Die CDU hat einen Antrag gestellt: „Schutzsuchende mit Bleibeanspruch zügig in den Arbeitsmarkt integrieren – gesetzliche Zugangshindernisse abschaffen – auf neue Zugangshürden verzichten“ – dürfte klar sein das damit neuerliche soziale Errungenschaften des Arbeitsrechtes aufgeweicht werden sollen. Mein Debattenbeitrag:
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Besucher hier im Saal und im Stream! Danke für Ihren Antrag, Kollege Wüst. Der hat mir gut gefallen, vor allem in der Überschrift.
(Zurufe)
Das lag aber daran, dass ich das für eine kleine Zeitreise halte.
(Anhaltende Zurufe)
– Sie können Ihren Disput übrigens gerne draußen fortsetzen. Danke schön. Ihr Antrag hat mich an einen eigenen Antrag erinnert, 10. Dezember 2013, Drucksache 16/4590 „Arbeitsverbote für Flüchtlinge abschaffen – Arbeitsmarktzugang sicherstellen“. Da haben wir beantragt, dass wir die Vorrangprüfung überprüfen. Wir haben in der Diskussion darüber gesprochen, dass der Arbeitsmarktzugang offen sein muss auch für Geflüchtete, dass es Arbeitsverbote einfach nicht geben darf.
Wir haben eine Anhörung dazu durchgeführt. In der Anhörung kam ganz klar heraus, dass die Vorrangprüfung inzwischen obsolet ist, dass man sie eigentlich nicht mehr durchführen müsste, dass sie nur behindert, dass sie bei der BA Ressourcen bindet, die woanders viel besser gebraucht werden.
Was hat die CDU-Fraktion getan? – Richtig: Sie hat unseren Antrag abgelehnt. Hervorragend! Jetzt kommen Sie mit einem eigenen Antrag. Wahrscheinlich ist er auf einem anderen Papier gedruckt, was auch immer. Dann schauen wir doch einmal, was Sie da wirklich fordern. Sie fordern nämlich nicht einfach nur, dass die gesetzlichen Regelungen geändert werden, sondern sie instrumentalisieren wieder gegen den Mindestlohn, für die Zeitarbeit, für Leiharbeit. Das ist einfach unredlich. Das gehört hier einfach gar nicht hin. Genau das ist das Aufwiegeln von Gruppen gegeneinander, das niemand an der Stelle braucht.
Im Endeffekt wollen Sie eine Ausweitung von Praktika. Warum? Sie können jetzt schon drei Monate Praktikum machen. Das auf sechs Monate oder ein Jahr zu ziehen, hilft niemandem, übrigens auch nicht den Unternehmern. Das ist totaler Quatsch.
Wir brauchen mehr Qualifikation, und zwar nachhaltige Qualifikation. Diese erwirbt man nicht durch Praktika, sondern durch Ausbildung. Diese Ausbildung müssen wir selbstverständlich fördern. In der Runde, die mehrfach angesprochen worden ist, ging es nicht darum, dass es da einen Dissens gab, dass die Ausbildung und der Berufsschulzugang erweitert werden müssten.
Vizepräsident Dr.Gerhard Papke: Achten Sie auf Ihre Redezeit, Herr Kollege.
Torsten Sommer (PIRATEN): Danke schön. – Ich komme sofort zum Ende.
Das war dort einhellige Meinung. Da muss man sich jetzt nicht auf Kleinigkeiten kaprizieren. Sie wollen nicht anpacken. Wir haben diese sinnvollen Dinge schon vor zwei Jahren gefordert. Wir instrumentalisieren keine Flüchtlinge.
Daher empfehle ich meiner Fraktion, diesem Antrag selbstverständlich nicht zuzustimmen. – Vielen Dank. Und frohe Weihnachten!
Zum heute [14.12.] stattfindenen Runden Tisch zu G8/G9 sagt Monika Pieper, Bildungspolitische Sprecherin der Piratenfraktion NRW:
Der Zeitpunkt für den heutigen Runden Tisch ist ohne Sinn und Verstand. Wie will man nach drei Monaten über das Für und Wider des 10-Punkte-Plans diskutieren? Der Zeitraum ist viel zu kurz, um die Wirksamkeit des Programms zu analysieren. Die Landesregierung handelt mal wieder nach dem Prinzip ´viel heiße Luft und nichts dahinter´.
Unabhängig von den Ergebnissen des heutigen Runden Tisches halten wir an unserer generellen Kritik an G8 fest. Vermeintliche Erleichterungen für die Schüler reichen nicht. Die Schüler benötigen ausreichend Zeit für eine umfängliche Bildung und Persönlichkeitsentwicklung.
Meine Rede zu TOP 2 am Donnerstag, den 03.12.2015 zum Einzelplan 06 „Innovation, Wissenschaft und Forschung“ im Rahmen der 2. Lesung des NRW-Haushaltes 2016
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Die Piratenfraktion schickt nun Herrn Dr. Paul ans Pult.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen lieben Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer am Stream! Ich würde mir ja wünschen, dass eine solche hochschulpolitische Einzelplandiskussion im Netz so etwas wie ein Blockbuster wäre, ein Burner, ein Straßenfeger. Das wäre schön.
Versuchen wir doch einmal, uns vorzustellen, dass wir Haushaltsberatungen über einen Einzelplan führen, der für Innovation zuständig ist. Was würden wir von einem solchen Haushalt erwarten? – Wir würden doch zu Recht darüber reden, dass es wegweisende Forschungsprojekte gibt, die den Wissenschaftsstandort NRW deutlich nach vorn bringen.
Wir würden auch darüber reden, dass die digitale Revolution gerade an den Orten der Innovation – nämlich an den Hochschulen – erforscht und begleitet wird, dass nutzbare Technologie entwickelt und Grundlagenforschung ausgebaut werden. Und wir würden darüber reden, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, die es zulassen, ein Höchstmaß an Kreativität hervorzubringen.
Wir würden darüber reden, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen auskömmlich und nicht pro Kopf rückläufig ist, dass die Labore ordentlich ausgestattet sind, dass Hochschulen als Orte der Wissenschaft demokratisch organisiert sind und dass die einzelnen Gruppen an den Hochschulen den demokratischen, den wissenschaftlichen und den gesellschaftlichen Diskurs üben und beleben.
