Netzneutralität ist zum Abschuss freigegeben: Pläne von EU-Kommissar Oettinger lassen das freie und offene Internet sterben

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Unser Antrag für das Plenum (02.-04. September 2015)

Netzneutralität ist zum Abschuss freigegeben: Pläne von EU-Kommissar Oettinger lassen das freie und offene Internet sterben
Drucksache 16/9590

Zusammenfassung:

Die Landesregierung muss sich auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass der aktuelle Entwurf von EU-Kommissar Oettinger mit Regelungen zur Bereitstellung und Inanspruchnahme eines offenen Internetzugangs überarbeitet wird. Jegliche Bevorzugung von Daten auf einem Breitbandanschluss sowie die Drosselung und Sperrung von Inhalten und Diensten muss grundsätzlich untersagt werden. Die im Entwurf aufgeführten Maßnahmen sind nicht dazu geeignet, den effektiven Schutz des offenen Internets zu gewährleisten.

Nico Kern, Europapolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW:

Die Netzneutralität in der EU ist zum Abschuss freigegeben: Telekom-Lobbyist Oettinger will die Digital-Maut einführen. Das Kulturbiotop Internet soll für eine kommerzielle Betonwüste platt gemacht werden. Wir Piraten verteidigen als einzige das freie Internet – ohne diskriminierende Spezialdienste oder Zero-Rating-Deals.

2015-09-03_Nico Kern_Netzneutralität
Videomitschnitt der kompletten Debatte:


Protokoll der Rede von Nico Kern:

Nicolaus Kern (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe verbliebene Zuschauer hier im Saal, aber vor allem zu Hause am Stream! Wenn Sie sich gerade fragen: „Netzneutralität – was ist das? Geht mich das überhaupt etwas an?“, dann rufe ich Ihnen zu: Ja, verdammt! Ich sage Ihnen jetzt auch gleich, warum.
Netzneutralität ist das universelle Grundprinzip, nach dem das Internet funktioniert: offen und diskriminierungsfrei. Alle Daten sollen gleichberechtigt an die Nutzer gesendet werden – egal woher sie stammen, egal welchen Inhalt sie haben. Das Internet ist sozusagen der Bürgersteig des 21. Jahrhunderts. Es ist das Konzerthaus und die Videothek des 21. Jahrhunderts. Es ist auch der Marktplatz des 21. Jahrhunderts. Kurzum: Hier tauschen sich Menschen aus, machen Geschäfte und kommunizieren. Hier findet immer mehr das gesellschaftliche Leben statt. Sie selbst werden das alles jetzt vielleicht noch nicht machen, aber Ihre Kinder tun es bereits.
Die Bedeutung des Internets für die Zukunft Europas hat auch die EU-Kommission entdeckt und den Verordnungsvorschlag (2013) 627 vorgelegt. Sie ist dabei auf den grandiosen Einfall gekommen, dass man auf diesen digitalen Bürgersteig doch auch Maut erheben könnte – sozusagen eine Digital-Maut. Und für diese Digital-Maut soll der Grundsatz der Netzneutralität sterben.
Das ist also die digitale Agenda der EU: die Erhebung von Wegezoll. So soll unsere Zukunft also gestaltet werden: Mit einem Geschäftsmodell, das schon die Bibel kennt, sollen im 21. Jahrhundert Arbeitsplätze in Europa geschaffen werden – absurder geht es nicht!
(Beifall von den PIRATEN)
Das ist alles Teil des schwarz-roten Jurassic Park, von dem mein Fraktionsvorsitzender Michele Marsching heute Mittag in der Haushaltsdebatte sprach, und den es leider auch hier in NRW gibt.
Zwar beteuern Oettinger, Dobrindt und Co. stets, dass das freie Internet nicht in Gefahr sei, doch in Wahrheit wollen sie es insgeheim abschaffen. Der Verordnungstext ist so schwammig gehalten, dass später sicherlich eine industriefreundliche Auslegung gefunden werden wird. Damit wäre dann die Einführung eines Zweiklasseninternets besiegelt. Ohne Netzneutralität werden sich finanzstarke Großkonzerne zukünftig eine Überholspur für ihre eigenen Onlinedienste erkaufen können. Wer die Maut nicht zahlt, bleibt im Stau stehen.
Die vorgeschobenen Rechtfertigungen könnten verlogener nicht sein.
Erstes Beispiel: Telemedizin, also beispielsweise Operationen übers Internet. Lebensbedrohliche Eingriffe sind jedoch per Internet überhaupt nicht machbar, da niemand eine hundertprozentig stabile Internetverbindung garantieren kann.
Zweites Beispiel: autonomes Fahren. Digitale Überholspuren, so hört man, seien für den Autoverkehr der Zukunft unverzichtbar. Dumm nur, dass selbst bei Google und seinem Roboterauto keine Rede davon ist, auf eine Internetverbindung angewiesen zu sein.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Deswegen heißt es auch „autonom“!)
– Genau.
(Daniel Schwerd [PIRATEN]: Überraschung!)
Aber mit Lügen und der Unwissenheit der Wähler kann man leicht Politik machen. Das gilt hier wie bei der Vorratsdatenspeicherung.
Um es einmal deutlich zu sagen: Die Abschaffung der Netzneutralität ist der Triumphzug der Mainstream-Medien und ein Angriff auf die Presse- und Informationsfreiheit. Subkultur wird in die Warteschleife geschickt, und echte Informationsfreiheit wird zu einer Frage des Geldbeutels. Wer sich die Netzneutralität nicht leisten und somit nicht erkaufen kann, ist auf die sogenannten Zero-Rating-Dienste der Großkonzerne angewiesen.
(Matthi Bolte [GRÜNE]: Das ist das Problem!)
Die gleichen Großkoalitionäre, die im Januar noch den Terror gegen „Charlie Hebdo“ verurteilten, sorgen jetzt für das nächste Attentat auf die Medienvielfalt.
(Beifall von den PIRATEN – Nadja Lüders [SPD]: Das ist unterste Schublade!)
Ich komme zum Schluss. Ende Juni haben sich Ratskommission und Vertreter des EU-Parlaments auf eine fatale Aufweichung der Netzneutralität verständigt. Die Vereinbarung muss aber noch durchs Parlament, das im Herbst final abstimmen wird. Bis dahin können noch Änderungen vorgenommen werden. Daher müssen wir hier heute diese Debatte führen. Mit der Abschaffung der Netzneutralität soll das Kulturbiotop für eine kommerzielle Betonwüste geopfert werden. Wir Piraten kämpfen weiter für ein freies Internet. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)


