Über Identifikation, Norm und Verantwortung (und Anzüge)

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“We are not afraid. We do not obey.” ZSK – We will stop you

Gestern, noch so im Halbschlaf wagte ich einen provokativen Tweet:

“Männer in Anzügen sind mir zumeist suspekt. Symbol des kapitalistischen Systems. Fassade.”

Manchmal ist diese Twitter-Welt spannend. Ein Tweet und ihr habt den ganzen Sonntag diskutiert. Gern geschehen.

Es waren übrigens auch ganz viele spannende Ansätze dabei.

Im Grunde geht es um Normen. Mir ist suspekt, was eine Gesellschaft als “normal” oder “richtig” definiert. Die Anzugträger sind also nur ein mögliches Beispiel. Jemand mit blauen Haaren und tätowierten Armen wird wohl auch nicht als “Norm” angesehen, wenn er einen Anzug trägt.

Problematisch wird es, wenn Normen Eintritts- oder Ausschlusskriterium sind. Weil jemand bestimmte Kleidung tragen “muss”, um anerkannt zu werden. Wenn sie/er sich das nicht leisten kann. Dem “Anzugzwang” kann sich dann jemand in bestimmten Branchen erst entziehen, wenn sie/er relativ hoch gekommen ist in der Karriereleiter.
Bricht jemand dann noch die Regeln oder profitiert jemand dann von den Normen, so dass sie/er das Durchsetzen der Regeln eher fortführt gegen andere Menschen?

Wichtige Fragen, die sonst noch via Twitter diskutiert wurden:
Ist das Tragen bestimmter Kleidung auch Unterwerfungsgeste?
Ist eine “Uniform” eine Möglichkeit, sich individueller Verantwortung zu entziehen?

Wenn ich einen bestimmten Dresscode für mich annehme, werde ich zudem in der Öffentlichkeit bei einer zufälligen Begegnung mit Menschen, die mich nicht kennen, einer bestimmten Gruppierung zugeordnet.

Problematisch wird es m.E. (und das übrigens auch bei Piraten), wenn irgendwelche Normen (manchmal nicht einmal ausformulierte) mit zum Teil erschreckender Brutalität durchgesetzt werden sollen. Ich bin nicht sicher, ob es bei Parteien oder Gruppierungen dabei manchmal auch um sowas wie Überidentifikation geht (gerade jetzt so kurz vor den Wahlen scheint das schlimmer). Mir machen aber auch Fahnenmeere auf Demos Angst. Sowas ist mir auch suspekt.

Das mit dem Kapitalismus und dem Patriarchat lasse ich an der Stelle jetzt mal weg, aber auch da gibt es Mechanismen, um Normen durchzusetzen und Macht zu erhalten. Und manchmal hat das auch mit Kleidung zu tun….

So. Weitermachen!

(Danke an Prof. Dr. Melanie Groß (www.twitter.com/melanie_gross), die großartige Vorträge hält, zum Beispiel über “Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit” etc., deren Aussagen mich bei diesem Text auch beeinflusst haben.)

“Wenn wir uns erst mal einig sind…”

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(Ton Steine Scherben – Allein machen sie dich ein.)

Oder: Die Vernetzung “der linken Szene”

Ich will das jetzt gar nicht so ideologisch angehen. Es gibt viele dem linken Spektrum zugehörige Gruppen von Menschen, bei denen ich im besten Fall davon ausgehe, dass sie zumindest einen groben Grundkonsens haben bezüglich einer Vielfalt von Themen. Gegen Rassismus. Gegen Faschismus. Gegen Sexismus. Gegen Kapitalismus. Keine Diskussion. (Mist. Da geht es schon los…)

Ein Freund von mir war eine Weile in der Türkei. Wir diskutieren ab und an über seine Erfahrungen dort. Auch dort gibt es Gruppierungen, die sich nicht in allen Punkten einig sind, aber der Grundkonsens in den “wichtigen” Fragen scheint eher gegeben als bei uns in Deutschland.

Warum ist das so? Sind unsere Probleme “zu gering”?
Haben wir uns zu gut eingerichtet in “unserem System”? In unserer Peergroup?
Ich persönlich stoße mich zum Beispiel oft an elitären Strukturen oder elitärer Sprache (und laufe selber auch in die Falle und schließe dann Menschen aus).
(Ich war letztens bei einem “Bewerbungsgespräch” bei einer anarchistischen Gruppe. Das fand ich zwar aufgrund meines Jobs irgendwie nachvollziehbar, aber im Kern auch etwas absurd ;) )

Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass man alle “Volksfronten von Judäa” mit den “Judäischen Volksfronten” vereinigen kann. Ich verstehe, dass es Bereiche gibt, in denen man keine Kompromisse machen will. Trotzdem könnten wir mal diskutieren, ob “wir” sowas wie einen Grundkonsens finden, der “uns” größer, stärker, vernetzter machen könnte…

Weil die Probleme im Land und auch weiter betrachtet, global, so groß sind und werden, dass wir uns die ganze Spaltung vielleicht auch gar nicht mehr erlauben können…

Ich habe für mich persönlich die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen aus der linken, antifaschistischen, feministischen Szene Inspiration sind für mich. Rückhalt. Ansporn. Freunde. Und dabei haben gerade auch kontrovers, aber respektvoll geführte Diskurse mich oft weitergebracht. Manchmal auch radikaler gemacht…

Ich glaube daran, dass es Werte gibt, die uns einen.
(Und mit mehr Pathos:
“Obwohl wir uns nie ganz einig sind, gibt es nichts, was uns auseinander bringt…”
ZSK – Der richtige Weg)

Vielleicht mal bei einem Getränk diskutieren?

