Donnerstag, 25. Juni 2015
Top 1. A k t u e l l e S t u n d e
SPD-Parteikonvent billigt Kompromiss zur Vorratsdatenspeicherung: Ein guter Tag für die Innere Sicherheit Nordrhein-Westfalens, ein schlechter Tag für die rot-grüne Landesregierung!
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache16/9058
in Verbindung damit
Das Land NRW muss Position gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung beziehen
AktuelleStunde auf Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache16/9059
in Verbindung damit
Ein absehbares technisches, rechtliches und finanzielles Desaster: Vorhaben zur anlasslosen und massenhaften Vorratsdatenspeicherung unbedingt abbrechen!
Eilantrag auf Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/9060
Unser 1. Redner: Dietmar Schulz
Persönliche Erklärung von Dietmar Schulz
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung
Audiomitschnitt der Rede von Dietmar Schulz anhören
Audiomitschnitt der Rede von Dietmar Schulz als Download
Videomitschnitt der kompletten Debatte
Protokoll der Rede von Dietmar Schulz
Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und daheim! Herr Kollege, Sie haben gerade schon ausgeführt, was in der Landesregierung los ist. Gestern hat das muss ich hier nicht besonders betonen die Frühjahrskonferenz der Innenminister und Innensenatoren begonnen. Am vergangenen Wochenende fand der kleine Parteikonvent der SPD statt. Alle reden nur über eins: die Vorratsdatenspeicherung. Herr Kollege Kruse, von Ihnen habe ich kein einziges Wort zur Vorratsdatenspeicherung gehört. Das finde ich skandalös!
(Beifall von den PIRATEN Zuruf von der CDU)
Vorratsdatenspeicherung soll jetzt „Mindestspeicherfrist“ bzw. „Höchstspeicherfrist“ für Verkehrsdaten heißen. Aber selbst da ist sich die Große Koalition in Berlin nicht einig. Einig scheint sich die Große Koalition jedoch im Hinblick auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu sein ein Paragrafenmonster, dass, wenn man es sich anschaut, selbst oder gerade mir als Volljuristen die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Ich muss Ihnen eines sagen: Vergleicht man es mit manchen Steuergesetzen, geht der Gesetzentwurf in dieselbe Richtung.
Frau Ministerpräsidentin Kraft, ich habe eine Frage an Sie. Herr Kollege Kruse hat zu Recht festgestellt, dass Sie sich in dieser Diskussion bis heute nicht einmal inhaltlich zur Sache geäußert haben. Ich habe jetzt eine Frage an Sie als Regierungschefin. Sie haben wegen des heute sicherlich entschuldigten Fernbleibens Ihres Innenministers die Chance, sich hier zur Frage der Vorratsdatenspeicherung zu erklären.
(Zuruf von den PIRATEN: So ist es!)
Haben Sie sich im Rahmen dieses Konvents geäußert, wie schlecht Sie es finden, dass Ihr Parteichef die VDS also die Vorratsdatenspeicherung zur Chefsache erklärt hat? Sie haben gleich die Möglichkeit, sich dazu zu positionieren. Haben Sie in einem Debattenbeitrag im Rahmen des Konvents eventuell das Schreckensszenario von einem ermordeten Kindes aufgezeigt und dass Sie, für den Fall dass die Vorratsdatenspeicherung nicht kommt, dann den Eltern erklären müssten, warum man nicht für die Vorratsdatenspeicherung sei?
Wären Sie darüber hinaus hier und heute bereit, anzuerkennen, dass schwere Gewaltverbrechen wie Mord oder so schlimme Verbrechen wie sexueller Missbrauch weiterhin begangen werden, dass sich die Terrorgefahr nicht vermindert und sich auch durch die Vorratsdatenspeicherung daran nichts ändern wird? Dass so etwas passiert, ist schon schlimm genug. Aber die Vorratsdatenspeicherung verhindert keine einzige Straftat.
(Beifall von den PIRATEN und der FDP)
Sind Sie bereit anzuerkennen, dass gerade bei Mord oder auch bei anderen schweren Gewaltverbrechen die Aufklärungsrate durch unsere gute Polizeiarbeit bei nahezu 100 % liegt und das auch ohne Vorratsdatenspeicherung, die im März 2010 gekippt worden ist? Wieso in aller Welt haben Sie dieses Schreckensszenario auf dem Parteikonvent dazu benutzt, die Delegierten zu beeinflussen wie man es überliefert bekommen hat , so wie das auch durch Ihren Parteichef geschehen sein soll?
(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Woher wissen Sie das?)
