Ein Antrag von Rot-Grün: „Ungleichbehandlung von Menschen unter 25 Jahren im SGB II abschaffen“ und meine Rede dazu:
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und natürlich im Livestream! Sanktionen schaffen gar keine Arbeitsplätze. Sanktionen bringen niemanden in Arbeit. Zu diesen relativ einfachen Wahrheiten kommt bis jetzt jede einzelne Studie, die das betrachtet, auch die von Herrn Kerkhoff eben genannte Studie des IAB sagt im Endeffekt das Gleiche aus.
Der Teilaspekt, den Sie rausgenommen haben, Herr Kerkhoff, ist das subjektive Empfinden der Betroffenen, nicht das objektiv Erreichte über Sanktionen. Das objektiv Erreichte ist, dass über Sanktionen niemand in Arbeit kommt.
(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)
Ich weiß, dass Sie das alles nicht hören wollen, was ich besonders ärgerlich finde, weil gerade Sie sagen, Sie schauten objektiv und kaltherzig drauf. Gerade dann müsste Ihnen aufgehen, dass Sie zu einer Lösung beitragen müssten und nicht dazu, hier irgendwem Sand in die Augen zu streuen. Das finde ich nicht richtig.Wenn Sie den gleichen Maßstab, den Sie bei den wirklich Ärmsten der Armen in Deutschland anlegen, mal bei sich und Ihresgleichen anlegen würden, dann möchte ich mal sehen, welcher Ihrer Fraktionskollegen nach zweimaligem Zuspätkommen innerhalb von 15 Monaten in dem großen Hohen Haus gerne mal einen Monat ohne Geld auskommen möchte.
(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Ich fände es toll, wenn die CDU für ihre Fraktion beschließen würde, einfach mal die gleichen Maßstäbe anzulegen!
(Henning Rehbaum [CDU]: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)
– Ja, aber manche Vergleiche wären vielleicht sinnvoll für das eigene Vorstellungsvermögen.
(Beifall von den PIRATEN)
Jetzt ganz explizit zur sachlichen Ebene zurück! – Warum behandeln wir die unter 25-Jährigen ungleich? – Herr Kerkhoff, Herr Alda, Sie haben es eben gesagt: weil wir gerade auf die Menschen besonders viel Druck ausüben wollen, damit sie dem Menschenbild derjenigen entsprechen, die hier die Gesetze machen – nicht wegen irgendetwas anderem. Sie wollen diese Menschen in ein Verhaltensmuster bringen, das Ihnen genehm ist.Und das ist die Grundlage dafür, dass wir bei unter 25-Jährigen noch schärfer als bei anderen und bereits bei einem zweiten Verstoß – das kann zweimal zu spät kommen sein – tatsächlich drakonisch sanktionieren. Das müssen noch nicht einmal unterschiedliche Geschichten sein. Da ist völlig egal – Kollegin Jansen sagte es eben –, ob derjenige eingesehen hat, dass das mit dem Zuspätkommen Käse war oder nicht – völlig egal! – oder ob es eine Begründung für das Zuspätkommen gibt.
Ich meine, viele von uns fahren regelmäßig mit dem ÖPNV. Keiner von uns weiß immer ganz genau, ob er pünktlich irgendwo ankommt oder auch nicht. Das kann auch schon mal ordentlich danebengehen.
Gerade bei den unter 25-Jährigen sind zudem auch viele Alleinerziehende. Gerade Alleinerziehende sind stark abhängig von der Kinderbetreuung. Sobald die nicht funktioniert, sind sie schon wieder raus, da sie nicht pünktlich sind und den Termin nicht wahrnehmen können. Haben Sie schon mal versucht, beim Jobcenter anzurufen und zu sagen: „Ich kann meinen Termin nicht wahrnehmen“? Viel Spaß in der Warteschleife! Bis dahin steht Ihr Kind beim Kindergarten auf der Straße. – Das funktioniert alles nicht.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Zur sonstigen Gesetzeslage: Schauen Sie sich mal das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz an! Nach dem Geiste des AGG darf es eine Unterscheidung rein nach dem Alter doch gar nicht geben. Das funktioniert in unserer Gesetzesmechanik überhaupt nicht. Dementsprechend gibt es auch kein einziges Urteil, das über die Landesebene hinausgegangen ist, mit dem nur sanktioniert wird, weil es unter 25-Jährige betrifft. Spätestens auf Landessozialgerichtsebene knicken alle Jobcenter wieder ein, weil niemand riskieren will, bis vor das Bundessozialgericht zu gehen. Allerspätestens vor dem Bundesverfassungsgericht würde diese Sanktionsmöglichkeit kassiert werden, weil die Unterscheidung einzig und allein nach dem Alter absolut verfassungswidrig ist.Noch mal zu Sanktionen grundsätzlich: Niemand ist bisher durch Sanktionen in Arbeit gekommen. Keine Studie belegt das. Unserer Meinung nach gehören Sanktionen abgeschafft. Sie fordern ein Menschenbild, das wir nicht akzeptieren können.
Inzwischen ist es sogar so weit, dass auch in Nordrhein-Westfalen diverse Jobcenter freiwillig auf Sanktionen verzichten, weil sie den Betroffenen nicht helfen und bei denjenigen, die im Jobcenter arbeiten, für viele psychosoziale Probleme sorgen. Das macht Menschen krank – vor und hinter dem Schreibtisch. Deshalb gehören Sanktionen abgeschafft.
Ich freue mich, dass wir über die einzelnen Punkte im Antrag einzeln abstimmen werden. Ich empfehle meiner Fraktion, den Punkten 1 bis 3 zuzustimmen. Punkt 4 können wir nicht zustimmen. Damit würden wir Sanktionen unterstützen; das werden wir nicht tun. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)