Lehren aus der Legislaturperiode ziehen: Der Landtag muss Grundpfeiler einer effektiven Breitbandpolitik setzen.

Veröffentlicht am von unter Anträge.

I. Ausgangslage

Die Entwicklung einer leistungsfähigen und flächendeckenden digitalen Infrastruktur ist für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Nordrhein-Westfalen von entscheidender Bedeutung im digitalen Zeitalter. Gesellschaftliche Teilhabe, die Attraktivität des ländlichen Raums sowie die Umstellung auf digitale Wertschöpfung hängen direkt von der Existenz eines schnellen Netzzugangs ab.
Im Laufe dieser Legislaturperiode hat diese Erkenntnis dazu geführt, dass der Förderung des Breitbandausbaus vermehrt Relevanz in der Bundes- wie in der Landespolitik beigemessen wurde.

Die Förderpolitik steht dabei vor zwei grundlegenden Herausforderungen. Zum einen gilt es, die digitale Spaltung zu überwinden, also Regionen mit schlechter Kommunikations­infrastruktur nicht weiter zurückfallen zu lassen. Und zum anderen müssen zukunftsfeste Glasfasernetze gelegt werden, um dem steigenden Bedarf von Unternehmen, öffentlichen Institutionen und Privathaushalten gerecht zu werden.

Trotz eines verstärkten Engagements der Landesregierung konnten für beide genannten Kernziele keine Durchbrüche erreicht werden. Im ländlichen Raum ist mehr als jeder zweite Haushalt von einer 50 Mbit/s-Versorgung abgeschnitten. Und auch die schnellen Glasfaseranschlüsse sind mit einem Verbreitungsgrad von nur 6,9 Prozent noch immer sehr selten in Nordrhein-Westfalen.

Daher ist es wichtig, die notwendigen Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, um der Breitbandförderung in Zukunft mehr Effektivität zu verleihen:

a) Anstatt wie in der Vergangenheit auf kurzfristige Ausbauziele (z.B. 50 Mbit/s) zu setzen, die nach kurzer Zeit nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen und durch neue Förderprogramme ertüchtigt werden müssen, ist es notwendig, echte Glasfaseranschlüsse als Infrastrukturziel der Breitbandförderung zu definieren.

Denn Glasfaseranschlüsse bieten viele Vorteile. Sie zeichnen sich neben der hohen Geschwindigkeit durch weitere Qualitätsmerkmale, wie geringe Energiekosten, geringe Latenz und symmetrische Bandbreiten aus. Auch der zukünftige Mobilfunkstandard 5G ist von einem engmaschigen Glasfasernetz abhängig.

b) Nur wenn der Glasfaserausbau als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge begriffen wird im Kontext der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, ist eine flächendeckende Versorgung in den nächsten Jahren realistisch.

c) Unrealistisch hingegen sind Förderziele, ohne Zwischenziele (Meilensteine) definiert und ein entsprechendes Monitoring eingesetzt zu haben. Dies muss in Zukunft beachtet werden.

d) Regionale Netzbetreiber auf Glasfaserbasis und Netze in Bürgerhand müssen in das Zentrum der Förderpolitik gestellt werden. Allen Initiativen auf Bundes- und EU-Ebene mit der Absicht, das Kommunikationsnetz im Sinne eines „national champions“ zu re-monopolisieren, ist entschieden entgegenzutreten.

II. Der Landtag stellt fest:

  • Trotz eines verstärkten Engagements der Bundes- und Landespolitik sind die zwei Kernziele der Breitbandförderung, nämlich die digitale Spaltung zu überwinden und zukunftsfeste Kommunikationsnetze aufzubauen, nach wie vor ungelöst.
  • Nordrhein-Westfalen hat aufgrund des hohen Urbanisierungsgrads eine vergleichsweise gut ausgebaute Infrastruktur mit Kupferkabeln. Dies darf in Zeiten der Gigabit-Kommunikation jedoch nicht dazu führen, dass Investitionen in Glasfasernetze unterbleiben.
  • Der Landtag begrüßt die Absichtserklärung der Landesregierung, eine flächendeckende Gigabit-Infrastruktur bis in das Jahr 2025 zu errichten. Weiterhin ungeklärt sind die Instrumente mit denen das Ziel erreicht werden soll sowie die zu erreichenden Zwischenziele (Meilensteine).

