Nur zur Vorwarnung: Dies wird ein längerer Blogpost. Wer sich nicht für das Wahlsystem der #avpampa interessiert und einfach das macht, was ihm gesagt wird, der hat jetzt noch die Möglichkeit wegzuklicken…
In einem Monat ist es so weit. Die Piraten NRW stellen in der tiefsten Pampa von Meinerzhagen ihre Landesliste zur Bundestagswahl auf (daher auch #avpampa). Da ich mich als Wahlleiter zur Verfügung stelle befasse ich mich intensiv mit den verschiedenen Wahlmethoden und -abläufen. Dazu kommen die Vorstellungszeiten und die Befragungen. Mit diesem Blogpost möchte ich eine kleine Aufstellung machen, welche Wahlmethode Vor- und/oder Nachteile bringt und meinen ganz persönlichen optimalen Veranstaltungsablauf schildern.
Es hat einige Tage lang gedauert, diesen Post zu schreiben. Er entstammt aus dem nicht zu verleugnenden Fakt, dass wir vor allem ein Zeitproblem haben werden. Egal wie viele Bewerber zu den 65 bereits öffentlichen noch hinzu kommen, wir müssen ganz genau rechnen! Ein erstes Beispiel ist eine solche Tabelle.
Folgende Grundannahmen gehen meinen Überlegungen voraus:
Generell:
- Jeder Kandidat muss mindestens 7 Minuten Redezeit zur Verfügung haben (Auskunft Wahlleitung)
- Ein Wahlgang dauert etwa eine Stunde ohne Auszählung (Erfahrung Münster)
- Das Auszählen eines Approval-Votings kostet etwa 90 Sekunden / Teilnehmer (gemessen und hochgerechnet)
- Das Auszählen eines Scored-Votings kostet etwa 90 Sekunden / Teilnehmer (ebfs. gemessen und hochgerechnet)
- Wir machen nicht nochmal diesen Quatsch mit “die Versammlung entscheidet, ob befragt wird”. It’s Grillfest-Time!
Samstag:
- Die Veranstaltung beginnt ausnahmsweise mal pünklich um 10:00 Uhr!
- Wir wollen keine “unnatürlichen (Auszähl-)Pausen” (also Wahlgang am Tagesende)
- Wir können bis 21:00 Uhr in der Halle bleiben. (und bis 22:00 Uhr auszählen – habe das geklärt)
Sonntag:
- Die Veranstaltung beginnt pünklich um 09:00 Uhr (da wird der Wahlleiter noch nicht gebraucht, oder?)
- Etwa die Hälfte der Bewerber hat es über die erste Hürde geschafft.
- Wir setzen das Ende auf 18:00 Uhr fest (inkl. Auszählung / einige haben lange Fahrtwege!)
Dies vorausgeschickt beschreibe ich hier den Ablauf eines Parteitags, der trotz Einsetzen von “Worst-Case”-Zahlen noch funktionieren kann:
Sa 10:00 Uhr
Wir beginnen mit einer sehr kurzen Einführung durch den Vorsitzenden und wählen Versammlungs- und Wahlleiter innerhalb von 10 Minuten
Sa 10:15 Uhr
Die verschiedenen GO-Vorschläge werden vorgestellt. Da sich die PG Geschäftsordnung gut vorbereitet hat und alle Anträge mehrfach öffentlich diskutiert und abgewogen wurden, brauchen wir nicht so lange wie sonst um uns auf eine GO zu einigen.
Sa 10:20 Uhr
GO, Wahlleitung und Helfer sind gewählt, das Team ist bereits vorbereitet. Die Kandidatenliste wird geöffnet, Kandidaten tragen sich ein. Parallel dazu wird die Wahlordnung und das Wahlverfahren festgelegt.
Sa 10:45 Uhr
Die Kandidatenliste wird geschlossen. Die Reihenfolge der Kandidatenvorstellungen wird ausgelost.
Der Wahlleiter beginnt damit die Wahlzettel zu drucken.
Der Versammlungsleiter erklärt den Rahmen für die Vorstellung.
Einschub
Jeder Kandidat hat insgesamt8 Minuten Zeit zu freien Verfügung, sich vorzustellen. Davon kann er 7 Minuten so aufteilen, wie er meint diese Zeit am Samstag und am Sonntag zu brauchen. Eine Minute ist fest für die zweite Runde geplant, um Kandidaten die Möglichkeit zu geben sich noch einmal kurz in Erinnerung zu rufen, wenn sie ihre gesamte Zeit bereits in Runde 1 aufgebraucht haben.
Sa 11:00 Uhr
110 Kandidaten beginnen mit ihrer Vorstellung. Durchschnittlich benutzen Sie 5 Minuten ihrer Zeit.
Einschub
90 Kandidaten war der Durchschnitt bei einer Mini-Umfrage mit wie vielen Kandidaten die Mitglieder rechnen, ich nehme einen Sicherheitspuffer…
In den anderen Ländern haben die Kandidaten im Durchschnitt 80% ihrer Zeit gebraucht – dort durften sie nicht sparen!
