Facebook-Fahndung und die ewige Strafe

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Derzeit wird wieder intensiver diskutiert, inwieweit die Behörden Fahndungen nach Straftätern per Internet, speziell über Facebook, durchführen sollen. Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) möchte der Polizei dieses Fahndungsmöglichkeit einräumen..

Als zusätzlicher Kanal für die Fahndung nach Straftätern oder die Suche nach Zeugen eines Verbrechens ist Facebook mit Sicherheit geeignet. Man kann damit die jüngeren Generationen erreichen, die eher weniger das Fernsehen oder Tageszeitungen nutzen.

Es ist aber ein großes Risiko, nach Verdächtigen oder nicht überführten Personen zu suchen. Hier sehe ich die Gefahr, dass durch Fotos oder die Nennung personenbezogener Daten Menschen an einen Online-Pranger gestellt werden, die sich nachher als unschuldig erweisen, oder dass es zu Lynchjustiz kommt.

Außerdem muss man berücksichtigen, dass die Veröffentlichung von Daten im Internet stets für die Ewigkeit ist. Eine solche Stigmatisierung hält selbst dann an, wenn der Täter seine Strafe womöglich längst verbüßt hat, oder sich seine Unschuld erweist. Die Veröffentlichung stellt dann eine Strafe dar, die niemals endet – ohne Richter, ohne Urteil und ohne Möglichkeit der Verteidigung.

Die Diskussion, wie sich die Inhalte nach Ende einer Fahndung wieder aus dem Internet entfernen lassen, ist müßig. Es liegt in der Natur des Netzes, dass sich Inhalte verbreiten, wiederverwendet werden, aggregiert und an anderem Ort gespeichert werden. Einmal in das Internet gegebene Informationen lassen sich nicht mehr rückstandslos entfernen, der Ruf nach dem “digitalen Radiergummi” ist naiv.

Die Übergabe von Daten an Facebook bedeutet auch, dass sie an ein amerikanisches Unternehmen preisgegeben werden, welches nicht den deutschen Datenschutzbestimmungen unterliegt. Bekannt ist doch auch, dass wieder gelöschte Postings dennoch physisch auf Servern bei Facebook erhalten bleiben – sie werden nur unsichtbar geschaltet.

Ich würde empfehlen, die Kommentierungsfunktion der Fahndungsaufrufe abzuschalten, damit von den Besuchern der Seiten keine vermuteten Personendaten gepostet werden.

Facebook unterliegt als amerikanisches Unternehmen dem DMCA und der Antiterror-Gesetzgebung. Informationen über Straftäter fliessen mit ziemlicher Sicherheit an die amerikanischen Sicherheitsbehörden.

Insgesamt ist also bei der Fahndung im Internet oder per Facebook mit größter Vorsicht vorzugehen. Auf keinen Fall dürfen standardmäßig alle möglichen Fahndungsaufrufe und Daten veröffentlicht werden, sondern die Suche muss auf wirklich schwere und eindeutige Fälle beschränkt sein, wo der Nutzen diese Risiken überwiegt.

Bild: Vít Luštinec, Wikipedia, Lizenz: CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0, via Wikimedia Commons

Sitzung Steuerungsgruppe 15.11.

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Sitzung der Steuerungsgruppe “Landesaktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen in NRW”

An der Sitzung der Steuerungsgruppe im Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter habe ich heute zum zweiten Mal teilgenommen. Beim letzten Mal ging es um einen Rückblick auf 10 Jahre Gewaltschutzgesetz.

Heute ging es um die Frage, wie man unterschiedliche Zielgruppen besser inkludieren kann bezüglich Schutz, Hilfe und bei Unterstützungsangeboten.
Hierbei wurden speziell folgende Zielgruppen analysiert:

Frauen in der Pflege
MediennutzerInnen
Transsexuelle Mädchen und Frauen
Frauen ohne Papiere
Frauen in Wohnungsnotlagen
Frauen in Haft
Frauen und Mädchen mit Behinderungen
(Insbesondere taubblinde, gehörlose und Frauen mit Lernbehinderung)
Lesbische Frauen/Mädchen
Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen

Es gab mehrere kurze Inputvorträge zu verschiedenen Zielgruppen.
Danach folgte eine Gruppenarbeit, in der wir für alle Zielgruppen Best Practise Beispiele gesammelt sowie Möglichkeiten und Grenzen der Weiterarbeit gesucht haben.

