20 Piraten
Zukünftige Besitzverhältnisse der Jülicher Castoren
Unter der Voraussetzung, dass die beabsichtigte Bündelung der Nuklearkompetenzen in Jülich unter dem Dach der EWN durchgeführt wird, stellen sich Fragen nach den Besitzverhältnissen der Castoren. Während die EWN zu 100% dem Bund gehört, gehört das FZJ zu 10% dem Land. Unklar ist bei dieser Konstruktion, ob das Land dennoch seinen Einfluss auf die Zukunft der Castoren behält, weil es möglicherweise an der Finanzierung der Castorenlagerung und eventuellen Entsorgung weiter beteiligt ist. NRW ist schließlich auch im AVR-Aufsichtsrat vertreten, ohne AVR-Eigentümer zu sein, weil es 30% der Entsorgungskosten bezahlt.
Das Ministerium hat nun unsere Fragen beantwortet – Hanns-Jörg Rohwedder, Umweltpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW, kommentiert:
„Ich sehe eine massive Diskrepanz. Einerseits würde der ‚mittelbare Besitzanteil des Landes‘ an den Castoren ‚untergehen‘, wenn die neu zu gründende Entsorgungsfirma unter der EWN Besitzer der Castoren wird. Andererseits finden noch Verhandlungen statt und ‚vorgesehen ist, dass das Land auch im Aufsichtsrat der neu strukturierten AVR vertreten ist und weiterhin Informations- und Beteiligungsrechte hat‘ – trotz untergegangenen Besitzanteils?
Zu den Kosten lässt sich noch nichts sagen, aber zwei Aufsichtsratssitze für das Land NRW sind der aktuelle Verhandlungsstand.
Diese Antwort beruhigt nicht! Die Befürchtung bleibt bestehen, dass das Land seine Verantwortung abgibt und je nach Verhandlungsergebnis sogar trotz untergegangenen Besitzanteils auf Kosten sitzen bleibt – ohne Mitspracherecht und damit ohne Verantwortung, denn ob das engültige Verhandlungsergebnis mit dem übereinstimmt, was nach jetzigem Verhandlungsstand vorgesehen ist, also angestrebt wird, steht in den Sternen.
Das Land darf sich nicht durch Tricksereien aus der Verantwortung stehlen! Die Betreiber haben die Kosten zu tragen! Der Nuklearabfall stammt aus einem Leistungsreaktor und darf nicht exportiert werden! Transporte sind zu vermeiden, in Jülich muss ein neues Zwischenlager errichtet werden, das sowohl den Ansprüchen an Erdbebensicherheit genügt als auch die Anforderungen der neuesten Rechtsprechung zur Sicherheit bei Flugzeugabstürzen (‚Brunsbüttel-Urteil‘) vollumfänglich berücksichtigt.“
Download der Antwort auf die Kleine Anfrage „Zukünftige Besitzverhältnisse der Jülicher Castoren“
Zum 20sten Jahrestag des Sondervotums des Verfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögenssteuer …
Ich bitte um Entschuldigung. Der im Titel genannte Jahrestag war gestern vor einem Monat, am 22.06. Ich hab’s vergessen, sorry dafür. Am 22.06.1995 veröffentlichte Ernst-Wofgang Böckenförde sein Sondervotum zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Vermögenssteuer. Anlass genug, zur aktuellen Situation in Deutschland und Europa daraus zu zitieren. Und zwar unkommentiert. Denken sollte jeder schon selbst. Sonst kann man’s ja auch gleich lassen mit Basisdemokratie und Bürgerbeteiligung.
Erstens:
Im Eigentum gerinnt die Ungleichheit der freigesetzten Gesellschaft zur Materie und wird zum Halbteilungsgrundsatz bei der Vermögenssteuer Ausgangspunkt neuer Ungleichheiten. Stellt man dieses unter Sicherung von dessen unbegrenzter Akkumulation sakrosankt, besteht die Gefahr, dass sich die Ungleichheit ungezügelt potenzieren kann und sich darüber die freiheitliche Rechtsordnung selbst aufhebt.
