Veröffentlicht am von in Dietmar Schulz, Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden.

Mittwoch, 05. November 2014

 

Top 5. Gesetz zur Änderung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2013/2014 Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Landesregierung
Drucksache 16/6688
Dietmar Schulz MdL / Foto A.KnipschildUnsere Redner: Dietmar Schulz
Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
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Protokoll der Rede von Dietmar Schulz

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Sehr geehrter Herr Kollege Witzel, ich greife das gleich mal auf. Sie sprachen die anstehenden Urteile an. Ja, in der Tat, da sind wir vor allen Dingen auf juristischer Seite, aber auch als Haushälter und Finanzleute sicherlich sehr gespannt, was dabei herauskommen wird.

Es wurde ja auch im Rahmen der heutigen Debatte schon mehrfach das Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Münster vom 1. Juli angesprochen. Frau Kollegin Gebhard, Sie haben dafür danke ich Ihnen übrigens zum wiederholten Male, wie auch schon letzte Woche im Ausschuss, akribisch genaue oder besonders pointierte Ausführungen zur Bewertung des Urteils aufseiten der regierungstragenden Fraktionen, aber letztendlich auch der Landesregierung gemacht.

Allerdings ist mir aufgefallen, Frau Kollegin Gebhard, dass Sie zur Einhaltung des Abstandsgebots etwas ganz Besonderes gesagt haben. Sie haben nämlich das Abstandsgebot das wird man im Protokoll noch einmal nachlesen können auf den Vergleich zwischen der Vergütung im öffentlichen Dienst und der Beamtenbesoldung bezogen. Sie haben also eine Tarifstufe im öffentlichen Dienst mit einer Besoldungsstufe bei den Beamten verglichen. Das meint das Abstandsgebot aber gerade nicht, sondern das Abstandsgebot muss natürlich innerhalb der jeweiligen Besoldungsstufen gewahrt sein.

(Heike Gebhard [SPD]: Das habe ich aber auch gemeint!)

Gut. Vielleicht war das ein Missverständnis. Das kann natürlich sein.

(Heike Gebhard [SPD]: Ich habe beides gemeint!)

Aber wenn wir an Strukturpolitik denken und auf der einen Seite an eine ausreichende Alimentation der Beamtinnen und Beamten denken, müssen wir auf der anderen Seite natürlich auch an eine ausreichende Vergütung derjenigen denken, die im öffentlichen Dienst als Angestellte ähnliche Tätigkeiten ausüben. Vielleicht muss der Finanzminister künftig noch ein bisschen mehr in die Tasche greifen, um genau diesen Abstand zwischen den Beschäftigten im öffentlichen Dienst und den Beamtinnen und Beamten wenigstens weiter anzunähern. Ich spreche da insbesondere den Bereich der Lehrerschaft an;

(Beifall von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

denn wir haben im öffentlichen Dienst die Situation, dass ein angestellter Deutschlehrer, der denselben Unterricht wie sein beamteter Kollege gibt, weniger verdient. Darüber sollte man in Zukunft auch einmal nachdenken. Man sollte sich weniger mit der Frage beschäftigen, wie viel weniger die Beamten bekommen können, um strukturelle Haushaltsdefizite auszugleichen, sondern dafür sorgen, dass das, was hier immer so gerne als gerecht apostrophiert wird, im Lande Nordrhein-Westfalen auch tatsächlich stattfindet.

(Beifall von den PIRATEN)

Hinzu kommt noch folgender Umstand: Wie gerade die Anhörung zu dem hier beratenen Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz ergeben hat, hinkt NRW im Vergleich zu nahezu allen Bundesländern in der Bundesrepublik Deutschland bei der Besoldung absolut hinterher. In diesem Zusammenhang geht es in der Tat um die Jagd nach den Köpfen. Die guten Leute überlegen sich natürlich zehn Mal, ob sie sich in NRW bewerben. Sie bewerben sich möglicherweise in Bayern oder in Rheinland-Pfalz oder woanders, aber gerade nicht in Nordrhein-Westfalen. Die guten Leute werden nicht mehr in Nordrhein-Westfalen bleiben wollen.

Das Gleiche gilt für neue gute Leute, nämlich den Nachwuchs. Das hat der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Landesverband NRW, Herr Lehmann, in dieser Anhörung, aber auch an anderer Stelle mehr als deutlich gemacht. Den guten Nachwuchs wird man selbstverständlich nur über die Alimentation ködern und bekommen können. Das stellt der hier vorliegende Gesetzentwurf, den wir jetzt beraten, definitiv nicht sicher.

