“Überfördern wir unsere Kinder?” – so hieß die Frage im SONNTAZ-STREIT, zu der ich gern Stellung bezog:
Ich bin selber dreifacher Familienvater und weiß, wie schnell der Familienkalender vollgeplant, der elterliche Fahrdienst durch viele Verpflichtungen ausgebucht ist. Natürlich macht es uns als Eltern stolz, wenn das Kind etwas Besonderes erlernt. Aber: Muss ein Kind Klavier spielen, mit zwölf Jahren drei Fremdsprachen sprechen, ein Einser-Abi machen und spätestens mit 17 den ersten Einsatz in der Fußball-Bundesliga haben? Wirkliche Begabungen sollten frühzeitig entdeckt und die Kinder individuell gefördert werden. Quantitativ und qualititativ gute Standards in allen Bildungseinrichtungen sind dafür Voraussetzung. Die frühkindliche Bildung muss weiter verbessert werden, damit sich Kinder durch altersgerechtes Spielen und Lernen ihren Begabungen und Stärken entsprechend entwickeln können. Der Staat hat hier eine entscheidene Aufgabe, aber auch Eltern müssen sich viel mehr einbringen und Verantwortung übernehmen.
Nachdem wir in der letzten Woche über diese Frage intensiv diskutiert haben, hat mein Mitarbeiter Andreas übrigens einen eigenen Beitrag eingeschickt, der aber leider nicht abgedruckt wurde. Ich möchte Euch seine Version allerdings nicht vorenthalten:
Die Bedürfnisse von Kindern sind verschieden. Das Problem ist nicht Überförderung, sondern Überforderung und Erwartungen. Es sollte aber um die Bedürfnisse der Kinder gehen. Kinder wollen Lernen! Mit der Bildung ist es wie bei der Ernährung: Hunger haben alle – nur der Appetit ist unterschiedlich. Es kommt nicht nur auf die Menge an, sondern auf die Qualität. Nicht gestillter Hunger schwächt Kinder ebenso, wie Überfüttern. Einseitige Ernährung ist sogar schlimmer als zu viel oder wenig. Tatsächlich geht es um begabungsgerechte Förderung. Kinder, die frei aus einem Bildungsbuffet wählen können, bedienen sich daran, wie es ihrem Lernhunger entspricht. Nur ein quantitativ und qualitativ gutes Angebot kann dafür sorgen, dass Kinder von Anfang an gut und gerne lernen und ihre individuellen Fähigkeiten und Talente entdecken und entwickeln können ohne den Spaß am Lernen zu verlieren.
Das Katz- und Mausspiel von Deutscher Bahn und VRR ist ein Skandal – die Leidtragenden sind die Menschen in der Region, vor allem die Menschen mit Behinderungen.
Bahn und VRR sind sehr kreativ, wenn es darum geht, die Verantwortung auf den jeweils anderen zu schieben. Dieses Spiel geht nun eindeutig schon zu lange! Weiterlesen »
Schwerpunkt dieser Woche war unsere Ausschussreise nach Bozen. Im Vorfeld dieser Reise gab es öffentliche Kritik, wie sinnvoll solche Reisen sind und ob das nicht Verschwendung von Steuergeldern ist. Wir Piraten haben den Beschluss wenige Wochen nach unserem Einzug in den Landtag im letzten Jahr mitgetragen – der Vorschlag für die Ausschussreise entstammt noch der 15. Wahlperiode.
Auch ich war durchaus skeptisch, ob das Programm, welches uns vorgelegt wurde, ausreichend ist und die Fahrt dafür auch lohnenswert ist. Vorweg: es hat sich gelohnt, auch wenn das Programm an der einen oder anderen Stelle sicher hätte besser oder anders sein können. Wir haben in den programmfreien Stunden, während der gemeinsamen Essen viele Gespräche geführt. Ob fachliche Themen wie das KIBIZ, Inklusion und frühkindliche Bildung oder aber das allgemeine Miteinander im Ausschuss und im Plenum. Allein das hilft hoffentlich, das gegenseitige Verständnis für unterschiedliche Position zu stärken und vielleicht sogar mal die Argumentation der Gegenseite in die eigenen Überlegungen einzubeziehen. Ich bin gespannt, ob und wie sich die Kultur im Ausschuss verändern wird.
Man kann sich darüber streiten, ob die Reise nicht auch einen Tag hätte kürzer sein sollen. Am An- und Abreisetag lagen keine Gespräche oder Termine mehr an. Diese Tatsache war es dann auch, die mir die Entscheidung leichter gemacht haben, individuell anzureisen. Ich bin mit dem Dienstwagen Sonntag Nachmittag angereist und am Mittwochnachmittag abgereist. So konnte ich Sonntag und Donnerstag noch drei Termine wahrnehmen. Die entstandenen Kosten werde ich nach Absprache mit der Landtagsverwaltung übrigens selbst tragen.
Aber zum Programm: Am Montag Morgen teilten wir uns in zwei Gruppen. Die eine besuchte eine Schule, die anderen – mit mir – einen Kindergarten. Interessant war sicher, zu sehen, wie deutsch- und italienischsprachige Kinder miteinander spielen und lernen. Meinem Sohn hätte sicher am meisten das CARS-Projekt gefallen …. Die andere Gruppe besuchte zeitgleich eine Grundschule.