Wir würden darüber reden, dass der Haushaltsplan jeder Bürgerin und jedem Bürger Auskunft darüber gibt, was mit den Steuergeldern an den Hochschulen passiert. Und wir würden über die Qualität von Forschungskooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft diskutieren. Vor allem wüssten wir, was dort passiert.
Allein – das ist ein schöner Traum. Das vorliegende Zahlenwerk ist kräftig – zugegeben; das muss man sagen dürfen –, aber es ist alles andere als innovativ. Die Landesregierung lässt keine eigene Forschungs- und Innovationsstrategie für die nordrhein-westfälische Hochschul- und Forschungslandschaft erkennen.
Wir haben in der letzten Anhörung im Wissenschaftsausschuss wieder einmal erleben dürfen, dass Sie mit der digitalen Revolution nicht nur nicht Schritt halten können, sondern dass Sie sie regelrecht verschlafen. Ein eigenes Profil ist nicht zu erkennen. Zu nennen ist hier vor allem der Bereich des digitalen Lernens.
Eigentlich hätte es heute eine historische Einzelplan-06-Debatte werden können. Liebe Frau Seidl, liebe Ruth, leider haben Sie mir das kaputtgemacht, indem Sie das Wort „Studiengebühren“ in den Mund genommen haben. Normalerweise kommt das immer von Schwarz-Gelb. Sie haben das Wort erwähnt. Schade!
Auf der anderen Seite möchte ich die Union, Herr Dr. Berger, einmal loben, denn sie scheint so ein bisschen aus ihrer Ecke hervorzukommen. Sie begnügt sich nicht mehr damit, die intellektuelle Fußtruppe der turboneoliberalen Bildungsökonomisierung zu sein, sondern sie kommt tatsächlich schon mal mit Konzepten.
Wir haben uns über Ihren Antrag zum digitalen Lernen wirklich gefreut und sehen die Chance, zusammen mit Rot-Grün und Gelb etwas machen zu können. Allerdings möchte ich erwähnen: Es gab zu diesem Thema schon drei Anträge von uns.
Kommen wir zu den Dingen, die sich nicht in diesem Haushalt finden. Es gibt keine – noch keine; wir arbeiten ja daran – Mittel, um Open Access an den Hochschulen zu verankern. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden allein gelassen, und die Hochschulbibliotheken werden bei der Bereitstellung von Journals unter Druck gesetzt. In zwei Anhörungen hier im Landtag wurde von zahlreichen Expertinnen und Experten vorgetragen – Elsevier lässt grüßen –, dass die Preise durch die Verlage diktiert werden.
Für manche scheint das kein relevantes wissenschaftspolitisches Thema zu sein. Es ist aber sehr relevant. Wir sind auf dem Weg, wir sind auf dem Sturmlauf in die moderne Wissens- und Informationsgesellschaft, auch wenn Frau Kraft immer noch versucht, die nordrhein-westfälische Zukunft aus dem Kohlenstaub zu lesen. Aber Big Data lässt grüßen.
Es ist also unabdingbar, dass auch wissenschaftliche Publikationen in Onlinejournals und über Open Access publiziert werden müssen. Hier setzen die außeruniversitären Forschungseinrichtungen der Helmholtz- und der Fraunhofer Gesellschaft mal wieder die Standards.
Was passiert hier in der Landespolitik? – Man beschränkt sich auf Ankündigungen. Schauen wir uns mal den Bereich des digitalen Lernens an. Da haben wir mit der Fernuniversität Hagen den deutschlandweit größten Player im Kontext Blended Learning in Nordrhein-Westfalen. Wo ist das Signal aus Nordrhein-Westfalen, bei den Open Educational Resources Vorreiter zu sein? Das sind die Zukunftsthemen. Hier müssen Gelder investiert werden. Das ist im Haushalt zu finden unter Titelgruppe 00 000 – kommt nicht vor.
Wenn wir gerade bei Studienbedingungen sind: Die Piraten sind wohl die Einzigen, die noch Kritik an der Bolognareform formulieren. Viele meinen, dass sich durch die Bolognareform für Studierende und Lehrende an den Hochschulen vieles verbessert hat. Wir dürfen das nach wie vor anzweifeln und sind dabei nicht in schlechter Gesellschaft. Der Chef der Hochschulrektorenkonferenz Hippler sagt dazu, dass es seit der Bolognareform nicht leichter geworden sei, ins Ausland zu gehen.
Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident:
„Dieses Versprechen ist nicht wirklich erfüllt worden. Im Ausland müssen sie sich die Leistungen auch erst mal anerkennen lassen. Das ist oft nach wie vor schwierig.“
Zum anderen liege mit einem Bachelorabschluss keine berufliche Qualifikation vor, allenfalls eine Berufsbefähigung.
Unternehmen – das sagt auch McKinsey – sind jedoch auf der Suche nach Persönlichkeiten, nicht nur nach Absolventen.
So viel zu den Aussagen Hipplers.
Vor allem brauchen wir wieder ein Studieren in unterschiedlichen Geschwindigkeiten – wichtig für Inter- und Transdisziplinarität abseits der starren Vorschriften der Regelstudienvorgaben. Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Begriff der Regelstudienzeit als Steuerinstrument und Regelungskriterium abgeschafft wird.
Von einem Mittel für die Sicherstellung der Freiheit von Forschung und Lehre wurde die Festlegung der Regelstudienzeit zu einem Knebel für alle an universitärer Forschung und Lehre Beteiligten. Speziell für inter- und transdisziplinäre Lehre und Forschung erweist sich eine Regelstudienzeit als kontraproduktiv und innovationshemmend. Man hat keine Zeit mehr, über den Tellerrand zu gucken.
Um angesichts des steigenden finanziellen und sozialen Drucks auf das gesamte Hochschulsystem eine merkbare Erleichterung zu schaffen und einen zeitgemäßen innovationsfreundlichen Begriff für Studium und Universität entwickeln zu können, muss die Regelstudienzeit fallen.
Wir gehen davon aus, dass nur so die Anzahl der erfolgreichen Studienabschlüsse an Hochschulen bundesweit gesteigert und die weiter stark steigende Zahl der Studienanfängerinnen und ?anfänger – das ist ja erfreulich – im gesamten Bundesgebiet bewältigt werden kann. Reibungslos war das mit dem doppelten Abiturjahrgang nämlich nicht, liebe Frau Seidl.
