Veröffentlicht am von in Dietmar Schulz, Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden.

Mittwoch, 03. Dezember 2014

 

Top 1. Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015)

Gesetzentwurf der Landesregierung
Drucksache 16/6500
Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015)
MdL Dietmar Schulz Foto A.Knipschild 24.04.2013-4Unser Redner: Dietmar Schulz
Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
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Protokoll der Rede von Dietmar Schulz

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Herr Kollege Börschel, Ihre auf Stigmatisierung hinauslaufenden Anwürfe bezüglich der Linken gebe ich gerne zurück.

(Heiterkeit von Martin Börschel [SPD])

Wie Sie wissen, wählen Ihre Kolleginnen und Kollegen in Thüringen morgen einen linken Ministerpräsidenten.

(Armin Laschet [CDU]: So ist es!)

Herzlichen Glückwunsch dazu.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Darüber hinaus habe ich gerade in einer Fachzeitschrift „Die Biene“ meines Kollegen Lamla den Artikel „Wachs vergisst nicht“ gelesen. Die SPD in Nordrhein-Westfalen offenbar schon insofern, als es noch im November 2013 es ist jetzt ein Jahr her einen Leitantrag der SPD im Bund gab, wonach stete Kooperation mit der Linken sehr befürwortet wird.

Da also die Piratenfraktion hier hinsichtlich der eingebrachten und inzwischen auch im Haushalts- und Finanzausschuss abgelehnten Haushaltsänderungsanträge mit „Die Linke“ beschimpft wird, werde ich Ihnen gleich aufzeigen, um welche Anträge es sich handelt. Es handelt sich nämlich exakt um die Anträge, die wir heute in der zweiten Lesung vonseiten von SPD und Grünen vermissen müssen, die aber zur dritten Lesung angekündigt sind. Es handelt sich insbesondere dabei um Anträge zur Finanzierung von Hochschulen, des offenen Ganztags, der Schulsozialarbeit und der Flüchtlingspolitik in Nordrhein-Westfalen. All das sind Anträge, die wir eingebracht haben. All das sind Anträge, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, die die SPD im Rahmen der zweiten Lesung des Haushalts 2015 bislang schuldig geblieben ist.

(Beifall von den PIRATEN)

Nun kann man im Vorgriff darauf sagen: Wir lehnen einmal die Piratenanträge ab. Sie sind möglicherweise auch nicht solide gegenfinanziert.

Die solide Gegenfinanzierung aufseiten der regierungstragenden Fraktionen wollen wir einmal abwarten, vor allen Dingen dann, wenn hier das Loblied eines Sparhaushalts vorgesungen wird, der dazu geführt hat, dass nach einem Nachtragshaushalt mit einer Nettoneuverschuldung für 2014 von insgesamt 3,2 Milliarden € eine runde Milliarde Euro im Vergleich zum Haushalt 2015 eingespart werden soll. Da müssen wir doch erst einmal abwarten, was die Änderungsanträge von Rot-Grün so alles bringen und ob diese hier gerühmte verringerte Nettoneuverschuldung nicht doch wieder in Richtung auf die alte Nettoneuverschuldung des Jahres 2014 hinsteuern wird.

Wir von der Piratenfraktion, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, benennen die Probleme in diesem Land und nennen auch den eigentlichen Finanzbedarf. Daher wundern wir uns schon sehr über das Votum der regierungstragenden Fraktionen im Haushalts- und Finanzausschuss angesichts der Tatsache, dass die Anträge, die wir gestellt haben, nun demnächst von Rot-Grün eingebracht werden, wenn auch vielleicht mit leicht veränderten Zahlen.

Sie werfen uns im Ausschuss unsolide Finanzierung vor. Unsere Anträge seien eben nicht durch Umschichtungen im Haushalt gedeckt, so die Stimmen im HFA. Es seien zwar wünschenswerte Vorstellungen, aber aus genannten Gründen nicht zustimmenswert. Ich frage dann einmal die Landesregierung und die sie tragenden Faktionen hier im Saal: Wo sind denn Ihre Änderungsanträge, die wir hier wirklich knallhart debattieren könnten? Diese Debatte hier zum Landeshaushalt 2015 ist, ehrlich gesagt, angesichts der Änderungsanträge, die angekündigt sind, aber fehlen, beinahe überflüssig.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Finanzierungsfrage für die Anträge betreffend die Flüchtlingspolitik wird zu klären sein. Wir haben zunächst einmal diese Anträge gestellt. Die Finanzierungsfrage bei der Beamtenbesoldung ist nach dem Nachtragshaushalt 2014 und dem Haushaltsentwurf bzw. der zweiten Ergänzung zum Haushalt 2015 weitestgehend geklärt.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Aber auch da rühmt sich die Landesregierung und rühmen sich die regierungstragenden Fraktionen eines Sparerfolgs eines Sparerfolgs, der nichts anderes ist als die notwendige Folge einer der größten Schlappen dieser Landesregierung vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen.