Anschließend ging’s zur Weinverkostung nach Tramin. Soweit so gut. Wein ist nicht mein Ding, aber das wusste ich ja schon. Dennoch ist es natürlich interessant zu sehen, wie ein Betrieb in dieser Region so organisiert ist. Den ersten Tag ließen wir dann im Plattenhof beim Bürgermeister Dr. Werner Dissertori (SVP) ausklingen. Wer hat schon mal die Gelegenheit, beim Bürgermeister „im Wohnzimmer“ zu essen und von ihm bedient zu werden. Ein toller Typ, dieser Theologe, Gastronom und Weinproduzent, dem man anmerkte mit Leib und Seele seinen Job zu erfüllen.
Am Dienstag waren wir vormittags zu Besuch im Südtiroler Landtag und hatten Gelegenheit zu einem intensiven Austausch mit dem 1. Gesetzgebungsausschuss des Landtags. Der Südtiroler Landtag besteht übrigens aus 35 Abgeordneten, die politische Verantwortung für etwa 500.000 Südtiroler tragen. Klein? Naja … umgerechnet für NRW würde das bedeuten, dass unser Landtag mit 630 Abgeordneten besetzt sein müsse. Im Übrigen ist auch das Mandat in Südtirol ein Vollzeitjob, was uns die Abgeordneten auch gerne nochmal bestätigten. Spannend übrigens auch die Konstellation des Parlaments an sich. 35 Abgeordnete, 18 davon Mitglieder der Südtiroler Volkspartei. Der Rest teilt sich auf acht weitere Parteien. Durch die zwangsläufige Beteiligung der italienischen Sprachgruppe in der Regierung ist es aber auch in Südtirol erforderlich, dass Koalitionen eingegangen werden. Ich bin mir sicher, dass wir diese Zersplitterung auch in Deutschland weiter erleben werden. Was aber keinesfalls heißt, dass dadurch Regierungsbildungen erschwert werden. Eine Sperrklausel gibt es im Südtiroler Landtag übrigens nicht … richtig so!
Zum Mittagessen wurden wir vom Südtiroler Landtagspräsidenten Maurizio Vezzali eingeladen. Schön, dass ich mich dort als Landtagsvizepräsident dann auch offiziell für die Gastfreundschaft, die tolle Organisation und die vielfältigen Informationen bedanken konnte. Trotz der sprachlichen Barrieren führten wir an unserem Tisch ein sehr interessantes Gespräch zur aktuellen politischen Lage in Italien. Unbeantwortet blieb dabei für „unseren Tisch“ dennoch die Frage, wie Berlusconi so viele Stimmen bekommen konnte.
Keine Frage unbeantwortet blieb beim anschließenden Fachvortrag von Frau Dr. Veronika Pfeifer, zum Thema Inklusion. Bevor es aber nachmittags mit unserem gewählten Thema im Landtag weiterging, verabschiedeten wir noch unsere Begleitung der letzten 24 Stunden. Der deutsche Generalkonsul in Mailand, Jürgen Bubendey begleitete uns seit Montag Mittag auf unserer Reise und gab uns immer wieder Einblick in die Zusammenhänge zwischen deutscher Außenpolitik und der italienischen. Der Besuch des Generalkonsuls war eine angenehme Bereicherung unseres Aufenthalts in Südtirol.
Der Dienstag Abend stand zur freien Verfügung. Schön, dass sich eine große Gruppe – über die Fraktionen hinweg – dennoch zu einem gemeinsamen Abendessen entschied.
Am Mittwoch ging’s morgens um 8 Uhr weiter. Wir brachen nach Brixen auf und schauten uns die dortige Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen an, in der u.a. der Masterstudiengang in Bildungswissenschaften für den Primarbereich angeboten wird. Dekan Prof. Dr. Franz Comploi klärte uns in seinem Vortrag über die Vorzüge des italienischen Systems auf. Erschreckend dabei, dass – trotz fünfjährigem Studium – die Erzieherinnen auch in Italien unterbezahlt sind.
Im Anschluss gab es einen sehr kurzweiligen Vortrag von Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios E. Fthenakis. Interfraktionell kam die Idee auf, den anderthalbstündigen Vortrag noch auszuweiten und den Professor in den Landtag zu einer eigenen Sitzung einzuladen. Wir werden da sicher dranbleiben und das in der nächsten Obleuterunde ansprechen.
Am Nachmittag stand dann noch ein Besuch beim Brixener Bürgermeister auf dem Programm. Herr Albert Pürgstaller (SVP) stellte uns nochmal im Speziellen Brixen vor. Interessant, dass eine 20.000 Einwohner-Gemeinde sogar einen eigenen Imagefilm hat.
Woran liegt’s? Wie bei uns in NRW auch, hängt natürlich auch in Südtirol viel vom Geld ab. Der Unterschied dabei ist aber, dass der Südtiroler Landeshaushalt im Jahr 2013 5,1 Milliarden Euro beträgt. Für NRW übertragen bedeutete dies ein Landeshaushalt von über 180 Milliarden Euro – also das dreifache zu unserer Realität. Kein Wunder also, dass selbst die kleinsten Dörfer dort eine eigene Kita, eine eigene Grundschule haben – wünschenswert, aber im Moment so nicht finanzierbar.
Und zum Abschluss dieses Textes: Worüber ich nun seit Stunden grübel, ist das hier …
Am Donnerstag, den 16. Mai 2013, sprach ich zum Tagesordnungspunkt “Freihandelsabkommen EU – USA: Audiovisuelle Dienste und Kultur vor Handelsliberalisierung schützen! Bundesregierung ist in der Pflicht grundlegende Länderinteressen zu berücksichtigen!” Kurz gesagt geht es darum, dass beim nächsten Freihandelsabkommen zwischen der EU und der USA Kultur und Audiovisuelle Medien (also insbesondere Film und Musik) nicht ausgenommen sein sollen. Bislang war das immer der Fall, und es soll verhindert werden, dass sich die Handeslrestriktionen plötzlich auf Kultur und Medien beziehen können.