Der erste Inputvortrag beschäftigte sich mit lesbischen Frauen:
Die Vertreterin des Beratungsnetzwerks für LSBT* bei Diskriminierung und Gewalt erläuterte, dass 80 Prozent der lesbischen Frauen eine Form von Diskriminierung und Gewalt aufgrund ihrer sexuellen Identität erlebt hätten. Jede 4. bis 5. Frau sei Opfer von Gewalt in der Partnerschaft. Das Dunkelfeld sei hoch (Polizei erhebt die Daten nicht).

Lesbische Frauen wenden sich überwiegend an ihre Community oder Vereinigungen, die deren individuellen Bedürfnisse verstehen.
Problem dabei auch: Tabuisierung der Thematik, dass Frauen Täterinnen sein können.
Weiterhin wird gelegentlich bagatellisiert, weil viele lesbische Frauen Diskriminierung als Teil des Lebens akzeptiert hätten.

Beim zweiten Kurzvortrag ging es um Mädchen/Frauen mit Behinderung. Sie seien oft Opfer von Mehrfachdiskriminierung. Ausgrenzung und Bevormundung ist ein Teil des Bereichs. Das Risiko, Opfer von sexualisierter oder struktureller Gewalt zu werden, sei besonders hoch in dieser Gruppe. Abhängigkeiten spielen ebenfalls eine Rolle.
Täter: Pflegepersonal, Verwandte, andere Behinderte, Personen aus dem beruflichen Umfeld
Problematisch: In Prozessen kann passieren, dass sie als weniger glaubwürdig eingeschätzt würden.
Es gebe fünf spezialisierte Beratungsstellen, Gelsenkirchen wird hierbei explizit genannt.
Nicht überall gebe es inklusive Flyer in einfacher Sprache, behindertengerechter Sprache etc.

Im dritten Kurzvortrag ging es um bildungsnahe Schichten.
Häusliche Gewalt gibt es quer durch alle Schichten, jedoch seien in der Gruppe ab 45 Jahren Frauen mit höchsten Bildungsressourcen signifikant höher betroffen (27 Prozent) im Vergleich zu 15-17 Prozent bei Frauen mit geringer Schul-und Berufsausbildung.
Dies gehe zurück, wenn Frauen weniger als der Mann verdienen oder in der Bildung/im Job tiefer stehen als der Mann.

Gerade in dieser Gruppe erhalten Frauen in der Gesellschaft unter Umständen wenig Verständnis. Es käme die Angst vor sozialem Abstieg und die Angst vor Skandalisierung hinzu sowie die Angst, nicht glaubwürdig zu sein gegen einen angesehenen Mann.

Für alle genannten Zielgruppen gibt es derzeit zu wenig spezielle Angebote.

Eine Vision für eine Infrastruktur der Zukunft und erste Schritte dahin sollen in der nächsten Sitzung im Januar identifiziert werden.
Dabei wird es um Standards gehen, um Kollaboration, Vernetzung etc. gehend und darum, wie man zeitgemäße Angebote schaffen kann (z.B. adressatengerechte Flyer, Öffentlichkeitsarbeit, Verstärkung anonymer Angebote etc.)

Leserbrief: Stahlgebadete Vollprofis

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Ulrike Posche schreibt im STERN 46/12 unter der Überschrift “Mensch, Schlömer, dann heul doch” in ihrer Kolumne:

(Zusammenfassung, ich versuche Zitate zu vermeiden):

  • Ich habe lieber Profis in der Politik als empfindsame Weicheier
  • an Politikern sollte alles abprallen, sie sollten knallhart sein, wie Merkel
  • die eigene Befindlichkeit muss hinten an stehen in der Politik
  • Bernd Schlömer würde zu oft über die Lasten des Amtes heulen
  • Schlömer hätte ein Bällebad erwartet und ein Stahlbad bekommen
  • Vollprofis blieben nie lange bei schlechten Gefühlslagen
  • Vollprofis seien “Gesellschaftsexperten” und verträten gnadenlos eigene Ideen
  • Schröder habe auch viel Gegenwind bekommen, unter dem wäre Schlömer zusammengebrochen
  • Steinbrück sei auch so ein Harter, klare Worte, klare Kante
  • “richtige” Politiker seien klar abgrenzbar, die PIRATEN dagegen eine Soße
  • nur wer wirklich Lust an der Auseinandersetzung habe, sollte Politiker werden

Wie mich jedes Wort dieser Kolumne ankotzt! Sie ist der Auslöser für meine neue Blog-Kategorie “Leserbriefe”, sie hat mich so wütend gemacht, dass ich Stundenlang an einer Antwort feilen musste, die sachlich bleibt und eine Gegenanalyse darstellt. Hier also ist sie:

beim-Klabautermann.de

Sind wir wirklich schon so weit? Müssen Politiker Maschinen sein, die einfach funktionieren, gewissenlos, freudlos, leidlos? Ist so etwas das Idealbild eines Politikers in Deutschland. “[...] die eigene Befindlichkeit hinter das Wohl des Volkes zu stellen”? Hat uns nicht gerade diese Art der Politik da hingebracht, wo wir jetzt stehen? Simple Zahlentheorie statt Menschlichkeit, Optimierung der Wirtschaft statt Optimierung des Sozialstaates? Nur “für die Menschen” statt “mit den Menschen”?

Ich bin in die Politik gekommen, weil ich ein ureigenes Ziel hatte – meine Vision eines besseren Lebens, einer besseren Gesellschaft. Jeder Politiker fängt einmal so an. Wer das nicht macht, ist einfach nur geil auf die Macht, auf die Posten, auf den Einfluß. Das möchte ich keinem Menschen unterstellen…

Ich habe eigene Gefühle, ich heule wenn ich rührende Momente fühle, wenn in Berlin bei einer Führung über den zweiten Weltkrieg der Amerikaner neben mir seine Mutter vom Handy aus anruft und ihr sagt, wie toll es in Deutschland ist. Wenn ich lese wie selbstlos manchen Menschen sich für Verbesserungen in ihrem Heimatland einsetzen und dafür Leib und Leben riskieren. Wenn ich sehe, wie blind und dumm Politik sein kann bei der Einführung von Überwachungsmaßnahmen und Verboten. Gerne diskutiere ich mit ihnen einmal durch, warum Computer nicht die besseren Entscheidungen treffen und Kameras nicht die Sicherheit erhöhen.

Ich habe Befindlichkeiten, ich bin enttäuscht, wenn ein guter Antrag nicht drankommt oder abgelehnt wird, ich bin traurig, wenn gute Arbeit am Ende in belanglosen Sex-Tweets untergeht. Na und? Ich bin ein Mensch und keine Maschine! Ich bin ehrgeizig und reizbar, ich renne schreiend aus Sitzungen und komme später gesenkten Hauptes wieder rein…

Das alles gehört dazu, das alles macht uns Politiker aus, das alles macht uns PIRATEN aus, das alles macht uns Menschen aus. Wer lieber Maschinen als Politiker hätte, kann ja Computer in den Bundestag setzen.

Über “Leserbriefe”

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Seit langer Zeit schon rege ich mich über die verschiedensten Pressekommentare und Analysen über die PIRATEN auf, die aus der Sicht und mit dem Wissen eines Insiders einfach völlig anders geartet und zu bewerten wären. Da meine Leserbriefe sicherlich niemals gedruckt würden, mache ich hier eine neue Rubrik auf in der ich mich mit diesen Artikeln auseinandersetze.

Dazu gebracht haben mich zwei Dinge: Der Artikel “Am Weg zu einer normalen Partei” über die Analyse “Diskurs mit den Piraten” der Böll-Stiftung, wo mich nicht der Titel störte, sondern die einfache Tatsache, dass grundlegende Fehler bei der wissenschaftlichen Analyse gemacht wurden – aus purer Unwissenheit. So wird die “grüne Bucht” im Forum der Piratenpartei analysiert und die dort aufzufindenden Begriffe als Diskussionen der PIRATEN ausgegeben. Tatsächlich diskutieren hier aber Mitglieder der Grünen, denen seinerzeit ihr eigenes Forum dicht gemacht wurde. Die Ergebnisse sind also verfälscht, weil man nicht nachgefragt hat – setzen, sechs!

beim-Klabautermann.de

Kurz darauf fiel mir wieder mal der STERN 46/12 in die Hände mit dem Kommentar “Mensch, Schlömer, dann heul doch” (leider nicht im Netz verfügbar). Darin schreibt die Autorin Ulrike Posche sinngemäß: “Ich kann diese sensiblen Politiker wie den Schlömer nicht mehr sehen, geh einfach in die Ecke, heul dich aus und lass die knallharten Profipolitiker ohne eigene Gefühle und Befindlichkeiten ‘ran!”.

Wie mich jedes Wort in dieser Kolumne angekotzt hat!

Daher werde ich jetzt des öfteren Berichte über die PIRATEN kommentieren, genau mit dieser Kolumne anfangen. Hier ist der Link zum ersten Leserbrief “Stahlgebadete Vollprofis”.

Reden zum Haushalt 2012

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Ich habe in der Haushaltsdebatte am vergangenen Donnerstag zwei Reden gehalten, die mittlerweile befreit worden sind.

Zum Medienhaushalt:

Zum Wirtschaftshaushalt:

Über Feedback freue ich mich!

Besuch einer Justizvollzugsanstalt

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Besuch in der JVA Willich 2

https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/justizimwww/justizvollzug/willich2/index.php

Gestern also war mein Termin in der oben genannten Justizvollzugsanstalt. Ich wollte mich schon länger mit den pädagogischen Konzepten in unseren JVAs beschäftigen. Man kann da aber in NRW nicht einfach hingehen, auch nicht als Abgeordnete. Das Justizministerium möchte das erst genehmigen. Also schreibt man zig Mails hin und her, bis das dann klappt.
(Ergänzend hier, dass die Kontakte mit der JVA selber total angenehm waren.)
Ich weiß nicht, ob es tatsächlich so wäre, dass man abgewiesen würde, wenn man mal unangekündigt vor so einer Institution stehen würde. Ich wollte das nicht gleich ausprobieren.

Als Referendarin hatte ich mal mit einem Lehrer zu tun, der für eine Zeit in einer JVA unterrichtet hat.

Seitdem habe ich zwar immer mal darüber nachgedacht, wie das wohl sein mag, mich aber nie konkret damit beschäftigt.

Am Einlass muss man das Handy/Smartphones etc. abgeben. Das iPad lassen sie mir, obwohl da auch eine SIM-Karte drin ist.

Inhaftierte dürfen lt. Gesetz derzeit zwei Mal im Monat Besuch empfangen. Im Frauenhaus ist dies über die gesetzliche Regelung hinaus auf vier Mal im Monat ausgedehnt worden, weil der Kontakt mit der Familie als förderlich und hilfreich angesehen wird.

Das recht neue Frauenhaus (aus dem Jahr 2009) wirkt hell und freundlich. Wirklich nicht so, wie ich mir so einen Knast vorgestellt habe. Wobei mein Fotografinnen-Herz an dem alten Haus auch Freude hätte. Eine Fotoreihe von dem langsam verfallenden Gebäude, bevor es abgerissen wird, wäre sicher ein Vergnügen. Ich weiß nicht, ob man dafür eine Genehmigung bekommen kann.

In der JVA Willich 2 sind derzeit ca. 190 Inhaftierte gesamt, davon ca. 22, die die Schule besuchen.
Alter ca. 25 bis 55
Es ist möglich, hier den Abschluss der Hauptschule oder den mittleren Schulabschluss zu erwerben.
Die meisten Teilnehmerinnen der Kurse schaffen den Schulabschluss (95 Prozent).

Die Prüfungsvorschläge sind zur Bezirksregierung einzureichen (wie durchaus auch an normalen Schulen üblich.
Das Niveau ist vergleichbar mit Kursen der Volkshochschule.

Außerdem wird Deutsch als Fremdsprache im Freizeitbereich angeboten, also abends. An dem Kurs können max 20 Frauen teilnehmen.

Das Abitur oder Fachabitur kann in Köln erworben werden (Inhaftierte können dann dorthin wechseln). Schülerinnen, die weiter zu einer anderen Schule gehen, kommen im allgemeinen gut klar. Sonst gibt es wenig Vergleich mit anderen Schulen, was auch Vorteile haben kann, zum Beispiel weniger Leistungsdruck.
Nachmittags können Schülerinnen die LehrerInnen kontaktieren. Es ist immer mindestens ein/e AnsprechpartnerIn im Flur. Die LehrerInnen haben ausdrücklich auch großes Interesse, den Frauen die Angst vor Schule nehmen. Viele haben von früher schlechte Erfahrungen mit Schule. Der Anteil an Frauen ohne Schul- oder Berufsabschluss ist sehr hoch. Die Lehrer haben normal 30 Tage Urlaub. Dadurch, dass die für andere Schulen geltenden Ferienzeiten wegfallen, bleibt mehr Freiraum fürs Lernen, was ebenfalls den Druck beim Lernen für die Frauen verringert.