Weiter wollen wir offensichtlich als Einzige, dass alle Studierenden, die einen Masterplatz anstreben, diesen auch bekommen können. Ohne Masterplatzgarantie kann auch das beste Hochschulmanagement am Ende nur den Mangel verwalten. Da zu wenige Masterstudienplätze bereitstehen, werden individuelle Aufstiegschancen zunichtegemacht und somit gesamtgesellschaftliche Potenziale verschenkt.
Apropos Potenziale: Die Landesregierung ist auch dafür verantwortlich, dass die Kreativität an den Hochschulen eingeschränkt bleiben wird. Aktuell wird die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes diskutiert. Wir sagen nach wie vor: Daueraufgaben sind mit Dauerstellen zu besetzen.
(Beifall von den PIRATEN)
Befristete Beschäftigungsverhältnisse sollten ausschließlich für eine Weiterqualifikation zulässig sein. Dabei darf es keine grundsätzliche zeitliche Obergrenze geben.
Das WissZeitVG regelt die Befristung von wissenschaftlichem und künstlerischem Personal in der Qualifizierungsphase sowie in drittmittelfinanzierten Projekten. Die gültige Form des WissZeitVGs hat zu einer Prekarisierung der wissenschaftlich und künstlerisch arbeitenden Menschen an Hochschulen und Universitäten geführt.
Durch die dort eröffnete Möglichkeit, für maximal zwölf Jahre befristete Verträge zu vergeben, wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit kurzen Vertragslaufzeiten unter Druck gesetzt. Viele befinden sich daher nach zwölf Jahren in einer beruflichen Sackgasse, erleben vielleicht einen Karriereknick, da einerseits eine befristete Weiterbeschäftigung nicht mehr möglich ist und andererseits Dauerstellen nicht existieren. Dieser Gap muss geschlossen werden.
Was hat das nun mit dem Haushalt zu tun? Eine ganze Menge; denn wir schieben jährlich einfach Geld an die Hochschulen, die damit die vermeintliche Freiheit auf dem Rücken der Beschäftigten ausleben. Sie belassen die Beschäftigten im Existenzkampf und schaden damit nachhaltig der Wissenschaft, der Innovation in Nordrhein-Westfalen.
Auch bei der Vergabe der Qualitätsverbesserungsmittel, also der Kompensationsmittel, werden die Mittel, pro Kopf gesehen, weniger. Eine nachhaltige Finanzierung und Stärkung der Lehre sieht nach unserer Auffassung anders aus.
Fazit: Uns fehlt in einem Haushalt, der sich mit Innovation auseinandersetzen soll, schlicht die Innovation.
Ja, die Steigerung von DFG-Mitteln ist lobenswert. Aber das bedeutet nicht, dass man sich zurücklehnen kann. Hier erforschte Patente müssen auch in NRW bleiben und umgesetzt werden. Dafür ist es nötig, eine Infrastruktur zu schaffen, die gründerfreundlich, innovationsfördernd und zukunftsgerichtet ist.
Wir werden diesen Einzelplan ablehnen, weil darin keine Vision vom Wissenschaftsstandort NRW zu erkennen ist. Er ist für uns auch niemals zustimmungsfähig, da er nach wie vor eine Versammlung von Intransparenzen darstellt. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Schulze das Wort.
Meine Rede zu TOP 2 am Donnerstag, den 03.12.2015 zum Einzelplan 14 „Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk“ im Rahmen der 2. Lesung des NRW-Haushaltes 2016
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Raum und zu Hause! Ganz wesentlich für die Wirtschaft – das klingt dauernd an – ist heute in allen Teilen der Wirtschaft das digitale Potenzial. Die Zahlen zeigen leider: Es gibt bei uns noch keine breite Bereitschaft bei Unternehmen, kräftig in die Digitalisierung zu investieren. Trotz all der Konferenzen und Absichtserklärungen sind die Unternehmen noch immer auffällig zurückhaltend.
Unser Ziel muss es daher sein, dieses Potenzial zu heben, die auch mentalen Hürden zu nehmen und den Sprung in die Gigabitgesellschaft zu schaffen. Das – so scheint es wenigstens – steht in diesem Haus außer Frage.
Aber die politische Weichenstellung der letzten Monate verunsichert leider auch viele Unternehmen. Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren, dass die aktuell gute Konjunkturlage täuscht – mit Blick auf die großen Herausforderungen, vor denen die Wirtschaft in Nordrhein?Westfalen steht.
In einigen Jahren wird die Politik dieser Legislaturperiode im Rückblick danach bewertet werden müssen, ob die richtigen Weichenstellungen für die digitale Revolution getroffen worden sind. Die Vorratsdatenspeicherung wurde wieder eingeführt, die Netzneutralität aufgeweicht – mit noch unabsehbaren Auswirkungen gerade für kleine Unternehmen. Wir alle kennen dazu das Statement der Telekom. Das lang angekündigte Breitbandförderprogramm setzt auf alte Kupferleitungen statt auf Glasfaser. Und jetzt will die Bundesnetzagentur sogar ein Vectoringmonopol erlauben.
(Zuruf von den GRÜNEN: Genöle!)
Folgen wir der Studie Mittelstandspanel 2015 von BDI und PricewaterhouseCoopers, sind die drei Topsorgen von Mittelstandsunternehmen hinsichtlich der Digitalisierung folgende:
Erstens: Datensicherheit.
Dem könnte man begegnen, indem man Open Source ein bisschen fördert. Die Geschichte mit dem BND gehört auch dazu. Wir haben zum Thema „Wirtschaftsspionage“ einen Antrag vorgelegt und dazu eine Anhörung gehabt.
Zweitens: Veränderungen in der Unternehmenskultur und in der Arbeitsorganisation.
Laut vieler Studien und nicht nur einer Studie ist etwa jeder zweite Arbeitsplatz von der Automatisierung bedroht – zunehmend auch Bürojobs. Unternehmenskultur sollte Menschen mit ihren kreativen Problemlösungskompetenzen in den Mittelpunkt stellen, da viele andere Tätigkeiten in Zukunft vom Kollegen Algorithmus oder durch Robotisierung erledigt werden können. Organisatorisch folgen daraus flache Hierarchien und eine diesbezügliche Anforderung an unser Bildungssystem, damit auch umgehen zu können.