(Die Diskussion entstand via Twitter mit einigen Menschen. Unter Anderem mit www.twitter.com/amzdo und www.twitter.com/telegehirn
www.twitter.com/schwarzerhundbo Wir haben überlegt, ob man daraus nicht ein Treffen/eine Veranstaltung (im Ruhrgebiet) machen könnte.)

(Interesse? Rahmen, Größe, Ortsvorschläge?)
Spontan hatte ich ans AZ Mülheim gedacht…

Big Money, Big Data, Big Media

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Das Totalversagen des Neoliberalismus

…. besser spät als nie – hier nun die Replik auf einen Beitrag von Christian Lindner aus der FAZ vom 14. August 2013, S. 25 – Wahlkämpfe sind sehr gute Gelegenheiten, deutlich zu werden ….

Zeitlich eingerahmt von Grünen, die uns dieser Tage mit nervigem Ökocalvinismus und vegetarischem Genuss per Dekret das Real-Life freudloser gestalten und die Selbstbestimmung darüber, wann wir fleischlos essen, einschränken wollen, und britischen Geheimdienstmitarbeitern, die in einem schlecht inszenierten post-dadaistischen Pseudo-Kunstevent im Keller der Redaktionsräume des Guardian Journalisten dazu nötigen, irgendwelche Festplatten zu zerstören – und flankiert durch den eigentlichen Skandal, nämlich den des Nicht-Aufschreis der freien Journalisten dieser Welt – macht sich Christian Lindner (FDP) Gedanken zu einer „Ordnung für den Datenmarkt“ (FAZ, 14.08.2013, S. 25).

Mit den ihm eigenen flotten Sprüchen bedient er stramm auf der Oberfläche surfend das latente gesellschaftliche Unbehagen über Datensammlung, Datenschnüffelei und Datenmissbrauch staatlicher und kommerzieller Stellen, um seine Partei in das Image einer Pole-Position beim Kampf um Bürgerrechte und Netzpolitik zu hieven. Dabei verharrt er jedoch analytisch in den Positionen eines Liberalismus, der sich kognitiv immun gegenüber den letzten 150 Jahren moderner Gesellschaftsanalyse und -kritik gezeigt hat.

Völlig korrekt nimmt er zunächst Bezug auf die Metapher der Bundeskanzlerin, unterschlägt oder übersieht jedoch die tiefere Implikation des Begriffs vom Neuland, nämlich das versteckte Eingeständnis der Politik, dass die politische Sphäre der technisch-ökonomischen hoffnungslos hinterher läuft – und das bereits seit Jahrzehnten. Passend dazu bleibt das neoliberale Freiheits- und Wettbewerbs-Credo in der Verdinglichung einer standortgebundenen Wahrnehmung stecken.

Indem Lindner den Strukturwandel der Gesellschaft an der „Digitalisierung aller Lebensbereiche“ festmacht, legt er eben nicht den Fokus der Betrachtung auf die zentraleren Änderungen: den Trend von einer Real-Wirtschaft zu einer virtuellen Ökonomie des sog. Finanzmarktkapitalismus, der durch seine Anlagestrategien und Profitraten-Erwartungen die Aushöhlung des realwirtschaftlichen Bereichs verursacht und befeuert. Wertschöpfung findet nach wie vor in der (realen) Wirtschaft statt, diese hat die Anlagenerwartungen gefälligst zu erfüllen, die Abschöpfung jedoch erfolgt im Bankenbereich.

Dieser Trend beginnt in den USA nicht mit dem wirtschaftlichen Durchbruch des Internet, sondern bereits ein Jahrzehnt zuvor mit der aggressiven Steuersenkungspolitik der „Reaganomics“ 1981. Der erste große sog. Netscape-Aktienpeak folgte erst 1994.

Bevor Lindner in den betriebswirtschaftlichen Bezügen seines Denkens die Ökonomisierung aller Lebensbereiche mit „Digitalisierung“ glaubt beschreiben zu müssen, sollte er besser der Frage nachgehen, wie bei einer umgekippten Pyramide globaler Liquidität, in der der Derivatemarkt 855% des Weltsozialproduktes ausmacht, auch nur ein Prozent Rendite als Kostenanteil auf das reale Weltsozialprodukt durchschlägt.

Die „digitale Unordnung“ und ihr Wildwuchs können – mindestens ebenso schlüssig – auch als sekundär und dem „Terror der Ökonomie“, der anarchischen Produktionsweise folgend interpretiert werden. Unter Berücksichtigung historischer Kenntnisse kann die gegenwärtige sog. Finanzmarktkrise auch als dritte große Depression eingeordnet werden. Wenn Regierungen in einer Mischung von Dilettantismus und Komplizenschaft sich von Banken haben erpressen lassen („too big to fail“), ist das nur die eine Seite einer sonderbaren Situation, in der inzwischen „die kleinen Leute“ im Verbund mit der Realwirtschaft für die Casino-Schulden von „denen da oben“ zahlen. Und die amerikanische Immobilienpolitik der Nuller-Jahre, „Eigenheim ohne Eigenkapital“, war auch nur der Versuch, die vorgelagerte unbefriedigende Verteilungsfrage zu kaschieren.

Schon an diesem Punkt wird deutlich: Lindner hätte hier aufhören sollen zu googeln, um statt dessen lieber die richtigen Fragen zu stellen. Doch dies setzt noch etwas mehr als die Absolvierung eines ökonomischen Alphabetisierungsprogrammes und die Beherrschung der Grundrechenarten voraus. Es ist vielmehr Ausdruck eines politischen Totalversagens, den Blick genau dann abzuwenden und ebenso wie sein Parteifreund Wirtschaftsminister Rösler ökonomisch-marktautistisch auf die fiktionale technologische Überlegenheit innovativer Start-Ups und den Wettbewerb zu richten. Zugegeben, es ist richtig, dass die kleinen Schnellen den großen Langsamen etwas voraus haben, gar etwas abringen können. Nur sind die Großen im Digital Business, Google, Amazon, Facebook & Co, eben schnelle Große mit zudem wohl gefüllten Kriegskassen. Der vollzogene Kauf von Youtube durch Google ist hier nur ein Beispiel unter vielen. Darüber hinaus steht es den schnellen Großen praktisch frei, jederzeit und je nach Gusto die nationalstaatlichen Grenzen politischer Regelungen zu überschreiten.