Sa 20:10 Uhr
Die Vorstellung der Kandidaten ist durch. Der Wahlleiter erklärt noch einmal die Wahl durch Zustimmung (Approval Voting) mit Enthaltung.
Da dieser Wahlgang nur dazu dient, diejenigen Kandidaten zu bestimmen, die in “den Recall” kommen sollen, braucht es keinen Aufruf für “möglichst viele Kreuze”.
Sa 21:30 Uhr
Der erste Wahlgang ist beendet.
Sa 22:00 Uhr
Die Auszählung ist beendet und das Ergebnis wird vor Ort verkündet, per Webseite, Social Media und Mailingliste verteilt.
60% der Kandidaten kommen in die zweite Runde (haben mehr “JA” als “NEIN”-Stimmen.
So 09:00
Die Versammlung wird wieder eröffnet.
Die Reihenfolge der Kandidatenvorstellungen wird ausgelost.
Der Wahlleiter beginnt damit die Wahlzettel zu drucken.
66 Kandidaten sind weitergekommen und stellen sich noch einmal vor.
Einschub
Um einen Puffer zu haben rechnen wir hier, dass jeder Kandidat noch 4+1 Minuten Zeit hätte. Tatsächlich sind nur noch 2 Minuten (5 am Vortag gebraucht) übrig!
Die Kandidaten rufen sich alle noch einmal in Erinnerung. Dann wird die Zeit bis um 17:00 Uhr berechnet und durch 5 geteilt.
So 14:30 Uhr
Die Kandidaten werden in 5 etwa gleichgroße Gruppe aufgeteilt (hier 14+13+13+13+13)
Die erste Gruppe kommt “auf den Grill”. Die Restzeit bis 17:00 Uhr wird durch 5 geteilt, die Gruppen werden in diesem Beispiel also fest 30 Minuten lang gegrillt.
Einschub
Die Kandidaten stehen in Gruppen auf der Bühne. Wer eine Frage hat, geht zum Mikrofon und stellt dieselbe. Keine Wiederholungen, jeder Fragesteller nur eine Frage pro Kandidat – hier ist der Landtagspräsident gefordert
Redezeiten: 30 Sekunden für die Frage, eine Minute für die Antwort. Klare Kante, Herr Versammlungsleiter (Daniel kann das aber!)
So 15:00
So 15:30
So 16:00
So 16:30
Die restlichen Gruppen stellen sich den Fragerunden.
So 17:00
Die Grillrunden sind durch. Der zweite Wahlgang beginnt.
Einschub
Ich bin der Überzeugung in der Grillrunde werden sich noch einige Überraschungen ergeben. Da ich den Wählern die Chance lassen will einen Kandidaten auch in der zweiten Runde noch abzulehnen hat mein Wahlzettel eine Spalte “ablehnen”. Wird ein Kandidat von mehr als 50% der Wählenden abgelehnt, kommt er nicht auf die Liste. Dazu kommt eine Bewertungsskala von 0-9 (habe mich überzeugen lassen, dass einstellige Zahlen besserererer sind…). Eine Spalte sähe also so aus:
Nachname, Vorname Ablehnen [_] Wertung [0] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]
Folgende Möglichkeiten sind denkbar:
Nachname, Vorname Ablehnen [_] Wertung [0] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [X] “Der Kandidat ist spitze!”
Nachname, Vorname Ablehnen [_] Wertung [X] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] “Lehne den Kandidaten nicht ab, aber weit hinten auf die Liste!”
Nachname, Vorname Ablehnen [X] Wertung [0] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] “Lehne den Kandidat ab, kommt er drauf, enthalte ich mich!”
Nachname, Vorname Ablehnen [_] Wertung [0] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] “Ich enthalte mich!”
Nachname, Vorname Ablehnen [X] Wertung [X] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] “Lehne den Kandidat ab, kommt er drauf, dann bitte ganz unten!”
Nachname, Vorname Ablehnen [X] Wertung [0] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [X] “Meine Lehrer haben irgend etwas falsch gemacht!”
Die Auswertung dieses Wahlverfahrens wird nach dem Durchschnittsergebnis durchgeführt. Das Nicht-abgeben einer Stimme ist somit eine “echte Enthaltung”, da die summierten Punkte durch die Anzahl der Zettel geteilt werden, die eine Zahlenwertung hatten. Durch dieses Verfahren kann man einen Kandidaten auch ablehnen, aber sich bei der Bewertung enthalten.
Ich weiß, dass man dieses Wahlverfahren erklären muss, aber zumindest wenn ich Wahlleiter werde seid sicher, dass ich eine entsprechende Präsentation vorbereitet haben werde!
So 18:00
Der Wahlgang ist beendet die Auszählung beginnt. Bei Gleichstand entscheidet das Los!
So 19:30
Die Auszählung ist beendet, das Ergebnis wird auf der Bühne bekannt gegeben und über die öffentlichen Kanäle gestreut.
Es gibt eine Alternative, dass Kandidatinnen sagen können, bis zu welchem Platz/Block sie kandidieren ähnlich wie in Münster. Ich bin mir uneins, ob dieses System funktioniert oder nicht… wenn Kandidatinnen angeben, dass sie auf einen schlechteren Rang wollen, werden die Leute sie nicht so hoch wählen. Die “Gegner” werden weiterhin nur 1 Punkt vergeben und damit das Ergebnis nach unten ziehen. Wenn Kandidatinnen die Platzierung nicht angeben müssen, wählt die Versammlung nachher eine Spitzenkandidatin und die rutscht durch das selbst gesteckte Limit extrem nach unten (was evtl. nicht schlimm wäre!). Das Verfahren wäre in jedem Fall so:
Die Kandidatinnen nennen vor dem zweiten Wahlgang (der Wahlleitung/dem Plenum) ihre maximale Platzierung. Nach dem zweiten Wahlgang haben wir eine Reihenfolge. (Sorry, das muss so lang sein, sonst kann ich es nicht erklären!)
Kandidatin A 8,02 (max Platz 1)
Kandidatin B 7,78 (max Platz 9)
Kandidatin C 7,76 (max Platz 1)
Kandidatin D 7,69 (max Platz 2)
Kandidatin E 7,49 (max Platz 9)
Kandidatin F 7,41 (max Platz 15)
Kandidatin G 7,22 (max Platz 1)
Kandidatin H 7,19 (max Platz 2)
Kandidatin I 7,02 (max Platz 5)
Kandidatin J 6,98 (max Platz 15)
Kandidatin K 6,91 (max Platz 9)
usw…
Kandidatin A wollte auf den Spitzenplatz – herzlichen Glückwunsch.
Kandidatin B wollte maximal Platz 9 belegen (Reserve) – auch hier beglückwünschen wir.
Kandidatin C wollte auf den Spitzenplatz, gewählt wurde sie aber nur auf Platz 3. Da Platz 2 unbesetzt ist, rutscht sie auf Platz 2 hoch.
Aktuelle Liste
1: Kandidatin A
2: Kandidatin C
9: Kandidatin B
Kandidatin D wollte auf Platz 2. Gewählt auf 4 rutscht sie auf den nächsten freien, also die 3.
Kandidatin E wollte auf Platz 9. Der ist aber schon weg! Gewählt auf 5 rutscht sie auf Platz 10.
Kandidatin F wollte auf Platz 15. Herzlichen Glückwunsch, der ist frei!
Kandidatin G wollte auf den Spitzenplatz. Gewählt ist sie auf Platz 7, rutscht aber auf Platz 4 um die Lücke zu schließen.
Kandidatin H wollte wieder auf Platz 2. Von 8 schiebt sie sich noch auf die 5
Aktuelle Liste
1: Kandidatin A
2: Kandidatin C
3: Kandidatin D
4: Kandidatin G
5: Kandidatin H
9: Kandidatin B
10: Kandidatin E
15: Kandidatin F
Auf diesen 5. Platz wollte aber doch Kandidatin I! Gewählt auf 9 mit dem Wunsch auf die 5 kommt sie nun auf die 6.
Es folgt Kandidatin J mit dem Wunsch auf die 15. Der ist aber schon weg, also wird sie Platz 16.
Letztes Beispiel ist Kandidatin K mit Wunsch auf die 9. Da dieser schon weg ist rutscht si nach unten durch auf die 11. Schade!
Aktuelle Liste
1: Kandidatin A
2: Kandidatin C
3: Kandidatin D
4: Kandidatin G
5: Kandidatin H
6: Kandidatin I
9: Kandidatin B
10: Kandidatin E
11: Kandidatin K
15: Kandidatin F
16: Kandidatin J
Alles klar? Na dann! Eine Aufgabe, die ich mir als Wahlleiter durchaus zutraue, aber das muss nach dem Geschmack der Versammlung entschieden werden.
Immerhin bildet dieses Verfahren maximal den Willen der zu Wählenden ab, keinen “zu hohen” Platz zu bekommen, der Wählerwille allerdings wird hier verfälscht!
Als Kompromiss könnte man (das scheint mir der einzig wichtige Faktor) noch sagen Spitzenplatz ja/nein. Dann tauscht der auf Platz 1 gewählte nach unten durch, wenn er nicht als Spitzenkandidat zur Verfügung steht. Platz 2 soll auch nicht so schlecht sein!
Was haltet ihr von dem obigen Ablauf? Bitte spielt selber mal mit der Tabelle herum, ich habe extra eine Spalte eingerichtet, in der ihre eure Werte ausprobieren könnt.
Was haltet ihr davon, dem Kandidat die Kontrolle über seinen Maximalplatz zu geben? Ist das eine gute Idee? Diskutiert mit mir in den Kommentaren!
UPDATE 31.12.2012 21:15
Ich habe mich neuerlich überzeugen lassen, dass ich beim zweiten Wahlgang ein Detail vergessen habe und das Ganze noch etwas mehr erklären muss. Im Zuge dessen ist mir aufgefallen, dass es bei Auswertung nach Durchschnitt keine Mitte geben muss und die Bewertung somit noch einfacher verständlich von 0 bis 9 gehen kann. Habe beides eingebaut!