Drs.: 16/14865: Bereichbetretungsverbote im Zusammenhang mit Fußballspielen

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Kleine Anfrage 5875 vom 13. April 2017 (beantwortet am 9. Mai 2017)

Im Rahmen von präventiven Maßnahmen der Sicherheitsbehörden bei Fußballspielen werden immer öfter Bereichsbetretungsverbote, auch Betretungs- oder Stadtverbote genannt, ausgesprochen. Von öffentlich verfügbaren Quellen liegen leider keine belastbaren Zahlen vor, die für eine sachliche Betrachtung der Rechtmäßigkeit, Verhältnismäßigkeit und Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen geeignet wären.
Nach Auskunft der Landesregierung berichten jedoch die nordrhein-westfälischen Kreispolizeibehörden (KPB) seit dem 18. Januar 2011 im Rahmen des standardisierten Informationsaustauschs Fußball nach jeder Fußballbegegnung der ersten vier Spielklassen an das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen (LZPD NRW) über die Anzahl der ausgesprochenen Bereichsbetretungsverbote.
Der Antwort der Landesregierung von Sachsen-Anhalt auf die Kleine Anfrage KA 7/423 von zwei sachsen-anhaltinischen Abgeordneten (Landtag von Sachsen-Anhalt, Drs. 7/830) ist zu entnehmen, das es einen Austausch, auch im einzelnen, zwischen den Polizeibehörden der einzelnen Bundesländer zu Bereichsbetretungsverboten gibt.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie vielen Personen aus Nordrhein-Westfalen sind Bereichsbetretungsverbote für Städte in anderen Bundesländern zu Auswärtsspielen ’ihrer‘ Fußballmannschaft ausgesprochen worden? (Bitte für die 1. und 2. Liga je Saison ab 2013/2014, bis Dez. 2016, und nach Herkunftslandkreis und Vereinspräferenz aufschlüsseln)
  2. Wie viele Bereichsbetretungsverbote wurden in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen? (Bitte je Saison und Liga ab 2013/2014, bis Dez. 2016, und nach Herkunftslandkreis und Vereinspräferenz aufschlüsseln)
  3. Wie viele angedachte Bereichsbetretungsverbote wurden nach einer Anhörung nicht ausgesprochen? (Bitte je Saison und Liga ab 2013/2014, bis Dez. 2016 aufschlüsseln)
  4. Wie viele Bereichsbetretungsverbote wurden durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben bzw. auf anderem Weg für rechtswidrig erklärt? (Bitte je Saison und Liga ab 2013/2014, bis Dez. 2016 aufschlüsseln)
  5. Welche Voraussetzungen müssen sowohl für die Umsetzung der erteilten wie auch der vollzogenen Bereichsbetretungsverbote in Nordrhein-Westfalen erfüllt sein? (bitte nennen Sie die Rechtsgrundlagen)

Anfrage als PDF: MMD16-14865.pdf

 

Antwort der Landesregierung

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5875 mit Schreiben vom 9. Mai 2017 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie vielen Personen aus Nordrhein-Westfalen sind Bereichsbetretungsverbote für Städte in anderen Bundesländern zu Auswärtsspielen ’ihrer‘ Fußballmannschaft ausgesprochen worden? (Bitte für die 1. und 2. Liga je Saison ab 2013/2014, bis Dez. 2016, und nach Herkunftslandkreis und Vereinspräferenz aufschlüsseln)
    Zu Maßnahmen außerhalb des eigenen Geschäftsbereichs nimmt die Landesregierung keine Stellung.
  2. Wie viele Bereichsbetretungsverbote wurden in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen? (Bitte je Saison und Liga ab 2013/2014, bis Dez. 2016, und nach Herkunftslandkreis und Vereinspräferenz aufschlüsseln)
    Die Anzahl der von nordrhein-westfälischen Polizeibehörden aus Anlass von Fußballspielen der Bundesliga und der 2. Bundesliga festgesetzte Bereichsbetretungsverbote ist der nachfolgenden tabellarischen Übersicht zu entnehmen.

    Saison 2013/14 Saison 2014/15 Saison 2015/16 Saison 2016/17
    (bis Dezember 2016)
    Bundesliga 633 811 978 142
    2. Bundesliga 422 85 366 231
  3. Wie viele angedachte Bereichsbetretungsverbote wurden nach einer Anhörung nicht ausgesprochen? (Bitte je Saison und Liga ab 2013/2014, bis Dez. 2016 aufschlüsseln)
    Diese Daten werden landesweit statistisch nicht erfasst.
  4. Wie viele Bereichsbetretungsverbote wurden durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben bzw. auf anderem Weg für rechtswidrig erklärt? (Bitte je Saison und Liga ab 2013/2014, bis Dez. 2016 aufschlüsseln)
    Diese Daten werden landesweit statistisch nicht erfasst.
  5. Welche Voraussetzungen müssen sowohl für die Umsetzung der erteilten wie auch der vollzogenen Bereichsbetretungsverbote in Nordrhein-Westfalen erfüllt sein? (bitte nennen Sie die Rechtsgrundlagen)
    Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Bereichsbetretungsverbotes sind im § 34 Abs. 2 Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen geregelt.

Antwort als PDF: MMD16-15031.pdf

Kein OpenData-Gesetz in NRW

Veröffentlicht am von unter Frank Herrmann, Open Government/-Data, Persönliche Blogposts.

Es war die letzte Möglichkeit in dieser Legislatur. Nachdem Anfang März endgültig klar war, das es von rot/grün kein Transparenzgesetz in Nordrhein-Westfalen mehr geben wird, hat die Piratenfraktion noch ein Mini-Gesetz vorgelegt, mit dem drei Änderungen am bestehenden Informationsfreiheitsgesetz, kurz IFG NRW, umgesetzt werden sollten. Das Gesetz zur Harmonisierung und Stärkung des Informationsfreiheitsrechts und Zugang zu maschinenlesbaren Daten (OpenData-Gesetz) wurde am Freitag, 7. April 2017, in 2. Lesung von SPD, Bündnis90/Die Grünen, CDU und FDP im Landtag abgelehnt.
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TOP 7 – 07.04.2017 – LT NRW – Akkreditierung von Studiengängen – oder: Bologna ist Mist!

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Meine Rede zu TOP 7 am 7. April 2017 System zur Akkreditierung von Studiengängen auf sichere Rechtsgrundlage stellen und weiterentwickeln – Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/14660

Aus dem Plenarprotokoll: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Angela Freimuth. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Was wäre ein gutes Musikstück ohne Kontrapunkt? Der Kontrapunkt macht die Sache erst richtig rund.

Aber bevor ich dazu komme, möchte ich mich bei den Ausschusskollegen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit, für die harte – teilweise sehr harte – Auseinandersetzung in den Sachen und bei Frau Ministerin und den Mitarbeitern für ihr stetes Ringen um die Transparenz der Darstellung, gerade auch was diesen Prozess angeht, ganz herzlich bedanken.

Gleichwohl sind wir Piraten der Ansicht, dass wir uns heute nur deshalb über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterhalten müssen, weil sich der Bologna-Prozess als eine der Grundursachen für die Verschulung von Studiengängen herausgestellt hat.

(Beifall von den PIRATEN)

Die im Antrag von Rot-Grün hervorgehobene Kritik der Unstudierbarkeit und der fehlenden Mobilität teilen wir ausdrücklich. Die Umstellung auf das Bachelor-/Mastersystem ist in keinem anderen europäischen Land so angegangen worden wie in Deutschland. Man kann jetzt sagen, das mag ein Stück weit an der sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit liegen; jedoch wurde eine komplette Generation als Versuchsobjekt für feuchte neoliberale Ranking- und Messbarkeitsträume verschlissen.

(Beifall von den PIRATEN)
Die Überfrachtung von Studiengängen war über Jahre hinweg ein Teil der Kritik von Studierenden. Auch wenn diese Kritik leiser geworden ist, da sich die Studierenden mit dem System arrangieren mussten, ist die grundsätzliche Kritik immer noch allgegenwärtig; denn ein Studium ist immer auch ein weiterer Persönlichkeitsfindungsprozess – jetzt eben in der Adoleszenzphase eines Menschen –, und das nicht nur berufsbezogen.