Und es ist auch ein Ausdruck einer demokratischen Betriebsblindheit, nicht zu sehen, was eigentlich durch die aktuellen Ereignisse um PRISM und TEMPORA und den Selbstverrat der westlichen Demokratien deutlich wird, nämlich dass wirkliche demokratische Gesellschaften das Moment der Sicherheit als Organisationsstruktur und -inhalt in sich selbst tragen müssen. Die Lektüre von Frantz Fanon, der im letzten Jahrhundert vor den gesellschaftlichen Ursachen des Terrors warnte, oder auch etwa von Gandhi, der darauf hinwies, dass diese Gesellschaft reich genug ist, um die Bedürfnisse aller, aber nicht die Gier vieler zu befriedigen, wäre hier sicher hilfreicher gewesen. Wer den Menschen identitätsstiftende Lebensverhältnisse verwehrt, muss sich nicht über unerwünschte Reaktionen wundern.

Bei Richard Sennett in „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens“ und „Der flexible Mensch“ finden sich kluge Überlegungen über das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit. Lindner und mit ihm die gesamte FDP, die im Bund in Regierungsverantwortung steht, weichen der grundlegenden zentralen Frage aus: “Welche menschlichen Folgen hat die politische Ökonomie, in der wir leben?“ Hier nur die oberflächliche Veränderung im Bereich von Informations-, Transport- und Produktionstechnologien zu sehen, geht am eigentlichen Kern der Sache vorbei: Die tatsächlichen psychologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen zeigen sich vielmehr daran, wie Institutionen organisiert sind und wie die Menschen in ihnen leben. Und wenn Arbeitsplatz, Sozialstaat und Gemeinschaftsleben als Bezugsrahmen einem immer rascheren Wandel unterworfen sind, Ursachen sich kaum noch Wirkungen zuordnen lassen, Absichten und Vorhaben sich in einem Netz von Unwägbarkeiten und Zufälligkeiten verlieren, über die Einzelne und Gruppen immer weniger Kontrolle haben, müssen die Fragen aufgeworfen werden „Wie sozial sind eigentlich soziale Netzwerke, wie demokratisch ist unsere Demokratie?“

Jeder, der den Durchmarsch der Geheimdienste nicht sieht und auch blind ist für neue Gefahren, wie etwa die Schieds- und Geheimgerichte des geplanten Freihandelsabkommens zwischen den USA und Europa („Transatlantic Trade and Investment Partnership“ / TTIP), muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ein naiver Lobbyist der Marktgesellschaft zu sein. In einem taz-Interview hat Ulrich Beck jüngst die sich nationalstaatlicher Regelung entziehende globale Bedrohung benannt: „Wir haben eine laufende Revolution der IT-Branche und der Kommunikationsmedien in Kooperation mit dem militärisch-industriellen Komplex, die permanent die Grund- und Freiheitsrechte relativiert, aushöhlt oder aufhebt.“ Politiker, die die Tragweite dieser Entwicklungen nicht erkennen und anerkennen, die stillschweigend zusehen, wie die EU verwanzt und ihre Bürger ausgeforscht werden, können die noch aufwachen?

Wir haben uns daran gewöhnt, seit die Statistik in unseren Alltag quasi flächendeckend eingeführt worden ist, unser kausales Denken durch die Beobachtung von Korrelationen zu ersetzen. Die Ursachen für diese entdeckten Wahrscheinlichkeiten sind dabei von sekundärem Interesse. Dieser „Logik“ haben sich Geheimdienste mit ihrer Rasterfahndung und Datensammelwut verschrieben. Peter Moeschl hat in einem Standard-Beitrag „Die schöne, neue Verschwörungswelt der NSA“ auf die Folgen einer von Kausalitätsvorstellungen „entlasteten“, statistischen Weltsicht aufmerksam gemacht: „die computergestützte Projektion eines Weltbildes, in der es nur gute Konformisten und böse (konspirative) Nonkonformisten gibt … ein neues, ein institutionalisiertes Verschwörungsdenken der höheren Art, das vorauseilend die Welt beurteilt und bewertet.“

In der aktuellen Auseinandersetzung um informationelle Selbstbestimmung und eine demokratische Datenpolitik erweist sich der Parteiliberalismus der Bundesrepublik – sieht man von singulären Erscheinungen einer Frau Leuthäuser-Schnarrenberger oder eines Herrn Baum einmal ab – nicht als Lobby für Aufklärung und Mündigkeit. Der von Herrn Lindner als Lösung ins Feld geführte Neoliberalismus kann daher nicht die Antwort auf Big Money und Big Data sein, er ist vielmehr Teil des Problems, eines Problems, das nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene gelöst werden kann und wird.

Joachim Paul ist Fraktionsvorsitzender der Piratenfraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen.

ps.: Mehr und Tieferes zur Krise des Denkens, auch jenseits der Politik findet sich hier.

#21Piraten und der Streisand-Effekt

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Ja, wir haben euch veräppelt.
Ja, wir haben es mit voller Absicht getan.
Ja, wir haben uns gefreut über die vielen, die es verstanden und mitgemacht haben.
Ja, wir haben auch erkannt, dass wir diesen Fake anderen erklären müssen.

Als Unliebsame-Aufgaben-Beauftragter der Fraktion kann ich zwar nicht haarklein erzählen, wie es zu #21Piraten gekommen ist, aber wenigstens genug erklären um keinen Unwissend dahinscheiden zu lassen.

