Veröffentlicht am von in Dietmar Schulz, Reden, Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk (A18).

Donnerstag, 15. Mai 2014

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Folgen des Atomausstiegs für NRW – NRW braucht Transparenz bei den Zukunftslasten in Milliardenhöhe

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der PIRATEN
Unser 1. Redner: Dietmar Schulz
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Protokoll der Rede von  Dietmar Schulz

Präsidentin Carina Gödecke: Damit können wir in die Abarbeitung unserer heutigen Tagesordnung einsteigen.  Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1 Folgen des Atomausstiegs für NRW  NRW braucht Transparenz bei den Zukunftslasten in Milliardenhöhe Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/5843 Die Fraktion der Piraten hat mit Schreiben vom 12. Mai dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu dieser aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der Piraten Herrn Kollegen Schulz das Wort.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ihnen gebührt zu Beginn der Aktuellen Stunde mein persönlicher Dank für Ihre Worte Richtung Soma. Auch ich und meine Fraktion teilen das Mitgefühl gegenüber den Angehörigen und den sonstigen Betroffenen. Nun zur Aktuellen Stunde: Die Milliardenlasten der Atompolitik, Milliardenlasten, die die Energiekonzerne durch die Errichtung von Atomanlagen für die Folgezeit  für Jahrzehnte, möglicherweise für Jahrhunderte  geschaffen haben, sind durchaus ein gesellschaftliches Problem. Um es gleich vorwegzunehmen: Es geht uns als Antragsteller der Aktuellen Stunde nicht darum, die Landesregierung bei diesem Thema infrage zu stellen. Es geht uns auch nicht darum, zu monieren, die Landesregierung habe nicht im Blick, dass bei den Energieversorgern Rücklagen gebildet worden sind, um die Folgekosten der Atompolitik vergangener Jahrzehnte zu schultern. Es geht hier und heute um die Sorge, dass Wege gefunden werden müssen  ich sage bewusst „müssen“ , die den großen Energiekonzernen den Weg verbauen, die Kosten des Atomausstiegs zu sozialisieren.

(Beifall von den PIRATEN)

Diesem Vorstoß der Atomkonzerne aus der letzten oder vorletzten Woche gilt es in einer Weise zu begegnen, dass wir sagen müssen: Die Stromkonzerne dürfen sich nicht  auch nicht teilweise  aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung herausstehlen.

(Beifall von den PIRATEN)

Demgegenüber steht die Politik nun im Zugzwang  auch in NRW als Sitz der Verwaltungen von zwei der größten Energiekonzerne Deutschlands: E.ON und RWE. Insofern geht es keineswegs nur um Hamm-Uentrop, was die Regierungsfraktionen vielleicht mutmaßen, weil wir das schon häufiger thematisiert haben  natürlich geht es auch darum , sondern auch um die Urananreicherungsanlage in Gronau, den Forschungsreaktor Jülich, das Kernkraftwerk AVR Jülich, das Kernkraftwerk Würgassen, das Transportbehälterlager Ahaus, das Zwischenlager für die Thoriumkugeln aus dem THTR-300 in Hamm-Uentrop und die Pilotkonditionierungsanlage in Duisburg, um die wesentlichen Anlagen einmal zu nennen. Es geht also keineswegs nur um Hessen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein  wo auch immer die Atomkraftwerke angesiedelt sind , sondern auch um NRW.

Und es geht um die Beurteilung der Rückstellungsfrage. Wir wissen, die Energiebranche befindet sich in einer Krise  auch infolge des Atomausstiegs. Das zeigen insbesondere die Milliardenverluste von RWE. Die Krise bedroht die Milliardenrückstellungen der Konzerne. Es wäre vonnöten, dass die Rückstellungen quasi mündelsicher zur Verfügung stünden. Das tun sie aber nicht. Die Rücklagen stecken überwiegend in Anlagegeschäften der Konzerne, die sich wiederum vor allem auf Kraftwerke beziehen. Man muss sagen: Krankt das Kraftwerksgeschäft, kranken auch die Sicherheit und die Entwicklung der Rücklagen. Geschieht dies, läuft die Gesellschaft Gefahr, für die von den Konzernen übernommenen Pflichten aus dem Atomgeschäft, das jahrzehntelang gewinnbringend war, geradestehen zu müssen. So ist es nur allzu verständlich, dass die Konzerne heute versuchen, die Folgelasten auf die Gesellschaft abzuwälzen. Das haben sie schon immer gut gekonnt: Gewinne einstreichen, Verluste sozialisieren. Dem setzen wir Piraten mahnend entgegen, dass es zu einer Vergesellschaftung der Folgelasten nicht kommen darf.

