in Auszügen als Rede gehalten auf der Trauerfeier für Harald Wiese am 11. Mai 2015 in Neuss.
Harald Wiese, Geschäftsführer der Piratenfraktion NRW, verstarb nach schwerer Krankheit am 27. April 2015.
Liebe Karin, liebe Trauergemeinschaft, liebe Freunde von Karin und Harald,
liebe Freunde von den Piraten, liebe Freunde von den Linken,
ob ich hier den richtigen Ton treffe, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob es einen richtigen Ton überhaupt geben kann.
Harald fehlt uns, fehlt mir. Und wie groß die Lücke wirklich ist, die er hinterlassen hat, vermag ich heute noch gar nicht abzusehen.
Wenn man älter ist, jenseits der Fünfzig ist, dann schließt man nicht mehr so schnell Freundschaften. Nicht etwa, weil die Kontaktfreudigkeit nachgelassen hat, sondern weil die Freunde fürs Leben meist schon gefunden sind.
Wenn dann noch jemand dazu kommt, ist das ein ganz besonderes Geschenk. Harald war so ein Geschenk.
Als er mir vor nicht ganz drei Jahren das erste Mal gegenüber saß, ein charismatischer grauhaariger Endfünfziger, der mich aus seinen blitzeblauen Augen anstrahlte, da wusste ich, der ist noch lange nicht fertig, der hat einen Riesenhunger aufs Leben, auf Menschen, aufs Politik machen, auf Alles.
Und er wollte – kaum zu bremsen und voller Neugier – gleich in den geistigen Clinch mit seinem Gegenüber, und rauskriegen, mit wem er es da zu tun hat.
Er war begeisternd und überzeugend, besaß aber auch die Fähigkeit, sich überzeugen und begeistern zu lassen. Und er wollte lieben – und geliebt werden, aber nicht um jeden Preis.
Bereichernde Erkenntnisse ließen sich mit Harald überall finden, und es sind gerade die kleinen Erkenntnisse des Alltags gewesen, die für uns das Zusammensein und die Arbeit mit ihm so reich machten. Empathisch, fair und voller Respekt – aus innerer Überzeugung – den Mitarbeitern gegenüber. Heiter und optimistisch Problemen gegenüber – aber – mit Tiefgang bitteschön.
Und – nicht ganz so selten – fanden sich die gemeinsamen Erkenntnisse auch mal am Grund einer Flasche guten Rotweins.
Eines Tages im Frühsommer sagte er zu mir: „Ich habe für heute die Schnauze voll von dem Kleinkram, lass’ uns noch vernünftig über Politik diskutieren, auf zwei Bier im Uerigen, die haben da fantastische Frikadellen!“ Das haben wir dann öfter gemacht.
Qualität und Anspruch in jeder Hinsicht, nicht nur bei Politik, beim Wein, bei Hifi-Anlagen, bei Musik, Architektur, sondern auch bei der eigenen Darstellung, spielte für ihn eine besondere Rolle. Eines Morgens schneite Harald in einer knallroten Jeans ins Büro unserer Abgeordneten Monika Pieper und fragte: „Moni, meinst du, ich kann so was noch tragen in meinem Alter?“
Das politische Etikett, die Überzeugung eines Menschen ist bloß ein äußeres und unzureichendes Merkmal und aufgeschriebene Lebenswege sind letztlich nur Listen von Ereignissen. Stellvertretend für so Vieles nur eins, auf Fuerteventura, wo er eine ganze Weile mit Karin lebte, gründete er eine Firma, die sich um die Trinkwasser- und Abwasserversorgung in der kleinen Kommune kümmerte. Also ums Gemeinwohl.
Und er hatte noch viel vor: „Weißt Du, ich habe da eine ganze Reihe Konzepte und Ideen für eine am Gemeinwohl ausgerichtete Volkswirtschaft, das muss ich alles bloß mal aufschreiben. Wenn Zeit ist, neben dem Hamsterrad Landtag.“
Dazu kam er nicht mehr, das müssen wir jetzt selbst machen.
Wenn jemand stirbt, stirbt immer auch ein Universum. Haralds war außergewöhnlich groß und reich. Und er ließ andere daran teilhaben.
Und, es gibt nichts Revolutionäreres als ein Volkswirt, der seine Arbeit macht.*
Harald war ein Revolutionär. Ein Revolutionär und ein Sommelier des Lebens.**
Ich weiß es nicht so genau, aber ich denke, in aller Bescheidenheit, ich kann da für uns alle sprechen.
Ich danke Dir, Harald, dass Du ein Teil meines Lebens bist.
Du wirst ein bisschen in uns weiterleben.
Joachim Paul
p.s.:
*) Dieser Satz stammt von Elisabeth Paskuy, einer Fraktionsreferentin.
**) Der “Sommelier des Lebens”, dieser Ausdruck, direkt auf Harald bezogen, stammt von Elke Kasten-Lauber, einer Fraktionsmitarbeiterin.