Der wichtige Punkt war: Wir haben über die Wechselgerüchte geredet, die von anderen Fraktionen immer mal wieder angesprochen werden. Offen. Z.B. im Plenum gegenüber dem Sitznachbarn. Dabei fanden wir, dass 1-2 Minister doch so freundlich als Banknachbarn sind, die könnten glatt zu uns wechseln. Daher habe ich um 18:05 am Montag einen Tweet mit dem Hashtag #21Piraten abgesetzt, um Fraktionsintern Spaß zu machen.

Innerhalb von Minuten klingelte drei mal das Telefon, es gab einen Account @21Piraten und Vertreter der anderen Parteien waren in Aufruhr. Wegen eines Tweets ohne Inhalt! Bitte schön, das Spiel können wir weiter spielen: Wir haben also einfach noch mehr Andeutungen gemacht und uns schlapp gelacht, wie schnell einige den Spaß mitgemacht haben.

Leider haben wir auch gemerkt, dass wir einige Leute innerhalb unserer Filterbubble die Sache auch ernst genommen hatten, trotz aller Andeutungen und Querverweise. Spätestens, als die @16Piraten mit den @21Piraten im Kreis geredet haben, dachten wir würde es dämmern. Wie viele dann gesagt haben sie seien der 21. usw., da konnten wir kaum verstehen, dass jemand den Spaß nicht mitbekommen. Sei’s drum, gab es halt irgendwann essen und #21Piraten schlief bis Dienstag morgen.

Geschockt mussten wir da feststellen, dass immer noch eine Menge ernsthafter Fragen nach der News kam. Wir spielten mit dem Einwurf unseres Pressesprechers vom Vortag eine Pressekonferenz müsse kurzfristig organisiert werden und schrieben einfach jeden Quark zum Thema PK durcheinander (bis hin zur Nicht-Öffentlichen-Pressekonferenz (häh??)).

Am Ende haben wir uns kurzerhand darauf geeinigt, unseren Mitarbeitern (über die man auf so einer Klausur natürlich auch redet) ein Lob auszusprechen und sie zum 12. Mann auf dem Platz zu machen – respektive dem 21. Mitglied der Fraktion. Selbst danach fragten Leute, wer denn nun der 21. sei, wann die Pressemeldung käme und ob #21Piraten eine verarsche war.

Ja, das war eine Verarsche. Wir haben uns diebisch gefreut bei der Vorstellung, wie in den anderen Fraktionen nach einem Abweichler gesucht wurde. Obwohl: wahrscheinlich eher nicht. Aber die Vorstellung war super!

Die Klausurtagung übrigens von der Stimmung her auch. Meiner Meinung nach ein Erfolg. Mit Spaß oder ohne.

Bebauungsplan Nr. 655

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Nun, das Thema an sich ist schon alt. Der Bebauungsplan 655 ist ja längst beschlossene Sache. Aber der heutige Artikel in der WAZ lässt mich nochmal über das Thema grübeln.

In den Bürgerversammlungen zum Thema wurde immer wieder betont, dass kein Bauträger beauftragt wird. Ok, die Deutsche Bank tritt nun nicht als Bauträger auf, aber die Grundstücke werden jetzt offenbar doch nicht wie geplant von der Stadt Oberhausen direkt vermarktet, sondern durch die Deutsche Bank. Ist es Zeit, zu gratulieren? Hat der Bereich Immobilien der Stadt Oberhausen nun die Deutsche Bank übernommen? Das dürfte unserer finanziellen Gesamtsituation ja helfen. Jedenfalls hieß es in der ersten Bürgerversammlung:

Die Flächen des Plangebietes befinden sich im Besitz der Stadt. Dementsprechen sollen die Grundstücke an Einzeleigentümer über den Bereich Immobilien der Stadt vermarktet werden.

Naja. Man kann seine Meinung ja ändern. Man kann sich ja von “Profis” helfen lassen. Aber anstatt nun Informationen zu den Baugrundstücken online zu stellen, wird der interessierte Bürger gebeten, bei der Deutschen Bank mal reinzuschauen oder anzurufen. Ist das richtig? Muss man die interessierten Käufer zwingen, den Kontakt zur Deutschen Bank zu suchen? Ich erwarte von der Stadt Oberhausen, dass alle Informationen zu diesem Bauvorhaben niederschwellig im Internet abrufbar sind.

Aber was anderes: Bekanntlich wohne ich selber in diesem Bereich. Viele meiner Nachbarn haben mich in den letzten Tagen und Wochen auf die Nutzung der neuen Sportfläche vor der Landwehrschule angesprochen. Oder soll ich besser schreiben “Nichtnutzung”. Es ist vollkommen unverständlich, dass auf der einen Seite eine riesige Freizeitfläche zur Wohnfläche umfunktioniert wird, der geschaffene Ersatz für die Sportfläche dann aber nur für die Schulen nutzbar gemacht werden. Wo sollen denn unsere Kinder und Jugendlichen nun Fußball oder Basketball spielen oder an Wochenenden für die Bundesjugendspiele o.ä. üben?

Die Parkplatzsituation ist so eine weitere Sache. 28 Besucherparkplätze sind vorgesehen, jeder Eigentümer muss einen Stellplatz auf seinem Grundstück vorhalten. Wenn ich davon ausgehe, dass in Einfamilienhäusern häufig auch mehr als ein Auto zur Verfügung steht, ist die Sorge der Anwohner auch hier berechtigt. Die Besucherparkplätze werden schon für die Anwohner der Neubauten nicht ausreichen. Und was macht die Stadt? Sie sagt

Wenn man die zukünftige Situation mit der Zeit vergleicht, in der sich die Tennisanlage noch in Betrieb gefunden hat, kann sogar von einer Entspannung der verkehrlichen Situation gesprochen werden.

Aha! Weil es früher bei Tennisturnieren punktuell starken Parkplatzmangel gab, ist es ja nicht so schlimm wenn es künftig ein bisschen Dauer-Parkplatzmangel gibt. Ein bisschen ist ja weniger als viel. Klingt logisch! Nicht.

Demokratur! Vielleicht verstehen nun auch einige mehr, warum wir in Oberhausen eben eine Demokratur haben. Angst vor weniger Freizeitflächen, Angst vor Parkplatzmangel, Angst vor Zusatzkosten für Anwohner … alles völlig egal. Was interessieren uns die Bedürfnisse der Menschen vor Ort?

Schlimmer noch: warum das Ganze? Das Sportstättenentwicklungskonzept der Stadt Oberhausen meint, dass Alstaden offenbar zu viele Sportplätze hat. Wenn ich nicht so sehr lachen und weinen müsste, würde ich darüber noch weiter schreiben …

Lassen wir das an dieser Stelle. Das Ding wird katastrophal gehandhabt. Es ist Zeit für eine andere Politik!

Wahlversprechen, die… Ihr wisst schon.

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Ich erzähle Euch nichts Neues. Wie hier, hier und hier, plakatiert die FDP Wahlversprechen, die bereits zum Zeitpunkt, wo sie an die Masten gehängt werden, gebrochen sind.

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Nein zum Generalverdacht? Nein zur Aufklärung sollte es eher heißen. Erschreckend, wie weit sich eine ehemalige Bürgerrechtspartei von den Bürgerrechten entfernen kann. Ohne sich zu schämen.

Danke an Martin Stoppler @stoppegp für dieses Bild!

Repressive Polizeitaktiken und Verbote – Welche Strategie verfolgt der Innenminister in der Fußball-Saison 2013/14?

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Mit einem offenen Brief an Innenminister Jäger fordert die AG Fananwälte die lückenlose Aufklärung der Vorfälle in der Schalker Arena und reiht sich damit in die Kette derjenigen ein, die diesen Polizeieinsatz auf das Schärste kritisieren. Wissenschaftler, die BAG, die Fachanwälte, die Fans und der Verein zeigen sich bestürzt und schockiert über das Ausmaß der Gewalt gegenüber friedlichen Bürgern, die lediglich ein Spiel besuchen wollten und Opfer von Polizeigewalt wurden. Bisher hat sich die Regierung aber immer noch nicht geäußert. Man stellt sich taub und taucht ab. Das ist kein gutes Vorbild für eine funktionierende Fehlerkultur, die aber laut dem Fanforscher Gerd Dembowski bei der Polizei ohnehin fehlt. Intern wie nach außen muss hier viel mehr gemacht werden, z.B. mit unabhängigen Beschwerdestellen. Auch muss endlich die Möglichkeit geschaffen werden, Polizisten, die sich nicht entsprechend ihren Aufgaben und ihrer Ausbildung verhalten, im Einsatz zu identifizieren. Vor allem aber muss für die weitere Saison sofort auf eine deeskalierende Polizeistrategie umgesteuert werden, damit sich solche Szenen wie in Gelsenkirchen nicht wiederholen.

Wir haben für die nächste Sitzung des Innenausschusses einen Tagesordnungspunkt beantragt, der eine Überprüfung der vielen unsinnigen, gefährlichen und unverhältnismäßigen Polizeieinsätze fordert.

 

Repressive Polizeitaktiken und Verbote – Welche Strategie verfolgt der Innenminister in der Fußball-Saison 2013/14?

In den letzten Wochen kam es zu mehreren umstrittenen Polizeieinsätzen, Spielabsagen sowie Kontroll- und Vorfeldmaßnahmen im Zusammenhang mit Fußballspielen in NRW. War in der vergangenen Saison auch Fehlverhalten von Fans Auslöser von polizeilichen Aktionen, so ist dieses aktuell bisher kaum zu beobachten. Dennoch scheint die Polizei in NRW im Vergleich zur Saison 2012/13 eine repressivere Taktik zu verfolgen. Bei den in der Öffentlichkeit stark kritisierten polizeilichen Maßnahmen kam es zu vielen Verletzten, und durch häufige Anwendung von rechtlich umstrittenen Allgemeinverfügungen werden ganze Personengruppen unter Generalverdacht gestellt. Außerdem ist fraglich, ob die  Verhältnismäßigkeit ausreichend berücksichtigt wurde. Als oberster Dienstherr der Polizei hatte Innenminister Ralf Jäger in der letzten Saison angekündigt, den Dialog mit Fans und Fangruppierungen zu forcieren. „Wir wollen mit ihnen und nicht über sie reden“, verkündete er z. B. auf dem Polizeitag 2013. In einem Interview erklärte der Minister zudem, dass auch das Handeln der Polizei immer wieder überprüft werden müsse.

Wir bitten daher um Überprüfung, Bewertung und ausführliche Berichterstattung zu nachfolgend aufgeführten polizeilichen Maßnahmen der noch jungen Saison 2013/14. Dabei soll insbesondere dargelegt werden, wie die Maßnahmen geeignet sind, den angestrebten Dialog mit Fans und Fangruppierungen zu fördern.