Die Finanzierung der Schulsozialarbeit löst in Ihren Reihen, wie wir auch eben am Redepult, aber auch im Haushalts- und Finanzausschuss sehen konnten, förmlich Jubelstürme aus. Sie wissen, dass Sie schon vor einem Jahr unserem weitsichtigen Antrag diesbezüglich hätten zustimmen können und müssen im Übrigen ein Antrag, den wir auch dieses Mal wieder in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses letzte Woche gestellt haben und der ebenfalls von Rot-Grün wiederum abgelehnt worden ist, natürlich im Vorgriff auf einen entsprechenden, wenn auch im Volumen verringerten Antrag von Rot-Grün mit einer anderen internen Verteilungssituation oder Richtung im Hinblick auf die Kommunen, die dann 80 % der von ihnen aufzubringenden Schulsozialarbeitskosten schultern müssen. Darüber hinaus haben wir das Thema „Offener Ganztag“. Auch an diesem Pult wird gesagt: Das ist eine rühmliche Leistung der Landesregierung. Wunderbare Sache! Nur: Wodurch wird es finanziert, Herr Kollege Börschel? Sie grinsen. Natürlich könnten wir sagen: Es ist die Grunderwerbsteuer. Es ist die Grunderwerbsteuer, die Herr Kollege und Fraktionsvorsitzende der SPD, Römer, als Konsolidierungsbeitrag im Hinblick auf den Landeshaushalt bezeichnet hat. Aber irgendwoher muss das Geld natürlich kommen, womit die Wohltaten, die Rot-Grün über das Land verteilt, finanziert werden sollen.

Da bleibt natürlich nur noch die Finanzierung oder die auskömmliche Finanzierung der Universitäten, der Hochschulen offen. Auch dazu haben wir bisher nicht viel gehört, jedenfalls nicht im Hinblick auf die Änderungsanträge. Natürlich haben auch wir dazu Anträge eingereicht. Die Höchstzahl an Studierenden in Nordrhein-Westfalen ist durch die BAföG-Zahlung durch den Bund mehr als gedeckt, und unsere Anträge sind es ebenfalls. Lieber Herr Kollege Börschel, lieber Herr Kollege Mostofizadeh, jetzt einmal unter uns: Werden Sie uns möglicherweise heute gegebenenfalls aber dann doch bitte in der dritten Lesung und wird auch der Finanzminister erklären, wie all das finanziert werden soll? Wir gehen davon aus, dass Ihre Inaussichtstellung und Ihre Finanzplanung nichts anderes beinhaltet als weitere Schulden.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Ich will nicht sagen, dass das alles auf Sand gebaut ist, aber auf Schulden. Und bei der Aussage wollen wir doch bitte bleiben.

Von signifikanten Mehreinnahmen durch die Grunderwerbsteuer können wir nicht ausgehen, wenn hier in Aussicht gestellt wird, dass in den kommenden Jahren ungefähr 400 Millionen € daraus an Mehrertrag kommen werden. Von den 23 Sachverständigen, die wir gestern angehört haben, sind immerhin 21 ganz anderer Auffassung: Von derart signifikanten Steigerungen, die darauf hoffen lassen, dass Mehrerträge gegenüber den sonstigen Erträgen aus der Grunderwerbsteuer und die Steigerungsraten der letzten drei, vier Jahre erzielt werden können, ist nicht auszugehen.

Nun noch einmal zu der Finanzierungsfrage. Auch da haben Sie uns im Haushalts- und Finanzausschuss wie aber auch im Prinzip im Plenum schon in der ersten Leistung vorgeworfen, dass da nichts kommen wird. Ich sage Ihnen, was bei Ihnen nicht kommt und was vor allen Dingen nicht von der Landesregierung kommt: Es kommt nicht der knallharte Gang in den Bund hinsichtlich der Eliminierung von Steuerschlupflöchern.

Ich persönlich erkenne hier innerhalb des letzten Jahres, in dem wir durchaus mehrfach genau diesen Aspekt hier im Plenum diskutiert haben, schlicht und ergreifend nichts an Aktivitäten. Es wird noch nicht einmal die von uns geäußerte Anregung aufgenommen jedenfalls bisher nicht , im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Grunderwerbsteuer entsprechende Regelungen im Bund initiativ aufzugreifen, dass Steuerschlupflöcher nach dem Grunderwerbsteuergesetz wie zum Beispiel Sharedeals eliminiert werden. Davon sehe ich weit und breit nichts, Herr Finanzminister. Vielleicht sollte man das einmal aufgreifen. Es sollte doch für die Landesregierung ein Leichtes sein. Die sie tragenden Fraktionen werden dem doch sicherlich beipflichten, dass wie auch die Sachverständigen, wie auch die Deutsche Steuer-Gewerkschaft, wie verschiedene Sachverständige gestern hier gesagt haben nachhaltig dafür Sorge getragen wird, dass entsprechende Steuerschlupflöcher geschlossen werden.

