Veröffentlicht am von in Integration (A19), Reden.

Donnerstag, 19. März 2015

 

Top 5. Salafismusprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion   BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/8106
Block II
direkte Abstimmung
MdL Frank Herrmann Foto Anke KnipschildUnser Redner: Frank Herrmann
Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
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Protokoll der Rede von Frank Herrmann

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger! Zunächst einmal freut es uns, dass die von uns im Januar beantragte Aktuelle Stunde „Überwachung löst keine Probleme Sofortprogramm zur Deradikalisierung starten“ die Koalitionsfraktionen offenbar zum Nachdenken gebracht hat.

Wir begrüßen, dass es in Ihrem Antrag viel von Prävention, Bildung und Deradikalisierung und nicht so viel von Überwachung die Rede ist. Denn, wie ich schon im Januar sagte, unserer Meinung nach führen repressive Maßnahmen und pauschale Überwachung erst recht zur Radikalisierung. Es scheint so, als würde diese Erkenntnis allmählich auch bei Rot-Grün reifen.

Ich darf aus dem Antrag zitieren:
„Der verfassungsfeindliche Salafismus als gesellschaftliches Phänomen lässt sich allein mit repressiven Mitteln nicht eindämmen.“
So steht es da, und nichts anderes habe ich schon im Januar gesagt. Aber auch wenn wir die Grundrichtung Ihres Antrags begrüßen, so enthält er doch Passagen, die mich zweifeln lassen, ob Sie wirklich gut zugehört haben. So bestehen große Teile des Antrags aus Jubelpassagen über Maßnahmen der Landesregierung, obwohl diese Maßnahmen erst angelaufen sind und ihre Wirksamkeit noch gar nicht bewiesen ist. Das meine ich insbesondere über das Programm „Wegweiser“ und über das Ausstiegsprogramm des Verfassungsschutzes. Die Kollegen aus den Oppositionsfraktionen haben das schon angemerkt.

Staatlichen Aussteigerprogrammen müssen wir grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen. Der Staat kann hier keine notwendige Vertrauensposition auf Augenhöhe einnehmen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Verfassungsschutz ins Spiel kommt. Der Verfassungsschutz als Geheimdienst soll allen Ernstes potenzielle Informationsquellen zum Aussteigen bewegen. Das kann gar nicht funktionieren.

Leider lassen Sie die bestehenden zivilgesellschaftlichen Aussteigerprojekte wie „Hayat“ in Ihrem Antrag außen vor und erwähnen sie nur am Rande. Ich frage mich wirklich, warum. Herr Körfges hat zwar eben in seinem Redebeitrag versucht, etwas dazu zu ergänzen, aber ernst zu nehmen ist das nicht, denn sonst stünde es im Antrag. Sie ignorieren also, dass es seit zehn oder sogar schon seit 15 Jahren zivilgesellschaftliche Kräfte gibt, die Ausstiegsprojekte im Bereich des Islamismus, des Salafismus anbieten.

Unser Rat lautet weiterhin: Lassen Sie den Verfassungsschutz außen vor. Das haben wir in unserem Entschließungsantrag so vorgesehen und bitten um Ihre Zustimmung.

Leider lassen Sie auch die präventive Arbeit im Internet völlig unerwähnt. Das erwähne ich nicht deswegen, weil es als Pirat dazugehört, das Netz zu erwähnen, sondern ich erwähne es deswegen, weil ein Großteil der Propaganda- und Rekrutierungsarbeit gewaltbereiter Salafisten und des IS natürlich im Internet passiert. Erfolg haben die Dschihadisten nach Einschätzung von „Hayat“ deswegen, weil sie es verstehen, die modernen Medien zu nutzen. Mit anderen Worten: Es wird nicht nur in der Hinterhofmoschee rekrutiert, sondern ganz verstärkt im Netz, bei Facebook und YouTube.

Wir brauchen daher nicht nur die Präventionsstrategie auf einer institutionellen Ebene wie im durchaus begrüßenswerten Dialogforum Islam, sondern auch direkte persönliche Ansprache. Dazu gehört für die Jugendlichen in erster Linie das Netz. Wir vermissen das in Ihrem Antrag völlig.

Den Antrag können wir natürlich nicht getrennt vom Nachtragshaushalt beraten. Frau Schäffer hat das schon ins Spiel gebracht. Wir sehen diesen Antrag als Feigenblatt von Rot-Grün, dass er ablenken soll, dass wegen Terrorangst wieder einmal die Sicherheitsbehörden ausgebaut werden, der Verfassungsschutz zur geheimen Internetüberwachungsbehörde ausgebaut wird. 25 weitere Stellen sind vorgesehen für Überwachungsspezialisten und mehr Geld für Geräte und die Ausstattung für die Behörde, an der das erste NPD-Verbot 2003 gescheitert ist. Nicht ein einziger Euro für Prävention, sondern nur die Forderung an die Landesregierung, ein Konzept zu erarbeiten, das ist lächerlich.

Deshalb werden wir hier nicht zustimmen. Wir bieten mit unserem Entschließungsantrag eine Alternative. Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

 

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