 

  • Zu Beginn der Saison 2013/2014 wurden drei Auswärtsspiele des Wuppertaler SV abgesagt, weil die gastgebenden Vereine die von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) verlangten hohen Sicherheitsauflagen nicht erfüllen konnten. Bis zu 300 gewaltbereite und gewaltsuchende Fans des Wuppertaler SV hätten nach Aussagen der ZIS zu den Spielen anreisen wollen. Laut Aussage des Vereins sind diese Zahlen nicht nachvollziehbar, da nach dem eigenen aktuellen Jahresbericht der ZIS die angenommene Anzahl bis zur Hälfte der Problemfans der gesamten Liga ausmachen würde, zudem verliefen die Heimspiele bisher friedlich.
  • Vom ersten Heimspiel der laufenden Saison gegen Eintracht Braunschweig am 18.08.2013 berichten Fans von Borussia Dortmund, dass sie bei der Anreise von Polizisten in voller Schutzausrüstung eingekesselt und vor die Wahl gestellt wurden, sich durchsuchen zu lassen oder nicht ins Stadion zu dürfen. Der Fanclub ‚Borussenstern‘ schreibt dazu in einem Offenen Brief: „Die ganze Polizeipräsenz war offenbar auf Aggression ausgerichtet. Dazu kam, dass der Zugang zum Südost-Eingang des Stadions, der ohnehin recht eng ist, auch noch durch quergestellte Polizeifahrzeuge kurz vor dem Stadion-Eingang künstlich verengt wurde.“ An anderer Stelle wird berichtet, dass Fans ohne Begründung von der Polizei aufgehalten und ihre Personalien festgestellt wurden.
  • Im Qualifikationsspiel zur Champions League zwischen Schalke04 und PAOK Saloniki am 21.08.2013 stürmte die Polizei 15 Minuten vor Spielende die Schalker Nordkurve unter Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock, um laut Aussage der Polizei Gelsenkirchen ein von Schalker Fans gehaltenes Banner zu entfernen und damit einen angekündigten Platzsturm aufgebrachter Fans von PAOK Saloniki zu vermeiden. Fanbeauftragte von Schalke04 berichten dagegen, dass im Gästeblock von PAOK Saloniki keine besorgniserregende Situation geherrscht habe und die Polizei dort weder eine Blocksperre eingerichtet habe noch der Ordnungsdienst verstärkt worden sei.
  • Bei der ersten Spielbegegnung seit acht Jahren zwischen Rot-Weiss Essen und Alemannia Aachen am 24.08.2013 wurden anreisende Fans aus Aachen aufgrund eines einzelnen am Bahnsteig gezündeten Böllers am Hauptbahnhof in Essen festgesetzt und eingehend kontrolliert. Nach Aussagen von Teilnehmern kam es aufgrund beengter Platzverhältnisse und nachrückender Fans zu Drängeleien, woraufhin die Polizei Pfefferspray einsetzte und mehrere Menschen verletzte, darunter eine schwangere Frau und Kinder. Laut Aussagen des Vertreters von Alemannia Aachen, Prof. Dr. Rolf-Dieter Mönning, kam es später am Stadion ebenfalls zu Rangeleien und dem Einsatz von Pfefferspray. Dazu kommentierte er: „Wir stellen uns auch schützend vor unsere Fans, die grundlos verdächtigt und polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt werden.“

 

Wie war das mit den Wahlversprechen, die schon vor der Wahl gelogen sind?

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Ein neuer Beitrag in der Reihe von Wahlversprechen, die bereits vor der Wahl offenkundlich gelogen sind: Wieder einmal ist es die FDP, die sich erdreistet, in ihrer Wahlwerbung Dinge zu versprechen, die sie in der aktuellen Legislaturperiode erfolgreich verhindert hat. Das hatten wir schon hier und hier.

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Politik muss also transparent sein – aber die Nebeneinkünfte von Politikern nicht.

Danke an Johannes Thon für das Foto!

vordenker news – September 2013

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Liebe Vordenkerinnen, liebe Vordenker,

die Sommeredition 2013 ist raus:

“Zenon ist passé”…

… das ist die Aussage des Philosophen Herbert Schnädelbach in einem Interview (Telepolis vom 25.08.2013), das den Titel trägt:

“Logik ist nicht dazu da, Strukturen oder gar Prozesse in der Wirklichkeit abzubilden”

Da nimmt sich das Thema der Sommer-Edition 2013 geradezu wie ein konträrer – ja fast schon kontradiktorischer – Gegensatz aus, denn erstens ist Zenon alles andere als passé und zweitens bereitet schon die Überschrift, die den Tenor des Interviews widerspiegelt, ein gewisses Magengrummeln bei all denjenigen, die mit den Arbeiten des Logikers und Philosophen Gotthard Günther vertraut sind.

Schon die bekanntesten Phänomene der Quantenphysik, wie etwa die Heisenberg’sche Unschärferelation, hätten den eleatischen Philosophen vor Begeisterung laut jubeln lassen und vielleicht hätte er Herrn Schnädelbach erklärt: “Hier irren Sie, Herr Schnädelbach, denn die Heisenberg’sche Unschärferelation zeigt ja gerade einen unauflöslichen Widerspruch auf, nämlich die Dichotomie von Kontinuität und Diskontinuität der Bewegung von Materie im Raum.”

Aber auch die Aussage des Titels steht im krassen Widerspruch zu den Texten der vorliegenden Sommer-Edition. Die Überschrift dieses Interviews leitet sich aus einer Passage des Gesprächs ab, welches zwischen dem Autor von Telepolis (TP) und dem Philosophen Schnädelbach (HS) geführt wird:

TP: …. Die formale Logik kann alles, was sich bewegt und eine Dynamik in sich birgt, alles, was real ist und außer dem Kopf existiert (wie die Zenon’schen Paradoxien[…] zeigen), begrifflich nicht abbilden. Mit den (argumentativ richtigen) Widersprüchen geht also die Philosophie also erst richtig los, Hugh! Jetzt sind Sie am Zug …

HS: Hier irren Sie gewaltig. Die Logik ist nicht dazu da, Strukturen oder gar Prozesse in der Wirklichkeit abzubilden, sondern sie betrifft nur die formalen Bedingungen des Wahrseinkönnens unserer Aussagen über Strukturen oder Prozesse. Alles Übrige ist Mathematik und Erfahrungswissenschaft. (Zenon ist passé)