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • den Breitbandausbau auf Basis der folgenden Kernpunkte verstärkt zu fördern und sich auf allen politischen Ebenen für diese einzusetzen:
  • Der Breitbandförderung ist an dem Infrastrukturziel Glasfaserausbau (FttB/H) auszurichten.
  • Die Versorgung mit schnellem Internet muss als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge definiert werden, da es einen wichtigen Baustein für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse darstellt.
  • Zudem müssen zukünftig überprüfbare Zwischenziele (Meilensteine) benannt und eingehalten werden. Ein entsprechendes Monitoring ist einzurichten.
  • Weiterhin ist die Förder- und Regulierungspolitik verstärkt auf regionale Netzbetreiber sowie auf die Chancen von Netzen in Bürgerhand auszurichten. Eine Stärkung der marktbeherrschenden Unternehmen und damit eine Re-Monopolisierung der Netze ist hingegen abzulehnen.

Mitschnitt der kompletten Debatte:

Wirtschaftsminister Duin vor Kurswechsel in der Breitbandpolitik?

Veröffentlicht am von unter Homepage, Kultur- und Medien (A12), Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk (A18).

Lukas Lamla, Netz- und Medienpolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW, zur Zwischenbilanz Breitbandausbau in NRW:

Lippenbekenntnisse über eine rosige digitale Zukunft reichen nicht aus. Wirtschaftsminister Duin spricht von einem flächendeckenden Glasfaserausbau bis 2025. Aber die Realität sieht anders aus. Derzeit werden immer noch Übergangstechnologien wie Vectoring gefördert. Das bindet Ressourcen, die direkt in den Ausbau mit Glasfaser fließen könnten. Vectoring ist eine Technolgie von gestern und verhindet den dringend benötigten digitalen Fortschritt. Übergangstechnologien wie Vectoring verteuern am Ende den Glasfaserausbau und macht ihn gegebenenfalls unwirtschaftlich.

Vectoring-Monopol der Deutschen Telekom verhindern!

Veröffentlicht am von unter Anträge, Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk (A18).

Unser Antrag im Plenum:

Mittwoch, 02. Dezember 2015, TOP 5, ca. 13.35 Uhr

Vectoring-Monopol der Deutschen Telekom verhindern!
Drucksache 16/10299

Der Regulierungsentwurf der Bundesnetzagentur erlaubt Vectoring und birgt Risiken für NRW. Er verzögert und verteuert den notwendigen Aufbau eines modernen und nachhaltigen Glasfasernetzes und geht mit einer Monopolbildung einher. Dies ist ein Rückschritt auf dem Weg in die Gigabit-Gesellschaft.


Lukas Lamla, Abgeordneter der Piratenfraktion NRW:

Vectoring ist eine Technik von gestern, die in den letzten Atemzügen liegt. Außerdem kann Vectoring nur von einem Anbieter durchgeführt werden. Ein Wettbewerb im Sinne der Kunden ist nicht mehr möglich, die Telekom wird wieder zum alleinigen Markbeherrscher. Dieser Vorgang wird nicht nur von der Politik geduldet, sondern offensichtlich noch gefördert.

 

In spätestens fünf Jahren wird Vectoring am Ende der Entwicklung stehen und den Breitbandausbau behindern anstatt ihn zu fördern. NRW braucht eine Strategie zum Glasfaserausbau. Denn nur Glasfaser schützt uns davor, in Zukunft abgehängt zu werden.

2015-12-02_Lukas Lamla Vectoring

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Schnelles Internet: ein Grundbedürfnis.

Veröffentlicht am von unter Persönliche Blogposts.

Die Versorgung mit schnellem Internet ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Der Bundesgerichtshof hat Breitband-Internet sogar zu den materiellen Lebensgrundlagen gezählt. Doch der Ausbau mit schnellem Internet stockt. Eine staatliche Förderung muss also her, um diese Aufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge zu erfüllen. Doch wie macht man das richtig?

Wir hören in der Debatte permanent das Argument von der Technologieneutralität: Breitband-Ausbauförderung müsse technologieneutral sein sein, heißt es. Das Argument hörte ich zum Beispiel letzte Woche im Wirtschaftsausschuss im Landtag

Wenn man dem Landwirt das Futter für die Ochsen subventioniert, die der dann vor den Pflug spannt, dann das ist technologieneutral: Auch so ein Ochsengespann erfüllt die vorgesehene Aufgabe, denn damit kann man das Feld umpflügen. Ist das sinnvoll? Sollte es nicht eher bei so einer Förderung – jetzt hier im Beispiel – um moderne Traktoren gehen?