Zweitens:
Das Grundgesetz hat dem durch die Einführung des Sozialstaatsprinzips Rechnung getragen (Art. 20 Abs. 1 GG). Es verpflichtet den Staat, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (vgl. BVerfGE 22, 180 [204]). Elementares Mittel und unerlässliche Voraussetzung der – vorrangig dem Gesetzgeber obliegenden – Ausgestaltung des sozialen Ausgleichs ist gerade das Steuerrecht …
Drittens:
Der Staat kann die Leistungsfähigkeit, die in der Innehabung großer Vermögen liegt, nicht mehr nutzen und wird gegenüber einer möglichen Eigendynamik, die sich aus der Akkumulation von Vermögenswerten ergeben kann, machtlos. Allein auf einen Anteil an den Erträgen verwiesen, ist der Staat insoweit nicht mehr überlegen-ausgleichende Instanz, sondern nur noch stiller Beteiligter einer Eigentümer-Erwerbsgesellschaft. Dieser disproportionale Schutz der Vermögenden fällt überdies in eine Situation, die hierzu keinen Anlass gibt. Angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit und den großen Belastungen infolge der deutschen Vereinigung besteht ein Ausgleichsbedarf, wie ihn die Geschichte der Bundesrepublik bisher kaum je kannte. Es ist nicht einsichtig, dass angesichts dessen ein gemäßigter Zugriff auf bestehende Vermögensmassen verfassungsrechtlich tabu sein soll.
Nun, eine Bemerkung soll hier doch nicht zurückgehalten werden. Seit 2002 sind nach Berechnungen des DIW, des Deutschen Instituts der Wirtschaft, ca. 1.2 Billionen € von den unteren auf die oberen Vermögensdezile umverteilt worden.
Viel Spaß,
Nick H. aka Joachim Paul
Der Ruf nach dem Rechtsstaat
Oder: Warum ein Demonstrationsverbot vor Unterkünften von Geflüchteten keine gute Idee ist.
Auf den ersten, naiven Blick mag diese Petition hübsch sein. Aber eben nur auf den ersten Blick. Die Diskussion über Demoverbote erscheint mir im ersten Moment naiv, im zweiten sogar als gefährlich. Hier wird nämlich meines Erachtens die Lage verkannt.
Bitte lest mal bei Twitter @pilgrim_rosine nach.
Die Petition empfinde ich als Idealisierung des Rechtsstaates. Wer öfter mit Versammlungen und Ordnungskräften zu tun hat, wird feststellen, dass es nicht so rosig aussieht. Oder wie eben jener Mensch bei Twitter derletz treffend sinngemäß formulierte: Die ohnehin kaputte Tür der Versammlungsfreiheit müssen wir nicht noch selbst kaputttreten.
Zudem sind Unterkünfte für Geflüchtete eben keine Orte der Ruhe. Da werden mitten in der Nacht Menschen aus dem Schlaf gerissen, um sie abzuschieben.
Glaubt ihr wirklich, ein Demoverbot würde nicht genauso gegen Refugees selbst und Supporter*innen angewendet?
Der Ruf nach der Ordnungsmacht nimmt uns die Verantwortung aus der Hand. Es ist auch jeden Tag und überall an uns, sich rassistischen Mobs entgegenzustellen. Das können wir nicht abgeben an die, die in der Nacht danach die beschützten Geflüchteten in ein Flugzeug zerren.
Sicherheitsmaßnahmen und Einsatz Polizei NRW bei G7
Die Antworten auf unsere Anfragen an die Landesregierung zum Einsatz von Polizeikräften aus NRW sowie Überwachung von Menschen im Vorfeld des G7-Gipfels sind da.