Der Ursprüngliche Antrag kam von den Regierungsfraktionen – wir haben einen Änderungsantrag dazu geschrieben, um noch einige Punkte klarer zu formulieren. Erfreulicherweise hat die Mehrheit aus SPD und Grünen mit uns gemeinsam unserem Änderungsantrag zugestimmt – ein schöner Erfolg.
Das Wortprotokoll zu dieser Rede (Achtung, es gilt das gesprochene Wort):
Daniel Schwerd (PIRATEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Besuchertribüne und im Livestream! Audiovisuelle Dienste und die Kultur sind – so viel steht fest – keine normalen Güter. Wir sind uns hier offensichtlich fraktionsübergreifend einig, dass Kultur und Medien ein wirtschaftlicher, ganz besonders aber auch ein ideeller Wert zukommt. Beides gilt es zu schützen. Schließlich hat die Bundesrepublik Deutschland das UNESCO-Abkommen zur kulturellen Vielfalt unterzeichnet.
Damit hat sich Deutschland einerseits verpflichtet – ich zitiere – „die besondere Natur von kulturellen Aktivitäten, Gütern und Dienstleistungen als Träger von Identität, Werten und Sinn anzuerkennen“. Gleichzeitig bekräftigt dieses UNESCO-Abkommen das „souveräne Recht der Staaten …, die Politik und die Maßnahmen bereitzuhalten bzw. beizubehalten, zu beschließen und umzusetzen, die sie für den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in ihrem Hoheitsgebiet für angemessen erachten.“
Konkret heißt das, dass jeder Staat das Recht hat, die Art von Kulturpolitik zu machen, die er für den Schutz und die Förderung der kulturellen Vielfalt für angemessen hält. Nun soll zwischen der EU und den USA ein Freihandelsabkommen ausgehandelt werden, in dem allem Anschein nach der Kultur- und Medienbereich nicht von vornherein ausgeklammert ist. Bei vergangenen Freihandelsabkommen wurde der Kultur- und Medienbereich explizit ausgenommen.
In Deutschland ist Kulturpolitik jedoch Sache der Länder. Nach dem eben von mir zitierten UNESCO-Abkommen hat NRW also nicht nur das Recht, sondern sogar die ausdrückliche Pflicht, sich einzumischen, wenn auf europäischer Ebene ein solches Freihandelsabkommen ausgehandelt wird, das den Kultur- und Medienbereich betrifft.
Wir dürfen unsere Handlungsfähigkeit auf Landesebene nicht durch solche EU-Aktionen beschneiden lassen – dies umso mehr, als es um Themen wie beispielsweise die Filmförderung geht, die auch hier im Landtag diskutiert werden.
Die deutsche und die europäische Kultur- und Kreativbranche ist darauf angewiesen, dass auch in Zukunft hier auf Länderebene souverän über Fragen der Kultur- und Medienpolitik bestimmt werden kann. Deswegen unterstützen wir als Piratenfraktion die Forderungen des Antrags von SPD und Grünen in vollem Umfang, und ich bitte meine Fraktion um Zustimmung für diesen Antrag.
Meine Damen und Herren, wir sollten aber, wenn wir uns hier schon mit dem geplanten Freihandelsabkommen beschäftigen, auf ein weiteres grundsätzliches Problem zu sprechen kommen, das es bei solchen Verhandlungen auf europäischer Ebene gibt, nämlich auf den Mangel an Transparenz und öffentlicher Beteiligung.
Bei diesem Freihandelsabkommen geht es um weitreichende Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten, die jeden Bürger Europas direkt betreffen werden. Die Europäische Kommission verhandelt aber im Namen der Mitgliedstaaten hinter verschlossenen Türen und legt am Ende den Parlamenten einen fertigen Vertragstext nach dem Motto „Friss oder stirb“ vor. Das stellt demokratische Prozesse auf den Kopf.
Es ist nicht hinzunehmen, dass finanzkräftige Lobbygruppen über den Stand der Verhandlungen stets gut im Bilde sind und ihren Einfluss geltend machen können, dass aber weder die Zivilgesellschaft noch die meisten Parlamentarier wissen, was genau gerade wo verhandelt wird und wer verhandelt.
Das ist europäische Hinterzimmerpolitik, wie wir sie schon von ACTA kennen, eine Politik an den Parlamenten und Bürgern vorbei. Deswegen fordern wir Piraten in unserem Entschließungsantrag volle Transparenz bei den Verhandlungen über dieses Abkommen. Ein wichtiger Schritt hin zu dieser Transparenz ist die Offenlegung aller Protokolle dieser Verhandlungen.
Darüber hinaus möchten wir erreichen, dass alle relevanten gesellschaftlichen Akteure bei den Vorbereitungen und später bei den Verhandlungen selbst so weit wie möglich informiert und beteiligt werden. Dazu gehören zum einen die demokratisch legitimierten Vertreter der Menschen in diesem Land – also wir alle hier in diesem Parlament – und zum anderen und besonders die einschlägigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, aber selbstverständlich auch die Bürger selbst.
Wir Piraten fordern transparente und nachvollziehbare Verhandlungen, die Raum für eine öffentliche Debatte lassen und eine Beteiligung der Öffentlichkeit schon während der Verhandlungen ermöglichen. Das ist im Sinne des Interesses der Zivilgesellschaft und der parlamentarischen Demokratie des Landes Nordrhein-Westfalen.