Abstimmungsergebnis:

Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN abgelehnt

Von wegen Landesverrat durch Netzpolitik.org! Der Angriff auf die Demokratie und die Grundwerte kommt aus Regierungskreisen! – Teil 1/2 –

Veröffentlicht am von unter 20 Piraten, Abgeordnete, Bürgerrechte, Dietmar Schulz, Persönliche Blogposts, Presse, Pressemitteilungen, Rechtsausschuss (A14).

Der Skandal um die Strafanzeige und das Ermittlungsverfahren gegen Netzpolitik.org, respektive Markus Beckedahl und Andre Meister weitet sich aus und nimmt mittlerweile Konturen eines Staatsstreichs an.

Es ist inzwischen nicht nur der Generalbundesanwalt, der in den Ruhestand gehört, sondern Bundesjustizminister Maas muss seinen Hut gleich mitnehmen! Den Bundesinnenminister darf er ins Schlepptau nehmen!

Apparatschik Maas versucht ganz offensichtlich – wenn der Tagesspiegelbericht stimmt – seinen oder wessen Kopf auch immer zu retten. Die SPD rettet er damit nicht, glaubt man aktuellen Umfragen, wonach die CDU/CSU die absolute Mehrheit bekäme, wäre morgen Wahl.

Er, Maas, hat sein Ministerium und vor allem seine Dienstuntergebenen nicht im Griff oder spielt mit ihnen im Sinne von Instrumentalisierung; Genaueres weiß man nicht.

Das gleiche gilt für de Maizière, sollte es zutreffen, dass die Staatssekretärin ihn nicht informierte, was ich persönlich für ausgeschlossen halte.

Es ist offenbar so, dass die Öffentlichkeit an der Nase herum geführt werden soll, während im politischen Berlin hinter den Kulissen der GroKo die übelsten Strippen gezogen werden, die man sich contra Demokratie und pro machtpolitischem Streben denken kann.