Drittens: Verfügbarkeit der digitalen Infrastruktur: Breitband.
Wir wollen und brauchen dezentrale kommunale Glasfasernetze in Nordrhein?Westfalen. Die Landesregierung setzt auf kurzfristige Kupferförderung und macht dem Magentariesen vorzeitige Weihnachtsgeschenke. Ist das eine „Geiz ist geil“-Mentalität? Ich weiß es nicht. Das bewegte Datenvolumen im Netz wächst exponentiell. Allein dieses Jahr steigt das pro Breitbandanschluss und Monat transportierte Datenvolumen um satte 20 %.
Glasfaser hat viele Vorteile gegenüber anderen Technologien. Die liegen neben der hohen Datengeschwindigkeit in der Symmetrie der Übertragung, dem niedrigen Energieverbrauch sowie darin, dass keine aktive Technik und nur wenige Verteilstellen erforderlich sind. Bereits heute betragen die Energiekosten der Netze 200 Millionen €. Mit Vectoring werden sie noch einmal stark ansteigen. Glasfaser ist auch ökologisch korrekt.
Trotz dieser richtigen Analyse setzt die Landesregierung weiterhin auf Kupfer. Sie verschwenden Steuergelder, um kurzfristige Breitbandprojekte bis 2018 durchzuziehen, die danach technisch völlig veraltet sein werden, wo dann mit neuen Fördergeldern Abhilfe geschaffen werden muss.
Man muss ja nicht immer Bayern als Beispiel anführen. Das kleine Schleswig-Holstein besitzt im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen eine Glasfaserstrategie und kann daher eine Anschlussquote von mittlerweile 23 % aufweisen. Die Nordlichter sind auf einem guten Weg, wir nicht. Wahrscheinlich muss man mal Fischer fragen, wenn es um Netze geht.
(Beifall von Michele Marsching [PIRATEN] – Josef Hovenjürgen [CDU]: Irrlichter!)
Hier in Nordrhein-Westfalen streut unser Wirtschaftsminister den Unternehmen Sand in die Augen, statt das zu tun, was man mit Sand machen sollten: ihn verbuddeln, und zwar als Glasfaserkabel.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Nicht nur das!)
Die Landesregierung hat angekündigt, in den nächsten drei Jahren bis zu 500 Millionen € in die Breitbandförderung zu investieren. Die tatsächlichen Zahlen werden leider weit darunterliegen, da Kommunen bereits signalisiert haben, dass sie vermutlich nur unterdurchschnittlich vom Bundesförderprogramm profitieren werden.
Es bleibt die Kritik im Raum, dass das Wirtschaftsministerium einzig eine Durchleitungsfunktion von EU- und Bundesmitteln hat. Ich hatte so etwas im Badezimmer; das nennt man Durchlauferhitzer. Der produzierte zuletzt nur lauwarmes Wasser.
Ich würde mir wünschen, auch für Herrn Minister Duin, dass das Wirtschaftsministerium wieder so planvoll und weitsichtig ausgerichtet wird wie unter Ihrem großen Vorvorvorgänger Reimut Jochimsen, der sich ja durch einen großen Weitblick ausgezeichnet hat.
Stattdessen werden wenig eigene Ideen gezeigt. Vielleicht gibt es ja auch kaum Gestaltungsspielraum im Kabinett. Wir haben, um dem Kompetenzwirrwarr Abhilfe zu schaffen, so etwas wie ein Digital- oder Internetministerium gefordert.
Der Bundesrechnungshof hat sich bereits kritisch zu einer Förderung von Kupferkabeln geäußert, die schon bald nach dem Ausbau nicht mehr auf dem Stand der Zeit sein werden und dann weitere Förderungen benötigen. Wir sehen das ähnlich. Eigentlich sollte hier § 7 der Landeshaushaltsordnung greifen: Wirksamkeit statt Sparsamkeit.
Wir haben bereits im letzten Jahr in einem Antrag eine bessere, neutralere Evaluierung der Förderprojekte gefordert. Jetzt bräuchten wir genau diese.
In dem Zusammenhang fällt mir ein Änderungsantrag von Rot-Grün aus dem letzten Plenum ein, über 300.000 € zur Förderung der Verknüpfung von stationärem Einzelhandel und Onlinehandel. Das hört sich toll an. Wenn man dann reinschaut, stellt man fest: Es geht darum, den Einzelhändlern zu zeigen, wie man Produkte bei eBay einstellt. Da kann man auch Frau Löhrmann fragen, dass sie 1.000 Sechstklässler organisiert nach dem Motto: „Schule meets Unternehmen“, die sie dann in die Unternehmen schickt, um den Leuten zu zeigen, wie man Produkte bei eBay einstellt; die können das nämlich.
(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Matthi Bolte [GRÜNE])
Selbst unter analogen Gesichtspunkten ist das bestenfalls Mittelmaß. Wir werden auch, aber nicht nur aus diesen Gründen den Haushalt ablehnen.
Kommen wir zum Bereich Bergbau und Energie; das hat ja auch irgendwie mit Netzen zu tun. Nach wie vor hat der größte Posten einen zur Energiepolitik der Kraft-Kohle-Koalition passenden Titel: „Zuschüsse für den Absatz deutscher Steinkohle zur Verstromung und an die Stahlindustrie sowie zum Ausgleich von Belastungen infolge von Kapazitätsanpassungen“, immerhin noch 165 Millionen €. Aufgrund der gestiegenen Weltmarktpreise für Steinkohle ist das immer noch die Hälfte des Ansatzes für dieses Jahr. Die Grundlage ist natürlich die Rahmenvereinbarung „Sozialverträgliche Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland“ oder auch das Finanzierungsgesetz zum Ausstieg aus dem Jahr 2007. Wir stellen die Notwendigkeit dazu gar nicht infrage, wir stellen nur erneut fest: Kohlestrom ist subventionierter Strom.
Wir finden im Kapitel 14 730 unter dem Titel 686 60 250.000 € als Strukturhilfe für vom Braunkohletagebau geprägte Gebiete. Die Begründung: Durch die Strukturhilfe für vom Braunkohletagebau geprägte Gebiete muss auch in den kommenden Jahren weiterhin eine präventive Strukturpolitik betrieben werden, um die Folgen des Strukturwandels zu mindern. – Auch das stellen wir nicht infrage. Wir gehen aber davon aus, dass hier sehr bald sehr viel mehr Geld nötig sein wird, um den Strukturwandel sozialverträglich zu gestalten – den Strukturwandel, den der notwendige und endgültige Ausstieg aus der Braunkohle mit sich bringen wird.
