Mittwoch, 28. Januar 2015
TOP 2. Hausärztliche Versorgung in allen Landesteilen sicherstellen
Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache 16/3232
in Verbindung damit
Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/5491
Unser Redner: Oliver Bayer
Abstimmungsempfehlung: Enthaltung
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Protokoll der Rede von Oliver Bayer
Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Liebe Patienten! Die hier zugrunde liegende Frage lautet: Wird es in Zukunft noch ausreichend Hausärzte geben, können Bernd und Berta auch in 25 Jahren noch in Beelen oder in Everswinkel einen Hausarzt aufsuchen, oder wird die hausärztliche Versorgung ausschließlich in Städten möglich sein?
Auf diese Frage müssen wir Antworten und Lösungen finden. Dabei geht es um Gestaltung der Arbeitszeiten, den Bürokratieabbau, die sektorenübergreifende Zusammenarbeit, die Weiterbildung, das Studium, die Verminderung des Regressrisikos. Wir werden die Herausforderungen der demografischen Entwicklung nur meistern, wenn wir an mehreren Schrauben gleichzeitig drehen. So viel ist klar.
(Ministerin Barbara Steffens: Genau!)
Neben der Ausbildung von mehr Allgemeinmedizinern müssen wir zum Beispiel auch die weichen Faktoren berücksichtigen.
Die Kommunen und Landkreise müssen ein Umfeld schaffen, das für die Familien von Ärzten attraktiv ist: Wohnraum, Schulen, Kindergärten, Freizeitaktivitäten. Denn wieso soll sich ein junger Arzt in einer kleinen Gemeinde niederlassen, wenn zum Beispiel das Kind dort nicht einmal weiterhin zum Gymnasium gehen kann. Die 50.000-€ Förderung für die Übernahme eines Arztsitzes ist keine Garantie dafür, dass in Zukunft Allgemeinmediziner von der Stadt zurück aufs Land ziehen. Ein praktizierender Hausarzt sagte in der Anhörung im Mai 2014 so lange ist es schon her dazu ich zitiere :
„Es wäre falsch, Ärzte aus irgendwelchen städtischen MVZs mit finanziellen oder strukturellen Anreizen abwerben zu wollen. Man muss unten anfangen. Die Aus- und Weiterbildung ist der Schlüssel. Leute wie mich, die 50 Jahre alt sind, eine Frau und Kinder haben, kann man auch mit 50.000 € nicht mehr zum Wohnortwechsel bewegen.“
Wir halten also fest: Finanzielle Anreize sind nicht handlungsleitend für die Niederlassung eines Arztes. Ausschlaggebend für die Entscheidung einer Niederlassung sind vielmehr familiäres Umfeld, Lebensperspektive für den Lebenspartner und Kindererziehungsmöglichkeiten.
Sowohl für die Ärzte als auch für die Patienten ist es außerdem von hoher Bedeutung, wie die Mobilität in 25 Jahren im ländlichen Raum organisiert ist. Wenn Menschen, die in ihrer individuellen Mobilität eingeschränkt sind, nicht einmal einen Bus oder ein Taxi zum Arzt nutzen können, wird das Problem sogar noch potenziert.
Uns liegen mittlerweile drei Anträge vor. In den ersten beiden Anträgen steht unserer Meinung nach viel Wichtiges und Richtiges, wie man so schön sagt. Die CDU legt den Schwerpunkt eher auf die Ausbildung der Allgemeinmediziner mit verschiedenen Hilfsprogrammen, Anreizen und die Gründung einer Medizinischen Fakultät in Ostwestfalen-Lippe. Zu der habe ich 2012 schon geredet. Im rot-grünen Entschließungsantrag werden zahlreiche Maßnahmen aufgelistet, die aber die Regierung bereits umsetzt. Ich sage nicht, dass alles, was darin steht, falsch ist. Aber die zentrale Aussage des Antrags ist: Weiter so! Man kann einmal das Wort „weiter“ in dem Beschlussteil des Antrags zählen. Da kommt man auf eine ganze Menge.
Wir sind der Meinung, dass in ländlichen Regionen mit Unterversorgung auch das Modell „Mobile Arztpraxen“ und die Anstellung von Ärzten durch die Kommunen eine sinnvolle Ergänzung sind. Wir sehen die Trägervielfalt öffentliche, frei gemeinnützige und private Träger als Anreiz für einen Wettbewerb um die Versorgungsqualität. Hier muss eine Konkretisierung des Bundesgesetzes erfolgen, sodass die Akteure stärker in die Pflicht genommen werden können. Denn in der Anhörung haben wir feststellen müssen, dass ein freiwilliges Engagement nicht automatisch erfolgen wird.
Ich möchte mit einem Appell zum Schluss kommen. Wir sprechen die ganze Zeit von Herausforderungen, die nur scheinbar weit in der Zukunft liegen. Wir reden über Strukturen, die wir jetzt schaffen müssen. „Fünf vor zwölf“ wurde gesagt. Diese Strukturen sind nicht nur für Opa Bernd oder Oma Berta in 25 Jahren, sondern für alle Menschen, die in 25 Jahren einen Hausarzt im ländlichen Raum brauchen. Auch wir sind es, die in 50 Jahren davon profitieren werden oder eben nicht.
Sie wissen, wie es läuft: Die beste Versorgung für unseren Körper ist eine gesunde Lebensweise. Also sorgen Sie vor! Prävention wird Ihnen ein Vielfaches mehr an Vergnügen bereiten als der tägliche Hausarztbesuch.
Für den FDP-Antrag empfehle ich vor allem aus hochschulpolitischer Sicht Punkt 1 die Ablehnung und für die anderen beiden Anträge die Enthaltung. Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)