Wir alle wissen das nur zu genau. Die meisten von uns Älteren haben die nötige Zeit gehabt, um ihren Horizont im Studium zu erweitern. Ob alle von uns davon Gebrauch gemacht haben, fragen Sie mich bitte nicht. Das vermag ich nicht zu beurteilen.

Wir verknappen heute diese Zeit auf Regelstudienzeiten und messen die Qualität anhand von Kriterien wie Credit Points und Employability. Das ist ein massiver innovationsfeindlicher An-schlag auf die Bildungs- und Wissenschaftsfreiheit. Wir verlangen jungen Menschen ab, dass sie sich nach drei Jahren Studium im Alter von 20 bis 21 Jahren auf so viele Erfahrungen berufen können wie Menschen, die bereits seit zehn Jahren im Beruf sind.

Wie soll das, bitte schön, funktionieren? Das ist absurd und grenzt an verordnete Bulimie, an den alten Trichter aus Nürnberg. So kommentierte Jürgen Kaube bereits 2015 in der „FAZ“ – ich zitiere:

„Heute aber verlässt nach Zahlen des Deutschen Hochschulverbandes jeder dritte Student vor dem ersten Abschluss die Universität. Zwei von fünf, die für Mathematik oder Naturwissenschaften eingeschrieben sind, bleiben ebenfalls ohne Bachelorabschluss. In den Sozialwissenschaften sowie in Jura und Ökonomie schließt jeder Vierte nicht ab. Politik bedeutet ja auch, sich auf keinen Fall mit den eigenen Entscheidungen blamieren zu wollen. Folglich mussten die Hochschulen für das Scheitern von Bologna verantwortlich gemacht werden. Man habe, heißt es seit einiger Zeit, wenn die Mängel nicht mehr weggeredet werden können, vielerorts Bologna schlecht umgesetzt. Dass die völlig überflüssigen und noch dazu teuren Akkreditierungsagenturen überall all die Studiengänge offiziell für gut und ‚studierbar‘ befunden haben, die jetzt von so vielen Studenten abgebrochen werden, passt dazu allerdings nicht.“

Und das vor dem Hintergrund, dass uns Intelligenzforscher bescheinigen, dass der durchschnittliche IQ in den letzten Jahren weiter gestiegen ist. Hier liegt für uns der Knackpunkt. Diese Agenturen sind unserer Meinung nach überflüssig. Die Qualitätssicherung kann die Wissenschaft selbst übernehmen, und zwar unter maßvoller Aufsicht des Landes.

Dass dieser Webfehler trotz – ich sag es mal so – Klatsche durch das Bundesverfassungsgericht nach unserer Auffassung jetzt nicht wirklich korrigiert worden ist, zeigt dieser Antrag. Er gehört ein bisschen in die Kategorie wie die Ihrer Haltung zu G8 und G9. Fehler können nur dann wirklich korrigiert werden, wenn man auch den Mut dazu hat.

Wir lehnen diesen Antrag ab. Befreien Sie sich doch mal und sprechen mir einfach mal nach, was viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Parlamentarier aller Fraktion seit Jahren hinter vorgehaltener Hand immer wieder sagen. Sprechen Sie mit mir mit: „Bologna ist Mist!“ – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Paul – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze.

TOP 7 – 07.04.2017 – LT NRW – Akkreditierung von Studiengängen – oder: Bologna ist Mist!

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Meine Rede zu TOP 7 am 7. April 2017 System zur Akkreditierung von Studiengängen auf sichere Rechtsgrundlage stellen und weiterentwickeln – Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/14660

Aus dem Plenarprotokoll: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Angela Freimuth. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Was wäre ein gutes Musikstück ohne Kontrapunkt? Der Kontrapunkt macht die Sache erst richtig rund.

Aber bevor ich dazu komme, möchte ich mich bei den Ausschusskollegen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit, für die harte – teilweise sehr harte – Auseinandersetzung in den Sachen und bei Frau Ministerin und den Mitarbeitern für ihr stetes Ringen um die Transparenz der Darstellung, gerade auch was diesen Prozess angeht, ganz herzlich bedanken.

Gleichwohl sind wir Piraten der Ansicht, dass wir uns heute nur deshalb über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterhalten müssen, weil sich der Bologna-Prozess als eine der Grundursachen für die Verschulung von Studiengängen herausgestellt hat.

(Beifall von den PIRATEN)

Die im Antrag von Rot-Grün hervorgehobene Kritik der Unstudierbarkeit und der fehlenden Mobilität teilen wir ausdrücklich. Die Umstellung auf das Bachelor-/Mastersystem ist in keinem anderen europäischen Land so angegangen worden wie in Deutschland. Man kann jetzt sagen, das mag ein Stück weit an der sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit liegen; jedoch wurde eine komplette Generation als Versuchsobjekt für feuchte neoliberale Ranking- und Messbarkeitsträume verschlissen.

(Beifall von den PIRATEN)
Die Überfrachtung von Studiengängen war über Jahre hinweg ein Teil der Kritik von Studierenden. Auch wenn diese Kritik leiser geworden ist, da sich die Studierenden mit dem System arrangieren mussten, ist die grundsätzliche Kritik immer noch allgegenwärtig; denn ein Studium ist immer auch ein weiterer Persönlichkeitsfindungsprozess – jetzt eben in der Adoleszenzphase eines Menschen –, und das nicht nur berufsbezogen.

Wir alle wissen das nur zu genau. Die meisten von uns Älteren haben die nötige Zeit gehabt, um ihren Horizont im Studium zu erweitern. Ob alle von uns davon Gebrauch gemacht haben, fragen Sie mich bitte nicht. Das vermag ich nicht zu beurteilen.

Wir verknappen heute diese Zeit auf Regelstudienzeiten und messen die Qualität anhand von Kriterien wie Credit Points und Employability. Das ist ein massiver innovationsfeindlicher An-schlag auf die Bildungs- und Wissenschaftsfreiheit. Wir verlangen jungen Menschen ab, dass sie sich nach drei Jahren Studium im Alter von 20 bis 21 Jahren auf so viele Erfahrungen berufen können wie Menschen, die bereits seit zehn Jahren im Beruf sind.

Wie soll das, bitte schön, funktionieren? Das ist absurd und grenzt an verordnete Bulimie, an den alten Trichter aus Nürnberg. So kommentierte Jürgen Kaube bereits 2015 in der „FAZ“ – ich zitiere:

„Heute aber verlässt nach Zahlen des Deutschen Hochschulverbandes jeder dritte Student vor dem ersten Abschluss die Universität. Zwei von fünf, die für Mathematik oder Naturwissenschaften eingeschrieben sind, bleiben ebenfalls ohne Bachelorabschluss. In den Sozialwissenschaften sowie in Jura und Ökonomie schließt jeder Vierte nicht ab. Politik bedeutet ja auch, sich auf keinen Fall mit den eigenen Entscheidungen blamieren zu wollen. Folglich mussten die Hochschulen für das Scheitern von Bologna verantwortlich gemacht werden. Man habe, heißt es seit einiger Zeit, wenn die Mängel nicht mehr weggeredet werden können, vielerorts Bologna schlecht umgesetzt. Dass die völlig überflüssigen und noch dazu teuren Akkreditierungsagenturen überall all die Studiengänge offiziell für gut und ‚studierbar‘ befunden haben, die jetzt von so vielen Studenten abgebrochen werden, passt dazu allerdings nicht.“

Und das vor dem Hintergrund, dass uns Intelligenzforscher bescheinigen, dass der durchschnittliche IQ in den letzten Jahren weiter gestiegen ist. Hier liegt für uns der Knackpunkt. Diese Agenturen sind unserer Meinung nach überflüssig. Die Qualitätssicherung kann die Wissenschaft selbst übernehmen, und zwar unter maßvoller Aufsicht des Landes.

