Am 13. Mai 2012 sind die Piraten mit 20 Listenkandidaten in den Landtag von Nordrhein-Westfalen eingezogen. 20 engagierte Mitglieder, jedes mit seinem Spezialgebiet, jedes mit seinen eigenen Verbindungen, eigener (Vor-)Geschichte, eigener Zielsetzung. In den ersten grossen Abstimmungen wird dies durchaus deutlich, da stimmen die Piraten nicht gemeinsam nach einem Beschlussvorschlag sondern nehmen sich das “Recht” heraus, jeder nach seinem gut Dünken abzustimmen.
Was revolutionär erschien hat leider nicht lange gehalten, denn um sich eine eigene Meinung zu bilden braucht man Zeit. Zeit, die ein volbeschäftigter MdL in einer kleinen Landtagsfraktion nicht hat.
…überhaupt das Thema “kleine Landtagsfraktion”…
Ist man in der Fraktion einer lange etablierten Partei, kann man auf Erfahrungen und Strukturen anderer Landtagsfraktionen zurückgreifen, eventuell sogar der eigenen bei Wiederwahl. Kommt man aus dem Nichts hat man genau das: Nichts! Man bekommt von der Landtagsverwaltung einen kleinen Raum zugewiesen, drei Rechner und ist erst mal mit 20 Abgeordneten “auf sich alleine” gestellt.
Was folgt, ist ein Einstellungsmarathon. Jede/r MdL muss sich zunächst nach einem persönlichen Assistenten umsehen. Ob er nun fachliche Hilfe, organisatorische Hilfe oder einfach aufgrund Führerscheinmangels einen Fahrer braucht, spielt dabei keine Rolle. Nachdem dann die Ressorts untereinander aufgeteilt wurden, beginnt die Einstellung der Fachreferenten. Um einen kleinen Einblick zu geben: die letzte Referentin ist erst vor zwei Wochen eingestellt worden.
Mitten in diese ersten Aufbauvorbereitungen platzt sofort die erste Plenarsitzung. Die Wahl der Ministerpräsidentin, die Vereidigung des Parlaments, die Bestätigung der Diäten und einige andere “Formalia” müssen erledigt werden. In ganz kleinen Schritten tastet man sich an die richtige, funktionierende Arbeitsweise heran, wie man mit 20 völlig unterschiedlich sozialisierten und arbeitserfahrenen Menschen zu Ergebnissen kommen kann. Diese Ergebnisse werden ebenso mühsam in Anträge übertragen oder ins Plenum gegossen. So hat es einen Weile gedauert, bis die jeweiligen Fachabgeordneten genug Vertrauen aufbauen konnten, um für ihre Anträge eine Beschlussempfehlung abgeben zu können, die etwas zählte.
Nachdem der erste Schock verflogen ist, haben die anderen Parteien Zeit gehabt sich auf die @20Piraten einzustellen. Nur wenig Innovatives, Aufregendes, Aufweckendes passiert noch in der täglichen Arbeit. Ungeschickt werden Twitternachrichten zu schlechten Meldungen, das Bild soll entstehen, Piraten im Landtag seien nicht nötig/nützlich. Die Medienstrategie, den klassischen Zeitungen/Fernsehsendern positives Futter liefern zu wollen kommt nicht durch, eine wilde Orgie unkoordinierter Pressemitteilungen verstopft den Weg zu einer verbesserten Strategie. Der Kontakt zur Basis reißt teilweise ab, sogar innerhalb der Partei wird die Frage kolportiert, wie lange eine Fraktion über Kaffeemaschinen und Getränkebestellungen reden müßte.
#20piraten im Landtag machen sachlich einen sehr guten Job! Mehrere Initiativen wurden bereits von den regierungstragenden Fraktionen übernommen, sogar eigene Anträge der Piraten wurden positiv beschlossen. Was fehlt, ist das Schaufenster, in dem all diese Erfolge und das Wirken der 20 MdL positiv dargestellt und wahrgenommen wird. Mehrere Aufrufe an die Fraktion aktiver im Netz unterwegs zu sein, die klassischen Stärken der Piraten auszunutzen und damit den klassischen Medien ein Schnippchen zu schlagen, liefen ins Leere.
Nach wie vor verschlingt die Arbeit als MdL eine große Menge an Zeit und Energie. Leider ist es nicht häufig möglich, aus dem Hamsterrad heraus zu treten und für sich selbst und die Piraten Werbung zu laufen. Die Fraktionsmitglieder haben das verstanden und werden in den nächsten Wochen entsprechende Maßnahmen ergreifen, damit sie sich selbst mehr auf Fachpolitik beziehungsweise mehr auf die positive Darstellung der eigenen Arbeit konzentrieren können.
Natuerlich denkt man auch in Düsseldorf an Berlin und möchte daran beteiligt sein, Piraten auf Bundesebene ins Parlament zu bringen. Die ersten Schritte dazu sind bereits getan, doch alle wissen, dass es ein langer und schwerer Weg werden wird, den Enthusiasmus und den Erfolg des Jahres 2012 wieder einzufangen.
Auf diesem Weg verpflichte ich mich ab nächster Woche einen neuen Weg zu gehen, den ich hier im Blog vorstellen werde. Ich lade jede/n MdL ein, mit mir diesen Weg zu gehen, die Bürger einzubinden und die Politik noch besser zu erklären.