So etwas kann man jedoch nur dann behaupten, wenn man rein monokontextural denkt und/oder sich weigert darüber nachzudenken, wie man seine Denkwerkzeuge – zu denen die Logik sowie die darauf basierende Mathematik gehören – adäquat erweitert werden können, um beispielsweise Denkprozesse (aus denen der Denkinhalt erst folgt!!) formal zu modellieren, um sie gegebenenfalls auch zu implementieren. Mit den Denkwerkzeugen der klassischen (monokontexturalen) Logik und Mathematik geht das nicht – in diesem Punkt hat Herbert Schnädelbach sogar Recht, allerdings wird von ihm nirgends der Begriff “mono- ” bzw. “polykontextural” erwähnt und damit ist seine Aussage nicht sehr viel wert.

Eine logische Analyse im Kontext der Polykontexturalitätstheorie gibt es – wenn auch nur latent, denn der Begriff “polykontextural” wurde erst sehr viel später von Günther in die Wissenschaft eingeführt – in der Science-Fiction-Story “Achilles and the Tortoise” von Gotthard Günther aus dem Jahr 1954, die dankenswerterweise (wie schon “The Seetee Mind“) von Rajko Aust ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Übersetzung war und ist der Anlass für die Sommer-Edition 2013.

In den Anmerkungen zu “Achilles…”, die unter dem Titel “Warum das Unendliche im Endlichen … und das Endliche im Unendlichen liegt” wird der Versuch unternommen, aufzuzeigen, warum die Science-Fiction-Story von Gotthard Günther eigentlich eine “Science-Fiction-Geschichte” – also eine eher wissenschaftlich fundierte Erzählung – ist. In der “Story” steckt mehr als nur Science-Fiction. Das aufzuzeigen war und ist der Sinn der Anmerkungen zu dem Thema der Zenon’schen Paradoxien, die heute ein fast schon desaströs-virulentes Unwesen in der modernen Physik betreiben – ein Unwesen, dessen Ursachen ganz offensichtlich völlig unerkannt bleiben und damit weder diagnostiziert noch therapiert werden, wie u.a. auch das Interview mit Schnädelbach sehr deutlich zeigt. Diese Paradoxien sind und bleiben ein wissenschaftslogisches Problem und sind daher alles andere als “passé”.

Neben der “Science-Fiction-Geschichte” und den Anmerkungen dazu haben wir noch eine Arbeit von Engelbert Kronthaler “Gänsemarsch und Seitensprünge oder: Die Addition von Kirchen und Krokodilen — Zur Dialektik Gotthard Günthers anlässlich seines fünften Todestages” aus dem Jahr 1989 in die Sommer-Edition aufgenommen – eine Arbeit, die man entweder als eine Ergänzung zu den Anmerkungen “Das Unendliche….” oder umgekehrt die Anmerkungen als Ergänzung zu Engelbert Kronthalers Beitrag ansehen kann.

Im Hintergrund, d.h. nicht in der Bibliografie von Gotthard Günther explizit angeführt, gibt es eine Datei mit drei Texten, die man unter das Thema “Homunkulus versus Robot” zusammenfassen könnte – so ist die Datei dann auch benannt worden. Hierbei handelt es sich um eine Sammlung kleinerer Texte zum Thema Robotik – Texte, die an verschiedenen Stellen von Gotthard Günther publiziert wurden u.a. auch in dem Buch das “Bewusstsein der Maschinen – Eine Metaphysik der Kybernetik”, das es beim Agis Verlag (Baden-Baden) in der erweiterten 3. Auflage von 2002 zu kaufen gibt.

Aus den 50er und 60er Jahren – eine Epoche, in der der Begriff “Kybernetik” noch ein gewisses Ansehen sogar in der BRD hatte, in der dieser Begriff, im Gegensatz zur DDR, eher negativ belegt war – aus dieser Zeit stammt auch Norbert Wieners Text “God & Golem, Inc.“, der (in deutscher Übersetzung) in der vorliegenden Sommer-Edition 2013 ebenfalls präsentiert wird.

Alle Texte der Sommer-Edition 2013 auf einen Blick:

1) Gotthard Günther: “Achilles and the Tortoise” (Englische & deutsche Version)

2) Eberhard von Goldammer: “Warum das Unendliche im Endlichen … und das Endliche im Unendlichen liegt – Anmerkungen zu Gotthard Günthers ›Achilles und die Schildkröte‹

3) Engelbert Kronthaler: “Gänsemarsch und Seitensprünge oder die Addition von Kirchen und Krokodilen — Zur Dialektik Gotthard Günthers anlässlich seines fünften Todestages“, Erstveröffentlichung in: Spuren in Kunst und Gesellschaft, Nr. 33, 1989, S. 56-62.

4) Gotthard Günther: “Seele und Maschine – Homunkulus und Robot – Die “zweite” Maschine

Hier handelt es sich um eine Sammlung kleinerer Text zum Thema Robotik – Texte, die an verschiedenen Stellen von Gotthard Günther publiziert wurden u.a. auch in dem Buch das “Bewusstsein der Maschinen – Eine Metaphysik der Kybernetik”, das es beim Agis Verlag (Baden-Baden) in der erweiterten 3. Auflage von 2002 zu kaufen gibt.

5) Norbert Wiener: “God & Golem, Inc.” (StudienSeminarText – deutsche Version)

6) John W. Campbell: “A Place for the Subconcious” in deutscher Übersetzung. John W. Campbell – mit dem Gotthard Günther in jener Zeit viel diskutiert hat – war der Herausgeber einiger in den 50er Jahren sehr bekannten Science-Fiction-Magazinen. Die Übersetzungen stammen von Rajko Aust, der auch den “Science-Fiction”-Text “The Seetee Mind” und “Achilles and the Tortoise” übersetzt hat.