Daher bitte ich Sie: Nehmen Sie unseren Entschließungsantrag an. – Herzlichen Dank.
Am Donnerstag, den 16. Mai 2013, sprach ich darüber, dass die Netzneutralität gesetzlich verankert und die Drosselung von Netzzugängen verhindert werden muss. Hierzu haben wir einen Antrag eingereicht, und die Regierungsfraktionen haben einen eigenen Antrag eingereicht, der uns aber nicht weit genug geht – daher haben wir dazu wiederrum einen Änderungsantrag eingereicht. Alle diese Anträge wurden in einer gemeinsamen Debatte behandelt, und in die Ausschüsse überwiesen.
Diese Pressemitteilung haben wir dazu rausgegeben:
Schwerd: „Das heutige freie, offene und gleichberechtigte Internet wird von den Drosselungsplänen der Telekom akut bedroht.“
Die Piratenfraktion im Landtag NRW unterstützt die heutige Demonstration gegen die Drosselpläne der Deutschen Telekom AG vor der Lanxess Arena in Köln. Piratenpartei, Chaos Computer Club, der Arbeitskreis „Vorrat“ und die Aktivistengruppe Anonymus sowie viele weitere Organisationen initiierten die Demo anlässlich der Telekom-Hauptversammlung.
Auf www.change.org wurden 185.000 Unterschriften für eine Petition gesammelt, die sich gegen das Vorhaben der Telekomspitze richtet. Heute besteht auf der Hauptver-sammlung die Möglichkeit, dass die Aktionäre sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden und den Telekom-Vorstand zum Umlenken bewegen.
Die Telekom-Pläne Volumentarife einzuführen, bei denen bestimmte Dienstleistungen (z. B. Produkte wie Spotify, Entertain) nicht angerechnet werden, sind der Anfang vom Ende der Netzneutralität, sagt Daniel Schwerd, Netz- und Medienpolitischer Sprecher der Piratenfraktion: „Zugang zum Netz und die Gleichstellung aller Datenpakete ist eine Frage der Teilhabegerechtigkeit. Die Nutzung des Internets darf nicht vom Einkommen der Bürger abhängig sein. Bisher ist die Chance auf Innovationen bei Internet-Inhalten, Diensten und Anwendungen deshalb so groß, weil alle User solche Innovationen entwickeln konnten.“
Die Piraten im Landtag NRW haben einen entsprechenden politischen Antrag verfasst, der parallel zur Demo heute im Landtag NRW behandelt und in die zuständigen Ausschüsse zur weiteren Beratung verwiesen wurde. Schwerd: „Die Drosselung zerstört den freien Wettbewerb im Internet, würgt Innovationen ab und benachteiligt Internetnutzer. Durch das Quasi-Monopol der Telekom bei der Netzinfrastruktur und als ehemaliges Staatsunternehmen gewinnen die Drosselungspläne besonderes Gewicht. Wir brauchen sofort eine gesetzliche Regelung zum Schutz der Netzneutralität. Die Freiheit des Internets steht auf dem Spiel. Deswegen fordern wir, die Netzneutralität fest in der Verfassung zu verankern.“
Hintergrundinfos zur Demo
Lanxess Arena, Willy-Brandt-Platz 2, 50679 Köln / Deutz, 16.05.13 / 16.00 Uhr
Das Wortprotokoll zu dieser Rede (Achtung, es gilt das gesprochene Wort):
Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrtes Publikum! Liebe Netzbürger! Einen besonderen Gruß möchte ich an die Drosselkom-Demonstranten vor der Telekom-Hauptversammlung richten, die uns in diesem Moment zuschauen, die die Kölner Piraten angemeldet haben.
Achtung!! Achtung!! Es steht nichts weniger als die Freiheit im Internet auf dem Spiel …
Die Freiheit des Internets steht auf dem Spiel. Ein ehemaliger Staatskonzern und aktueller Quasi-Monopolist der Netzinfrastruktur hat sich daran gemacht, das freie, offene und gleichberechtigte Internet, so wie wir das heute kennen, schlichtweg abzuschaffen.
Die gesamte Problematik der Telekom-Drossel lässt sich unter dem Begriff Netzneutralität zusammenfassen. Netzneutralität ist das zentrale Prinzip, nachdem das Internet bislang funktioniert. Alle Datenpakete im Internet sollen gleich behandelt werden.
Das hört sich jetzt nicht so problematisch an? Ich möchte deshalb gern veranschaulichen, was passiert, wenn dieses Prinzip verletzt wird.
Übrigens: Danke an Herrn Vogt für den Vergleich mit der Autobahn. Ich meine, mich dunkel zu erinnern, das in einem Blog eines Fraktionskollegen schon gelesen zu haben. Na ja, ab 1. August kostet es dank des Leistungsschutzrechtes Geld.
Zurück zu dem Beispiel: Stellen Sie sich vor, Ihr Stromversorger schließt einen Vertrag mit RTL II ab. Sie können diesen Sender solange sehen, wie Sie wollen, aber wenn Sie andere Programme sehen wollen oder das öffentlich-rechtliche Programm, dann wird Ihrem TV-Gerät nach 30 Stunden der Strom abgedreht.
Ihr Stromversorger macht den anderen Sendern großzügig ein Angebot, dass diese nicht ablehnen können. Durch Zahlung eines Schutzgeldes können Sie sich ebenfalls von dieser Sperre befreien.
Das klingt absurd? – Genau das sind aber die Pläne der Deutschen Telekom.