Dass dieser Webfehler trotz – ich sag es mal so – Klatsche durch das Bundesverfassungsgericht nach unserer Auffassung jetzt nicht wirklich korrigiert worden ist, zeigt dieser Antrag. Er gehört ein bisschen in die Kategorie wie die Ihrer Haltung zu G8 und G9. Fehler können nur dann wirklich korrigiert werden, wenn man auch den Mut dazu hat.

Wir lehnen diesen Antrag ab. Befreien Sie sich doch mal und sprechen mir einfach mal nach, was viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Parlamentarier aller Fraktion seit Jahren hinter vorgehaltener Hand immer wieder sagen. Sprechen Sie mit mir mit: „Bologna ist Mist!“ – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Paul – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze.

Ich fordere das Ende der Utopielosigkeit in der Politik!

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Erst wenn der letzte Braunkohlebagger das Rheinische Revier verlassen hat; erst wenn die Folgekosten des Braunkohletagebaus mal ausgerechnet sind; werdet Ihr merken, dass es nicht Glücklich macht, 40 Jahre lang Wasser in ein Loch laufen zu lassen. Wenn sich Politiker und Wirtschaftsvertreter darüber Gedanken machen, wie die Welt von Morgen aussehen könnte, dann sind selbst […]

TOP 13 – 06.04.2017 – LT NRW – „Selbstentmachtung ist Landesverrat!“ – Pirat Nico Kern zur Schuldenbremse

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Ein weiterer Beitrag aus der Reihe „Sternstunden des Parlamentarismus“, Nico Kerns wunderbare Rede zu TOP 13 am 06. April 2017 – Viertes Gesetz zur Änderung der Landeshaushaltsordnung – Umsetzung der grundgesetzlichen Schuldenregel in das nordrhein-westfälische Landesrecht

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/13315
Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/14686
Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/14760 – Neudruck
Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 16/14792
zweite Lesung

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Witzel. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Kern.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden jetzt Zeuge eines äußerst seltenen Vorgangs werden. Ich werde als Pirat die Worte eines CDU-Politikers loben. Das Zitat bezieht sich auf die Einführung der Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 Grundgesetz und lautet:

„Die CDU-Fraktion ist mit allen anderen Fraktionen … darin einig, dass ein derartiges Verbot nicht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland für die Länder … normiert werden kann. Landtagspräsident … hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Föderalismuskommission verabsäumt wurde, den Ländern eigene steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen.“

Weiter:

„Können die Landtage jedoch bei den Einnahmen nichts bewirken, dann kann der Bund uns auf der Ausgabeseite auch keine restriktiven Vorgaben machen. Alles andere liefe … auf eine Kastration der Landtage hinaus.“

Erst hier endet das Zitat. Dies ist ein Zitat des schleswig-holsteinischen Fraktionsvorsitzenden der CDU aus einer Landtagsdebatte von 2009. Dem stimmte damals auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, ein gewisser Ralf Stegner, zu. In derselben Debatte sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Kubicki – Zitat –:

„Erstens darf die Ausgestaltung des Schuldenverbots nicht zu starr sein. Das heißt, eine Verschuldung für Investitionen muss aus der Sicht der FDP-Fraktion möglich sein.“
In der Debatte über den Antrag stimmten übrigens alle Fraktionen, auch die Grünen, darin überein, dass eine im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse unzulässig in die Souveränität des Landes eingreift und daher verfassungswidrig ist.

(Beifall von den PIRATEN)

Alle Argumente gelten auch in der hier und heute stattfindenden Diskussion über die Schuldenbremse in NRW. Doch davon wollen Sie alle nichts wissen. Sie, liebe Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP überlassen ab dem Jahr 2020 wichtige Investitionsentscheidungen lieber den Finanzinvestoren und Renditejägern; denn die durch die Schuldenbremse entstehende Investitionslücke kann doch nur durch renditegetriebene Privatinvestoren gefüllt werden. Die Einführung der Schuldenbremse im Bund und Ländern wirkt somit wie ein Gaspedal für Privatisierungen und ÖPP-Projekte. Dabei machen wir Piraten nicht mit.

(Beifall von den PIRATEN – Stefan Zimkeit [SPD]: Wenn es in der Verfassung steht!)

Was dabei herauskommt, hat der Bundesrechnungshof bereits ausführlich dokumentiert: Der Bürger zahlt immer drauf – immer.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Wir haben einen großen Fehler im Grundgesetz!)

Mit ÖPP wird es immer teurer – teurer, als wenn die öffentliche Hand direkt investiert. Ich sage Ihnen voraus, dass die ÖPP-Projekte das Missmanagement beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW noch in den Schatten stellen werden. Wie beim BLB wird dem Landtag nur noch übrig bleiben, mittels Untersuchungsausschüssen dem Missmanagement hinterherzuräumen. Vom Primat der Politik wird dann nicht mehr viel übrig bleiben.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das gehört dazu!)

Die Schuldenbremse ist daher nichts anderes als parlamentarische Untreue am Staatsvermögen.

(Zuruf von der CDU: So ein Blödsinn!)

Nichtstun ist Machtmissbrauch, sagt die FDP. Ich sage: Selbstentmachtung ist Landesverrat.

(Beifall von den PIRATEN – Stefan Zimkeit [SPD]: Da will einer unbedingt zum Schluss noch in die Zeitung kommen!)

Es wird gerne behauptet, man müsse aufgrund der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse diese auch auf der Landesebene regeln, um noch einen haushaltspolitischen Spielraum in Notsituationen zu haben. Tatsache ist, Art. 109 Abs. 3 Grundgesetz ist einer der größten verfassungsrechtlichen Fehlgriffe des Bundesgesetzgebers. Die Eigenständigkeit der Länder ist vor Zugriffen des Bundes durch das Prinzip der Bundesstaatlichkeit geschützt. Es kann auch nicht mit einer Zweidrittelmehrheit ausgehebelt werden.

Somit hat die Schuldenbremse im Grundgesetz für NRW auch keine Geltung. Darum ist es den Befürwortern der Schuldenbremse ja auch so immens wichtig, sie in der Landesverfassung zu verankern. Aber keine Sorge: So, wie die politischen Mehrheiten hier sind, wird auch eine einfachgesetzliche Verankerung über Jahre in NRW Bestand haben. Wenn es der SPD tatsächlich um soziale Gerechtigkeit ginge, dann würde sie gegen die Schuldenbremse in Karlsruhe klagen. Aber so landet die soziale Gerechtigkeit mit der SPD und dem Schulz-Zug mal wieder auf dem Abstellgleis.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Ich komme zum Schluss. Mit dem heutigen Beschluss unterschreiben Sie Ihr eigenes Entlassungsschreiben und stellen sich ein politisches Armutszeugnis aus. Wir Piraten lehnen als einzige Fraktion die Schuldenbremse grundsätzlich ab.

(Christian Möbius [CDU]: Die ist aber da!)

Die Begründung können Interessierte gern noch einmal ausführlich in unserem Entschließungsantrag Drucksache 16/14760 nachlesen. Wir werden Ihr Gesetz ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Nun hat sich der fraktionslose Abgeordnete Herr Schulz gemeldet.

TOP 13 – 06.04.2017 – LT NRW – „Selbstentmachtung ist Landesverrat!“ – Pirat Nico Kern zur Schuldenbremse

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Ein weiterer Beitrag aus der Reihe „Sternstunden des Parlamentarismus“, Nico Kerns wunderbare Rede zu TOP 13 am 06. April 2017 – Viertes Gesetz zur Änderung der Landeshaushaltsordnung – Umsetzung der grundgesetzlichen Schuldenregel in das nordrhein-westfälische Landesrecht

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/13315
Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/14686
Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/14760 – Neudruck
Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 16/14792
zweite Lesung

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Witzel. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Kern.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden jetzt Zeuge eines äußerst seltenen Vorgangs werden. Ich werde als Pirat die Worte eines CDU-Politikers loben. Das Zitat bezieht sich auf die Einführung der Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 Grundgesetz und lautet:

„Die CDU-Fraktion ist mit allen anderen Fraktionen … darin einig, dass ein derartiges Verbot nicht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland für die Länder … normiert werden kann. Landtagspräsident … hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Föderalismuskommission verabsäumt wurde, den Ländern eigene steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen.“

Weiter:

„Können die Landtage jedoch bei den Einnahmen nichts bewirken, dann kann der Bund uns auf der Ausgabeseite auch keine restriktiven Vorgaben machen. Alles andere liefe … auf eine Kastration der Landtage hinaus.“

Erst hier endet das Zitat. Dies ist ein Zitat des schleswig-holsteinischen Fraktionsvorsitzenden der CDU aus einer Landtagsdebatte von 2009. Dem stimmte damals auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, ein gewisser Ralf Stegner, zu. In derselben Debatte sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Kubicki – Zitat –:

„Erstens darf die Ausgestaltung des Schuldenverbots nicht zu starr sein. Das heißt, eine Verschuldung für Investitionen muss aus der Sicht der FDP-Fraktion möglich sein.“
In der Debatte über den Antrag stimmten übrigens alle Fraktionen, auch die Grünen, darin überein, dass eine im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse unzulässig in die Souveränität des Landes eingreift und daher verfassungswidrig ist.

(Beifall von den PIRATEN)

Alle Argumente gelten auch in der hier und heute stattfindenden Diskussion über die Schuldenbremse in NRW. Doch davon wollen Sie alle nichts wissen. Sie, liebe Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP überlassen ab dem Jahr 2020 wichtige Investitionsentscheidungen lieber den Finanzinvestoren und Renditejägern; denn die durch die Schuldenbremse entstehende Investitionslücke kann doch nur durch renditegetriebene Privatinvestoren gefüllt werden. Die Einführung der Schuldenbremse im Bund und Ländern wirkt somit wie ein Gaspedal für Privatisierungen und ÖPP-Projekte. Dabei machen wir Piraten nicht mit.

(Beifall von den PIRATEN – Stefan Zimkeit [SPD]: Wenn es in der Verfassung steht!)

Was dabei herauskommt, hat der Bundesrechnungshof bereits ausführlich dokumentiert: Der Bürger zahlt immer drauf – immer.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Wir haben einen großen Fehler im Grundgesetz!)

Mit ÖPP wird es immer teurer – teurer, als wenn die öffentliche Hand direkt investiert. Ich sage Ihnen voraus, dass die ÖPP-Projekte das Missmanagement beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW noch in den Schatten stellen werden. Wie beim BLB wird dem Landtag nur noch übrig bleiben, mittels Untersuchungsausschüssen dem Missmanagement hinterherzuräumen. Vom Primat der Politik wird dann nicht mehr viel übrig bleiben.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das gehört dazu!)

Die Schuldenbremse ist daher nichts anderes als parlamentarische Untreue am Staatsvermögen.

(Zuruf von der CDU: So ein Blödsinn!)

Nichtstun ist Machtmissbrauch, sagt die FDP. Ich sage: Selbstentmachtung ist Landesverrat.

(Beifall von den PIRATEN – Stefan Zimkeit [SPD]: Da will einer unbedingt zum Schluss noch in die Zeitung kommen!)

Es wird gerne behauptet, man müsse aufgrund der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse diese auch auf der Landesebene regeln, um noch einen haushaltspolitischen Spielraum in Notsituationen zu haben. Tatsache ist, Art. 109 Abs. 3 Grundgesetz ist einer der größten verfassungsrechtlichen Fehlgriffe des Bundesgesetzgebers. Die Eigenständigkeit der Länder ist vor Zugriffen des Bundes durch das Prinzip der Bundesstaatlichkeit geschützt. Es kann auch nicht mit einer Zweidrittelmehrheit ausgehebelt werden.

Somit hat die Schuldenbremse im Grundgesetz für NRW auch keine Geltung. Darum ist es den Befürwortern der Schuldenbremse ja auch so immens wichtig, sie in der Landesverfassung zu verankern. Aber keine Sorge: So, wie die politischen Mehrheiten hier sind, wird auch eine einfachgesetzliche Verankerung über Jahre in NRW Bestand haben. Wenn es der SPD tatsächlich um soziale Gerechtigkeit ginge, dann würde sie gegen die Schuldenbremse in Karlsruhe klagen. Aber so landet die soziale Gerechtigkeit mit der SPD und dem Schulz-Zug mal wieder auf dem Abstellgleis.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Ich komme zum Schluss. Mit dem heutigen Beschluss unterschreiben Sie Ihr eigenes Entlassungsschreiben und stellen sich ein politisches Armutszeugnis aus. Wir Piraten lehnen als einzige Fraktion die Schuldenbremse grundsätzlich ab.

(Christian Möbius [CDU]: Die ist aber da!)

Die Begründung können Interessierte gern noch einmal ausführlich in unserem Entschließungsantrag Drucksache 16/14760 nachlesen. Wir werden Ihr Gesetz ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Nun hat sich der fraktionslose Abgeordnete Herr Schulz gemeldet.

TOP 1 – 06.04.2017 – LT NRW Voraussschauende Wirtschaftspolitik …

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Meine Rede zu TOP 1 am 6. April 2017 – Vorausschauende Wirtschaftspolitik fortsetzen. Starker Standort NRW! – Unterrichtung durch die Landesregierung

Aus dem Plenarprotokoll: Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Lieber Herr Präsident! Danke für die netten einleitenden Worte. Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich hoffe, ich werde gegen Ende meiner Rede noch ein paar versöhnliche Worte finden. Ich möchte mich auch ganz persönlich bei Reiner Priggen bedanken. Damals als frischgebackener Fraktionsvorsitzender im Ältestenrat hat er es mir ein Stück weit leicht gemacht.

Die Landesregierung hat heute Auskunft darüber gegeben, wie sich Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren wirtschaftlich entwickelt hat. Der Wirtschaftsminister hat Zahlen genannt, auf Indikatoren hingewiesen, die Initiativen der Landesregierung in der Vergangenheit aufgezählt und darauf abgestellt, was man in Zukunft tun sollte.

Richtig ist, dass sich Nordrhein-Westfalen in einem Wandlungsprozess befindet – „wieder einmal“ kann man sagen, oder besser: immer noch. Denn NRW ist fast schon ein Synonym für Wandel. Es gab die Kohle- und Stahlkrise in den 60ern und 70ern, und auch die Textilindustrie hat sich aus dem Bergischen Land und anderen Regionen zurückgezogen. Auch der Fahrzeugbau, die Elektrotechnik und die Chemieindustrie haben heftige Einbrüche erlebt.

Das ist alles nicht neu. Die betroffenen Regionen leiden aber noch immer unter den verloren gegangenen Arbeitsplätzen. Und nun kommt auch noch die Digitale Revolution, die alte Qualifikationen entwertet, neue Kompetenzen einfordert und manchmal disruptiv die Strukturen im Land auf den Kopf stellt.

Richtig ist außerdem, dass die Industrieproduktion entgegen dem Bundestrend in NRW seit dem Jahr 2011 gesunken ist. Auch der Auftragseingang der Industrie ist rückläufig. Das zeigen die offiziellen Zahlen des Jahreswirtschaftsberichts 2017. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes in Nordrhein-Westfalen liegt inzwischen unter dem Bundesdurchschnitt, und damit hat unser Land zu kämpfen.

Das ist die Realität, der wir uns stellen müssen. Da hilft auch keine Schönrednerei. Das sind schmerzhafte Einsichten, aber umso wichtiger ist es, dafür Verantwortung zu übernehmen. Aber das wollen Sie anscheinend nicht. Ich sage stattdessen: Wir müssen endlich die Ärmel hochkrempeln; denn gerade in Zeiten der Digitalisierung brauchen wir dringend eine Runderneuerung der Wirtschaft. Dabei helfen ganz sicher keine megaherzigen Regierungserklärungen.