Förderung soll nicht technologieneutral
sein, Förderung muss technologiepositiv sein.
Es geht nicht darum, etwas zu fördern, was das Ausbauziel gerade so erreicht – es geht um die nachhaltige Erfüllung eines Auftrages, um eine Zukunftsvision.

Das stellt aber das Koaxialkupferkabel nicht dar, das ist nun mal die Technologie aus den 90er Jahren.
Uns steht der Sprung in die Gigabit-Gesellschaft bevor. Der Bedarf an Bandbreite wächst exponentiell: Derzeit kann man etwa alle 12 Monate eine Verdoppelung des Bandbreitenbedarfs beobachten. Das ist eine Exponentialfunktion, die wächst dramatisch. Man kennt die Folge: Im ersten Jahr eine Verdoppelung, im Jahr danach eine Vervierfachung, dann 8, 16, 32, 64, 128, 256, 512 und so weiter und so weiter.

Eine ganz ähnliche Wachstumskurve gibt es zum Beispiel bei Prozessorleistungen – das sogenannte Moore’sche Gesetz besagt, dass sich Prozessorleistung alle etwa 18 Monate verdoppelt. Diese Beobachtung kann man bereits seit 40 Jahren machen – man sollte also besser nicht davon ausgehen, dass dieses dramatische Wachstum bei den Bandbreiten nicht ebenfalls anhält. An den mathematischen Gesetzmäßigkeiten von Exponentialfunktionen führt nun mal kein Weg vorbei.

Was also stellt ein Ausbauziel von 50 Mbit/s dar, wie es sich die Landesregierung gesetzt hat? Gehen wir von einem Ausbaustand von 4 Mbit/s aus, was bedeutet dann so ein Ziel ganz konkret? 4-8-16-32-64:
Nach 4 Jahren reicht ein solcher Ausbau also absehbar nicht mehr aus.
Was macht es also für einen Sinn, die Fördermittel der nächsten Jahre in eine Technologie stecken, die das Förderende nicht mal überlebt, zum Beispiel in VDSL-Vectoring? Dann stehen wir 2020 wieder genau da, wo wir jetzt sind. So leid mir das tut: Nur Glasfaser ist diejenige Technologie, die diese Zukunftsvision derzeit erfüllt – und wenn wir eine bessere finden, dann lassen sie uns diese fördern.

Solange brauchen wir eine Glasfaser-Strategie, die zum Ziel hat, Glasfaser bis in jedes Haus, bis in jedes Unternehmen zu legen. In Deutschland ist Schleswig-Holstein mit einer Anschlussquote von 23 % Glasfaser-Vorbild. In NRW sind es dagegen aktuell nur 7 %. Für Einzellagen bieten sich Funklösungen an. Vectoring, das Ausquetschen der letzten Bits aus dem Kupferkabel ist eine Brückentechnologie, das kann der Markt leisten.

Und es macht keinen Sinn, das Geld den Monopolisten hinterherzuwerfen, damit diese sich herablassen, gnädigerweise die Infrastruktur auszubauen: Wenn öffentliche Mittel in diesen Summen in die Hand genommen werden, dann gehört das Ergebnis, gehört das damit geschaffene Netz, die damit geschaffenen langfristigen Infrastrukturwerte auch in Bürgerhand. Daher bevorzugen wir entsprechende Betreibermodelle. Am besten durch OpenAccess-Modelle, die sich langfristig selbst refinanzieren.

An weitaus besseren Lösungen als den hier bislang diskutierten mangelte es also nicht. Sie sind technisch ausgereift und es gibt genügend überzeugende Referenzmodelle. Sie sind finanzierbar und fürs Gemeinwesen weitaus vorteilhafter als alles, was hier so vorgeschlagen wurde.

Bei Politik geht es um Visionen, und nicht um Verwaltung des Status Quo. Technologie kann unser Leben zum Besseren wenden – wenn man sie denn gestaltet, und nicht nur reagiert. Doch leider verweigert sich die Realpolitik, angesichts der vorgebrachten Kritik steckt man den Kopf in den Sand. Doch noch ist es nicht zu spät, ich hoffe, dass man sich von den besseren Argumenten leiten lässt.

