Donnerstag 26.September.2013
TOP 3. Unsere Freiheit steht auf dem Spiel – Bundesregierung muss endlich ihre Untätigkeit im Überwachungsskandal beenden!
Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Drucksache 16/4014
Block I
Unser Redner: Frank Herrmann
Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung Punkte 1-5, Ablehnung Punkte 6 und 7, Gesamtabstimmung Antrag ablehnen
Drucksache 16/4091 (Entschließungsantrag)
Vor fast vier Monaten wurde die größte Überwachungsmaschinerie der Menschheitsgeschichte aufgedeckt. Weder die Grünen noch die SPD haben dazu Stellung bezogen. Wir dagegen haben in den vergangenen Monaten viele konstruktive Anträge zu Prism und Tempora ins Plenum des Landtags eingebracht – alle wurden von SPD und Grüne abgelehnt. Mit unserem Entschließungsantrag „Überwachung stoppen – Bürgerliche Freiheitsrechte wieder herstellen!“ wollten wir den nun vorliegenden rot-grünen Antrag um wesentliche Punkte ergänzen und konkrete Handlungsmöglichkeiten in NRW aufzeigen.
Frank Herrmann, Sprecher für Datenschutz und Privatsphäre: „Zwar begrüßen wir ausdrücklich, dass sich nun endlich auch die Koalition bereit zeigt, über Prism und Tempora zu diskutieren. Aber es reicht nicht, immer nur auf den Bund zu verweisen. Mit unserem Entschließungsantrag zeigen wir ganz konkrete Möglichkeiten auf, wie wir in NRW die Menschen vor diesem Totaleingriff in ihre Privatsphäre schützen können. Beispielsweise soll sich der neue IT-Experte der Landesregierung vorrangig um die Umstrukturierung der Informationstechnik der Landesverwaltungen und der Landesregierung auf spionagesichere, datenschutzfreundliche und quelloffene IT-Infrastrukturen kümmern. Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen und Überwachung bekämpfen. Sie ist die Kernschmelze für die Demokratie.“
Abstimmungsergebnis: Der Antrag wurde mit den Stimmen von SPD, Grünen und CDU bei Enthaltung der FDP abgelehnt.
Audimitschnitt der Rede von Frank Herrmann anhören:
Audiomitschnitt der Rede von Frank Herrmann als Download
Wortprotokoll zur Rede von Frank Herrmann:
Frank Herrmann(PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Biesenbach, die Redezeit reicht leider nicht, um Sie aufzuklären. Vielleicht ist es auch sowieso hoffnungslos; ich weiß es nicht.
(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen, seit sage und schreibe fast vier Monaten, mehr als 100 Tagen, legen wir Piraten hier Anträge und Anfragen zur Aufdeckung der größten Überwachungsmaschinerie der Menschheitsgeschichte vor. Wir freuen uns zwar, dass nun auch Sie den Ernst der Lage zu erkennen scheinen, nachdem Sie wochenlang zu dem Thema geschwiegen haben, aber tatsächlich sind alle Ihre in Anträgen formulierten Forderungen bereits in unseren Anträgen enthalten.
(Matthi Bolte [GRÜNE]: Wir haben uns so oft unterhalten!)
„O tempora, o mores wider die Aushöhlung von Grundrechten, Demokratie und digitaler Kultur durch zügellose Überwachung!“ vom 2. Juli: Wir fordern Aufklärung seitens der Bundesregierung und drängen auf ein umgehendes Ende der Überwachung. Der Antrag „Achtung! YES, WE SCAN. Bürger in NRW vor PRISM und anderen Überwachungsprogrammen schützen!“ hat die Überprüfung nordrhein westfälischer IT Systeme zum Thema. Ein dritter Antrag vom 2. Juli: „Nordrhein-westfälische Unternehmen vor staatlicher Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie PRISM und Tempora schützen!“. Ein vierter Antrag vom 2. Juli fordert, ein Vertragsverletzungsverfahren gegenüber Großbritannien anzustrengen, denn die britischen Geheimdienste verletzen Unionsrecht. Sie fordern das alles jetzt neu. Das alles ist bereits da. Sie hätten nur unseren Anträgen zustimmen müssen.
(Beifall von den PIRATEN)
Aber Sie haben bisher alles abgelehnt und gerade einmal einen Entschließungsantrag vor der Sommerpause zustande gebracht. Darin heißt es: „Der Landtag drückt seine tiefe Besorgnis… aus“,
(Lachen von den PIRATEN)
„Der Landtag fordert die Bundesregierung auf…“, „Der Landtag unterstützt den Appell…“.
(Zuruf von den PIRATEN: Hat ja prima geklappt!)