Kein anderer Wirtschaftsbereich steht besser für den Wandel als die Start-ups. Was ist da die Bilanz von Rot-Grün nach fünf Jahren? – Ich zitiere den Jahreswirtschaftsbericht 2017:

„Mehr als 400 junge Unternehmen im Bereich der Internetwirtschaft sind ein Beleg für das positive Gründerklima.“

An diesem Beispiel zeigt sich wieder einmal, wie unterschiedlich die Zahlen bewertet werden. Sie sagen: 400 Start-ups sind gut. – Wir sagen: Wenn fast 18 Millionen Bürger gerade einmal 400 Start-ups gründen – also rechnerisch nur ein Start-up auf 40.000 Bürger kommt –, dann läuft etwas so nicht ganz richtig in unserem Land. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass die tollen Menschen in Nordrhein-Westfalen noch viel mehr gute Ideen haben und das brachliegende Potential noch größer ist – aber auch, dass die Hürden größer sind als gedacht. Hier muss die zukünftige Landesregierung noch stärkere Akzente setzen als bisher.

Wenn wir schon über Wirtschaft reden, müssen wir auch über die Kreativen reden. Die Kultur- und Kreativwirtschaft erwirtschaftet eine Bruttowertschöpfung von 18,5 Milliarden € – so viel, wie der Kraftfahrzeugbau und die chemische Industrie zusammen in Nordrhein-Westfalen. Dabei sind in der Kultur- und Kreativbranche mehr Erwerbstätige beschäftigt als im Kraftfahrzeugbau, in der chemischen Industrie und der Energiewirtschaft zusammengerechnet. Da ist noch sehr viel mehr möglich.

Der wichtigste Teilmarkt der Kultur- und Kreativwirtschaft ist die Softwareindustrie inklusive der Games-Industrie. Obwohl Nordrhein-Westfalen mit der Gamescom jedes Jahr Magnet für das internationale Fachpublikum ist, liegt das Umsatzvolumen der Branche weit unter dem Bundestrend. Das kann nicht sein, das muss sich ändern! Wir Piraten haben deshalb in der Vergangenheit Haushaltsänderungsanträge gestellt, um hier das Potenzial besser auszuschöpfen.

Meine Damen und Herren, wie gehen wir die wirtschaftspolitischen Probleme in unserem Land an? – Brauchen wir etwa möglicherweise – ich habe da so etwas läuten hören – mehr nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik? Muss der Umweltschutz zurückgeschraubt, müssen Standards gesenkt, Unternehmen entlastet werden, damit es Nordrhein-Westfalen wieder gutgeht, wie es die CDU und die FDP immer wieder suggerieren? – Die Antwort ist ein klares „Nein“. Die Lösung im Klein-Klein zwischen Landeswassergesetz und Tariftreuevergabegesetz zu suchen, geht völlig an der Realität vorbei.

Da gibt es weltweit die Rahmenbedingungen des 21. Jahrhunderts. Die müssen von der Politik gesehen und konstruktiv umgesetzt werden – auch in Nordrhein-Westfalen.

Die politische Bildsprache auf Wahlplakaten ist ja manchmal unfreiwillig verräterisch. Ich bin vor Kurzem an einem FDP-Plakat vorbeigefahren, auf dem der Kollege Lindner frisch beflaumt und gefotoshopt so angestrengt-engagiert schräg nach links unten blickt. Ein Küchentisch-Psychologe hat einmal versucht, mir zu erklären, dass zwanghafte Ordnungsfanatiker beim Nachdenken so dreinblicken würden. Bei „Raumschiff Enterprise“ war es immer Scotty, der so geguckt hat, wenn der Warp-Antrieb kaputt war. Aber da macht Herr Lindner ein Gesicht, als hätte man ihm gerade die wirtschaftspolitische Glaskugel geklaut.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
– Es geht wirtschaftspolitisch aber nicht um Glaskugeln und Marktesoterik, lieber Kollege Brockes, sondern darum, den aktuellen Rahmenbedingungen unserer Welt auch in Nord-rhein-Westfalen konstruktiv zu begegnen. Die aktuellen Rahmenbedingungen sind aktuell gut: Die Zinsen sind niedrig, der Ölpreis auch – noch. Woran es mangelt, sind Investitionen – nicht zuletzt öffentliche. Zu diesem Ergebnis kommt auch das Bundeswirtschaftsministerium.

Es war ein Fehler der letzten zwei Jahrzehnte, von der Substanz zu leben und nicht mehr ausreichend in die Infrastruktur zu investieren. Die Brücken bröckeln, die Schulen sind marode, Datenpakete werden durch Kupferleitungen aus den Achtzigern gepresst. Das müssen wir ändern. All diese Versäumnisse der letzten Jahre gilt es aufzuholen. Gleichzeitig muss das Land fit gemacht werden für die Digitalisierung. Das gibt es aber nicht zum Nulltarif. So ehrlich müssen wir den Menschen gegenüber schon sein.

Es gibt viele Beispiele für volkswirtschaftlich lohnende Investitionen, zum Beispiel in die Bildung, nicht zuletzt um Schulen – auch berufsbildende Schulen sowie Hochschulen – für die Digitalisierung fitzumachen. Aber auch eine wirkliche Investitionsoffensive in Glasfasernetze bringt das Land voran. Da die geförderten Netze in kommunaler Hand verbleiben, werden sie verpachtet und refinanzieren sich selbst.

So geht doch eine vorausschauende Wirtschaftspolitik. Denn wie sich früher Wohlstand und Arbeitsteilung entlang der Flüsse und Handelsstraßen ausgebreitet haben, sind es heute die Datenströme, die zählen. Bislang aber durchziehen nur kleine, extrem zähfließende Datenadern das Land: Bits und Bytes auf dem Feldweg. Das muss sich ändern.

Wir Piraten haben dazu ausgiebige Vorschläge vorgelegt. Die digitale Spaltung in Stadt und Land muss überwunden werden, und es müssen ultraschnelle Glasfaserleitungen verlegt werden. Insbesondere weil NRW im Strukturwandel steht, müssen wir hier der Impulsgeber sein. Während Wirtschaftsminister Duin noch oft von marktgetriebenem Ausbau redet, ist Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, schon weiter und drängt zur Eile. – Zitat aus der „FAZ“ vom 14. März 2017:

„Wir können den Breitbandausbau nicht vertagen, bis Nachfrage und Zahlungsbereitschaft für die Investitionen ausreichen. Dann würden wir das Kostbarste aufs Spiel setzen, was in der digitalen Welt gibt, nämlich Zeit.“

Sie sehen: Da ist ein Paradigmenwechsel notwendig. Machen Sie den Breitbandausbau zur Aufgabe einer öffentlichen Daseinsvorsorge.

Im Übrigen wurden die Kosten für ein flächendeckendes Glasfasernetz in NRW in einer Studie der NRW.Bank auf rund 8,6 Milliarden € beziffert. Das hört sich, wenn man in kurzen Zeiträumen denkt, so an, als sei das recht viel. In einem Abschreibungszeitraum von 20 Jahren sind das 2 € pro Bürger und Monat. Das ist also machbar.

Aber überall, wo wir mehr Geld fordern, muss es auch sauber zugehen. Auch der Wirtschaftsminister muss das im eigenen Haus tun und gut wirtschaften. Wir Piraten haben eine parlamentarische Initiative angestoßen, damit mit all den politischen Leuchtturmprojekten, mit unter Verschluss gehaltenen Gutachten, mit den Auftragsevaluierungen, die komischerweise immer positiv ausfallen, und mit den Rügen des Landesrechnungshofes endlich Schluss ist.

Wir wollen eine transparente Wirkungsanalyse, damit die Menschen in unserem Land sehen können, ob ihre Steuergelder sinnvoll eingesetzt wurden. Das haben Sie verhindert. Warum Ihnen die Transparenz da unangenehm ist, werden Sie wohl selbst am besten wissen. Wir verstehen das nicht.

Wir müssen also investieren – im Gegensatz zur Politik dieser Landesregierung, die nur 2,2 % der Gesamtausgaben in investive Projekte leitet und damit den vorletzten Platz im Bundesländervergleich belegt. Politik soll gestalten und Probleme lösen. Das ist unser Grundverständnis.

Wer aber den Gestaltungsspielraum der Politik im Namen einer Austeritätspolitik gefährlich einschränkt und die Schuldenbremse beschließt – das will die politische Mehrheit hier im Parlament ja heute Nachmittag machen –, der stärkt die Politikverdrossenheit und damit den Rechtspopulismus in unserem Land. Das ist unverantwortlich.