Wir haben für das aktuelle Plenum einen Antrag eingereicht:
Ohne
Glasfaser-Strategie verhindert die Landesregierung den Sprung in die Gigabit-Gesellschaft

Leerrohre statt leerer Versprechen: Breitbandausbau-Blockade in NRW beenden

Veröffentlicht am von unter Anträge, Filme, Homepage.

Unser Antrag für die Plenarphase (02.-04. September 2015):

Leerrohre statt leerer Versprechen: Breitbandausbau-Blockade von Bauminister Groschek beenden; Zukunft mitdenken und einbauen
Drucksache 16/9585

Zusammenfassung:

Es muss jetzt die Voraussetzung für einen erfolgreichen Breitbandausbau geschaffen werden. Wie der Straßenausbau ist auch die Leerrohrverlegung eine öffentliche Aufgabe. Die Landesregierung spart bei Leerrohren und damit beim Breitbandausbau. Diese unterlassene Ausbauleistung führt zu mehr Kosten und verzögert die Anbindung ländlicher Regionen. Durch eine verbindliche Regelung des Leerrohrausbaus in der Landesbauordnung können wir dieses Problem lösen.

Oliver Bayer, Baupolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW:

Für die Zukunft von NRW ist richtig schnelles Internet unabdingbar, in der Stadt und auf dem Land. Als Voraussetzung dafür brauchen wir Leerrohre unter unseren Verkehrswegen. Beim ersten Aufreißen einer Straße müssen Leerrohre auf Vorrat verlegt werden. Durch sie können später Glasfaser-Kabel gezogen werden, ohne dass die Asphaltdecke neu aufgerissen werden muss. Leerrohre sind ein wichtiger Bestandteil beim Breitbandausbau, sie sparen Zeit und Geld.

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Ohne Glasfaser-Strategie verhindert die Landesregierung den Sprung in die Gigabit-Gesellschaft

Veröffentlicht am von unter Anträge.

Unser Antrag für das Plenum (02.-04. September 2015)

Ohne Glasfaser-Strategie verhindert die Landesregierung den Sprung in die Gigabit-Gesellschaft
Drucksache 16/9591

Zusammenfassung:

NRW braucht eine Glasfaser-Strategie. Wir fordern, dass bis 2020 die Hälfte der NRW-Haushalte an das Gigabit-Netz angeschlossen werden sein müssen. Bis spätestens 2025 ist ein möglichst flächendeckendes Netz aufzubauen. Der Glasfaserausbau ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. In Regionen, in denen marktorientierte Unternehmen nicht ausbauen, muss das Land ausreichend Mittel zur Verfügung stellen, um für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen.

Daniel Schwerd, Netzpolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW:

Förderung soll nicht technologieneutral sein, Förderung muss technologiepositiv sein. Es geht nicht darum, etwas zu fördern, was das Ziel gerade so erreicht – es geht um die nachhaltige Erfüllung eines Auftrages, um eine Zukunftsvision. Uns steht der Sprung in die Gigabit-Gesellschaft bevor. Wir brauchen eine Glasfaser-Strategie mit dem Ziel, Glasfaser bis in jedes Haus, bis in jedes Unternehmen zu legen. Bei Politik geht es um Visionen, und nicht um Verwaltung des Status Quo. Technologie kann unser Leben zum Besseren  wenden – wenn man sie denn gestaltet und nicht nur reagiert.

2015-09-03_Daniel Schwerd_Glasfaser Strategie

 

Persönlicher Blogpost von Daniel Schwerd

 

 

 

 

 

 


Protokoll der Rede von Michele Marsching:

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Wir hören in der Debatte permanent das Argument von der Technologieneutralität. Technologieneutral müsse Förderung sein, heißt es – zum Beispiel letzte Woche hier bei uns im Landtag im Wirtschaftsausschuss.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Zur Technologieneutralität: Wenn Sie dem Landwirt das Futter für die Ochsen subventionieren, die er vor den Pflug spannt, ist das technologieneutral.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Nicht mehr zeitgemäß!)