Wir fordern bereits seit 2013 ein Gesetz, das den Ausstieg aus der Braunkohle regelt – gratuliere, Bundesumweltministerin Hendricks fordert es seit wenigen Tagen auch; nur, wir Piraten müssen nicht nach Paris fahren, um auf die Idee zu kommen –,
(Beifall von den PIRATEN)
ein Gesetz, das diesen Ausstieg planbar macht, Sicherheit gibt, und zwar für alle Beteiligten: für die Menschen in der Region, für die Unternehmen und auch für uns, die Mitglieder dieses Landtags. Denn wir werden in Zukunft über Haushalte entscheiden müssen, in denen es um viel größere Summen für den Strukturwandel im Rheinischen Revier gehen wird.
Der Ausstieg aus der Braunkohle wird kommen, und er muss kommen. Das weiß die Landesregierung, und das weiß auch RWE. Wir wollen einen geplanten Ausstieg, und der wird finanziert werden müssen; auch das steht fest. Wir verlangen da Ehrlichkeit und Transparenz.
Barbara Hendricks will eine Entscheidung noch in dieser Legislaturperiode. Wir wollen das auch. Wir haben im letzten Jahr auch einen Vorschlag zur Finanzierung gemacht, unseren Antrag für die Einführung einer Förderabgabe auf Braunkohle, einer Abgabe, wie sie auch Oliver Krischer von den Grünen fordert. Sie würde NRW rund 150 Millionen € zusätzliche Einnahmen pro Jahr bescheren – 150 Millionen €, die komplett in den Strukturwandel gesteckt werden könnten, 150 Millionen €, auf die die grüne Fraktion in Nordrhein-Westfalen verzichten will; denn sie hat den Antrag ja abgelehnt, die Kohlegenossen selbstverständlich auch.
Meine Damen und Herren, Haushaltspolitik muss sich auch mit der Zukunft und den kommenden Entwicklungen und Notwendigkeiten befassen, nicht nur mit dem aktuellen Zahlenwerk. Genau das wollen wir tun, und wir stellen fest: In punkto Netze, ob Informationsnetze oder Energienetze, hat diese Landesregierung keine Ideen. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.
Am Montag, den 7. Dezember 2015 gab es das von der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen im Landtag NRW veranstaltete „NRW-Forum: Zukunft Demokratie“ mit dem Thema Politik & Big Data (Hashtag #ZuDe15). Da ich Vormittags auch in Sachen Digitale Hochschule unterwegs war, konnte ich leider nur die Abschlussdiskussion live verfolgen. Dort fiel das Wort „Algorithmustransparenz“. Auf dem Podium saßen Birgit Kimmel (Eu-Initiative klicksafe.de / LMK), Marc Jan Eumann (Staatssekretär für Europa und Medien NRW) und Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung), die Moderation hatte Jan Hendrik Becker.
Außerdem wurde auch die „amerikanische Auffassung“ zur Privatsphäre a la Marc Zuckerberg (Facebook) und Eric Schmitt (Google) und der Gegensatz zu unserer andiskutiert, jeder habe im Prinzip das Recht von Jedem alles zu wissen.
Nun denn, wen dem so ist, dann möchte ich von Eric Schmitt den Google-Algorithmus wissen – und vielleicht noch so einiges andere mehr.
Das würde mich natürlich erheblich nach vorn bringen, um die Arbeitsweise der Suchmaschine nachzuvollziehen.
Allerdings würde mir das im Endeffekt nichts nützen. Ich glaube, Brigit Kimmel war`s, die „Algorithmustransparenz“ einforderte. Da fiel mir ein, dass die alleinige Kenntnis des Algorithmus gar nichts bringt, um sein Verhalten in bestimmten Situationen vorherzusagen.
Ein Computer ist eine nicht-triviale Maschine. Das bedeutet, dass ihr Verhalten, also ihr Output, immer und grundsätzlich von mindestens zwei Dingen abhängt, vom aktuellen Input und vom inneren Zustand der Maschine. Um das Verhalten vorhersagen zu können, muss man neben dem Algorithmus auch die Geschichte der Inputs und der inneren Zustände kennen. Nicht-triviale Maschinen sind „geschichtsabhängig“. Sie sind daher analytisch unbestimmbar – nicht determinierbar – , aber sie sind synthetisch vorherbestimmbar, und zwar durch den Programmierer, der den Algorithmus entwirft. Aber selbst der Programmierer kann das Verhalten der Maschine nicht vorhersagen, wenn er die Geschichte der inneren Zustände nicht kennt.
Darstellung einer nicht-trivialen Maschine – frei nach Heinz von Foerster
Das fand der Mathematiker Arthur Gill bereits 1962 heraus und dokumentierte es in seinem Buch zur Einführung in die Theorie der Maschinen „mit endlichen Zuständen“.[1]
Näheres dazu mit einem konkreten Beispiel gibt es auch hier.[2]
Also Tschüss Algorithmustransparenz.
Braucht jemand einen Beweis? Hmm. Vielleicht reichen ja Indizien.
Ähm, da fällt mir ein, wie lange hat es eigentlich gedauert, bis das besondere Verhalten der VW-Dieselmotoren in den USA auffiel? Eben.
Übrigens, schimpft jemand noch über mangelnde Innovationskraft in Deutschland?
Also in Informatik und Software sind wir echt spitze. Zum Beispiel bei VW. Geile Bordcomputer.
Algorithmustransparenz? Industrie 4.0 transparent? Ja, nee, is klar.
Bestes, Nick H. aka Joachim Paul
[1] Gill, Arthur; Introduction to the Theory of Finite-State Machines, McGraw-Hill, New York 1962
[2] Goldammer, Eberhard von; Paul, Joachim; Autonomie in Biologie und Technik; in: Jahrbuch für Selbstorganisation ’96, Bd. 6, Realitäten und Rationalitäten, Hrsg.: Axel Ziemke, Rudolf Kaehr, Duncker und Humblot, 1996;
online: http://www.vordenker.de/autonomie/autonomie.pdf
AK4-News vom 30.11.2015
14-tägige Infopost der Fraktion
zu den Themen Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung, Verkehr, ÖPNV, Klimaschutz, Klimaschutzplan, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Wirtschaft, Mittelstand, Energie, Bergbau und Landesentwicklung
Zusammengestellt von den Abgeordneten und Mitarbeitern des neuen virtuellen AK4 der Fraktion.