Nach dem Verbrauch eines Inklusivvolumens soll der Netzzugang so weit gedrosselt werden, dass er quasi unbenutzbar wird. Denn da sind ganz wesentliche Dienste der Echtzeitkommunikation, des Videos und des Audio Screenings nicht mehr aufrufbar. Selbst das normale Surfen ist so langsam, dass der Seitenaufbau Minuten in Anspruch nimmt. Damit ist der Netzzugang funktional kaputt.
Das Entscheidende ist: Die Telekom möchte bestimmte Dienste von dieser Drosselung ausnehmen, etwa den firmeneigenen TV-Dienst „Entertain“. Wettbewerber schauen in die Röhre, oder sie sind so genannte Partner, haben also Lösegeld an die Telekom gezahlt. Dann sind sie ebenfalls von dieser Drosselung ausgenommen. Die Folgen sind verheerend: Kleine innovative Anbieter, nichtkommerzielle Projekte und private Webseiten haben das Nachsehen und fallen unter die Drosselung.
Finanziell starke Konzerne können sich von dieser Drosselung freikaufen. Das ist der Einstieg in das Zwei-Klassen-Internet. Google, YouTube und Bild online: immer zu empfangen. Abgeordnetenwatch, netzpolitik.org, der Pottblog oder vielleicht auch einfach die Webseite Ihrer Partei bleiben außen vor.
Die Bevorzugung von Diensten kann aber nur mit der Deep Packet Inspection stattfinden. Und das ist ein eklatanter Bruch des Fernmeldegeheimnisses, meine Damen und Herren. Blicken Sie bitte in § 88 Telekommunikationsgesetz.
Zusätzlich plant die Telekom, ihren Kunden einen Aufpreis von 20 € dafür abzunehmen, einen ungedrosselten Zugang zu bekommen. Das ist keine Lösung des Problems, sondern doppelte Abzocke. Zuerst verkauft man den Privatkunden ein Produkt, das faktisch defekt ist, und kassiert gleichzeitig von denjenigen Diensten ab, die sich von dieser Drosselung freikaufen wollen. Dann verlangt man auch noch einen Aufpreis von den Privatkunden, die ein unzensiertes Internet haben wollen. Das ist ungeheuerlich.
Das Argument der Telekom, die Drosselung sei nötig, um den von sogenannten Vielnutzern verursachten Traffic zu bewältigen, ist falsch und vorgeschoben. Tatsächlich sind Backbone-Kapazitäten immer noch im Überfluss vorhanden und machen für die gesamten kalkulierten Kosten eines Internetzugangs nur wenige Cent aus. Es handelt sich vielmehr um den Versuch der Telekom-Chefetage, Netzbürger, also die Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt im Netz haben, als „Vielnutzer“ gegenüber den vermeintlichen „Normalnutzern“ auszuspielen. Das stellt eine öffentliche Diskriminierung dar. Die Spaltung zwischen Digital Natives und Besuchern im Internet wird so von der falschen Seite her geschlossen.
Wir Piraten und die Regierungsfraktionen sind uns einig, dass Netzneutralität gesetzlich festgeschrieben werden muss. Unser Antrag geht jedoch noch über den von Rot-Grün hinaus. Wir haben erstens eine Reihe von technischen Anforderungen formuliert, um eine gesetzliche Festlegung der Netzneutralität bürgerfreundlich und effektiv zu gestalten. Zweitens wollen wir das Recht auf netzneutralen Internetzugang in der Verfassung verankern.
Wir hoffen, unsere Änderungsvorschläge finden Ihre Zustimmung. Es geht um viel: Die Freiheit des Internets steht auf dem Spiel. Für ein echtes Netz! – Herzlichen Dank.
Heute stand mal wieder ein Schulbesuch im Namen des Landtagspräsidiums auf dem Programm. Hier eine kurze Zusammenfassung von Frau Dietsch:
Wo gibt’s den Landtag, warum gibt es ihn und was wird dort gemacht – das erfuhren im Forum des frisch renovierten Schulkomplexes die Schüler/innen der Sozialwissenschafts-Kurse der Jahrgangsstufen 9 und 10 heute (24.5.2013) aus erster Hand. Landtagsvizepräsident Daniel Düngel kam, begleitet von Wuppertals Schuldezernent Matthias Nocke, zu Besuch. Die 15- bis 16-Jährigen hatten besonders viele persönliche Fragen an ihn: „War Ihre Familie einverstanden, dass Sie Politiker wurden?“ fragten sie beispielsweise oder „Wie wohnen Sie?“ und „Was ist, wenn Ihre Kinder eine andere Partei wählen wollen als ihre?“
Aber auch über die Abgeordneten der anderen Fraktionen wollten die Schüler alles ganz genau wissen: „Gibt es tätowierte und gepiercte Abgeordnete? Gibt es schwule Abgeordnete? Gibt es Abgeordnete mit Behinderung? Gibt es Abgeordnete mit Migrationshintergrund? Muss man immer Anzug tragen?“
Die Antworten eröffneten den Jugendlichen ganz neue Perspektiven: „Cool, dann kann ich das ja auch werden“, sagten sie. Begeisterung löste die Antwort auf die Frage aus, welchen Schulabschluss man brauche: gar keinen. Das konnten die anwesenden Lehrerinnen aber nicht so stehen lassen und sie hakten nach: Welche Voraussetzungen man denn mitbringen müsse? „ Man muss gerne und ganz viel lesen“, antwortete der Vizepräsident, „und ein Beruf ist natürlich sinnvoll, falls man nicht wiedergewählt wird.“
Schuldezernent Matthias Nocke, Vizepräsident Daniel Düngel und Lehrerin Manuela Albrecht umringt von den Sowi-Kursen.
