 wunderte ich mich bereits, dass im Falle der Neubebauung der Ulmer Höh‘ nicht nur die Stadt Düsseldorf, sondern auch das Land bloß fünf bis zehn Prozent sozial geförderten Wohnungsbau vorsahen. Wie an vielen Orten forderten wir Düsseldorfer Piraten da bereits einen Anteil von 30% für Sozialwohnungen und weiteren 10% Studentenwohnungen in der Nähe von Universitäten.

Im Landtag wurde inzwischen (statt unserer weit sinnvolleren Anträge ;-) ein Antrag der Fraktionen SPD/Grüne angenommen: „Bezahlbares Wohnen und wohnungspolitische Innovationen brauchen bezahlbares Bauland“. Mit dem Verkauf von Grundstücken darf das Land als Auflage 30% öffentlich geförderten Wohnraum fordern, dafür darf ohne öffentliche Ausschreibung verkauft werden. Leider ist die Auflage nur eine „kann“-Möglichkeit und ich bezweifle, dass der Verkauf landeseigener Grundstücke zu womöglich sehr günstigen Konditionen die richtige Wahl ist, um für einen sehr kurzen Zeitraum 30% davon mit günstigeren Wohnungen zu bestücken. Die Mietpreisbindung läuft aus, der Boden bleibt für immer verkauft. Nun, im Falle der Ulmer Höh‘ wären 30% mehr als 5%.

Die neue Flexiquote der Stadt: Auf die Durchmischung achten!

Auch die Stadt Düsseldorf schmückt sich seit wenigen Tagen mit Quoten: Im durch CDU, Grüne und FDP verabschiedeten Handlungskonzept „Zukunft Wohnen“ (plus Ergänzungsantrag) ist festgelegt, dass bei neuen Projekten 20% der Wohneinheiten im geförderten Mietwohnungsbau und weitere 20% im preisgedämpften Wohnungsbau zu errichten sind – wobei bei unter 100 Wohneinheiten pro Projekt das „muss“ zum seichten „soll“ wird. Die 20% preisgedämpfter Wohnungsbau bedeuten 8,50 Euro/qm, wenn dafür ebenfalls öffentliche Mittel fließen, ansonsten wird unter „preisgedämpft“ 10 Euro/qm Nettokaltmiete verstanden und die Wohnungen können alternativ auch für höchstens 2.500 Euro/qm verkauft werden.

Die Quote für Sozialwohnungen darf man ob des dringenden Bedarfes in Düsseldorf als zu flexibel und zu niedrig ansehen; die Preisgrenze für den preisgedämpften Wohnungsbau als zu hoch. Auch die zusätzlich zugesicherten 1,5 Millionen Euro für die SWD sehe ich skeptisch: Sie sind für Modernisierung und Ersatzneubau gedacht (bedeutet nebenbei Mietsteigerungen), die SWD braucht jedoch weit mehr Mittel, vor allem auch für die Schaffung von zusätzlichem, neuem bezahlbaren Wohnraum in der ganzen Stadt.

Ein weiteres Problem sehe ich in den Flexiquoten des Handlungskonzepts: Im Konzept kommt das Wort „Durchmischung“ zwar als Teilziel vor, die Flexiquoten haben aber womöglich eine große Lücke. Investoren großer Bauprojekte Düsseldorfer Luxuswohnungen versuchen so wenig günstige Wohnungen wie möglich direkt neben dem Luxusbereich zu bauen. Sie möchten die Stadt dazu bringen, zu akzeptieren, dass die Sozialwohnungen an anderen Stellen der Stadt erbaut werden dürfen. D.h. es würden weiterhin Luxusghettos entstehen und eine Durchmischung fände nicht statt.

Hintergrund ist die Angst der Luxus-Kunden vor Sozialwohnungen in direkter Nähe. Diese Kunden, weniger der Investor selbst (dafür ist die Rendite wohl in Düsseldorf zu gut), fordern die Segregation – wohl in Unkenntnis dessen, was Sozialwohnungen überhaupt sind und dass eine Entmischung letztlich allen Düsseldorfern schadet. Die Luxusbewohner wollen Szene, sie wollen das Düsseldorfer Flair, sie wollen Stadtleben und Bäcker, Rewe, Kindergarten, Schule nebenan. Wenn sie jedoch nicht zulassen, dass sich alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen und ausgewogen verteilt im Stadtgebiet niederlassen können, dann werden auch sie langfristig all das verlieren. Das muss jedem Düsseldorfer klar sein.

Zweckentfremdung von Wohnungen verhindern

Noch ein kleiner Exkurs: Wir haben im Mai in das Plenum des Landtags den Antrag „Wohnungsangebot sichern – Zweckentfremdung von Wohnungen verhindern“ eingebracht. Ziel ist eine neue landesweite Regelung, um die Zweckentfremdung von Wohnraum (Büros, Leerstand) zu verhindern: Kommunen erhalten einen Genehmigungsvorbehalt.

Doch schon jetzt kann jede Kommune eine eigene Zweckentfremdungsverordnung einführen und dies somit auf lokaler Ebene regeln. Für Düsseldorf wäre das ein kleines aber wirkungsvolles Instrument: Nur noch sehr begrenzt könnten Wohnungen zu Anwaltskanzleien o.ä. werden und auch der Leerstand stände unter Kontrolle.

Wie geht es weiter?

Die SWD wird am Donnerstag 4. Juli 2013 mit den Aktivisten (allerdings nicht mit den direkten Wohnungs-Interessenten) bzgl. der Wohnungen auf der Hammer Dorfstraße verhandeln. Ab 12:45 Uhr werden die Gesprächspartner im Rahmen einer Kundgebung auf der Witzelstraße angefeuert.

Sicherlich wird dies ein Meilenstein in der Wohnungspolitik der Stadt sein. Wir stehen vor einem Punkt, der ein Umdenken einleiten oder Eskalation bedeuten kann. Die Stadt hat derzeit alle Fäden in der Hand und ist am Zug. Der Druck auf die Stadt wird vor allem vor dem Hintergrund der kommenden Kommunalwahl nicht nachlassen, doch er kann konstruktiv und beständig sein und Düsseldorf zum Handeln bewegen …oder deutlich heftiger ausfallen.