Jeweils an Montagen in ungeraden Wochen bis 18:00 Uhr tragen wir in einem Pad unsere Infos zusammen. Am Abend wird das Infopaket dann als E-Mail versendet.
Zum Haushaltsplan 2016 habe ich für den Einzelplan 11 – dem Bereich des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales, folgendes zum besten gegeben:
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen hier im Raum! Liebe Zuschauer oben auf der Tribüne und im Livestream – Zuschauerinnen natürlich auch! Wir haben schon ein bisschen über den Einzelplan 11 des Haushalts für das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales gesprochen. Zu den Zahlen haben meine Vorredner schon etwas gesagt; Uli Alda hat schon ein wenig aus dem Einzelplan zitiert.
Ich möchte einmal das Gesamtkonstrukt anhand der Prozente angehen. Bei einem Blick darauf stellen wir fest, dass der absolut überwiegende Teil ein durchlaufender Posten ist. Fast 80 % sind durchlaufende Gelder. Daran ist relativ wenig progressiv zu verändern. Das muss auf Bundesebene geschehen, und das passiert zurzeit leider nicht.
Das hat zur Folge, dass gerade im SGB-II-Bereich die arbeitssuchenden Menschen, die eigentlich gut betreut werden müssten, im Endeffekt nur noch verwaltet werden. Wir reden da von Betreuungsschlüsseln zwischen 1:100 bis hin zu 1:140. Das wird weder den Menschen gerecht, die arbeitsuchend sind, noch den Menschen, die die Arbeit leisten sollen, diese Menschen in Arbeit zu bringen. Den Mitarbeitern der Jobcenter, die wir da alleine lassen, tun wir hier wirklich nichts Gutes.
Das muss man angesichts des Zorns, den Betroffene und Arbeitssuchende mit Blick auf die Jobcenter immer wieder artikulieren, bitte auch im Hinterkopf behalten. Auch Jobcentermitarbeiter werden von der großen Politik alleine gelassen. Das ist sehr schade. Der Haushalt für das MAIS im Land Nordrhein-Westfalen wird das nicht ändern, kann das aber auch nicht ändern, wenn man sich da ehrlich macht.
Wir können Akzente setzen und tun das auch bei der Aktivierung von ESF-Fördergeldern. Diese machen aber nur einen kleinen Teil aus. Dazu muss man sagen, dass diese Fördergelder bzw. die Projekte, die dort gefördert werden, zum größten Teil auf zwei Jahre oder etwas länger angelegt sind, weil die EU keine anderen Systematiken zulässt, jedenfalls nicht im ESF.
Diese Projekte können dann noch so gut sein: Es wird nichts nützen. Wir waren ja gerade erst beim ESF-Begleitausschuss und haben uns die begleitete Teilzeitausbildung bzw. deren Ergebnisse, die wirklich ermutigend sind, noch einmal erläutern lassen. Auch haben wir uns das Projekt „Chance der Zukunft“ erklären lassen, bei dem der Träger geändert wird, damit man nicht mehr die üblichen Träger…
(Lachen von der CDU)
– Ich weiß nicht, ob all das, was ich hier erzähle, so lustig ist. Ich finde es ein bisschen unpassend, an der Stelle zu lachen. – Hier hat man die Träger gewechselt. Man arbeitet jetzt mit Trägern aus der Behindertenbildung. Auch der Betreuungsschlüssel wird enorm geändert. Ich habe nachgefragt: Er soll in diesem Projekt jetzt eins zu vier betragen. Das sind gute Entwicklungen. Ich glaube auch, dass sie zu Lösungen führen können.
Das Problem an der Stelle ist halt nur: Es handelt sich um ein Projekt. Das heißt, es wird von den etlichen Tausend Betroffenen nur wenige Hundert berühren. Da, wo es dann wirklich funktioniert, müsste es in eine Maßnahme übergehen, die eigentlich zum Regelsortiment gehört. Das kann aber nicht passieren, weil auf Landesebene das Geld dafür nicht bereitgestellt wird. Die Landesebene kann das – wie mir vonseiten des Finanzsektors regelmäßig gesagt wird – aber auch gar nicht bereitstellen. Das gilt aber auch für die Bundesebene. Da ist die SPD in der Großen Koalition mit in der Regierung. Vom Bund wird das Geld also leider auch nicht zur Verfügung gestellt.
Das ist sehr ärgerlich, und das müssen Sie sich immer wieder ankreiden lassen. Wir müssen hier zu einer Änderung der Regelmaßnahmen kommen – und nicht zu einzelnen Projekten, so toll sie auch immer sein mögen. Sonst werden wir an der verfestigten Arbeitslosigkeit in NRW nichts ändern. Sie ist übrigens, wie Kollege Bischoff eben ausgeführt hat, hier in NRW – das ist völlig richtig – sehr heterogen verteilt.
Es wird dann immer mal Hotspots geben wie im Münsterland, wo, wie der Kollege Bischoff schon sagte, die Arbeitslosenquote zwischen 2 % und 4 % liegt. Es wird aber auch die Hotspots auf der anderen Seite geben – in Duisburg, Gelsenkirchen und Dortmund –, wo wir im Augenblick bei 12 % verfestigter Arbeitslosigkeit bzw. Langzeitarbeitslosigkeit liegen. Das wäre eine Änderung im System, die wir jetzt schon bräuchten.
Jetzt kommt noch hinzu, dass immer mehr Menschen – und das zu Recht – bei uns Schutz vor Krieg und Vertreibung suchen. Diese Menschen, die Geflüchteten, nehmen wir hier in Deutschland auf. Wenn ich mit den Menschen vor Ort rede, die da Hilfe leisten – egal, ob das bei Train of Hope, bei Projekten für Ankommende oder bei der Flüchtlingshilfe generell ist –, erlebe ich eine Aufnahme- bzw. Leistungsbereitschaft, die ihresgleichen sucht. Und da kippt die Stimmung auch nicht, sondern da wird weiter und gerne aufgenommen und gearbeitet. Das ist ein hervorragendes Zeichen.