Die Reihe Metaphon liefert im September den Beitrag GhostTraXXX, ein akustisches Werk zur Metapher der Reise.

Viel Spaß,

Ihr vordenker team,

Joachim Paul (Hrsg.)

siamo tutti antifascisti?

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Ich habe heute Folgendes getwittert:

“Es wird nicht besser, solange die “bürgerliche Mitte” Nazis zwar doof findet, aber gleichzeitig gegen Linke/Antifa hetzt.”

Es ärgert mich. Schon lange. Wo immer es um rassistische Äußerungen oder Taten geht. Wo immer Nazis marschieren. Es findet sich immer ein Presseartikel, in dem dann behauptet wird, da gäbe es auch “gewaltbereite Linksautonome” (aktuell gerne auch bezeichnet als “Krawalltouristen”.)

Dortmunds Oberbürgermeister U. Sierau zum Beispiel verhinderte letztes Jahr das Antifacamp, um dann auch gleich noch einen schier unsäglichen Satz mitzuliefern, in dem er sagte, “Wir können auch Mitgliedern aus dem Alerta!-Bündnis helfen, aus der Szene auszusteigen”. Weiterhin wird dann von ihm im Vorfeld der gestrigen Demo zwar erklärt, dass er Sitzblockaden für legitim hält, gleichzeitig werden diese aber verfolgt. Wie passt das zusammen?

Antifaschistische Aktionen werden gerne in einen Topf geworfen mit rechten Gewalttaten. Nicht vereinzelt, sondern systematisch. Auf so einem Boden konnten NSU-Morde über Jahre unerkannt bleiben.

In einem Bündnis gegen Nazis in Dortmund soll darüber diskutiert worden sein, wie man “die Antifa” von der Demo am 31.8. fernhalten könne. Ja, geht es denn noch?

Punkt 1: Es gibt nicht “die Antifa”.

Punkt 2: Antifaschistisch organisierte Menschen setzen sich friedlich ein gegen Rassismus, Antiromaismus und gegen Propaganda und Übergriffe durch Nazis.
Das beinhaltet auch mal eine Blockade von Nazidemos. Ich halte es für sinnvoll und sogar für notwenig. Und dabei auch die Variante, die nicht nur “Blockade für hübsches Pressefoto” beinhaltet, sondern die Variante, bei der man damit rechnen muss, von der Polizei auch unsanft entfernt zu werden und zusätzlich zum Platzverweis eine Anzeige zu kassieren. Widerstand gegen Polizei ist da schnell mal konstruiert. Sich trotzdem den Nazis in den Weg zu stellen oder zu setzen, ist vor allem mutig.

Punkt 3: Gefühlt sind Repressalien gegen linke Versammlungen allgegenwärtig. Wegen Vermummung zum Beispiel. Gefühlt ist da ein Ungleichgewicht zu rechten Demos, bei denen auch viele vermummt herumlaufen, aber nicht in gleichem Maße Vermummte herausgezogen werden. Ich kann Menschen sehr gut verstehen, die verhindern wollen, dass rechte Fotografen ihre Gesichter auf ihren Seiten veröffentlichen und dort zu Gewalt gegen linke Aktivist*innen aufrufen. Das dient also nicht zum Schutz vor Strafverfolgung, wie gerne behauptet, sondern schlicht zum Schutz des eigenen Lebens oder der Familie etc.

Punkt 4: Weiterhin muss die Rolle des Verfassungsschutzes kritisch hinterfragt werden, der permanent auf der Ansicht beharrt, es gehe gar nicht vordergründig um den Kampf gegen Rechtsextremismus, sondern gegen die “freiheitlich demokratische Grundordnung”. Da (auch mit dem Hintergrund der NSU-Morde) nicht ein systemisches Problem zu erkennen, halte ich für naiv.

Punkt 5: Ich habe oft den Eindruck, dass gebetsmühlenartig Dinge über die “linke Szene” verbreitet werden von Menschen, die nie auch nur einen Hauch damit zu tun hatten. Nahezu alle Erfahrungen, die ich mit antifaschistischen Bündnissen gemacht habe (viele Menschen davon sind Freund*innen geworden) waren und sind geprägt von respektvollem Umgang miteinander und von demokratischen Strukturen. Da muss ich nicht, wie an anderen Stellen der Gesellschaft, darüber diskutieren, wie man mit diskriminierender Sprache umgeht, weil es selbstverständlich ist, dass man das vermeiden kann. Da muss ich nicht darüber diskutieren, dass Sexismus scheiße ist. Da muss ich mich nicht rechtfertigen dafür, dass ich kein Fleisch esse. Da bekomme ich keine dummen Sprüche für antidiskriminierendes Engagement.

Konkret: Glaubt wirklich irgendwer, dass Antifaschist*innen nichts Besseres in ihrer Freizeit machen könnten, als überall in Deutschland nachts vor Häusern zu sitzen, weil sie Sorge haben, es könne nochmal etwas geben wie in Rostock damals? Die Stimmung in Deutschland ist derzeit wieder so, dass rassistische, ausländerfeindliche Äußerungen viel zu sehr toleriert und unter dem Deckmantel der “besorgten Bürger*innen” kleingeredet werden. Gerne getarnt als Meinungsfreiheit und mit Sätzen wie “Das wird man doch wohl noch sagen dürfen…” oder “Ich bin ja nicht ausländerfeindlich, aber…”

Fazit: Es wäre ein Anfang, wenn Menschen vermehrt stutzig würden, wenn in Medien und von Politiker*innen “rechts” und “links” in einem Atemzug genannt werden.

Und dann sollten sich immer mehr Menschen selber als Antifaschist*in begreifen….