Freitag, 31. Januar 2014
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Solide Haushaltskonsolidierung statt Steuererhöhungen – Nordrhein-Westfalen braucht seriöse Finanzpolitik
Audiomitschnitt der 1. Rede von Dietmar Schulz als Download
Audiomitschnitt der 2. Rede von Dietmar Schulz anhören
Protokoll der Rede von Dietmar Schulz
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. In der Tat kritisieren Sie nicht das Präsidium. Wäre Ihre Wortwahl eine andere gewesen, hätten Sie ein anderes Verb genommen, hätten Sie auch lediglich die Präsidentin kritisiert, wenn Sie das mit einem Blick in die Geschäftsordnung für sich bitte noch einmal klären würden.
Da ich aber bei jeder der drei Aktuellen Stunden in den letzten drei Tagen diesen Förderhinweis bekommen habe, dass die Aktualität überprüft werden soll, sehe ich mich schon in der Verantwortung, künftig diesen Maßstab sehr genau anzulegen.
(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)
Für die Piraten spricht der Kollege Schulz.
Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Aktualität ist gegeben, und zwar meines Erachtens allein schon deshalb, weil es um Geld geht. Geld ist immer aktuell.
(Heiterkeit)
Vor allen Dingen die Frage der Steuerpolitik ist in einem rollierenden System, das aus 365 Tagen im Jahr besteht, immer aktuell. Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich auch deswegen können wir das jetzt hier nicht vorwerfen, über Bundespolitik zu reden zur Steuereinnahmenentwicklung im Bund geäußert. Das hat er getan vor dem Hintergrund eines im Landtag wirklich ausreichend debattierten fiskalischen Instruments, nämlich des Kommunal-Soli.
Das finde ich schon einen sehr interessanten Vorstoß, zu sagen: Im Bund fehlt Geld. Das wirkt sich auf die Kommunen aus. Wir haben in Nordrhein-Westfalen das Ei des Kolumbus entdeckt und die Problematik durch die Abundanzumlage quasi in den Griff bekommen. Jetzt machen wir das, was es bisher nur als Länderfinanzausgleich gibt, mit dem Kommunal-Soli und entwickeln den Kommunal-Soli quasi als Exportschlager NRWs für die Bundesrepublik Deutschland. Das ist ein starkes Stück, muss ich sagen.
Angesichts der Tatsache, dass der Kommunal-Soli bzw. die Abundanzumlage in NRW wohl die Gerichte in den nächsten Jahren noch etwas beschäftigen wird und man da vielleicht erst einmal die Rechtskraft der Urteile abwarten sollte, ist es vielleicht etwas verfrüht, zu sagen: Liebe Bundesrepublik Deutschland, guckt euch das Modell an! Wir machen das jetzt so. Die armen Kommunen kriegen etwas von den reichen Kommunen, also beispielsweise Düsseldorf zahlt an Berlin. Berlin geht es nicht gut. Obwohl: Denen soll es ja besser gehen. So könnte man die Aufzählung fortsetzen. Das geht von Nord nach Süd, Ost nach West, West nach Ost usw.
(Jochen Ott [SPD]: Ist das eine ernsthafte Rede oder eine Büttenrede?)
Zu dem entscheidenden Punkt kommen wir aber, wenn wir das einmal auf NRW herunterbrechen. Vor etwas mehr als zwei Monaten haben wir mit den regierungstragenden Fraktionen darüber diskutiert, wie wir wiederum auf Bundesebene denn das spielt eine Rolle; aus dem Bund kommt das Geld ins Land die Steuerschlupflöcher schließen. Damals kündigten Sie an, alles zu unternehmen, damit die Gestaltungsmöglichkeiten eliminiert werden, die der Bundesrepublik Deutschland umgekehrt positiv 120 Milliarden € jährlich in die Kassen spülten. Wir Piraten hatten das einmal konkretisiert und gesagt, solche Gestaltungsmöglichkeiten wie zum Beispiel für mittelständische Großunternehmen und große Konzerne wie die Lizenzboxen müssten abgeschafft werden; bei den Gestaltungsmöglichkeiten müsse man den Sumpf trockenlegen. SPD und Grüne haben diesen Antrag quasi plattgemacht und stattdessen Lippenbekenntnisse auf Metaebene formuliert, die zu der von mir gerade genannten Zahl von 120 Milliarden € jährlich führten.
So weit, so gut. Wunderbarerweise tauchte der materielle Gehalt unseres Antrags im Koalitionsvertrag wieder auf. Das haben wir wohl kurz vor Weihnachten schon thematisiert. Wenn das nicht wieder nur Lippenbekenntnisse sind, müsste das Geld ja bald nur so hereinsprudeln.
An dieser Stelle reden wir nicht von Steuererhöhungen, sondern erst einmal davon, dass die steuerlichen Einnahmemöglichkeiten vollumfänglich, sozial gerecht ausgeschöpft werden. Wenn die 120 Milliarden €, die Sie und Ihr Ministerium und auch die Koalitionsfraktionen in NRW errechnet haben, das Ei des Kolumbus sind, befinden wir uns auf einem guten Weg. Dann brauchen wir auch keinen Ausgleich per Kommunal-Soli zwischen den Kommunen in ganz Deutschland. Wir erkennen, dass sowohl im Bund als auch im Land erhebliche Probleme bestehen, die öffentlichen Aufgaben zu finanzieren. Wir dürfen auch nicht verkennen, dass der Einfluss des Landes NRW auf die Regierungspolitik im Bund voraussichtlich gering sein wird es sei denn, dass wirklich gute Vorschläge gemacht werden. Dann müsste der Vorschlag mit dem Kommunal-Soli das ist der Punkt, um den es in dem Interview mit der „WirtschaftsWoche“ eigentlich ging aber funktionieren. Das funktioniert aber nicht. Jetzt habe ich noch ganz viel auf meinem Zettel stehen. Ich werde das aber nicht weiter vortragen;
(Beifall von den GRÜNEN)
denn ich würde gerne erst einmal hören, wie der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen erklären möchte, dass er in diesem Interview mit der „WirtschaftsWoche“ im Prinzip zu einem kommunalen Flächenbrand in Deutschland aufruft, und wissen, ob er die Föderalismusreform neu anstoßen möchte. Vor allen Dingen interessiert mich, wie denn der Verteilungskampf aussehen soll, wenn Hunderte von Städten und Gemeinden in Deutschland dann darum kämpfen, von dem einen oder anderen einen Ausgleich zu bekommen. Von einer Konsolidierung der NRW-Finanzen sind wir damit allerdings noch immer weit entfernt.
An dieser Stelle darf ich noch einmal darauf zurückkommen, dass wir vor zwei Tagen die Schul- und Studienfonds quasi kassiert haben. In der Folge plätschern 80 Millionen € mal eben in den allgemeinen Landeshaushalt. Damit werden sie dem eigentlichen Zweck, nämlich Bildung und Ausbildung, entzogen. Meine Güte; das ist doch wieder nur „rechte Tasche, linke Tasche“. Man muss sowohl Einnahmen als auch Ausgaben betrachten. Steuererhöhungen sind ja wunderbar. Das Geld wird aber auf der anderen Seite möglicherweise so ausgegeben, dass es für die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr nachvollziehbar ist. Das sollten wir doch tunlichst vermeiden.
Dazu gehört selbstverständlich auch eine seriöse Finanzplanung. Über sie haben wir vor zwei Tagen hier ebenfalls gesprochen. Die Finanzplanung bis 2017 wird so, wie sie auf dem Papier steht, wahrscheinlich nicht aufgehen. Das sagen Sie selbst, Herr Finanzminister. Vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung erklären Sie in dem Interview, dass wir unter normalen Umständen da nehme ich einmal das Basisszenario des Nachhaltigkeitsberichts auf wohl nicht an Steuererhöhungen vorbeikommen werden. Im Land Nordrhein-Westfalen wissen wir, dass wesentliche Steuermehreinnahmen außer durch eine bessere Konjunktur nur über die Grunderwerbsteuer möglich sein werden. Ich bin einmal gespannt, wie Sie das jetzt für Nordrhein-Westfalen erklären. Für den Bund sind wir hier ja nicht zuständig. Daher freue ich mich auf Ihre Ausführungen. Danke.
(Beifall von den PIRATEN)
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. Der nächste Redebeitrag wird von dem fraktionslosen Abgeordneten Stein gehalten.