Das ist armselig. Vor zwei Wochen haben Sie dann im Innenausschuss eine Debatte zu unserem Antrag „Achtung! YES, WE SCAN. Bürger in NRW vor PRISM und anderen Überwachungsprogrammen schützen!“ letztlich doch nur beantragt, um sich mit dem Thema und den im Antrag enthaltenen Forderungen an die Bundesregierung noch gerade wahlwerbewirksam zu positionieren. Als wir dann unseren Antrag aufgrund Ihres positiven Interesses zur direkten Abstimmung gestellt hatten, haben Sie genau das auch noch verhindert. Und jetzt die Debatte um „Projekt 6“ in Neuss! Auch wir fordern natürlich Aufklärung von der Bundesregierung, was da passiert ist, und sind gespannt, welche Verbindungen mit ausländischen Geheimdiensten da zutage treten. Dass Sie das Thema jetzt großmachen, hat vielleicht damit zu tun, dass Sie in den Kalender geguckt und gesehen haben: 2005 bis 2010 war die schwarz gelbe Regierungszeit in NRW. Aber die SPD war zu der Zeit in der Großen Koalition in Berlin vertreten. In der Zeit haben Sie das „Gesetz … über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus…“, das Gemeinsame Dateien Gesetz und das BKA Gesetz beschlossen. Und Sie wollen hier auf der Insel der Ahnungslosen gesessen und von nichts gewusst haben? Durch die allgegenwärtige Überwachung erleben wir doch gerade das Aushöhlen der Grundpfeiler unserer Demokratie. Wie morsch das System schon ist, vermag ich nicht zu sagen, aber es fühlt sich nicht gut an. Und Ihnen fällt nichts weiter ein, als an die Bundesregierung zu appellieren?
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Grünen und der SPD, wenn Ihr Antrag das Tempo vorgibt, mit dem Sie Konsequenzen aus den Enthüllungen zu ziehen gedenken, dann sehe ich schwarz.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Körfges?
Frank Herrmann (PIRATEN): Bitte schön.
Vizepräsident Oliver Keymis: Sie gestatten. Bitte schön, Herr Kollege Körfges.
Hans Willi Körfges (SPD): Herr Kollege Herrmann, sind Sie bereit, mir zu bestätigen, dass wir im Innenausschuss, insbesondere weil einige mitberatende Ausschüsse noch kein Votum abgegeben haben, gesagt haben, das Umsteigen auf eine direkte Abstimmung entspreche nicht den parlamentarischen Gepflogenheiten?
(Beifall von Matthi Bolte [GRÜNE])
Frank Herrmann (PIRATEN): Das war eine Ihrer Begründungen. Das ist richtig. Trotzdem hätten wir über den Antrag direkt abstimmen können. Darin sehe ich überhaupt kein Problem.
(Zuruf von der SPD: Frage wohl nicht verstanden, was?)
Ein Antrag ist dazu da, darüber abzustimmen. Ich denke, das hätten wir tun sollen. Sie schreiben in Ihrem heutigen Antrag das, was bereits in unserem Antrag stand. Das ist letztlich das Gleiche. Ihr jetziger Antrag zeugt aber in jeder Zeile von der fehlenden Motivation, überhaupt aktiv zu werden. Auch in Nordrhein-Westfalen können wir nämlich viel tun, um Datensicherheit und Datenschutz zu erhöhen. Wir müssen uns nur im Klaren darüber sein, dass unsere heutige digitale Infrastruktur angreifbar und überwachbar ist. Dazu brauchen wir nicht erst die vollumfängliche Aufklärung eines Skandals abzuwarten, was von „Mutti“ in Berlin ohnehin nicht zu erwarten ist. Auch ohne alle Fakten zu kennen, müssen wir, Sie zuallererst, eingestehen: Die Sicherheitsstandards in der digitalen Infrastruktur reichen nicht aus. Wir können uns offensichtlich nicht auf die Bereitschaft anderer Staaten verlassen, die Überwachung einzustellen. Wo also sind Ihre Visionen zu Datenschutz und Datensicherheit, wo die pragmatischen Lösungsansätze zum Schutz der Kommunikation unserer Bürger hier im Land NRW? Von welcher Überprüfung der landeseigenen IT Infrastruktur sprechen Sie, von welcher Stärkung der Medien und Datenschutzkompetenz? Mit unserem Entschließungsantrag konkretisieren wir diese Punkte und fordern dazu auf, wirklich zu handeln und nicht nur zu lamentieren.
(Beifall von den PIRATEN)
Ich rate Ihnen noch einmal, unsere Anträge der letzten Wochen und Monate genauer zu lesen. Darin sind gute Vorschläge zum Schutz der Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung enthalten. Machen Sie Nägel mit Köpfen, anstatt die Verantwortung auf andere zu schieben und sich nur selbstgefällig auf die untätige Schulter zu klopfen! Danke.
(Beifall von den PIRATEN und Peter Biesenbach [CDU])
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann.