Die Verfassungskommission des Landtages von Nordrhein-Westfalen erarbeitet seit fast zweieinhalb Jahren Änderungen für die 60 Jahre alte Verfassung des Landes NRW. Die Aufgabengebiete dazu finden sich im Arbeitsprogramm.
Geist und Idee des Einsetzungsbeschlusses sollten ein Höchstmaß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit gewährleisten.
Beispielzitat: „Die Mitglieder der Kommission sind gehalten, während des gesamten Arbeitsprozesses überparteilich, konsensual und mit einem Höchstmaß an Transparenz zu agieren.“
Solange es darum ging die relativ unstrittigen Punkte (z. B. praktikable Regelung für die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode) zu bearbeiten wurde sich daran gehalten. Jetzt, wo es um sehr strittige Positionen geht (z. B. Wahlalter), geht dieser, für uns Piraten extrem wichtige Punkt, der Transparenz und Nachvollziehbarkeit völlig verloren.
Daher schreibt Michele Marsching heute einen offenen Brief an die Vertreter der anderen Landtagsfraktionen:
Absage an Hinterzimmergespräche zur Änderung der Landesverfassung NRW
„Sehr geehrte Herren Fraktionsvorsitzende,
ich werde an der für morgen, 5. April 2016, anberaumten Sitzung der
Fraktionsvorsitzenden im Rahmen der Verfassungskommission nicht
teilnehmen und möchte Ihnen, aber auch der Öffentlichkeit, meine
Gründe für diese Entscheidung darlegen.
Die Verfassungskommission des Landtags diskutiert derzeit die
Änderungen der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen. Diese
Aufgabe ist nicht einfach und unterschiedliche Auffassungen liegen in
der Natur der Sache. Als Pirat habe ich mich über den
Einsetzungsbeschluss für die Kommission insofern gefreut, als dass
dort auch größtmögliche Transparenz dieses Prozesses verankert wurde.
Sogar ein abschließendes Referendum über unsere neue Verfassung wurde
den Bürgerinnen und Bürgern in Aussicht gestellt. Für mich ist beides
besonders wichtig, denn das Ergebnis – unsere neue Verfassung –
betrifft alle Menschen unseres Landes in vielen Lebensbereichen.
Mindestwahlalter, Schuldenbremse, Wahlrecht für Ausländer,
Individualverfassungsklagerecht – all dies hat konkrete Auswirkungen
auf das Zusammenleben in unserem Land. Es ist für mich daher eine
gesellschaftspolitische Selbstverständlichkeit, die Menschen in
Nordrhein-Westfalen weitestgehend zu beteiligen und, wo das nicht
möglich ist, ihnen zumindest vollständige Informationen über das
Zustandekommen der neuen Verfassung zur Verfügung zu stellen.
Leider zeichnet sich ab, dass dies immer weniger gewollt und gelebt
wird. Der Kreis der Teilnehmer in den unterschiedlichen Sitzungen wird
immer kleiner. Jetzt also sollen es die ‚Spitzen‘ der Fraktionen
hinter verschlossenen Türen aushandeln – am Ende eines Prozesses, bei
dem über Monate andere federführend waren. Das ist eine
Vorgehensweise, hinter der ich nicht stehe. Die Nachvollziehbarkeit
über Entscheidungen ist immer weniger gegeben. Die Transparenz ist auf
der Strecke geblieben.
Mein Wunsch an Sie, meine Forderung für den zukünftigen Ablauf, ist:
Wir erfüllen gemeinsam den Geist des Einsetzungsbeschlusses. Wir
diskutieren offen und führen die Verhandlungen auf Augenhöhe, um das
bestmögliche Ergebnis für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.
Lassen Sie uns wegkommen von einer Hinterzimmerpolitik, die den
Menschen fälschlicherweise suggeriert, dass ‚die da oben eh machen,
was sie wollen‘. Lassen Sie uns Vorbild sein und
Politikverdrossenheit, Wahlmüdigkeit und Protestverhalten
entgegentreten!
Michele Marsching“
Fazit:
Die Piratenfraktion im Landtag NRW wird sich nicht mehr an nicht öffentlichen Verhandlungen in der Verfassungskommission beteiligen.
Kehren alle anderen Fraktionen wieder zur ursprünglichen Idee der offenen Verhandlungen zurück, nehmen wir gerne und konstruktiv, wie bisher, an den Verhandlungen Teil.
Ohne unsere Einbringung gäbe es schließlich z. B. die Idee der Individualverfassungsbeschwerde auf Landesebene gar nicht.