Wir können Herrn Innenminister Jäger leider nicht persönlich fragen. Aber vielleicht beantworten ja Sie diese Frage, ob er tatsächlich angedeutet hat, dass die Nichtspeicherung das Grundrecht der Opfer auf körperliche Unversehrtheit beschneiden würde. Ich wäre angesichts dieser Gerüchte, die durch die parteipolitische Szene wabern, erschüttert über das Rechtsverständnis und Ihre Interpretation unserer Verfassung.
Selbst die von der CDU zweckentsprechend bestellte Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Frau Andrea Voßhoff muss klar und eindeutig feststellen, dass der vorliegende Gesetzentwurf nicht mit unserer Verfassung vereinbar ist. Diese Auffassung vertreten auch wir als Piraten in diesem Hause.
(Beifall von den PIRATEN)
Es gruselt einen noch mehr, wenn man den Bundesinnenminister Thomas de Maizière aktuell dazu sprechen hört. Er bemüht nicht einmal mehr das Szenario von getöteten oder missbrauchten Kindern, sondern er rückt mit seiner eigentlichen Intention heraus, indem er nämlich sagt und so wird er zitiert : de Maizière will mit der Datenüberwachung Einbrecher fangen. Kein Wort mehr von schwersten Verbrechen wie Mord oder Totschlag. Und das Gesetz ist noch nicht einmal durch den Bundestag!
Wie Herr Minister Kutschaty denkt, haben wir in seiner letzten Rede zu diesem Thema hier im Hohen Hause hören dürfen. Er ist gegen die Vorratsdatenspeicherung. Ich bin gespannt, welchen Spagat er angesichts der großen Zahl an Befürwortern einer Vorratsdatenspeicherung in diesem Hause nach dem Parteikonvent, nach dem Abstimmungsergebnis dort heute machen wird.
Damit die CDU hier allerdings nicht zu kurz kommt, möchte ich einmal in diese Richtung nachfragen, wie ich es zu verstehen habe, wenn das Mitglied des Bundestags Thomas Jarzombek zur Vorratsdatenspeicherung im Bundestag feststellt: Wir müssen jetzt herausfinden, was genau wann gespeichert wird und wer auf die Daten der Abgeordnetenbüros Zugriff hat. Der Unionsmann spricht von einem Vertrauensproblem im Umgang mit Daten und digitalen Informationen im Bundestag.
Sein weiteres Zitat eröffnet die wahre Dimension der Problematik unbegrenzter Überwachung durch Vorratsdatenspeicherung. Ich zitiere: „Wenn man sich vorstellt, dass wir einmal in weniger demokratischen Zeiten leben könnten, sind die Abgeordneten wie ein offenes Buch“, sagt er. Betroffen sind davon natürlich nicht nur Abgeordnete, sondern auch Seelsorger, Rechtsanwälte, Journalisten, Ärzte und, und, und.
Demokratie braucht Privatsphäre. Nur die Aussicht darauf, dass bald Vorratsdaten gespeichert werden sollen, bewirkt schon die Änderung des Verhaltens eines jeden Menschen in diesem unserem Lande, in Europa und dieser Welt. Dies gilt es zu verhindern. Deshalb gilt es auch zu verhindern, dass wir die Vorratsdatenspeicherung so verabschieden, wie sie jetzt hier in diesem Gesetz vorliegt, das allen bekannt sein dürfte.
(Beifall von den PIRATEN)
Ein solch nutzloses und für die Demokratie sehr gefährliches Gesetz auf diesem Konvent durchzusetzen, von dem heute schon die Rede war da mussten wohl die Daumenschrauben angelegt werden.
(Zuruf von den PIRATEN: Ja!)
Ich erwähnte es, dass Delegierte unter Druck gesetzt worden sein sollen.
(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Waren Sie da?)
So liest man es in Zeitungen quer durch die Republik, Frau Kraft.
(Marc Olejak [PIRATEN]: Russische Verhältnisse!)
Jede Relativierung dahin gehend, dass Vorratsdatenspeicherung keine Überwachungsmaßnahme sei dazu werden vor dem Angesicht der grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte im Spannungsverhältnis zu den Schranken jener Grundrechte unzählige populistische niederträchtige Vergleichsfälle kreiert , ist abzulehnen.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!
Dietmar Schulz (PIRATEN): Die auch vom aktuellen Gesetzentwurf aufgeworfene anlasslose Speicherung ist ein weiterer Schritt in Richtung schrankenloser Telekommunikationsüberwachung und stellt die Bevölkerung unter Generalverdacht.
Lehnen Sie gemeinsam mit allen Demokraten in diesem Lande und auch in der Bundesrepublik die Vorratsdatenspeicherung ab! Machen Sie jetzt und hier und heute einen Schritt in die richtige Richtung!
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!
Dietmar Schulz (PIRATEN): Totalüberwachung kann nur ein Feind der Demokratie sein. Das wollen alle in diesem Hause hoffentlich nicht. Danke schön.
(Beifall von den PIRATEN und der FDP)