Rückblick: Drei Wochen im Juni #2 – Noten für Laschet, Rat für Groschek
Schwer(d) informiert! Radio-Interviews zur Vorratsdatenspeicherung und Transparenz durch soziale Medien
Hallo liebe Blogleser_innen,
vor einigen Tagen führte das Campusradio Köln, der Studentensender aus Köln, ein Interview mit mir. Der Redakteur Andreas Jansen vom Campusradio besuchte mich im Landtag und führte mit mir ein Gespräch zum Thema Vorratsdatenspeicherung. Es entwickelte sich ein Dialog, welches die Pro- und Contraargumente anschaulich darstellt und den vermeintlichen Nutzen der massenhaften Vorratsdatenspeicherung entlarvt. Der Link zur Datei ist unterhalb dieses Textes.
Darüber hinaus schon jetzt der Hinweis auf ein weiteres Interview, welches ich mit dem Campusradio Wilhelmshaven geführt habe. Mein Gesprächspartner war Hauke van Göns, der leider nicht vor Ort sein konnte. Stattdessen haben wir telefoniert und das Gespräch aufgezeichnet. Schwerpunkt war hierbei die Frage, ob und welche Möglichkeiten der Digitale Wandel mit sich bringt um Politik transparenter, responsiver und direkter zu gestalten. Das Interview wurde noch nicht ausgestrahlt und wird hier abrufbar sein, sobald es on air war. Ich werde Euch bei Twitter über den Ausstrahlungstermin informieren.
Rückblick: Drei Wochen im Juni – PPP, Fahrscheinloser ÖPNV und RRX
Neues Gesetz erlaubt, Flüchtlinge schuldlos einzusperren
Das am 2. Juli vom Deutschen Bundestag verabschiedete „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ ist ein weiteres Puzzleteil der Bundesregierung zur Verschärfung des Asylrechts. Nachdem im letzten Jahr Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als „sichere Herkunftsstaaten“ benannt wurden, will man nun Menschen jederzeit inhaftieren können, um deren Rücküberstellung nach der Dublin-Verordnung oder die Abschiebung in die angeblich „sicheren Herkunftsstaaten“ sicherzustellen. Zwar ermöglicht das Gesetzvorhaben (mithilfe einer Junktim-Regelung) vereinzelte Verbesserungen im Bereich von Kettenduldungen von bereits lange in Deutschland lebenden Flüchtlingen, aber im gleichen Gesetz wird eine unverhältnismäßige Härte gegen Neuankömmlinge eingeführt. Viele werden durch die teilweise unvermeidliche Unterstützung durch Helfer oder verlorene Pässe kriminalisiert und damit ihre Flucht unter Strafe gestellt. Legale Fluchtwege und Einwanderungsmöglichkeiten gibt es aber nach wie vor kaum. Damit liefern fast alle Flüchtlinge Inhaftierungsgründe laut Gesetz.
Das deutsche Asylrecht wird damit weiter ausgehöhlt. Das neue Bundesgesetz ist kein gutes Zeichen für Deutschland als Motor eines vereinten und offenen Europas. Wir sehen hier durchaus Widersprüche zum Geist der europäischen Grundrechtecharta. Auch die großen Zeitungen wie Spiegel und Süddeutsche appellierten an die MdB diesem Gesetz nicht zuzustimmen. Es hat nichts genutzt, und es ist zu erwarten, dass über die Verschärfung des Asylrechts und die weitere Kriminalisierung von Flucht ausgerechnet die Rechtspopulisten jubeln werden.
NRW hat sich auf diese Asylrechtsverschärfung leider schon vorbereitet und den größten Abschiebeknast Europas in Büren wieder ans Laufen gebracht. Dafür haben die regierungstragenden Fraktionen vor drei Monaten mit allen Mitteln und allen rechtlichen und humanen Widerständen und Einwänden zum Trotz ein rechtswidriges Gesetz durchgepeitscht und dabei sogar ein Urteil des EuGH ignoriert. Es reicht nicht, Gitterstäbe anzumalen: Eine ehemalige Strafvollzugsanstalt kann nicht die Vorgaben des EuGH an die Ausgestaltung der Abschiebehaft erfüllen.
