Veröffentlicht am von in Dietmar Schulz, Kommunalpolitik (A11), Reden.

Mittwoch, 26. März 2014

 

Top 1. Kommunen in NRW sind „Verlierer der Großen Koalition“

Antrag der Fraktion der FDP

Drucksache 16/5354

Unser 1. Redner: Dietmar Schulz

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Unser 2. Redner: Dietmar Schulz
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Protokoll der Reden von Dietmar Schulz

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege.  Für die Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause am Stream! Haben Sie auch die Ausführungen der Vertreter von SPD und CDU hier im Plenum gehört? Sind Sie genauso verwundert, mit welchem Wortreichtum man das eigene Unterlassen an Hilfeleistungen beschreiben und beschwichtigen kann?

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Die Rede war geschrieben, bevor Sie geredet haben!)

Ich wusste, was Sie sagen würden, Herr Körfges, und muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich möchte es fast als Sternstunde bezeichnen, dass Sie eben  das können Sie im Protokoll nachlesen  im Prinzip den Stärkungspakt infrage gestellt haben.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Weil Sie von den Bedingungen gesprochen haben. Das hatten Sie noch vor einiger Zeit im Ausschuss abgestritten. Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2012 hat sich die Piratenfraktion hier im Landtag NRW für eine Erhöhung der Verbundquote um einen mageren Prozentpunkt ausgesprochen. Sie wurde für diese Forderung regelrecht ausgelacht. Auch die Presse ist über uns hergefallen und hat gefragt: Wer soll denn das bezahlen?  Heute stehen wir vor der Situation, dass es an allen Ecken und Enden fehlt. Der Deutsche Städtetag beklagte schon seinerzeit, dass er das immer noch  immer und immer wieder  fordert. Der Landkreistag forderte just in 2012 noch mehr, nämlich eine Erhöhung um 4,5 % auf 28,5 %. Nun gut, das ist Schnee von gestern. Heute stehen wir hier und diskutieren auf Wunsch der FDP, die sich damals übrigens ebenfalls gegen unseren Vorstoß verwahrt hatte, über die Finanznot der Kommunen in NRW. Wolfgang Schäuble preist seine schwarze Null und zieht damit durch jede Fernsehsendung, die ihn ranlässt, zuletzt am 23. März in „Berlin direkt“. Das waren eine bemerkenswerte Sendung und auch ein bemerkenswertes Interview. Sehr verehrte Damen und Herren, ich muss festhalten, dass auch ich schwarz sehe, aber keine schwarze Null, sondern schwarz für die Kommunen in NRW.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Diskussion um die Einhaltung der Schuldenbremse, die auch Herr Schäuble immer so gerne mitführt, gibt allen Kritikern recht, die diese Ausrichtung bemängelt haben. Die Kommunen sind dabei das schwächste Glied in dieser Konstruktion. Gleichzeitig wurden ihnen nämlich immer mehr Steuerquellen weggenommen und in den Verantwortungsbereich des Bundes verlegt. Sollte sich also Schwarz-Rot im Bund weiterhin auf Kosten der Kommunen in NRW sanieren wollen, stellt sich ernsthaft die Frage, welche Rolle Sie, Frau Ministerpräsidentin, in der SPD überhaupt noch spielen. Ich erinnere daran, dass Sie, Frau Ministerpräsidentin, nebst Gefolgschaft  im Tross befanden sich zahlreiche Bürgermeister  während der Koalitionsverhandlungen nach Berlin gezogen sind, um das Beste für NRW herauszuholen. Heute zeigt sich, dass das wohl nichts anderes als eine Schwarze-Null-Nummer war; denn, um es ganz klar zu sagen, vom Bundesteilhabegesetz, dessen Umsetzung wir in den nächsten Jahren noch erwarten, und von den Eingliederungshilfen, die heute auch schon festgelegt sind, können wir heute gar nicht reden. Das Bundesteilhabegesetz wird erst noch verabschiedet. Aber wann?  Irgendwann im Laufe der Legislaturperiode, und es wird sich keine Auswirkung zugunsten der Kommunen zeigen, die sich im Laufe der Legislaturperiode des Bundes bis 2017 genauso wie in der des Landes bis 2017 ergeben wird.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Ja, aber das hat nichts mit den zusätzlich versprochenen Hilfen  von den 5 Milliarden €, von denen hier die Rede ist  zu tun. Schließlich ist ein Koalitionsvertrag im Bund kein Testament, welches erst dann in Kraft tritt bzw. seine Auswirkungen zeigt, wenn die Koalitionslegislatur beendet ist. Stattdessen blutet das Ruhrgebiet aus, und die CDU, aber auch die SPD gucken zu. Meine Damen und Herren, das sollte hier jedem klar sein. Das ist die Realität. Wir Piraten fordern eine sofortige Entlastung aller Kommunen, wie im Koalitionsvertrag beschrieben. Der GroKo-Vertrag verspricht eine Entlastung der Kommunen bei Deckung der Grundsicherung in Höhe von 5 Milliarden €. Das verspricht der Vertrag aber eben, wie gesagt, lediglich ab 2018. Während der Legislatur im Bund wird bestenfalls lediglich ein Betrag von 3 Milliarden € herauskommen. Ich sagte gerade: „kein Testament“. Die Hilfen sollten während der laufenden Legislaturperiode, nämlich bereits ab 2014, greifen.

Auch wenn sich der Bundesfinanzminister bei „Berlin direkt“ weiterhin dreht und wendet: Die beschriebenen Maßnahmen sind eben sofort notwendig, und da werden Sie wohl mit allem, was Ihnen zur Verfügung steht, Frau Ministerpräsidentin, handeln müssen. Der Bund profiliert sich nämlich hier auf Kosten der Kommunen in NRW. Ich will da ausnahmsweise der Argumentation der FDP gemäß der Beantragung dieser Aktuellen Stunde folgen. Sie, verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen der CDU und auch der SPD, applaudieren diesem Treiben und reden das heute hier im Hause weiterhin schön. Weder das Land NRW noch der Bund stecken in den Klauen des Stärkungspaktes Stadtfinanzen. Der Fiskalpakt ist die nächste Zwickmühle, in der wiederum das Land NRW und die Kommunen stecken. Mit diesem Koalitionsvertrag auf Bundesebene werden die Kommunen hinten runterfallen. Da nützt es nichts, wenn Herr Schäuble im Bund die schwarze Null für sakrosankt hält. Ich kann Ihnen versichern: Wir Piraten werden im Kommunalwahlkampf den Bürgerinnen und Bürgern klarmachen, dass all die Versprechen, die ihnen gemacht werden, bloße Lippenbekenntnisse, Null-Nummern, sind.

(Beifall von den PIRATEN)

Das sind aber eben keine schwarzen Nullen, sondern Nullen, die kraftlos hier ins Hohe Haus gepustet werden. In Wahrheit lässt das Land die Kommunen mit ihren Aufgaben strukturell und individuell im Regen stehen. Noch einmal: Der Bund saniert sich. Weder das Land NRW noch die Kommunen in NRW können dies. Der Bund will und wird die Schuldenbremse erreichen. Aber um welchen Preis?  Um den Preis der Kommunen. Es wird allgemein verkannt, dass die Kommunen nicht aus diesem Schuldensumpf herauskommen werden  nicht bis 2017 und höchstwahrscheinlich auch nicht bis 2020. Stattdessen wird versucht, den Kommunen Sand in die Augen zu streuen und ihnen zu versichern, dass zum Beispiel so etwas wie der Kommunal-Soli für sie die Rettung bedeutet. Stattdessen wird es bei der Mangelverwaltung  wie in über 60 Kommunen, wie in Nideggen und Altena  bleiben, und der Horror wird größer und nicht kleiner.

Schauen wir in den Haushalt des Bundes für 2014: Nichts davon, was hier versprochen worden ist, steht darin. Wer aber will diese schwarze Null, wenn das Land wie die Kommunen weiterhin mit Schuldenhaushalten aufwartet, wenn weiterhin keine strukturellen Verbesserungen der Landesfinanzen präsentiert werden, wodurch die Menschen entlastet werden, wenn in Wuppertal die Schwebebahn in die Wupper fällt, …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Ja, Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

… wenn in Essen die U-Bahn stillsteht oder wenn  egal wo in NRW  Kitas geschlossen, Schwimmbäder dichtgemacht oder Turnhallen wegen Baufälligkeit stillgelegt werden? Abgesehen davon müssen wir auch noch berücksichtigen, dass  betrachten wir die Not-haushalte und die Sparkommissare in den Gemeinden Nideggen und Altena; weitere werden dazu kommen  im Prinzip auch noch ein Verfassungsbruch …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): … in Bezug darauf ansteht, dass hier die Selbstverwaltung geopfert wird.  Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege.  Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

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