Unsere Unterstützung kann aber nicht nur dahin gehen, dass die zu uns Geflüchteten hier erste Aufnahme finden und dass dies auch von der Gesellschaft gelebt wird, sondern wir müssen auch zusehen, dass wir Schwellen abbauen. Wir stellen uns da gerade selber gerade Beinchen, egal ob es diese unsinnige Vorrangprüfung ist, die wir immer noch haben, oder ob es sich um diverse Arbeitsverbote handelt, die teilweise bis zu 48 Monate dauern. Das sind vier Jahre!
Sprechen Sie einmal mit dem Jobcenter, mit der Bundesagentur für Arbeit. Da wird Ihnen ein Arbeitsvermittler sagen: Wenn Sie erst mal vier oder fünf Jahre aus Ihrer eigentlichen Profession heraus sind, können Sie gleich anfangen, einen neuen Job zu erlernen. Dann ist die Qualifikation eigentlich nicht mehr vorhanden. – Und wir nehmen diesen Menschen, die zu uns flüchten, hier die Chance, eine solche Qualifikation zu leben. Das können wir ändern. Auf Bundesebene müssen wir das ganz dringend ändern.
Es ist sehr ärgerlich, dass weiter daran festgehalten wird. Wir haben darauf – auch im Vorhinein – mehrfach hingewiesen. Es ist im Endeffekt nicht nur für die Menschen, die zu uns flüchten, eine schlimme Sache, sondern auch für unsere Gesellschaft. Wir berauben uns da einer Chance, die wir dringend nutzen sollten.
Es ist ja nicht so, dass wir in einer wachsenden Gesellschaft leben würden. Bis vor zwei Jahren wandelte hier noch das Gespenst des demografischen Wandels durch den Raum. Da wurde immer gesagt: Wir werden zwar immer älter, aber wir werden immer weniger, und immer weniger Menschen stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Oh, meine Redezeit! Die Kollegin Brand möchte auch noch reden.
(Zuruf von der CDU: Hat keiner gemerkt!)
Man könnte zu diesem Thema noch ganz viel ausführen. Ich möchte dafür plädieren, dass wir hier die Schranken gerade für geflüchtete Menschen abbauen, dass wir die Menschen nicht gegeneinander ausspielen, sondern wirklich kreativ dafür sorgen, Menschen aufnehmen zu können. Das tut den Menschen, die zu uns flüchten, gut. Und es ist eine Chance für uns als Gesellschaft und als Volkswirtschaft. Diese Chance müssen wir wahrnehmen. Helfen Sie dabei, diese Hürden abzubauen. Schaffen Sie mehr Regelsysteme, um für die Menschen und die Gesellschaft etwas Vernünftiges bzw. etwas Sinnvolles zu tun. – Vielen Dank
Zu gleich zwei Anträgen – einer von der CDU und ein Entschließungsantrag von SPD/Grünen habe ich heute mit Gebärdendolmetscherin gesprochen:
Vielen Dank.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal, auf der Zuschauertribüne und natürlich im Livestream! Wir haben bereits viele Fakten gehört. Es gibt kaum eine, eigentlich gar keine Berufsausbildung für Gebärdensprachedolmetscher im Land NRW, und das bei aktuell geschätzten 120 Gebärdensprachdolmetschern und mindestens 12.000 Menschen, die eine Hilfe für die Teilhabe an der Gesellschaft von diesen Gebärdensprachdolmetschern brauchen.
Das führt dazu, dass im normalen Leben ganz normale Termine ewig geplant werden müssen, dass selbst bei einfachen Behördengängen entweder auf diese Hilfe zurückgegriffen werden muss, die sehr schwierig zu organisieren ist, oder – das passiert ja in den meisten Fällen – auf die Mithilfe von Verwandten zurückgegriffen werden muss. Das belastet das Verhältnis zwischen den Verwandten und denjenigen, die darauf angewiesen sind. Das ist nicht sinnvoll. Ich glaube, darin sind wir uns hier einig.
Wir sind uns sicherlich auch darin einig, dass mehr Gebärdensprachdolmetscher und natürlich auch entsprechende Dozenten ausgebildet werden müssen. Der Weg dahin scheint etwas unterschiedlich bewertet zu werden. Ich nehme es an dieser Stelle vorweg: Ich rate meiner Fraktion, beiden Anträgen, dem Antrag der CDU und dem Entschließungsantrag von Rot-Grün, zuzustimmen. Letztendlich sind uns und auch den Menschen, die darauf angewiesen sind, der Briefkopf und die Farbe des Antrags völlig egal, Hauptsache, wir kommen zu einer sinnvollen Lösung.
(Beifall von den PIRATEN)
Zu einer sinnvollen Lösung – da bin ich anderer Meinung als Kollege Alda – hätte auch beigetragen, wenn wir den Antrag in den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales überwiesen hätten,
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
weil ich glaube, dass dieser Prozess nicht nur in der Gesellschaft, sondern als Spiegelbild auch im Parlament und in den Ausschüssen wichtig ist. Wir sind jetzt an einer Stelle – die Anhörung vom 18. November hat das gezeigt –, wo wir schneller zu Lösungen kommen, weil es jedem viel deutlicher geworden ist, wie wichtig das ist. Teilhabe an der Gesellschaft, egal, ob gehörlos, hörend oder taub-blind, ist eine Selbstverständlichkeit. Das stammt aus unserem Selbstverständnis. Da müssen wir nicht immer auf die UN-Behindertenrechtskonvention zurückgreifen. Ich glaube, das ist ein inzwischen von allen Menschen gelebtes Selbstverständnis. Zumindest weiß ich das von allen Fachpolitikern hier.
Es wäre also sehr sinnvoll, wenn wir zu einem Ergebnis kämen. Von der heutigen Abstimmung abgesehen, hoffe ich, dass wir diesen Weg, selbst wenn wir heute über den Antrag abstimmen und er damit aus dem parlamentarischen Bereich heraus ist, gemeinsam und lösungsorientiert gehen und nicht, um politische Geländegewinne für einzelne Fraktionen zu erzielen.