(Beifall von den PIRATEN)

Weder durch die Abwälzung der immensen Kosten der Endlagerung und der Einlösung der Rückbauverpflichtungen der Konzerne noch etwa durch eine heutige oder künftige Abwälzung der Kosten auf die Verbraucher von Energie darf dies geschehen. Eines muss man sagen: Wenn sich die Energiekonzerne verzockt haben  und danach sieht es aus , werden sie heute oder auch künftig für Managementfehlleistungen geradezustehen haben.

Der weder bestätigte noch dementierte Vorschlag aus der Atomindustrie, die Atomkraftwerke in eine bundeseigene Stiftung zu überführen, zeigt daher zum Beispiel auch, wie dringend und aktuell unser Antrag Drucksache 16/5477 „Finanzierung der Entsorgung von Atomanlagen durch die Eigentümer sicherstellen“ vom Februar dieses Jahres, also aus der letzten Plenarsession, war. Wir hatten gefordert, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene für die Bildung eines aus den Rückstellungen vor allem durch die Stromkonzerne zu bestückenden Fonds einsetzt. Noch in der letzten Plenarsitzungsphase sagte Herr Minister Schneider in Vertretung von Minister Duin: „Somit ist die Forderung der Piraten, die Landesregierung solle in der Sache tätig werden, längst überholt.“

Die Landesregierung bezog sich dabei auf einen Beschluss der Umweltministerkonferenz aus dem Juni 2013. In diesem Beschluss wird die Bundesregierung aufgefordert, sich die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes aus dem Jahre 2010 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu eigen zu machen, die Prüfergebnisse zum Thema „Rückstellungen im Bereich Kernenergie“ weiterzuverfolgen und sich für eine intensivierte staatliche Prüfung der Rückstellungen einzusetzen. Nach demselben Bericht wissen wir, dass die Prüfung außerordentlich kompliziert ist und dass die Landesregierung und die entsprechenden Finanzverwaltungen, die nämlich mit dafür zuständig sind, dazu technisch, sachlich, fachlich überhaupt nicht in der Lage sind. Die Risiken, die mit den Rückstellungen verbunden sind, werden nicht ordnungsgemäß eingeschätzt. Dies geht ebenfalls aus dem Bericht hervor.

Der Beschluss der Umweltministerkonferenz, auf den man sich hier bezog, wird im Juni ein Jahr alt. Er beinhaltet einen Arbeitsauftrag. Was ist bisher geschehen?  Aus unserer Sicht nichts. Der Bundesrechnungshof kommt indessen zu dem bemerkenswerten Schluss, dass die Bewertung der Rückstellungen  das sagte ich gerade  durch die Länder und den Bund unqualifiziert ist. Die deutsche Atomindustrie hat aber nicht geschlafen. Sie hat ein Konzept erarbeitet, das sie den Presseberichten zufolge mit der Bundesregierung verhandeln will. Dieses Vorhaben ist nicht nur nicht tot oder vom Tisch, es ist brandaktuell, auch in NRW, insofern, als zahlreiche Kommunen Beteiligungen an Stromkonzernen haben …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): … und dementsprechend die Bevölkerung in die Sozialisierungsabsichten der Konzerne einbezogen sein werden.

Wir fordern die Landesregierung, nein, am besten auch die regierungstragenden Fraktionen auf, Herr Priggen, Herr Römer, den ich gerade nicht sehe: …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): … Schließen Sie sich noch heute unserem Antrag mit der eben genannten Drucksachennummer aus dem April an.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich habe den Antrag auf meinem Tisch liegen. Sie brauchen ihn nur zu unterschreiben, und die Landesregierung wird aufgefordert, …

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): … das umzusetzen, was die Sozialisierung der Folgelasten und möglicherweise der Managementfehlleistungen der Energiekonzerne verhindern hilft.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz.  Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Eiskirch.

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