Seit Jahren steigen die Abschiebezahlen in NRW. Durch das nun verabschiedete Gesetz kann ein Großteil der Flüchtlinge mit Dublin-Verfahren in Büren inhaftiert werden. Zur Erinnerung: Als ‚Dublin-Verfahren‘ bezeichnet man die Verfahren, bei denen ein Geflüchteter bereits in einem anderen EU-Land registriert wurde, bevor er in Deutschland Asyl beantragt. Gemäß dem sog. ‚Dublin-Übereinkommen‘ kann Asyl nur in dem Land beantragt werden, in dem der Geflüchtete erstmalig registriert wurde. 2014 wurde in mehr als 8.000 Fällen in NRW ein solches Verfahren eingeleitet. Hinzu kommen die Menschen aus Serbien, Mazedonien und anderen angeblich „sicheren Herkunftsstaaten“, die nun aber direkt aus Sonderlagern heraus abgeschoben werden sollen. Es ist damit kaum möglich, auf legalem Weg nach Deutschland zu gelangen. Die Landes- und Bundesaufnahmeprogramme für syrische Flüchtlinge sind ausgelaufen und einen Termin in den deutschen Botschaften, um Visa für den Familiennachzug zu beantragen, gibt es – aktuellen Presseberichten zufolge, die wir als realistisch einschätzen – offensichtlich nur gegen Cash. Dieser Korruptionsskandal ist eine Schande.
Wir appellieren an die Kommunen und Ausländerbehörden, mildere Mittel als Abschiebehaft oder -gewahrsam anzuordnen. Zumal die Inhaftierung in Büren unserer Meinung nach immer noch gegen EU-Recht verstößt.
Um einen Überblick über die Abschiebpraxis in NRW zu erhalten, habe ich aktuell eine Reihe von Anfragen zur Thematik an die Landesregierung gestartet:
Suizide, Suizidversuche und Selbstverletzungen von Asylsuchenden, Geduldeten und Ausreisepflichtigen
Chaos in der nordrhein-westfälischen Flüchtlingsaufnahme: Jetzt müssen endlich die Kräfte gebündelt werden
Frank Herrmann, Sprecher der Piratenfraktion im Innenausschuss zur erneuten Krise der NRW-Flüchtlingsaufnahme:
Leider war dieser erneute Zusammenbruch des Erstaufnahmesystems absehbar. Die Landesregierung kalkuliert die benötigten Aufnahmeplätze immer wieder zu eng und ist von einem Bedarf von 10.000 Plätzen ausgegangen. Allerdings nehmen Menschenrechtsverletzungen, Kriege und Krisen zu, daher wird die Landesregierung in Flüchtlingsfragen keine Sommerpause einlegen können. Wir brauchen 20.000 Plätze, die grundlegende Qualitätsstandards erfüllen müssen und in denen Menschen zur Ruhe kommen und nicht nach maximal zwei Wochen in Kommunen ohne weitere Betreuung weitergeleitet werden. Mit zwei Gipfeln, warmen Worten und einem einzelnen Personalausstausch ist die Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme nicht zu schaffen. Die Landesregierung muss nun endlich den Kopf aus dem Sand ziehen und eine Interministerielle Arbeitsgruppe schaffen. Die Kräfte müssen gebündelt werden: Alle Ministerien müssen für die Bewältigung der Dauerbaustelle Flüchtlingsaufnahme zusammenarbeiten.
Es geht einfach nicht, was sich die Regierung hier seit Monaten leistet. Im September 2012 ist die Flüchtlingsaufnahme das erste Mal zusammengebrochen, und seither jagt ein Aufnahmestopp den nächsten. Leidtragende sind die Flüchtlinge und Kommunen. Die Kommunen müssen mittlerweile auch noch die Fahrtkosten zu den Anhörungen im BAMF zahlen. Die Flüchtlinge werden in NRW immer noch nicht anständig versorgt und betreut. Auch nach dem Misshandlungs-Skandal von Burbach fehlt es immer noch am Nötigsten. Das muss sich dringend nachhaltig ändern.