Auch sein Ochsengespann erfüllt am Ende die vorgesehene Aufgabe. Damit kann man das Feld umpflügen. Aber ist das sinnvoll? Sollte es in diesem Beispiel für eine Förderung nicht eher um Traktoren gehen? Das wäre zeitgemäß, Herr Hovenjürgen.

Förderung sollte nicht technologieneutral sein, sondern technologiepositiv. Denn es geht nicht darum, etwas zu fördern, was das Ziel gerade so erreicht, sondern um die nachhaltige Erfüllung eines Auftrags, um eine Zukunftsvision.

(Zuruf von der CDU)

Das stellt aber das Koaxialkupferkabel, eine Technologie aus den 90er-Jahren, nicht dar. Uns steht der Sprung in die Gigabitgesellschaft bevor. Der Bedarf an Bandbreite wächst exponentiell. Derzeit kann man etwa alle zwölf Monate eine Verdopplung des Bedarfs beobachten. Das ist eine Exponentialfunktion, die dramatisch wächst und wächst.

(Zuruf von den GRÜNEN)

– Schön, dass Sie auch rechnen können. – Im ersten Jahr gibt es eine Verdopplung, im zweiten eine Vervierfachung. Es folgen die Zahlen 8, 16, 32, 64, 128. Wie geht es weiter?

(Zuruf von den PIRATEN: 256!)

– 256, sehr gut. – Und so weiter.

Eine ähnliche Wachstumskurve gibt es zum Beispiel bei Prozessorleistungen, das sogenannte Moore‘sche Gesetz. Es besagt, dass sich diese Leistung etwa alle 18 Monate verdoppelt. Diese Beobachtung kann man seit 40 Jahren machen. Gehen Sie also besser nicht davon aus, dass dieses dramatische Wachstum bei den Bandbreiten nicht ebenfalls anhält. Denn an den Gesetzmäßigkeiten von Exponentialfunktionen führt kein Weg vorbei.

Was also stellt ein Ausbauziel von 50 MBit/s dar? Gehen wir von einem Ausbaustand von 4 MBit/s aus. Was bedeutet dieses Ziel? 4, 8, 16, 32, 64: Nach vier Jahren reicht es also absehbar nicht mehr aus. Was macht es also für einen Sinn, die Fördermittel der nächsten Jahre in eine Technologie zu stecken, die das Förderende nicht mal überlebt, zum Beispiel in VDSL-Vectoring? Dann stehen wir 2020 wieder genau da, wo wir jetzt sind.

So leid mir das tut – nur Glasfaser ist diejenige Technologie, die derzeit diese Zukunftsvision erfüllt. Wenn wir eine bessere finden, müssen wir diese fördern. So lange brauchen wir eine Glasfaserstrategie, die zum Ziel hat, Glasfaser bis in jedes Haus, bis in jedes Unternehmen zu legen.

In Deutschland ist Schleswig-Holstein – ich habe es heute Morgen in meiner Haushaltsrede schon mal gesagt – mit einer Anschlussquote von 23 % Glasfaservorbild. Wir in NRW haben aktuell 7 %. Für Einzellagen bieten sich Funklösungen an.

Vectoring ist das Ausquetschen des letzten Bits aus einem Kupferkabel. Es ist nur eine Brückentechnologie,

(Zuruf von Matthi Bolte [GRÜNE])

und das kann der Markt leisten. Es macht keinen Sinn, dass wir das Geld dem Monopolisten, der Telekom, hinterherwerfen, damit die sich gnädigerweise herablässt, die Infrastruktur auszubauen. Wenn öffentliche Mittel in diesen Summen in die Hand genommen werden, gehört das Ergebnis – das damit geschaffene Netz, die damit geschaffenen langfristigen Infrastrukturwerte – in Bürgerhand.

(Beifall von den PIRATEN)

Daher bevorzugen wir entsprechende Betreibermodelle, am besten Open-Access-Modelle, die sich langfristig selbst refinanzieren. An weitaus besseren Lösungen als den bislang hier diskutierten mangelt es also nicht. Sie sind technisch ausgereift, und es gibt genügend überzeugende Referenzmodelle. Sie sind finanzierbar und für das Gemeinwesen weitaus vorteilhafter als all das, was hier so vorgeschlagen wurde.