Folgende Kleine Anfrage habe ich heute mit Michele und Grumpy an die Landesregierung geschickt:
Laut § 88 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen sollen Abgeordnete durch Kleine Anfragen Auskünfte einholen können. In jüngster Vergangenheit sind die Antworten auf die kleinen Anfragen weniger informativ. Da wir nicht davon ausgehen, dass dem Parlament gezielt Informationen vorenthalten werden sollen, entsteht der Eindruck, dass die Landesregierung offenbar selbst mit Informationsdefiziten zu kämpfen hat.
Im Jahr 2008 scheint ein ähnliches Problem vorgelegen zu haben, da der Landtagsabgeordnete Reiner Priggen im Organstreitverfahren gegen die Landesregierung teilweise erfolgreich war. In der Urteilsbegründung hieß es, der verfassungsrechtliche Status des Abgeordneten umfasse einen grundsätzlichen Anspruch auf vollständige und zutreffende Beantwortung von parlamentarischen Anfragen.
Auf die letzte Frage in der Antwort auf die kleine Anfrage mit der Nummer 1086 antwortete die Landesregierung, die Zuständigkeit läge nicht beim Ministerium sondern beim kommunalen Jugendamt. Daher lägen der Landesregierung auch keine Informationen vor. Dass der Landesregierung keine Informationen vorliegen, weil die Planungs- und Entscheidungskompetenz bei den Kommunen liegt, ist erstaunlich häufig der Fall. Ähnliche Begrün-dungen für mangelnde Beantwortung von Fragen finden sich in den Antworten auf viele kleine Anfragen.
Auch bei der Kindertagespflege sieht der Informationsstand der Landeregierung nicht viel besser aus: „Die Kindertagespflege obliegt in der Organisation und Konzeption den örtlichen Jugendämtern. Statistische Daten über Betreuungszeiten in der Kindertagespflege liegen der Landesregierung daher nur in Form der amtlichen Statistik vor.“(Drucksache 16/1684) In diesem Fall ist scheinbar wenigstens durch die verpflichtende Meldung der Jugendämter ein Mindestinformationsstand der Landesregierung vorauszusetzen.
In der Fragestunde der 25. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen am 21.März 2013 antwortete Ministerin Schäfer auf die Frage ob mit der Erreichung der Platzzahlen auch der Bedarf der Eltern gedeckt sei, dass die kommunalen Jugendämter die Bedarfe ermitteln und nicht das Land. Ob der Bedarf gedeckt sei, könne die Ministerin nicht sagen. Leider scheint hier die Informationsweiterleitung zu stocken. Dabei sitzt die Landesregierung immer beim Krippengipfel mit allen Beteiligten an einem Tisch und redet mit Ihnen, worauf die Ministerin oft und gern verweist. Es ist bei den vielen Nichtauskünften wohl eher zu vermuten, dass hierbei die Betonung auf „an einen Tisch holen“, statt „mit Ihnen reden“ liegt. (vgl. Plenarprotokoll 16/25, Seite 2136)
Aus unserer Sicht zeigt sich eine erstaunliche Kausalität zwischen kommunaler Selbstverwaltung und mangelndem Informationsstand des Ministeriums.
Um den Informationswillen des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport besser einschätzen zu können, fragen wir die Landesregierung:
1. Hat das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport Zuständigkeitsbereiche?
2. Welche Zuständigkeitsbereiche sind das?
3. Liegen der Landesregierung in den genannten Zuständigkeitsbereichen auch Informa-tionen vor?
4. In welcher Form liegen dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport die Informationen in den einzelnen Zuständigkeitsbereichen vor?
5. Über welche Zuständigkeitsbereiche ist das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport auch gewillt, ehrliche Auskunft zu erteilen?
Steuerungsgruppe “Landesaktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen in NRW” am 23.05.2013
Schwerpunkt: Gewalt und Gesundheit
Welchen Beitrag kann das Gesundheitswesen/-system leisten, um
Gewalt zu erkennen
angemessene Hilfe zu leisten
den gesundheitlichen Folgen von Gewalt entgegen zu wirken?
Hierzu gab es mehrere Impulsreferate:
Frau Ministerin B. Steffens:
Ärzte nähmen oft nicht wahr, dass Gewalt als Ursache einer Verletzung zu Grunde liegt und behandeln mitunter nur die unmittelbare Verletzung.
Folgen von Gewalterfahrungen (einschließlich Depressionen, selbstverletzendem Verhalten, Suizidgefährdung, Arbeitsunfähigkeit, Schuldzuweisung zu sich selbst etc.) werden zu wenig berücksichtigt.
Ziel: Mehr Vernetzung von Akteuren (Ärzten, von Gewalt Betroffenen, Frauenhäusern, Politiker*innen, Projekten etc.), aber auch wichtig: Breite Aufklärung und Diskussion in der Gesellschaft notwendig.
Universität Osnabrück:
Gewalt gegen Frauen und Mädchen – Versorgungsbedarf
22 Prozent aller Frauen erleben im Laufe ihres Lebens Gewalt in einer Ausprägung, die Folgen für ihre Gesundheit hat
(Bei nur 7 Prozent wurde das ärztlich erkannt.)
Problem auf der Seite der Behandelnden:
Oft fehlt in der Ausbildung eine entsprechende Qualifikation zum Erkennen von Gewalt.
Außerdem gibt es auf Seiten der Ärzten kaum Kenntnis über das Unterstützungssystem.