Es mag zwar sein, dass dieser Gesetzentwurf so, wie er uns vorliegt, etwas verfassungsgemäßer ist als das Gesetz, das der Verfassungsgerichtshof kassiert hat. Er ist aber immer noch nicht verfassungsgemäß. Das haben der Vertreter der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes NRW und der Vertreter des Bundes der Richter und Staatsanwälte in NRW in der Anhörung mehr als eindeutig konstatiert und die wissen ja, wovon sie reden. Schließlich waren sie auch diejenigen, die in dem vorigen Beratungsverfahren immer wieder massiv betont haben, wie verfassungswidrig das alles ist, was hier im Landtag beraten wird und am Ende auch verabschiedet worden ist. Sie sagen, der neue Entwurf sei etwas verfassungsgemäßer, aber eben immer noch nicht verfassungsgemäß.

Es mag sein, dass die Größe oder die Anzahl der oppositionellen Kräfte hier im Landtag vielleicht nicht ausreichen wird, um gegebenenfalls auch den neuen Gesetzentwurf noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Die Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte haben jedoch in der Anhörung deutlich erkennen lassen, dass sie weiterhin an der Prüfung des demnächst verabschiedeten Gesetzes festhalten werden. Dann wird man sehen, was am Ende dabei herauskommt. Es gibt also immer noch Klagen von Richterinnen und Richtern. Die Anhörung hat noch einen weiteren besonderen Punkt ergeben. Hier wird es so dargestellt, als sei am 22. August 2014 ein großer Konsens zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, der Landesregierung und der Beamtenschaft erzielt worden. Das ist gar nicht der Fall. Die Anhörung hat eindeutig ergeben: Nicht einmal alle Vertreter oder Organisationen oder Verbände der Beamtenschaft sind überhaupt eingeladen gewesen geschweige denn, dass sie da waren.

Sie haben im Übrigen auch in der Anhörung bekundet, dass sie ihren Mitgliedern nicht empfohlen hätten, diesen Konsens zu unterschreiben, wenn es sich um einen Tarifabschluss gehandelt hätte, den es im Beamtenrecht nun einmal nicht gibt. Das ist von mehreren Vertretern der Beamten unter anderem vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, unter anderem von der Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter, unter anderem vom Bund der Richter und Staatsanwälte gesagt worden. Auch Herr Lehmann von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft hat sich nicht besonders positiv geäußert, was diesen Gesetzentwurf angeht. Es gibt auch noch einige andere ich kann sie jetzt gar nicht alle aufzählen , die mehr als enttäuscht darüber sind, in welcher Art und Weise man mit ihnen verfährt.

Wir haben im vorigen Beratungsverfahren zum dann gekippten Gesetz an dieser Stelle gesagt: Es ist erforderlich, dass die Landesregierung sich mit allen Beamtinnen und Beamten an den Tisch setzt. Das ist genau nicht erfolgt. Wir sehen in diesem Gesetzentwurf, wenn überhaupt, lediglich eine notwendige teilweise Umsetzung eines Richterspruchs, aber eben keine Politik der Landesregierung. Hier wird einfach einer Entscheidung hinterhergerannt, wie es so oft der Fall ist siehe auch die Haushaltssperre, die dann als notwendige Folge des Richterspruchs von Münster über das Land Nordrhein-Westfalen verhängt worden ist. Man eilt mit allen möglichen Maßnahmen immer wieder neuen Erkenntnissen hinterher. Das ist keine Gestaltung, sondern Reparatur. Reparatur steht nun einmal einer Gestaltung definitiv entgegen. Hier geht nichts nach vorne insbesondere nicht im Bereich der Alimentation der Beamtenschaft.

Entgegen der Haltung der regierungstragenden Fraktionen hier im Plenum und auch entgegen der Haltung der CDU als der größten Oppositionsfraktion empfehle ich jedenfalls meiner Fraktion, diesem Gesetzentwurf nicht beizutreten, sich dazu nicht einmal zu enthalten, sondern ihn schlicht und ergreifend abzulehnen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schulz. Nun spricht für die Landesregierung der Finanzminister, Herr Dr. Walter-Borjans.

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