Wir sollten uns einmal ganz ehrlich anschauen, was für Töne da inzwischen auch von intelligenteren Mitbürgern angeschlagen werden. Ich zitiere einmal aus Heribert Prantls Aufsatz „Gebrauchsanweisung für Populisten“, und zwar aus einem Absatz, der mit „Die schwarze Null und die braune Kloake“ betitelt ist:

„In der Empörung über Trumps großmäuliges Versprechen, er werde der größte Job-Producer sein, den Gott je erschaffen habe, kommen viele gar nicht dazu, sich darüber zu empören, dass die Spardiktate der Europäischen Kommission, der EZB und des Internationalen Währungsfonds (IWF) der größte europäische Jobvernichter waren. Sie sind nicht von Gott, sondern vom deutschen Finanzminister Schäuble als treibende Kraft erschaffen worden, und sie werden noch immer aufrechterhalten, mittlerweile selbst gegen den Widerstand des IWF. Und die Sozialdemokratie hat sich nicht mit Protest hervorgetan, sondern mit braver Assistenz bei der Malträtierung Südeuropas, speziell Griechenlands. Deutschland stört sich weiterhin nicht an der internationalen Kritik an seiner Exportfixierung, die die europäischen Nachbarn aus dem Gleichgewicht bringt. Deutschland lässt sich nicht beirren darin, die schwarze Null als wichtigstes finanzpolitisches Ziel hochzuhalten.“

Also sagen Sie den Menschen hier einmal im Klartext, was es heißt, wenn das Land keine Schulden machen darf.

Da Bundesländer kaum Möglichkeiten haben, Steuern zu erhöhen, werden die öffentlichen Investitionen von dem heute schon niedrigen Niveau noch weiter absinken. Damit wird die Landespolitik ihrem Auftrag gegenüber den Bürgern, nämlich Vorsorge zu betreiben, zu investieren und Probleme zu lösen, nicht mehr nachkommen können. Das halten Sie vielleicht für einen Fortschritt. Ich aber sage: Wirtschafts- und gesellschaftspolitisch ist das ein Rückschritt, der uns sehr, sehr teuer zu stehen kommen wird; denn das führt 2020 direkt in die Unregierbarkeit.

Bereits heute haben wir in Nordrhein-Westfalen mit einer extremen Missbalance zu kämpfen. Übrigens weist im Jahreswirtschaftsbericht 2017 auf dieses Problem auch eine Person hin, die nicht im Verdacht steht, mein wirtschaftspolitischer Freund zu sein, nämlich der Präsident der Industrie- und Handelskammern NRW, Ralf Kersting. Ich zitiere:

„In kaum einem anderen Bundesland liegen prosperierende und schrumpfende Regionen so nahe beieinander. So liegt die Landeshauptstadt Düsseldorf als Ort mit dem höchsten BIP pro Einwohner in Nordrhein-Westfalen – mit 215 % des Bundesdurchschnitts – keine 50 km entfernt von der Stadt Bottrop, die mit 63 % den niedrigsten Wert in Nordrhein-Westfalen aufweist.“

Ich muss Herrn Kersting kritisieren. Das Zitat hinkt etwas. Düsseldorf hat einen Flughafen: Ziehen wir also von den 215 % 75 % ab; trotzdem ist das immer noch wesentlich mehr als in Bottrop.

Wollen wir und können wir uns diese gesellschaftliche Disruption – diese Verwerfung – in der Zukunft weiterhin leisten? Ich sage Nein. Lassen Sie uns gemeinsam in die Zukunft – hier: in die digitale technologische Revolution – investieren.

Lassen Sie mich zum Abschluss ein paar persönliche Worte finden. Als ich 2015 nicht mehr für den Vorsitz meiner Fraktion angetreten bin und der Kollege Schwerd zu den ewig gestrigen Klassenkämpfern nach links gewechselt ist, wie die Jungfrau zum Kinde als Sprecher in den wirtschaftspolitischen Ausschuss gekommen. Ich möchte mich bei Ihnen allen, stellvertretend besonders bei Herrn Fortmeier, der den Vorsitz innehat, für die sehr freundliche und kollegiale Aufnahme in diesen Ausschuss bedanken.

Ich glaube, wir haben einiges voneinander gelernt. Ich hatte viel Spaß mit Ihnen; ich hoffe, Sie hatten manchmal keinen mit mir.

(Michael Hübner [SPD]: Keinen?)

Es gab auch einige unvergessene Momente. Wir haben über sehr viele spannende Themen, wie Industrie 4.0, diskutiert – auch sehr kontrovers. Wir haben auch über die Wirtschaftspolitik diskutiert, die eher angebotsorientiert sein soll.

Ein Moment wird mir in Erinnerung bleiben. Das war, als die von uns bestellte Sachverständige Frau Prof. Mechthild Schrooten aus Bremen über nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik und die Forderung danach gesprochen hat: Das Gesicht des Kollegen Brockes wurde während der Anhörung länger und länger. Das ist für mich ein unvergessener Moment. Trotzdem, lieber Dietmar, sind wir kollegial miteinander umgegangen, und wir hatten auch Spaß miteinander. Ich sage Ihnen allen noch einmal vielen Dank.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Ich werde weiterhin wirtschaftspolitische Rede halten; ich hoffe, es wird hier sein, und wenn es nicht hier ist, wird sich vielleicht Herr Duin freuen; ich weiß es nicht. Aber ich werde sie weiterhin halten, egal wo. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN und von Dietmar Brockes [FDP])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Dr. Paul, vielen Dank für Ihre Rede und vielen Dank für Ihre Arbeit. Aber wer weiß, was die Wahl mit sich bringt; Sie treten ja noch einmal an. Von daher können Sie hier oder an anderer Stelle weiter wirtschaftspolitische Reden halten, was für Sie offensichtlich zu einem Lieblingsthema und zu einer besonderen Berufung geworden ist.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Ja, ich habe es lieben gelernt!)

Vielen Dank also, auch für diese Rede. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Duin.

TOP 2 – 05.04.2017 – LT NRW – Römische Verträge, Europa reloaded

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Meine Rede zu TOP 2 am 5. April 2017 – 60 Jahre Römische Verträge – Nordrhein-Westfalen würdigt und feiert die Grundsteinlegung für die Europäische Union
Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/14652
in Verbindung damit – Die europäische Wertegemeinschaft erhalten, um sie zu verbessern!
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/14663
Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN – Drucksache 16/14758
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP – Drucksache 16/14762

Aus dem Plenarprotokoll: Vizepräsident Oliver Keymis: Als nächster Redner spricht für die Fraktion der Piraten Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, lieber Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! – 2017 markiert das Jubiläumsjahr der Römischen Verträge, das Fundament der heute so viel gescholtenen Europäischen Union. Schon damals, 1957 – übrigens mein Geburtsjahr –, wurde der Grundstein für das Europäische Parlament, einer weltweit einmaligen Institution der Demokratie, gelegt. Das sollte man nicht vergessen.

Auch nicht vergessen darf man – bei aller angebrachten Kritik an den europäischen Institutionen –, dass die EU weltweit als eines der erfolgreichsten Demokratie- und Freiheitsprojekte der jüngeren Geschichte angesehen wird. Doch trotz ihrer Verdienste haben die Verantwortlichen in der Kommission, im EU-Parlament und vor allem die Staats- und Regierungschefs das Einlösen zahlreicher zentraler Versprechen sträflich vernachlässigt, und das viel zu häufig einzig und allein aufgrund mangelnden politischen Willens, dem undemokratischsten aller möglichen Gründe.

Der wohl gravierendste Konstruktionsfehler der EU ist ihr Defizit an demokratischer Legitimation. Das besteht seit ihrer Gründung. Der Einigungsprozess konzentrierte sich vornehmlich auf wirtschaftliche Integration mit guten, aber teils auch verheerenden Resultaten, wie die Finanzkrise 2007/2008 zeigte. Politischen Entscheidungen auf europäischer Ebene müssen europaweite öffentliche Debatten vorausgehen, an denen sich alle Menschen angemessen beteiligen können. Ohne eine gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Kommunikation ist das unmöglich.

Mit dem Internet steht uns heute ein Werkzeug zur Verfügung, das den Menschen in der EU politische Entfaltungschancen eröffnen kann. Wir Piraten wissen das: Zur Überwindung des Demokratiedefizits brauchen wir eine echte europäische Öffentlichkeit auf der Basis eines freien Internets. Daran arbeiten wir jeden Tag.

(Beifall von den PIRATEN)

Auch die EU muss hier einen eigenen Beitrag leisten. Im Zuge der digitalen Revolution muss beispielsweise ein Recht auf digitale Teilhabe an der Gesellschaft in der europäischen Grundrechtecharta verankert werden.

Ich möchte aber auch auf die tagesaktuellen und dringenden Herausforderungen Europas zu sprechen kommen – weg von den wichtigen und teilweise sehr abstrakten Langzeitproblemen.

Der Brexit ist die Mutter aller Lose-lose-Situationen. Die verantwortlichen politischen Entscheider müssen nun Antworten auf diesen bedauernswerten Zustand finden – das wurde hier schon mehrfach erwähnt –, unter anderem Antworten in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung, Handel und Arbeitnehmermobilität, Wahlrecht und Medien. Das sind nicht nur Landesinteressen, sondern das betrifft auch Kompetenzen. Deshalb war es richtig, dass sich der Bundesrat im März in einer Entschließung für eine enge Einbeziehung der Länder in die Brexit-verhandlungen ausgesprochen hat. Warum Nordrhein-Westfalen nicht auch Mitantragsteller der Entschließung war, wird uns sicherlich Herr Minister Lersch-Mense erklären können.

Auch ein ganz eigenes Anliegen Nordrhein-Westfalens ist vom Brexit betroffen: Die heute in London ansässige Europäische Arzneimittel-Agentur EMA braucht demnächst einen neuen Standort innerhalb der EU. Hier muss die Bundesstadt Bonn positioniert werden, um die EU-Agentur nach Nordrhein-Westfalen zu holen – ein idealer Standort sowohl für NRW als auch für die EU.

Ein weiteres Thema, das endlich konsequent angegangen werden muss, ist die Situation der Geflüchteten in der EU. Die europäische Flüchtlingspolitik muss endlich auf ein nachhaltiges, humanes und dezentrales System umgestellt werden. Was für den landespolitischen Integrationsplan gilt, gilt auch für die europäische Flüchtlingspolitik: Wir müssen weg von der Abwehrhaltung und dem Aussitzen der Flüchtlingssituation.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte zusammenfassend einen Blick auf die Zukunft der EU werfen, denn die Frage lautet ja – das wurde von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern bestätigt –: Wo wollen wir als Europäische Union eigentlich hin? Die Antwort der Piraten ist eindeutig: Wir brauchen ein Update des politischen Systems der EU und eine grundlegende Reform der Beziehungen zu den Mitgliedstaaten und Regionen – kurzum: eine demokratischere Basis.

Der Dialog mit den Menschen muss unmittelbar in den Regionen, Gemeinden und Kommunen passieren, in den Town-hall-Meetings und Bürgermeistersprechstunden, in den Landesforen und Landtagsausschüssen. Hier kommt Nordrhein-Westfalen als einem aktiven europapolitischen Player eine ganz besondere Verantwortung zu. Dies drückt sich auch in der Fortführung der wichtigen Arbeit des Europaausschusses des Landtags von Nordrhein-Westfalen aus.

Meine Damen und Herren, ich hatte es bereits in einer der letzten Europadebatten gesagt: Wir brauchen eine positive Vision für unseren Kontinent. – Diese Vision beleuchten wir in unserem Entschließungsantrag. Denn oftmals bedeutet die EU für die junge Generation nur noch einen leblosen Binnenmarkt oder ein chancenvernichtendes Spardiktat. Was wir brau-chen, ist ein Europa des sozialen Ausgleichs, der politischen Transparenz, der Bildung in der digitalen Welt und der fairen Unternehmensbesteuerung. Ein Systemupdate für Europa ist verfügbar. Lassen Sie uns das bitte gemeinsam installieren.

Herr Wolf, Sie haben gerade die Globalisierung und den Wettbewerb in Europa angesprochen. Ich glaube, man darf an der Stelle nicht vernachlässigen, dass Europa eigentlich als Mannschaft auftreten sollte, und dann muss man gucken, dass die Mannschaft insgesamt und nicht nur einige wenige gut aufgestellt sind. Das ist meiner Meinung nach wesentlich.

Die vier Anträge der Fraktionen legen eigentlich so etwas wie einen gemeinsamen Antrag nahe. Ich möchte allerdings auch zum Ausdruck bringen, dass die vier Anträge zeigen, dass man sich dem Thema „Europa“ auf unterschiedlichste Weise nähern kann, aber trotzdem ist das grundsätzliche Bekenntnis zu Europa dabei nicht infrage gestellt. Das ist eben auch Element einer klaren Haltung aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen und dem Europaausschuss.

Lassen Sie mich abschließend den scheidenden Kolleginnen und Kollegen auch noch persönlich danken. Liebe Ilka, lieber Markus, lieber Ingo, bei allem Streit, den wir im Ausschuss – manchmal auch recht heftig – geführt haben, denke ich, dass ich als Jungparlamentarier (Vereinzelt Heiterkeit)

ein bisschen von euch gelernt habe. Das war gut. Ich sage jetzt noch nicht „Auf Wiedersehen!“; denn ich kandidiere noch einmal, und da halte ich es mit Katja Ebstein: Wunder gibt es immer wieder. – Vielen Dank.

(Heiterkeit – Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul für die Piratenfraktion. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Lersch-Mense, der zuständige Europaminister.

Kein OpenData-Gesetz in NRW

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Es war die letzte Möglichkeit in dieser Legislatur. Nachdem Anfang März endgültig klar war, das es von rot/grün kein Transparenzgesetz in Nordrhein-Westfalen mehr geben wird, hat die Piratenfraktion noch ein Mini-Gesetz vorgelegt, mit dem drei Änderungen am bestehenden Informationsfreiheitsgesetz, kurz IFG NRW, umgesetzt werden sollten. Das Gesetz zur Harmonisierung und Stärkung des Informationsfreiheitsrechts und Zugang zu maschinenlesbaren Daten (OpenData-Gesetz) wurde am Freitag, 7. April 2017, in 2. Lesung von SPD, Bündnis90/Die Grünen, CDU und FDP im Landtag abgelehnt.

Hier meine Rede zum Gesetz und am Schluss ein Kommentar:

Wir wollen die Informationsfreiheit in Nordrhein-Westfalen stärken und dafür haben wir dieses Gesetz eingebracht.

Denn weder rot noch grün stehen in diesem Land für Transparenz. Beide Fraktionen haben es in den letzten 5 Jahren nicht geschafft, ein Transparenzgesetz in den Landtag einzubringen. Auch wenn die Abgeordneten der SPD und der Grünen regelmäßig anderes behaupten: Transparenz per Gesetz hat es mit ihnen nicht gegeben.

Vielfältig sind die Ausreden, mit denen Anträge und Gesetzentwürfe von uns Piraten
 zu mehr Transparenz,
 zu mehr Offenheit,
 zu OpenData und 
 zu offenen Standards abgelehnt wurden.
Aktuell heißt es eben, das sei alles zu kurzfristig...

Was es bei rot-grün gegeben hat, waren nur freiwillige und unverbindliche Angebote. Ich habe hier noch den Bericht zum Fortschritt von Open Data in der Landesverwaltung. Er ist ungefähr ein Jahr alt. Da ist ganz toll erzählt, was man so alles vorhat: Unter anderem steht darin, dass das Transparenzgesetz noch im ersten Halbjahr im Innenministerium beraten wird und in der Ressortabstimmung ist. 

Na das ist ja dann leider auf der Strecke geblieben.