Auf Seiten der Betroffenen:
Angst, dass Gewalt “öffentlich” wird und vor neuer Gewalt durch den Täter
Wege zur Verbesserung:
Sensibilisierung der Anbieter*innen von gesundheitlicher und psychosozialer Behandlung
(Aus- und Fortbildung)
Infobroschüren
Aus- und Aufbau von regionalen Kooperationsnetzwerken
Ausbau von psychotherapeutischer Versorgung
Stärkung der Rechte von Patientinnen
Die lange Fassung findet sich z.B. in diesem Gutachten:
Interessant:
Rate der Identifikation eines Gewaltopfers:
1-5 pro Quartal (vor der Fortbildung)
16-102 pro Quartal (danach)
Wichtig:
Fortbildungen werden von Ärzt*innen nur angenommen, wenn sie effizient und machbar sind (also mit Rollenspielen, praktischen Erfahrungen, im Alltag anwendbar, Kontakt für später bei Unsicherheit)
Weiterhin wurde diskutiert, was für eine stärkere Verzahnung des Gesundheitssystems mit den Hilfestrukturen im Gewaltbereich spricht (um Gewalt zu erkennen, angemessene Hilfe zu leisten und den gesundheitlichen Folgen von Gewalt entgegenzuwirken). Hierbei wurde deutlich, dass es noch ein großes Gefälle gibt bezüglich der Versorgung in den Städten und auf dem Land. Außerdem wird Standardisierung gefordert (damit gute Versorgung nicht von dem Engagement einzelner Menschen abhängig ist).
Gutes Beispiel eines Miniflyers fürs Portemonnaie: http://www.duesseldorf.de/gleichstellung/download/minifaltblatt.pdf
(Leider finde ich auf Anhieb nicht die neu aufgelegte Fassung von 2012 online)
Nach der Pause ging es dann weiter in Kleingruppen mit zwei Fragen:
Was kann ich selbst tun?
Was empfiehlt die (durch Gesundheitsexperten) erweiterte Steuerungsgruppe für den Landesaktionsplan?
Unsere Kleingruppe hat dabei folgende Empfehlungen erarbeitet:
Standardisierte Systematik
Beauftragung in jeder Klinik für Öffentlichkeitsarbeit (standardisierte Flyer, Plakate etc. in Toiletten etc.)
Opferschutzgruppen in jeder Klinik (besetzt mit Ärzt*innen, Sozialpädagog*innen, Psycholog*innen, Pfleger*innen), analog der Kinderschutzgruppe in manchen Kliniken
Fortbildungspunkte für Fortbildungen in dem Bereich als Anreiz höher setzen
Weitere gute Vorschläge:
Prävention in Schulen erweitern
Forschung erweitern (Datenbasis teilweise zu gering)
Gewalt als Thema in mehr Fortbildungen als Querschnittsthema einbinden
Arzthelfer*innen einbeziehen
Niedrigschwellige Angebote (Ärzt*innen gehen offensichtlich eher zu Fortbildungen, die nicht so sehr die “Komfortzonen” verlassen und Gewalt ist ein aufwühlendes, auch für Ärzt*innen schwieriges Thema, was gerne ausgeblendet wird)
Thema bei Ärzt*innenstammtischen ansprechen (ebenso Qualitätszirkel)
Abrechnungsfähigkeit verbessern (zum Beispiel im Bereich der Befunddokumentation)
Stoffsammlung
bei Öffentlichkeitsarbeit keine einmalige Kampagne, sondern dauerhaft
Persönlich: Ärzt*innen ansprechen auf das Thema
In der nächsten Sitzung der Steuerungsgruppe wird es um Prävention gehen.
Heute hatten wir im Landtag ein Gespräch mit engagierten Menschen vom Sozialverein für Lesben und Schwulen (http://www.svls.de/) und mehreren Mitgliedern der Fraktion.
Es ging in weiten Teilen um deren Modellprojekt zum Ausbau der les- bi- schwulen Jugendarbeit. Hierbei wurde betont, dass gerade für Jugendliche das Thema schwierig und belastend ist und niedrigschwellige Angebote dringend notwendig. (Homosexuelle Jugendliche sind sehr häufig verschiedensten Arten von Diskriminierung ausgesetzt und haben ein deutlich höheres Selbstmordrisiko.) Wer sich hier einlesen möchte: Befragung von Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe zur Sitaution von lesbischen, schwulen und transgender Kindern, Jugendlichen und Eltern in München: http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Direktorium/Koordinierungsstelle-fuer-gleichgeschlechtliche-Lebensweisen/Jugendliche-Lesben-und-Schwule/Befragung.html
(Großstadt! Auf dem Land ist die Situation noch wesentlich schwieriger für betroffene Jugendliche.)
Ich habe danach überlegt, was ich zum Thema schreiben könnte. (Irgendwie habe ich die Sorge, es könnte anmaßend sein, über so ein sensibles Thema zu schreiben, bei dem ich gar nicht unmittelbar selbst betroffen bin. Ich habe also entschieden, dass ich es mit meiner Sicht auf 10 Jahre Tätigkeit als Lehrerin (und einige Jahre als Beratungslehrerin) versuche.)
Natürlich ist Homosexualität auch in Schule ein Thema. Ich vermute allerdings, dass die Jugendlichen, die ich als offen homosexuell lebend kennen gelernt habe, ihre Kämpfe damit bereits ausgefochten hatten, als sie zu uns ans Berufskolleg kamen. Dann sind sie so ab 15-17 Jahre alt. Die meiste Auseinandersetzung mit eigener sexueller Identität findet früher statt, also in der Sekundarstufe I. (Ich fände diesbezüglich einen Austausch mit Lehrer*innen dieser Schulstufe sehr spannend, was Projekte zum Thema oder Initiativen gegen Homophobie angeht.)