Bei Politik geht es um Visionen und nicht nur um Verwaltung des Status quo. Technologie kann unser Leben zum Besseren wenden, wenn man sie gestaltet und nicht nur reagiert. Die Realpolitik aber verweigert sich. Angesichts der vorgebrachten Kritik steckt man den Kopf in den Sand. Noch ist es nicht zu spät. Lassen Sie sich von den besseren Argumenten leiten! – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)


Abstimmungsergebnis:

Der Antrag wurde nach Beratung einstimmig an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk
– federführend -, an den Ausschuss für Kultur und Medien sowie an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz überwiesen; die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.

Internetanschlüsse müssen halten, was sie versprechen!

Veröffentlicht am von unter Anträge.

Unser Antrag für das Plenum (02.-04. September 2015)

Internetanschlüsse müssen halten, was sie versprechen!
Drucksache 16/9592

Zusammenfassung:

Die Landesregierung muss sich auf Bundesebene für eine Transparenzverordnung einsetzen. Bei vielen Internet-Kunden weicht die Geschwindigkeit von Internetanschlüssen deutlich von den Maximalwertangaben der Anbieter ab. Die Transparenzverordnung soll klare Vorgaben zur Dienstequalität, wie ein enger Korridor für Down- und Upload-Rate, und eine nutzerfreundliche Messbarkeit der Leistungsfähigkeit des Dienstes für Endkunden beinhalten. Außerdem müssen durchsetzbare Rechte, wie Sonderkündigungsrecht und pauschalierter Schadenersatz, für den Verbraucher eingeführt werden.

Simone Brand, Verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Piratenfraktion NRW:

Die Verbraucher werden von den Internetanbietern in die Irre geführt: sie versprechen rasende Internetgeschwindigkeiten, aber nach Vertragsabschluss schleichen die Daten. Internetgeschwindigkeiten müssen von den Anbietern garantiert werden. Internetanbieter müssen verpflichtet werden, Download- und Upload-Raten exakt eingegrenzt und transparent zu benennen und die versprochene Leistung einzuhalten.

Piraten Landtag NRW 86. Sitzung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Netzneutralität ist zum Abschuss freigegeben: Pläne von EU-Kommissar Oettinger lassen das freie und offene Internet sterben

Veröffentlicht am von unter Anträge.

Unser Antrag für das Plenum (02.-04. September 2015)

Netzneutralität ist zum Abschuss freigegeben: Pläne von EU-Kommissar Oettinger lassen das freie und offene Internet sterben
Drucksache 16/9590

Zusammenfassung:

Die Landesregierung muss sich auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass der aktuelle Entwurf von EU-Kommissar Oettinger mit Regelungen zur Bereitstellung und Inanspruchnahme eines offenen Internetzugangs überarbeitet wird. Jegliche Bevorzugung von Daten auf einem Breitbandanschluss sowie die Drosselung und Sperrung von Inhalten und Diensten muss grundsätzlich untersagt werden. Die im Entwurf aufgeführten Maßnahmen sind nicht dazu geeignet, den effektiven Schutz des offenen Internets zu gewährleisten.

Nico Kern, Europapolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW:

Die Netzneutralität in der EU ist zum Abschuss freigegeben: Telekom-Lobbyist Oettinger will die Digital-Maut einführen. Das Kulturbiotop Internet soll für eine kommerzielle Betonwüste platt gemacht werden. Wir Piraten verteidigen als einzige das freie Internet – ohne diskriminierende Spezialdienste oder Zero-Rating-Deals.

2015-09-03_Nico Kern_Netzneutralität
Videomitschnitt der kompletten Debatte:


Protokoll der Rede von Nico Kern:

Nicolaus Kern (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe verbliebene Zuschauer hier im Saal, aber vor allem zu Hause am Stream! Wenn Sie sich gerade fragen: „Netzneutralität – was ist das? Geht mich das überhaupt etwas an?“, dann rufe ich Ihnen zu: Ja, verdammt! Ich sage Ihnen jetzt auch gleich, warum.
Netzneutralität ist das universelle Grundprinzip, nach dem das Internet funktioniert: offen und diskriminierungsfrei. Alle Daten sollen gleichberechtigt an die Nutzer gesendet werden – egal woher sie stammen, egal welchen Inhalt sie haben. Das Internet ist sozusagen der Bürgersteig des 21. Jahrhunderts. Es ist das Konzerthaus und die Videothek des 21. Jahrhunderts. Es ist auch der Marktplatz des 21. Jahrhunderts. Kurzum: Hier tauschen sich Menschen aus, machen Geschäfte und kommunizieren. Hier findet immer mehr das gesellschaftliche Leben statt. Sie selbst werden das alles jetzt vielleicht noch nicht machen, aber Ihre Kinder tun es bereits.
Die Bedeutung des Internets für die Zukunft Europas hat auch die EU-Kommission entdeckt und den Verordnungsvorschlag (2013) 627 vorgelegt. Sie ist dabei auf den grandiosen Einfall gekommen, dass man auf diesen digitalen Bürgersteig doch auch Maut erheben könnte – sozusagen eine Digital-Maut. Und für diese Digital-Maut soll der Grundsatz der Netzneutralität sterben.
Das ist also die digitale Agenda der EU: die Erhebung von Wegezoll. So soll unsere Zukunft also gestaltet werden: Mit einem Geschäftsmodell, das schon die Bibel kennt, sollen im 21. Jahrhundert Arbeitsplätze in Europa geschaffen werden – absurder geht es nicht!
(Beifall von den PIRATEN)
Das ist alles Teil des schwarz-roten Jurassic Park, von dem mein Fraktionsvorsitzender Michele Marsching heute Mittag in der Haushaltsdebatte sprach, und den es leider auch hier in NRW gibt.
Zwar beteuern Oettinger, Dobrindt und Co. stets, dass das freie Internet nicht in Gefahr sei, doch in Wahrheit wollen sie es insgeheim abschaffen. Der Verordnungstext ist so schwammig gehalten, dass später sicherlich eine industriefreundliche Auslegung gefunden werden wird. Damit wäre dann die Einführung eines Zweiklasseninternets besiegelt. Ohne Netzneutralität werden sich finanzstarke Großkonzerne zukünftig eine Überholspur für ihre eigenen Onlinedienste erkaufen können. Wer die Maut nicht zahlt, bleibt im Stau stehen.
Die vorgeschobenen Rechtfertigungen könnten verlogener nicht sein.
Erstes Beispiel: Telemedizin, also beispielsweise Operationen übers Internet. Lebensbedrohliche Eingriffe sind jedoch per Internet überhaupt nicht machbar, da niemand eine hundertprozentig stabile Internetverbindung garantieren kann.
Zweites Beispiel: autonomes Fahren. Digitale Überholspuren, so hört man, seien für den Autoverkehr der Zukunft unverzichtbar. Dumm nur, dass selbst bei Google und seinem Roboterauto keine Rede davon ist, auf eine Internetverbindung angewiesen zu sein.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Deswegen heißt es auch „autonom“!)
– Genau.
(Daniel Schwerd [PIRATEN]: Überraschung!)
Aber mit Lügen und der Unwissenheit der Wähler kann man leicht Politik machen. Das gilt hier wie bei der Vorratsdatenspeicherung.
Um es einmal deutlich zu sagen: Die Abschaffung der Netzneutralität ist der Triumphzug der Mainstream-Medien und ein Angriff auf die Presse- und Informationsfreiheit. Subkultur wird in die Warteschleife geschickt, und echte Informationsfreiheit wird zu einer Frage des Geldbeutels. Wer sich die Netzneutralität nicht leisten und somit nicht erkaufen kann, ist auf die sogenannten Zero-Rating-Dienste der Großkonzerne angewiesen.
(Matthi Bolte [GRÜNE]: Das ist das Problem!)
Die gleichen Großkoalitionäre, die im Januar noch den Terror gegen „Charlie Hebdo“ verurteilten, sorgen jetzt für das nächste Attentat auf die Medienvielfalt.
(Beifall von den PIRATEN – Nadja Lüders [SPD]: Das ist unterste Schublade!)
Ich komme zum Schluss. Ende Juni haben sich Ratskommission und Vertreter des EU-Parlaments auf eine fatale Aufweichung der Netzneutralität verständigt. Die Vereinbarung muss aber noch durchs Parlament, das im Herbst final abstimmen wird. Bis dahin können noch Änderungen vorgenommen werden. Daher müssen wir hier heute diese Debatte führen. Mit der Abschaffung der Netzneutralität soll das Kulturbiotop für eine kommerzielle Betonwüste geopfert werden. Wir Piraten kämpfen weiter für ein freies Internet. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)


Abstimmungsergebnis:

Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN abgelehnt