Und das OpenNRW-Projekt, nur befristet bis nach der Wahl.
Und Transparenz immer nur dann, wenn sie der Mehrheit gefällt. Wenn man die eigene Arbeit gut darstellen möchte. Oder wenn man durch vermeintliche Transparenz von den eigentlichen Problemen ablenken möchte. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich Kollege Stotko heute Mittag hier hinstellt und die Veröffentlichung der Zeugenaussagen im PUA „Anis Amri“ noch vor der Beweiswürdigung und dem Schlussbericht des PUA ankündigt, uns aber die sowieso jährlich zu erhebenden Zahlen von Straftaten in Verbindung mit der Videoüberwachung in der Düsseldorfer Altstadt vorenthalten werden, und zwar mit dem Hinweis, dass die Bekanntgabe der Zahlen der für 2018 vorgesehenen Evaluierung vorgreifen würde. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Das ist nicht die Art von Transparenz, die wir Piraten wollen.
 Wir wollen Transparenz per Gesetz.

Verbindlich für alle Stellen und Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben ausführen.

Wir wollen ein einklagbares Recht für die Öffentlichkeit, Zugang zu
Informationen, Akten und Daten der öffentlichen Hand zu erhalten.
Auch der viel gefeierte OpenGovernment-Pakt des Innenministers mit den Kommunen ist nicht viel mehr als eine Absichtserklärung auf freiwilliger Basis.

Da hat man einen Kongress veranstaltet, da hat man Experten zu nicht-öffentlichen Diskussionsrunden ins Ministerium eingeladen.

Und, Herr Minister Jäger, gibt es denn im OpenData-Portal des Landes bis heute auch nur einen einzigen Datensatz, der von allen NRW-Kommunen eingestellt wurde?

Können Sie mir da einen nennen? Nein, denn da ist keiner.

Das spricht ja dann auch Bände über die Qualität des OpenGovernment-Paktes.
Und weil uns all das nicht reicht, wollen wir ein Recht auf OpenData per Gesetz.
Wir wollen, dass es ein verbindliches, notfalls einklagbares Recht auf Opendata gibt, auf die Bereitstellung von vorhandenen, digitalen Daten der öffentlichen Hand im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes.

Nach den Bemerkungen der Vorredner ist mit einer Zustimmung heute nicht zu rechnen. Dann bleibt mir nur die Feststellung, das wohl in Zukunft weitere Anläufe nötig sind und ganz offensichtlich für Transparenz und Informationsfreiheit die Piraten im Landtag NRW gebraucht werden!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Das ein Gesetzentwurf der Opposition im Landtag abgelehnt wird, das ist nichts besonderes, das ist die Regel. Und die „kurze“ zur Verfügung stehende Zeit von 4 Wochen für die Beratung der drei kleinen Änderungen ist natürlich ein dankbarer und von allen gerne genommener Grund für die Ablehnung. Bemerkenswert fand ich jedoch die Argumentation vor allem der SPD zur Ablehnung der Weitgehendsten der drei vorgeschlagenen Änderungen:

In § 4 Absatz 1 Satz 1 werden hinter dem Wort „natürliche“ die Worte „oder juristische“ ergänzt.

Hierdurch würden dann neben Personen auch Firmen, aber auch Freiberufler wie z.B. Journalisten, antragsberechtigt. Sowohl von der SPD, wie auch von den Grünen, wurde hier jedoch immer wieder das Recht des Bürgers auf Informationszugang betont. Und auch Firmen könnten Informationen erhalten, denn es könne ja jederzeit ein Mitarbeiter eine IFG-Abfrage stellen, hieß es von der SPD. Mit dieser Einstellung zur Informationsfreiheit ist dann auch klar, warum wir in Nordrhein-Westfalen vermutlich noch lange darauf warten müssen, das Behörden freiwillig und ohne Aufforderung öffentliche Daten auch öffentlich zur freien Verfügung stellen.

Die zweite vorgeschlagene Änderung verstehen wir als bloße Klarstellung zur vorhandenen Praxis:

In § 5 Absatz 1 Satz 5 wird hinter dem Wort „Informationszugangs“ eingefügt: „, insbesondere der Informationszugang zu Daten oder Informationen in elektronischer und maschinenlesbarer Form“

Zwar darf der Anfragende schon heute die Art des Informationszuganges selbst wählen, z.B. eine Tabelle über Müllgebühren eben als elektronische Tabelle und nicht ausgedruckt auf Papier, allerdings kommt es doch immer wieder vor, das eine Behörde eine Tabelle in ein pdf-Format umwandelt und dieses dann elektronisch verschickt. Hier wollten wir mit unserer Ergänzung dafür sorgen, das auch die Original-Tabelle mit den Gebühren abgefragt werden kann, OpenData eben.

Insbesondere dieser Text führte jedoch zu Irritationen bei den Kommunalen Spitzenverbänden, insbesondere beim Städte- und Gemeindebund. In ihrer Stellungnahme befürchteten sie einen „beträchtlichen Zusatzaufwand“, „Kosten für neue technische Anwendungen und die Schulung und Fortbildung der Mitarbeiterschaft“ usw. usf.! Leider haben die Spitzenverbände übersehen, das sich das IFG immer nur auf vorhandene Daten bezieht und es somit auch nicht zu einem Zusatzaufwand käme, wenn die Information in einem vorhandenen OpenData-Format verschickt würde. Auch die anderen Fraktionen schauen natürlich gerne über dieses Grundprinzip des IFG hinweg und stützen sich bei ihrer Ablehnung des Gesetzentwurfs gerne auf die genannte Stellungnahme.

Die dritte Änderung sollte eine heute schon für mündliche Anfragen bestehende Wahlmöglichkeit auch für elektronische, also per E-Mail, gestellt Anfragen ermöglichen. Konkret erlaubt das Gesetz den Anfragenden im Falle der Ablehnung oder Teil-Ablehnung einer mündlich gestellten IFG-Anfrage durch die Behörde einen schriftlichen Ablehnungsbescheid zu fordern, dafür müssen sie dann Name und Adresse angeben, oder sie geben sich mit der mündlichen Ablehnung zufrieden. Da Behörden ansonsten immer schriftlich, also per Brief, ihre Bescheide verschicken müssen, wäre die Einführung der Wahlmöglichkeit auch bei Anfragen per E-mail eher als arbeitserleichternd zu werten. Der Vorschlag lautete wie folgt:

In § 5 Absatz 2 Satz 3 2. Halbsatz werden hinter den Worten „bei mündlicher“ die Worte „oder elektronischer“ eingefügt.

Natürlich verfahren die meisten Kommunen bereits so, weil es praktischer ist. Deshalb wäre es auch gut gewesen, das gesetzlich zu regeln. Aber es sollte nicht sein.

Zusammenfassend ist zu sagen, das wir selbst insbesondere durch die „Kürze“ des Beratungsverfahrens jetzt zum Ende der Sitzungszeit natürlich den simpelsten Ablehnungsgrund für die anderen Fraktionen geliefert haben. Andererseits haben die regierungstragenden Fraktionen schon mehr als einmal gezeigt, das Gesetze auch in weniger als vier Wochen, sogar in nur drei Tagen, durchs Plenum gebracht werden können, wenn man es will und wenn man die Mehrheit hat.

Betroffen macht mich jedoch, das in den Redebeiträgen von SPD, Bündnis90/Die Grünen und auch von Minister Jäger das Recht auf Informationszugang immer wieder quasi als „Individualrecht“ des Bürgers bezeichnet wurde! Damit sind wir dann offensichtlich von einer allgemeinen Transparenz der Behörden gegenüber allen Menschen noch meilenweit entfernt. Und das fehlende Verständnis für OpenData im Plenum war ebenfalls erschreckend.

Nach Ablehnung des Gesetzes bleibt es weiterhin an einzelnen Kommunen wie Moers und Bonn, sowie Initiativen wie Offene Kommunen.NRW und Mehr Demokratie hängen, den Nutzen von Informationsfreiheit und opendata zu demonstrieren. Transparenz ist in Nordrhein-Westfalen ein sehr zäher Prozess, und wir bleiben dran;)

 

Gesetzentwurf der Piratenfraktion: Drucksache 16/14379

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschuss: Drucksache 16/14692

Stellungnahme der Kommunalen Spitzenverbände: Stellungnahme 16/4666