Das gilt auch in Bezug auf die in letzter Zeit aufgekommenen Luxemburg-Leaks, die einen wesentlichen Teilaspekt genau dieser teils aggressiven Steuervermeidungspraktiken beinhalten. Es ist festzustellen, dass namhafte Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, wie zum Beispiel auch E.ON, zu ihren eigenen Gunsten im Immobiliensektor massiv an der Steuerschraube drehen. Dadurch fehlen gerade im Land Nordrhein-Westfalen Hunderte von Millionen € Grunderwerbsteuereinnahmen, die Sie jetzt wiederum den Häuslebauern aus der Tasche ziehen wollen. Das ist doch der entsprechende Kern Ihres Finanzierungsmodells. So muss man das sehen.

Eines steht ganz klar fest: Selbst wenn die Grunderwerbsteuer in Nordrhein-Westfalen auf 6,5 % erhöht wird, heißt das noch lange nicht, dass Konzerne wie Gagfah, wie Annington und andere institutionelle Anleger nicht weiterhin Steuersparmodelle nach dem Grunderwerbsteuergesetz oder gar entsprechende Steuergestaltungsmöglichkeiten in Luxemburg anwenden. Weiterhin werden also entsprechende Modelle gepflegt und gefahren, gerade an dem sehr attraktiven Immobilienstandort Nordrhein-Westfalen, gerade dort, wo händeringend, auch mit Blick auf die Schuldenbremse 2020, versucht wird, Finanzierungslücken zu schließen bzw. Defizite auszugleichen.

Das alles schaffen Sie nicht, indem Sie die Hände in den Schoß legen, indem Sie die Augen verschließen, anstatt im Bund das ist sicherlich eine Bundesangelegenheit entsprechend initiativ werden. Dies prangern wir bei einem Vorwurf in unsere Richtung, wir würden uns nicht um die Fragen der Finanzierung kümmern, massiv an.

(Beifall von den PIRATEN)

Mit anderen Worten: Anstatt vor der eigenen Haustür zu kehren, zeigen Sie mit dem Finger auf andere, insbesondere die hier im Hause vertretenen Oppositionsfraktionen, fordern von denen, sie sollten doch bitte ein anderes Finanzierungsmodell finden. Wir haben es Ihnen gesagt: Stopfen Sie die Löcher. Dann können wir entsprechend Ihrem eigenen Entschließungsantrag zur Drucksache 16/4465 darauf hoffen, dass im Bund 160 Milliarden € p. a. Mehreinnahmen erzielt werden. Liebe rot-grüne Fraktionen, das ist Ihre Prognose, weil Sie dem beigepflichtet haben, Herr Finanzminister. Das würde dazu führen, dass auch Nordrhein-Westfalen gemäß dem Königsteiner Schlüssel roundabout 30 Milliarden € pro Jahr an Mehreinnahmen zukämen. Das kann keine einzige Steuer-CD, das können auch nicht zehn Steuer-CDs erwirtschaften.

Entscheidend ist: Es muss gehandelt werden. Diese Landesregierung, diese regierungstragenden Fraktionen handeln jedenfalls nicht dort, wo es nötig ist und wo sie die Möglichkeiten hätten, nämlich wie auch so gern gezeigt wird im Bund. Nehmen im Bund, ja, aber, bitte schön, Geben, nein. Geben sollten Sie aber bitte Feuer, Feuer im Hinblick auf Bundesratsinitiativen, um zu bewerkstelligen, dass über entsprechendes Stopfen von Steuerschlupflöchern entsprechende Mehreinnahmen im Land Nordrhein-Westfalen erzielt werden.

Nicht die Menschen schröpfen, die hier wie Herr Kollege Witzel sagte ihr sauer Verdientes in eventuell ein kleines Häuschen oder eine kleine Wohnung stecken. Nein, schröpfen Sie doch einmal die Konzerne. Gehen Sie doch einmal an die dicken Bretter. Das tun Sie nicht.

Stattdessen wird E.ON das wird noch eine andere Debatte in dieser Woche sein für eine Energiewende in seiner Unternehmenspolitik gelobt, und zwar für die platte Ankündigung, die Bad-Business-Teile, nämlich Atom und Kohle, möglicherweise in eine privatwirtschaftlich organisierte Aktiengesellschaft zu überführen und damit Ewigkeitskosten, Ewigkeitslasten am Ende zu sozialisieren. Auch darauf sollten Sie nicht stolz sein. Dass Sie das sowohl im Land als auch im Bund rühmen, ist aus meiner Sicht eher peinlich.

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Finanzminister, Sie sitzen weiterhin am Steuerknüppel des Schuldenraumschiffs, und das steuert ungebremst auf den Asteroiden namens Schuldenbremse zu.

Der Landesrechnungshof schreibt Ihnen jährlich immer noch ein Defizit auf dem Schuldenabbaupfad von über einer halben Milliarde € ins Zeugnis. Sie feiern sich hier ab, ich gebe Ihnen, den regierungstragenden Fraktionen wie auch der Landesregierung, im Hinblick auf den Haushalt 2015 eine Fünf minus, mangelhaft minus. Sie sollten vielleicht versuchen, das im Rahmen der dritten Lesung zu beheben. Ich bezweifle, dass Ihnen das gelingen wird. Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

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