Veröffentlicht am von in Integration (A19), Reden, Stefan Fricke.

Donnerstag, 10. April 2014

Top 5. „Kompetenzzentren selbstbestimmt Leben“ für Menschen mit Behinderungen in NRW weiterentwickeln

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
direkte  Abstimmung
Unser Redner: Stefan Fricke
Abstimmungsempfehlung: Enthaltung

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Protokoll der Rede von Stefan Fricke

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Alda.  Für die Piratenfraktion spricht nun der Kollege Fricke.

Stefan Fricke (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer  egal, ob mit oder ohne Behinderung! Der uns vorliegende Antrag der Regierungskoalition erscheint mir wie ein Eckpunkt eines nordrhein-westfälischen Bermudadreiecks im Bereich Soziales, in dem Haushaltsmittel spurlos verschwinden. Dazu passt hervorragend, dass der berühmte Landesplan „Eine Gesellschaft für alle  NRW inklusiv“, auf den im Antrag so stark Bezug genommen wird und der vor etwa einem Jahr in diesem Haus diskutiert werden sollte, im letzten Moment von der Tagesordnung genommen worden war. Der ersatzweise eingefügte Tagesordnungspunkt zur Holzaffäre kann keine Entschuldigung sein, denn man hätte die damals abgesagte Unterrichtung in einer der folgenden Plenarsitzungen erneut aufrufen können.

(Beifall von den PIRATEN)

Schon dieser Landesplan „Eine Gesellschaft für alle  NRW inklusiv“ liest sich wie ein Märchenbuch der Luftschlösser: Viele hübsche Bilder, kaum Absichtserklärungen, aber absolut keine konkreten Maßnahmen sind darin enthalten. Das ist sicherlich ein guter Grund, um eine öffentliche Diskussion zu vermeiden. Mit diesem Antrag soll nun offenbar diese missliche Tradition fortgesetzt werden: nur keine öffentliche Debatte darüber, denn dann könnten die schwarzen Geldvernichtungslöcher bekannt werden, die flächendeckend gegraben werden. Aber sehen wir uns die Dinge genauer an, und beginnen wir mit dem schönen Begriff „Kompetenzzentren“. Was soll das eigentlich heißen? Welche Kompetenzen diese Kompetenzzentren tatsächlich haben oder gar weitergeben sollen, ist nirgendwo definiert. Im vorliegenden Antrag werden zwei Einrichtungen genannt, die Folgendermaßen bezeichnet werden  ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten :

„Als Anlaufstellen für Menschen mit Behinderung übernehmen sie verschiedene Aufgaben, wie Öffentlichkeitsarbeit, Interessenvertretung, Qualifizierung, leistungsträger- und anbieterunabhängige Beratung in besonderen Einzelfällen und die Vertretung der Interessen von Menschen mit Behinderung im Inklusionsbeirat des Landes NRW.“ Wunderbar, diese Einrichtungen leisten sicherlich gute und notwendige Arbeit. Das tun sie aber schon seit sehr langer Zeit mit den Mitteln, die sie bereits von Bund und Land NRW erhalten.

Was würde sich nun durch diesen Antrag ändern oder gar verbessern? Ist der Bedarf langsam oder auch plötzlich so sehr gestiegen, dass die bisherigen Fördermittel nicht mehr ausreichen? Haben diese Einrichtungen ihr Angebot so sehr erweitert, dass sie mehr Fördermittel benötigen? Wollen sie ihr Angebot quantitativ oder qualitativ verbessern und benötigen deshalb mehr Fördermittel? Man weiß es nicht. Dazu gibt es keinerlei Informationen. Eine Debatte ist ja ganz offensichtlich hierzu nicht gewollt. Im Landesplan gibt es dazu auf Seite 149 eine Zusammenfassung unter dem Titel „Ausbau und Finanzierung der Kompetenzzentren in NRW“, die wie der Antrag selbst darauf hinweist, dass die Rechte und Ansprüche der Menschen mit Behinderungen aus den Bundesmitteln des SGB gedeckt sind. Werden denn alle diese zur Verfügung stehenden Mittel auch tatsächlich abgerufen? Oder gibt es ähnliche Probleme, wie wir sie in anderen Bereichen kennen, zum Beispiel beim Bundesfernstraßenausbau?

Darüber hinaus Finanzmittel aus öffentlichen Kassen in Anspruch nehmen zu wollen, ohne die Notwendigkeit darzulegen und ein klares Konzept zu bieten, erscheint mir reichlich abenteuerlich. Zurück zu den Kompetenzzentren: Ich habe mal grob überschlagen, was der Betrieb eines solchen Zentrums mit ungeklärten Kompetenzen denn jährlich so kosten könnte. Ich bin dabei auf 500.000 bis 600.000 € pro Jahr gekommen. Da ist alles mit dabei: von Miete und Nebenkosten über Personal bis hin zu Internetanschluss und Briefmarken. Wie soll das finanziert werden? Sollen hierdurch möglicherweise andere notwendige Leistungen für Menschen mit Behinderungen gekürzt werden? Oder gibt es hier noch freie Mittel? Oder wird uns die Regierungskoalition hier einen entsprechend aufgestockten Haushaltsentwurf vorlegen?

(Manuela Grochowiak-Schmieding [GRÜNE]: Ich verweise auf die letzte Haushaltsberatung!)

Auch hierüber hätten wir uns eine Debatte im Ausschuss gewünscht. Es wäre nun nicht nur schön, sondern zwingend notwendig, wenn man wüsste, was nun geschehen soll, auch wenn es „nur“ Steuergelder sind. Sie wissen schon, das leidige Thema „Transparenz“ und so. Das kennen Sie ja schon zur Genüge von uns Piraten. Trotzdem: Wir sehen das Konzept des Peer Counseling als dringend notwendig an. Wir ersehen es auch als notwendig an, hier in die Fläche zu gehen. Wir hätten uns, wie gesagt, eine Beratung im Ausschuss gewünscht. Aber die antragstellenden Fraktionen wollten ja eine direkte Abstimmung. Vermutlich ging es hier um reines Wahlkampfgetöse. Wir werden uns daher der Stimme enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Fricke.  Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Schneider das Wort.

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