Ein Lösungsweg – das skizziert der Entschließungsantrag von Rot-Grün, ist aber auch im Antrag der CDU zu finden – ist, dass wir mehr Ausbildung brauchen. Dafür müssen wir einen Hochschulstandort finden. Wir müssen aber auch – das kommt in beiden Anträgen zu kurz; trotzdem werden wir diesen zustimmen – alle technischen Hilfsmittel, die wir heutzutage haben, dafür nutzen. Audio- und Videoübertragung sind gerade in diesem Bereich extrem wertvoll, müssen wir unbedingt mit bedenken. Ich glaube, dass wir gemeinsam zu einer sehr guten Lösung kommen können, aber dafür
müssen wir uns zusammensetzen. Deshalb bringen wir auch keinen eigenen Antrag ein.
Ich würde mich freuen, wenn wir gemeinsam etwas erreichen könnten. Es geht hier – das möchte ich noch einmal betonen – nicht um politische Geländegewinne Einzelner, sondern wir möchten eine Lösung finden, die allen bei der Teilhabe an der Gesellschaft hilft. Ich glaube, dass wir das zusammen schaffen können. Ich möchte hier keine neuen Gräben aufreißen. Das ist es nicht wert. Es ist mit einem Haushaltstitel ein kleiner Anfang gemacht worden. Das müssen wir erweitern. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir einen gemeinsamen Antrag erarbeiten können, nachdem wir das hier heute so oder so erledigt haben. – Danke schön
Jeden Montag treffen sich die Kölner Piraten und Interessierte im leckeren „Taco Loco City“. Am 30.11.2015 war die Fraktion vor Ort. Unser Abgeordneter Oliver Bayer erklärte auf der offenen Veranstaltung die Hintergründe der aktuellen Debatten im Landtag NRW und informierte u.a. zum Thema „Freifunk für Schulen und öffentliche Einrichtungen“.
Das große Thema des Tages war der Öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) mit dem Schwerpunkt „Bus und Bahn fahrscheinfrei“. Etliche Detailfragen wurden an die Fraktion aber auch an das Kölner Ratsmitglied Thomas Hegenbarth gerichtet. Dabei spielte das dichte aber verbesserungswürdige ÖPNV-Netz der Stadt Köln ebenso eine Rolle wie die Einbindung des Fahrradverkehrs und das Sozialticket.
Anschließend informierte Stefan Borggraefe zu politischen Initiativen in Witten.
Oliver Bayer:
Ich habe die gemütliche Kölner Veranstaltung als sehr diskussionsfreudig erlebt und mich über das hohe Interesse an der Fraktion und an der Verkehrspolitik gefreut.
Zurzeit wird vonseiten der Arbeitgeberverbände vielfach die Forderung geäußert die bestehende Mindestlohnregelung für Menschen die zu uns geflüchtet sind aufzuheben oder zumindest zeitweise auszusetzen.
Diese Ausnahmen vom Mindestlohn für Geflüchtete sind rundheraus abzulehnen!
Dementsprechend darf es eine Benachteiligung schlicht und einfach nicht geben. Die vorgebrachten „Gründe“, wie mangelnde Sprachkenntnis, Anpassung an die westliche Arbeitskultur, etc. werden in den bereits vorhandenen, sachlich begründeten Ausnahmen vom Mindestlohn bereits Rechnung getragen.
Dazu dürfte gerade der Erwerb der Sprachkenntnisse vor einer Einstellung stehen oder parallel zur Einstellung verlaufen. Auch die genannten Anpassungsschwierigkeiten, so es sie denn wirklich in der Form gibt, werden sich entweder im Laufe der Anstellung erledigen oder die Anstellung wird sich erledigt haben. Ein Entgelt, das unter dem Mindestlohn angesiedelt ist, wird keinen Arbeitgeber über Probleme in der Erfüllung des Arbeitsvertrages hinwegsehen lassen. Dazu ist die eingesparte Differenz viel zu gering.
Die bereits bestehenden Ausnahmen vom Mindestlohngesetz gelten, so denn der Betroffene unter die sachlichen Ausnahmen fällt, selbstverständlich auch für Geflüchtete, nachdem der Arbeitsmarktzugang denn überhaupt ermöglicht wurde.
Sollten dann noch zusätzliche Ausnahmen vom Mindestlohn on top kommen, wird den Geflüchteten das Zeichen gesendet „Ihr seid weniger wert, als die Menschen, die bereits jetzt in Deutschland leben.“ Und den Langzeitarbeitslosen in Deutschland würde damit gesagt: „Schau, da macht’s doch einer für weniger.“ Das würde genau das gegeneinander Ausspielen der Menschen befeuern, dass es zu verhindern gilt.
Das ist unredlich und zeigt, dass es den handelnden Personen nicht um Hilfe für Geflüchtete geht, sondern um nicht weniger als Kriegsgewinnlerei. Aber damit kennen sich Teile der deutschen Wirtschaft ja bestens aus.
Die Forderung nach einer weiteren Ausnahme vom Mindestlohn dient also wohl eher der weiteren Erosion des Mindestlohngesetzes und der Verfügbarmachung billiger Arbeitskräfte.
Und letztendlich ist der aktuelle Mindestlohn in den meisten Fällen nicht transferleistungsfrei. Hier werden unternehmerische Gewinne eh schon über Transferleistungen der Gesamtgesellschaft generiert.
Die absolute Mehrheit der Unternehmen in Deutschland hampelt übrigens gar nicht um die Frage des Mindestlohnes herum, sondern steht zur Sozialen Marktwirtschaft. Die Unternehmen sehen in den, zu uns geflüchteten Menschen, eine Chance für alle Seiten um das eigene Unternehmen zu stärken und gleichzeitig den Geflüchteten über den Faktor Arbeit eine Möglichkeit zur Integration zu geben. Hier wird angepackt und es wird aus einer menschlich schwierigen Situation das Beste gemacht. Das kann man zurzeit tausendfach in Deutschland beobachten, wenn man denn Unternehmen, IHKs oder HWKs besucht. Sollten die Spitzen der Arbeitgeberverbände vielleicht mal wieder tun, das mit der Basisarbeit. Bei der aktuellen Mindestlohndebatte ist von Bodenhaftung der Arbeitgeberverbände jedenfalls nichts zu bemerken.
Die Forderungen nach weiteren Ausnahmen vom Mindestlohngesetz sind abzulehnen!