Man soll annehmen, dass ein weisungsgebundener, politischer Beamter (Generalbundesanwalt Range) sich aufgrund einer Strafanzeige eines anderen weisungsgebundenen politischen Beamten (Verfassungsschutzchef Maaßen) selbst zum Zerlegungssprengkörper macht und politisch Amok läuft?! Aber die Vorgesetzten eiern rum und hüllen sich in Schweigen, Tarnen, Täuschen und Verpissen.

Entweder der Generalbundesanwalt wurde von Maas angewiesen, das Ermittlungsverfahren durch Zustellungen an Beckedahl und Meister (netzpolitik.org) öffentlich zu machen oder er, der FDP-Mann wollte durch eigenmächtiges Tun den ersten Schritt zum Sturz von Heiko Maas gehen und sich dadurch entlasten oder schützen, dass er es öffentlich machte. Quasi ein Hilferuf vermittels netzpolitik.org durch den Generalbundesanwalt. Zugegeben, eine etwas andere Sichtweise auf die Person des Generalbundesanwalts; aber denkbar. Dennoch hilft ihm das nicht, denn seine Konsequenz als Getriebener hätte eine Weigerung und sein persönliches Ersuchen sein können, ihn in den Ruhestand zu versetzen. Den Angriff auf die Pressefreiheit rechtfertigt das nämlich nicht!

Warum ermittelt er nicht in Sachen NSA-/BND-Skandal? Ist klar…. er ist weisungsgebunden und die Bundesregierung will nicht, dass indirekt oder direkt gegen amerikanische Strukturen ermittelt wird. Die Gründe dafür können an dieser Stelle zunächst dahinstehen.

Das ganze hat aus meiner Sicht eine Tendenz zum Staatsstreich, wenn es nicht ein Stück aus dem Tollhaus ist.

Eine Drehbuchannahme:
Geheime (VS) Dokumente werden aus dem politischen Raum an Journalisten und Öffentlichkeit durchgestochen (egal ob durch politische Intriganten oder durch Whistleblower) — Geheimdienstchef weiß nicht, wer aus dem politischen Raum agiert, hat Nase voll und stellt Strafanzeige — Generalbundesanwalt nimmt Anfangsermittlungen auf (muss er), aber erkennt die Brisanz des Tuns, will sich absichern (Gutachten über Staatsgeheimnis-Status der Dokumente) und ermittelt zunächst nicht weiter — Generalbundesanwalt kriegt Druck von Anzeigenerstatter (Verfassungsschutzchef), der auf Weisung des Innenministers (CDU) agiert und Vorgesetztem Justizminister (SPD), der glaubt, man könne so dem CDU-Lager (Innenressort und Verfassungsschutz … beide Köpfe CDU-Männer) schaden. Das gelingt nicht. Pressemitteilungen des Generalbundesanwalts werden von seiner Homepage gelöscht, unmittelbar nachdem der Tagesspiegel.de sie verlinkt. Die Pressemitteilung (ich habe sie gelesen!), die Range entlasten könnte und damit Maas BElastet, aus dem Monat Mai, ist weg! — Range wird der Öffentlichkeit als Täter präsentiert, als Unhold wider die Verfassung — in Wahrheit sind die Täter diejenigen, die die Verfassung schützen müssen. Minister der Bundesrepublik Deutschland und dabei die einen, welche Macht erweitern wollen und die anderen, die dem keinen Einhalt mehr bieten können.

Diese Bundesregierung ist dermaßen verlottert und kraft GroKo oder mangels schlagkräftiger Opposition beinahe autokratisch machtbesessen, was nur dadurch „geschützt“ werden kann, dass durch Massenüberwachung ihrer Bürger ein Korrektiv für Auflehnung gesucht werden muss. Alle daran operativ Beteiligten – insbesondere Innen- und Justizminister – müssen funktionieren. Politische Gegner sind auch innerhalb der Koalition zu identifizieren und gefügig zu machen. Das wiederum gelingt nur gegenüber Juniorpartnern wie einer SPD, die um ihr eigenes Profil ringt und es nicht mehr schafft, sich zu lösen (siehe die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung). Da nützt gerade auch ein nur noch willfährig agierender SPD-Minister, der im Hamsterrad läuft und um des puren Machterhalts willen notfalls auch die Verfassung bricht.

Neuwahlen? Das kann die SPD nicht wollen und weil das so ist, ist die GroKo derzeit einzig gefährlich für unsere Demokratie und unsere Grundwerte.