Natürlich kann die Arbeit dort auch schwierig sein für die LehrerInnen: Hintergründe zum Beispiel:. Nicht alle TäterInnen sind auch Opfer, aber immer mal wird man natürlich mit belastenden Hintergründen konfrontiert. Als LehrerIn ist man auch recht nach dran an den Frauen und deren Geschichten.

Interessant ist auch der Hinweis einer Lehrerin, dass Frauen aus anderen Gründen straffällig werden als Männer. Darüber muss ich mich unbedingt noch weiter informieren. Frauen werden immer wieder auch aufgrund von Abhängigkeiten straffällig.
Ansonsten ist aber auch der Anteil an Straftaten aus dem Bereich des Betäubungsmittelgesetzes und damit verbundener Beschaffungskriminalität recht hoch: 70 Prozent.

Insgesamt ist sehr viel Begeisterung von allen LehrerInnen zu spüren. Alle scheinen sehr viel Freude an der Arbeit zu haben und berichten mit viel spürbarem Herzblut davon und auch von den Frauen, mit denen sie zu tun haben.

Für mich gewöhnungsbedürftig wäre die Tatsache, dass es in JVAs kein Internet gibt für die Inhaftierten.

Theoretisch gibt es wohl eine Plattform für das Lernen in JVAs, welche von der Universität Berlin entwickelt wurde. Fast alle Bundesländer setzen diese ein, nur NRW und Bayern nicht.

Wenn man Bildung will, gehört das Internet für mich ganz selbstverständlich dazu. Insofern müssen wir uns mit der Zukunft der Bildung im Strafvollzug beschäftigen.
Wenigstens den Einsatz der Plattform halte ich auch für NRW für erstrebenswert. Das wird dann wohl ein Antrag von mir für den Landtag.

Hier die Plattform:

http://www.ibi.tu-berlin.de/projekte/elis_plattf/elis_plattf.htm

Neben der Schule gibt es diverse Arbeitsmöglichkeiten in unterschiedlichen Werkstätten für die inhaftierten Frauen. Dabei: eine Näherei, Montagehallen, eine großartige Halle für Holzarbeiten (wo z.B sehr schöner Schmuck oder Dekoobjekte hergestellt werden, die man hoffentlich bald über den “Knastladen” auch online erwerben kann) und den Garten- und Landschaftsbau, der auch das Außengelände betreut.

Ich schätze, dass viele LehrerInnen, PsychologInnen, SozialpädagoInnen etc. eine JVA gar nicht als attraktiven Arbeitsort vor Augen haben. Ich hatte aber aufgrund der Zeit und der Gespräche dort den Eindruck, dass die Arbeit in einer JVA auch sehr spannend und erfüllend sein kann. Zum Vergleich wäre es aber sicher sinnvoll, sich eine weitere JVA anzusehen.

Zum Schluss noch eine Literaturempfehlung zum Thema von einer der LehrerInnen vor Ort:
Knast. Joe Bausch
Das lese ich als nächstes.

Über Abgeordneten-Nebeneinkünfte

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Meine subjektive Meinung zum Thema Abgeordneteneinkünfte als Grundlage für den einen oder anderen, mein Engagement in dieser Sache einzuordnen. Ich arbeite im Arbeitskreis “Transparenz von Abgeordneteneinkünften” der Landtagsfraktion mit, bin über die Arbeitsgruppe zur GO im Landtag daran aktiv und hinterfrage die Aktionen aus den anderen Bundesländern kritisch.

Zunächst meine persönliche Situation: Ich bin Mitinhaber einer Zwei-Personen-GbR, die ich 2004 gegründet habe. Aus den Gewinnen habe ich schwankend zum Familien-Lebensunterhalt beigetragen. Ich habe sonst keine weiteren Einkünfte, von den Mini-Zinsen auf die Altersrücklagen und Sparbücher mal abgesehen.

