Veröffentlicht am von in Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie (A10), Joachim Paul, Reden.

Donnerstag, 11. September 2014

Top 1. Hochschulzukunftsgesetz (HZG NRW)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/5410

 

in Verbindung damit

Wissenschaftsgesetz (WissG NRW)

Gesetzentwurf der Fraktion der PIRATEN

Drucksache 16/5747

Unser 1. Redner: Joachim Paul

Abstimmungsempfehlungen:

FDP-Änderungsantrag: Ablehnung

Hochschulzukunftsgesetz (HZG NRW): Ablehnung

Wissenschaftsgesetz (WissG NRW): Zustimmung

Audiomitschnitt der Rede von Joachim Paul als Download

Videomitschnitt der kompletten Debatte (die Rede von Joachim Paul ab ca. 41:40 m) :

Protokoll der Rede von Joachim Paul

Präsidentin Carina Gödecke: Danke, Frau Kollegin Freimuth.  Für die Piraten spricht Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Raum und zu Hause! Herr Dr. Berger, den Begriff „intellektuelle Defensive“ aus Ihrem Mund zu hören, das war das Sahnehäubchen für meinen Tag.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das nur einmal am Rand.  Es gibt aber auch keinen Grund, hier jetzt groß zu feiern. Insofern muss ich Herrn Berger in dem einen Punkt recht geben; denn dieses Gesetz wird heute beschlossen werden. Wir haben genau dieselbe Kritik. Es fängt damit an, dass der Begriff „Hochschulzukunftsgesetz“ sich selbst nicht gerecht wird, weil er mit Zukunft und Vision nicht das Geringste zu tun hat. Es ist die Chance vertan worden, falsche Steuerungen von Hochschulen durch das Hochschulfreiheitsgesetz zu beenden. Man ist vor den Interessen einer zugegeben starken Deregulationslobby eingeknickt, die immer noch einer bestimmten Doktrin, nämlich „Privat vor Staat“, hinterherrennt.

Ich möchte einmal etwas Grundsätzliches sagen. Die Debatte zum Thema „Hochschule“, die hier geführt worden ist, wurde auf der Hintergrundfolie eines ganz bestimmten Verständnisses vom Verhältnis von Privat und Staat geführt. Dieses Verständnis stammt aus der Industriegesellschaft. Das wird in der Informations- und Wissensgesellschaft nicht mehr funktionieren.

Es gibt in Ihrem Hochschulfreiheitsgesetz gute Elemente. Da gab es auf der einen Seite das Entlassen in Körperschaften, auf der anderen Seite aber  ohne jede demokratische Kontrolle  die Regulierung der Prozesse in Hochschulen durch Externe. Außerdem haben wir jetzt wieder Eingriffe in die Studierendenwerke. Das alles ist wirklich nicht so prickelig.

Vor allem muss man sagen: Die Erfolge der Hochschulen sind nicht die Erfolge der Hochschulleitungen, als die sie hier immer wieder von allen Seiten verkauft werden. Die Leitungen sind gar nicht dafür verantwortlich. Es sind die Lehrenden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Studierenden selbst. Dabei geht es natürlich um sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Hochschule, die diese Leistung vollbracht haben. Das, Frau Ministerpräsidentin, redet hier auch niemand schlecht. Das wird von der Politik bzw. von Landes- und Bundesparlament unterstützt, welche die finanziellen Ressourcen  das ist auch eine Menge Geld  bereitstellen. Dafür können wir uns alle loben. Was dann aber nachher daraus wird im Rahmen des Hochschulzukunftsgesetzes, ist mehr als fraglich.

Aus der Souveränität der Rolle des Gesetzgebers haben die regierungstragenden Fraktionen nichts gemacht. Der hier vorliegende Entwurf ist nicht innovativ und zukunftsweisend. Es ist ausschließlich  so kommt uns das vor  wie so oft eine Abrechnung mit der schwarz-gelben Regierungszeit. Wenn man damit aber abrechnet, kann man das auch gründlich tun.

Eine Bemerkung möchte ich an den Kollegen Abel richten, der hier in schöner „There is no business like showbusiness“-Manier versucht hat, unseren eigenen eingebrachten Gesetzentwurf zu diskreditieren. Er hat uns nämlich vorgeworfen, dass wir 45 % unseres Entwurfes aus dem Hochschulgesetzentwurf abgeschrieben haben. Das ist offensichtlich richtig. Beleuchtet man aber das Hochschulzukunftsgesetz im Vergleich zu dem Hochschulfreiheitsgesetz, muss man feststellen: Sie haben 60 % abgeschrieben, und das sind auch noch die schlechten 60 %.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie halten  das haben wir immer wieder gesagt; das ist vor der Hintergrundfolie des Verhältnisses von Privat und Staat zu sehen  an der Rolle der Hochschulräte fest. Das ist  man kann es wirklich nicht oft genug sagen  ein Schlag ins Gesicht der Lehrenden, der Professorinnen und Professoren, an den Hochschulen. Herr Berger wird wahrscheinlich wieder aufschreien und sagen, dass 80 % der Mitglieder der Hochschulräte Professoren sind. Die Denkweise der Hochschulräte in der Anhörung zum Hochschulzukunftsgesetz hat aber deutlich gezeigt, dass die Konstruktion insgesamt wirklich demokratiefeindlich ist. Das ist für uns noch einmal belegt worden. Die Hochschulräte verhalten sich eher elitär und partikularinteressengesteuert. Ich zitiere aus dem Anhörungsprotokoll:

„Der Senat ist, wenn Sie so wollen, der ‚Gesetzgeber der Hochschule‘. Er hat dort alle Kompetenzen. Das Rektorat ist, wenn man so will, die ‚Regierung‘, ist der operativ Verantwortliche der Hochschule. Der Hochschulrat ist derjenige, der für die wirtschaftliche Entwicklung, nämlich für den Wirtschaftsplan, für die Kontrolle des Rektorats und für die strategische Beratung verantwortlich ist.“

An der Stelle muss man sagen: Die Hochschulräte haben, was die demokratische Gewaltenteilung angeht, im Politikunterricht offensichtlich geschlafen.

Bleiben wir in diesem Bild, dann ist der Hochschulsenat so etwas wie das Parlament hier. Dann werden die klassischen Parlamentsrechte wie Gesetzgebung, Grundordnung, Satzung usw. tatsächlich vom Senat ausgeführt, die Kontrolle der Regierung, also des Rektorats, aber nicht vom Parlament, sondern mindestens zur Hälfte oder gänzlich von Externen. Das hat mit Demokratie überhaupt nichts zu tun.

(Beifall von den PIRATEN)

Hinzu kommt, dass das Königsrecht eines Parlaments  wenn man in diesem Bild bleibt , des Senats in dem Fall, der Haushaltsplan, in diesem Fall der Wirtschaftsplan, auch nicht im Senat beschlossen wird, sondern ebenfalls in einem demokratisch nicht legitimiertem Gremium. Das war ein klassisches Eigentor der Hochschulräte, das sie sich in der Anhörung geleistet haben.

Ich mache jetzt mal Schluss. Den Rest habe ich gestern schon erzählt, und es ist alles schon x-mal erzählt worden. Ich rate meiner Fraktion: Alles, was nicht von uns kommt, ablehnen.  Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN  Zurufe von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Paul.  Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze.

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