Trotzdem sind alle Fragen der Sexualität natürlich auch mit 17 noch spannend in Diskussionen und so bekommt gerade eine Deutschlehrerin recht viel mit in dieser Hinsicht, zum Beispiel über Polyamorie (wegen Brecht, der mehrere Frauen hatte und diese auch voneinander wussten). Diskussionen über Selbstmord (irgendwie haben sich in der Zeit des Expressionismus viele Dichter umgebracht (wenn sie nicht im Krieg oder durch Unfall starben), über Sadismus (Die Verwirrungen des Zöglings Törleß) usw.
(Zu Musil gab es übrigens kurz vor meiner Zeit an der Schule mal Eltern, die sich darüber beschwert hatten, dass wir es in der Schule gelesen haben….) “Wollten Sie übrigens die Stunden der Erniedrigung zählen, die überhaupt von jeder großen Leidenschaft der Seele eingebrannt werden? Denken Sie nur an die Stunden der absichtlichen Demütigung in der Liebe! Diese entrückten Stunden, zu denen sich Liebende über gewisse tiefe Brunnen neigen oder einander das Ohr ans Herz legen, ob sie nicht drinnen die Krallen der großen, unruhigen Katzen ungeduldig an den Kerkerwänden hören? Nur um sich zittern zu fühlen! Nur um über ihr Alleinsein oberhalb dieser dunklen, brandmarkenden Tiefen zu erschrecken! Nur um jäh– in der Angst der Einsamkeit mit diesen düsteren Kräften – sich ganz ineinander zu flüchten!” (Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (mittlerweile frei verfügbar: http://gutenberg.spiegel.de/buch/6905/1)
Und von Brecht gibt es Gedichte, an die ich mich auch nicht getraut habe (für den Unterricht…)
Ach. Deutschlehrerin. Ich schweife ab (wenn Sprache so emotional und so schön ist…)
Ich glaube, DAS Werk, was all diese Fragen spannend und aufwühlend inszeniert, ist Frühlings Erwachen von Wedekind (http://gutenberg.spiegel.de/buch/2611/1). Bei keinem Werk waren die Diskussionen so erbittert. Wedenkind hat in diesem großartigen, teilweise auch satirischen Stück (was man sich auch prima mal auf der Bühne ansehen kann) die zu seiner Zeit (1891) vorherrschende von Tabuisierung geprägte Sexualmoral. Außerdem geht es um den in den Schulen unmenschlichen Druck, der einen der Charaktere (Moritz) in den Selbstmord treibt, als er nicht versetzt wird. Was Themen der sexuellen Orientierung angeht, erreicht Wedekind eine ungewohnte Bandbreite: Sadomasochismus (Wendla bittet Melchior, sie zu schlagen), Abtreibung (Wendla stirbt bei der Abtreibung. Sie war ungewollt schwanger geworden beim Sex mit Melchior), Masturbation (Hänschen vernichtet die Reproduktion eines erotischen Kunstwerkes wegen seines schlechten Gewissens) und natürlich auch Homosexualität (Hänschen und Ernst). Für Melchior geht die ganze Geschichte immerhin gut aus. Zunächst will er auf dem Friedhof dem Beispiel seines Freundes Moritz folgen, weil er sich schuldig fühlt am Tod von Wendla. Der vermummte Herr (als deus ex machina) rettet ihn, indem er ihn zum Leben überredet.
(“Unter Moral verstehe ich das reelle Produkt zweier imaginärer Größen. Die imaginären Größen sind Sollen und Wollen. Das Produkt heißt Moral und läßt sich in seiner Realität nicht leugnen.” (Dritter Akt, Siebente Szene))
Während Homosexualität (nach meiner Erfahrung) von vielen Schüler*innen (gerade in “höheren” Bildungsgängen) bereits als etwas Normales angesehen wird, waren die Gespräche nach meiner Erfahrung am Erbittertsten bei der Szene, die sadomasochistische Praktiken andeutet (“Das ist ja pervers”). Ich war naiv davon ausgegangen, dass sämtliche Praktiken heute im Fernsehen bereits gezeigt wurden und da kein Toleranzproblem für konsensuales Ausleben mehr besteht. Das ist aber scheinbar nicht so und hat mich an der Stelle überrascht. Ebenfalls kontrovers sind Diskussionen über Prostitution und Pornographie zum Beispiel.
Ich vermute durchaus, dass es auch heute noch vielen Schüler*innen und Lehrer*innen (!) schwer fällt, solche Themen einigermaßen entspannt zu besprechen. Ich schätze, hier ist gerade im Sinne von Arbeit für mehr Toleranz noch viel Aufklärung notwendig.
Bei den Überlegungen zu dem Thema ist mir zudem aufgefallen, dass es ausgesprochen wenige offen homosexuell lebende Lehrer*innen gibt. Das scheint (aus meiner Erfahrung bei Männern stärker als bei Frauen) weiterhin ein Tabuthema zu sein. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Offenheit bei Lehrer*innen zwar sicher auch Angriffspunkt sein kann, jedoch auch Hilfe für Schüler*innen darstellen könnte, dies als etwas vollkommen Normales zu erleben und damit den Boden für Mobbing und Angriffe zu entziehen.
Um Dinge voranzubringen, braucht es nicht immer einen förmlichen Beschluss des Parlaments. Mit unserem Antrag „Freie Lernmaterialien fördern!“ haben wir eine Menge bewegt, auch wenn die Kollegen der anderen Fraktionen vergangene Woche im Plenum dem Antrag nicht zugestimmt haben.