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Die Vereinbarung aus Saarbrücken lautete wohl, dass die Piraten für totale post-private Transparenz stehen. Dieser Einstellung muss ich vehement widersprechen. Müsste ein Abgeordneter in meiner Situation seine Daten alle offenlegen, so wie z. B. von Patrick Breyer gefordert, verletzte er damit ebenso sowohl den Datenschutz seines Geschäftspartners (50/50 Aufteilung), als auch sehr private Daten wie die Tatsache, dass mein Sohn kein leibliches Kind ist (was andere Betroffene evtl. zum Schutz der Kindesentwicklung nicht preisgeben wollen) oder die Einkünfte seiner Ehefrau/seines Partners. Bitte versteht mich nicht falsch, ich bin prinzipiell für den gläsernen Abgeordneten, aber wir befinden uns hier in einem Spannungsfeld zwischen Datenschutz und berechtigten Interessen den Öffentlichkeit, das müssen wir viel breiter Diskutieren.

Ein zweiter Punkt ist die ewig währende Neiddebatte. Die Bundeskanzlerin verdient “unglaubliche” 24.165,-€ im Monat. Gemessen an ihrer Verantwortung und dem immensen Verlust von Privatleben und Privatheit im Allgemeinen sind es dann aber doch “nur” 24.165,-€. Verglichen mit einem mittleren Managergehalt sind das Peanuts(!) und diese Frau ist für einige Entscheidungen verantwortlich, die 80 Mio. Deutsche betreffen! Wir sollten den Verdienst und die Leistung von Menschen immer mit Ihrem Gehalt in Relation setzen. Dabei muss der typisch deutsche Neidreflex endlich mal abtrainiert werden. Ich fühle bspw. gar keinen Neid gegen eine Topmanagerin, die genauso morgens aufsteht wie ich, sich zur Arbeit schleppt wie ich, für ihr Geld hart arbeitet wie ich und abends übermüdet ins Bett fällt wie ich. Sie bekommt dafür ein vielfaches an Geld, selbst gegenüber meinem großzügigen Salär. Na und?

Ein Letztes, ich habe in meinem Leben eins gelernt: Je rigoroser Regeln gefasst werden, desto stärker wird der Drang diese Zwänge zu umgehen. Denkt nur an unser Steuersystem! Die Überprüfung der Beeinflussbarkeit von Politikern ist eine Aufgabe des öffentlichen Interesses. Der soziale Druck vor der Wiederwahl muss hoch genug sein, um die Bewerber zur Offenlegung zu drängen. Gesetze können hier nur flankieren. Alle möglichen Schlupflöcher können wir eh nicht schließen. Zur Not überschreibt ein Abgeordneter die Firma auf seine Frau (wie in NRW schon geschehen), zur Not lasse ich mir das Geld weglegen und nach der Mandatierung auszahlen. Irgendein Weg findet sich immer.

Daher sollten wir einen gesunden Mittelweg finden und nicht mit der Brechstange durch jede Tür rennen. Der Arbeitskreis der Fraktion ist da schon auf einem guten Weg. Diesen sollten wir weiter gehen – bevor wir eine Aktion mit dem Kopf durch die Wand über alle Fraktionen lostreten.

Über den Umgang mit den Medien

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Ob man es glaubt oder nicht, dieser Artikel liegt schon seit über einer Woche hier rum, lange bevor mal wieder ein Tweet von unserer politischen Arbeit in NRW ablenken konnte. Mit einigen Ergänzungen möchte ich ihn daher heute morgen abschicken:

Ich möchte über ein grundsätzliches Problem der Mitglieder der Piratenpartei mit den Medien schreiben. Schon vor den Twitter-Beiträgen von Birgit habe ich festgestellt, dass wir uns selber zu Meistern darin erklären, immer neue Säue durchs Dorf zu treiben. Ob das der Rücktritt eines NRW-Geschäftsführers, der Streit im Bundesvorstand, eine Unstimmigkeit bei den Sozialpiraten oder die neueste Berichterstattung aus dem Landtag ist, macht dabei keinen Unterschied.

beim-Klabautermann.de

Piraten sind im Umgang mit Medien unerfahren, immer noch! Selbst ich als MdL und Ex-Vorsitzender, der monatelang tagtäglich mit Medien zu tun hatte, würde das von mir behaupten. Noch immer fallen wir auf allerlei Tricks herein und auch die Fraktionäre sind noch lange keine professionellen Politiker oder Medienprofis. Medien verkaufen Auflage! War es vor kurzem noch schick, positiv über die Piraten zu schreiben, wird jetzt immer über uns geschrieben, wenn wir mit dem Fuß im Hundehaufen stehen.

Der wichtigste Faktor hierbei? Leute, es ist Bundestags-Wahlkampf! Die PIRATEN in NRW liefern (auch in den Augen der anderen Fraktionen und vieler Journalisten) eine sehr gute inhaltliche Arbeit ab. Trotzdem tauchen wir damit nicht in der Presse auf, auf “Skandale” stürzen sich jedoch sofort alle wie die Hyänen. Aktuelles Beispiel: Birgit mit ihrem eher harmlosen Tweet, der von allen Landtagsvizepräsidenten kommentiert wird. Nur die Präsidentin umschreibt die “Affäre” mit ruhigeren Worten…

Wir können das den Medien ankreiden, können darüber nachdenken, nur noch im Web2.0 zu veröffentlichen. Wir können uns hinstellen und die Dummheit der Empfänger beschimpfen, die der BILD glauben und alles für die Wahrheit halten, was Theo Schumacher in die WAZ/NRW bläst. Oder wir können hier im Landtag an uns arbeiten und uns klar machen, dass wir immer auf mehreren Ebenen mehrere Zielgruppen ansprechen müssen. Am Ende gilt der Satz: “Mensch, genau diese Leute haben uns gewählt!”

Das grundsätzlichste Problem der PIRATEN ist jedoch der jederzeitige Umgang miteinander, den wir unbedingt ändern müssen: Der Selbstverstärkungseffekt. Da wir ständig durchs Netz wandern, immer am Puls der Zeit, bekommen wir jeden negativen Bericht sofort mit. Aus unserer Filterblase heraus setzt ein natürlicher Effekt und wir versuchen uns gegen diesen Angriff zu wehren. Leider halten wir es eher wie die Wildhunde, die kranke und schwache Tiere ausstoßen, als wie die Menschen, die versuchen in ihrer Gruppe zu retten, wer zu retten ist: Wir hacken auf Mitpiraten ein, dass die Fetzen fliegen.

Wenn dann mal wieder die aktivsten aufhören, weil sie komplett die Lust verloren haben, wenn “Porno-Rya” darüber nachdenkt die Fraktion zu verlassen, anstatt sich einfach mehr auf politische Arbeit zu konzentrieren, dann haben wir erreicht, was wir nicht erreichen wollten. Der nächste Skandal wartet schon darauf, durch das virtuelle Dorf zu ziehen, die nächsten Nichtversteher stehen bereit, den Medien alles zu glauben und das falsche Bild zu zementieren.

Was aber würde ich tun? Meine Empfehlung: Einfach mal die sog. “Skandale” aussitzen. Einfach mal die Brust rausstrecken und sagen “Ja, das habe ich getan, das ist im Internet normal und ich bin ein ganz normaler Mensch.” Die Sachlage hochhalten: 13 Stunden Sitzungen sind ohne Pausen einfach nicht auszuhalten. Bei den anderen Fraktionen macht man das mit den Besuchergruppen und dem Nur-zum-abstimmen-erscheinen. Wir versuchen so oft und lange wie möglich am Platz zu sein.

Jedes Thema ist wichtig, alle Redner haben das Recht auf ein Auditorium, also lasst uns über Pausen und maximale Endzeiten (Vertagung) reden. Lasst uns einfach mehr Plenartage planen. Wenn die Kameras vom WDR gehen, wird es eh so laut, dass konzentriertes zuhören kaum möglich ist (zur Info: genau zu der Zeit wird der Stream RICHTIG voll…). Machen wir doch mal das mit dem gemeinsamen Verbessern der Arbeit im NRW-Parlament, das ist allemal konstruktiver, als sich selbst zu zerfleischen.

Persönlicher Blog von Oliver Bayer

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Schöne Worte ohne Geld:

Die Landesregierung fordert mehr als sie ausgeben will.

Haushaltskürzungen sind kein Wert an sich. Wenn das Land weniger Geld bereitstellt und damit zunächst auch weniger Schulden aufnimmt, mag das gut klingen; Wenn dadurch an anderer Stelle oder zukünftig allerdings höhere Kosten entstehen, dann ist die „Haushaltssanierung“ Augenwischerei. Weiterlesen »